Antisemitismus scheint auch in der heutigen Zeit tief in der Gesellschaft verankert. Studien wie die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die Leipziger Autoritarismus-Studie oder die Antisemitismus-Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld zeigen, wie stark judenfeindliche Haltungen bei Jugendlichen in Deutschland verbreitet sind. An der Universität Siegen haben sich Studierende und Lehrende zum Ziel gesetzt, genau diesem Phänomen entgegenzuwirken – und das mit einem anderen Ansatz als üblich: mit Comics.
Comics statt klassischer Literatur?
Im jetzigen Wintersemester startet an der Universität Siegen ein Projekt mit dem Titel „Learning about the Shoah Through Narrative Art and Visual Storytelling“. Das Vorhaben, das aus dem Zukunftsfonds NRW gefördert wird, setzt auf Comics und Graphic Novels, um jungen Menschen die Geschichte des Holocausts näherzubringen. Amerikanistik-Professor Daniel Stein, einer der Projektverantwortlichen, ist überzeugt, dass Comics eine wichtige Rolle in der Erinnerungsarbeit spielen können. Sie könnten, so Stein, eine „emotionale Wirkung“ entfalten, die herkömmliche Literatur oft nicht erreicht.
Bisher war es üblich, im Schulunterricht klassische Werke wie „Das Tagebuch der Anne Frank“ zu behandeln. Doch ob diese traditionellen Zugänge heute noch die gewünschten Effekte erzielen, ist fraglich. Der Direktor des Zentrums für schulpraktische Lehrerausbildung in Siegen, Jens Aspelmeier, sieht in Comics eine wertvolle Ergänzung. In einer zunehmend von visuellem Storytelling geprägten Welt bieten sie einen zeitgemäßen Zugang zur Erinnerungskultur.
Die Notwendigkeit solcher Bildungsmaßnahmen unterstreicht eine aktuelle Studie des NRW-Innenministeriums: Fast die Hälfte der Befragten spricht sich für einen Schlussstrich unter die Auseinandersetzung mit dem Holocaust aus. 24 Prozent zeigen antisemitische Haltungen. Besonders alarmierend: Antisemitismus beginnt oft schon auf dem Schulhof, und das sogar in der Grundschule.
Früh ansetzen im Klassenzimmer
Laut Jana Mikota, Germanistin an der Uni Siegen und Expertin für Kinder- und Jugendliteratur, sei es möglich, das Thema Holocaust auch für jüngere Kinder aufbereitet zu behandeln – etwa durch Bilderbücher. Doch diese Arbeit ist nicht einfach. Die politische Gemengelage, in der Feindbilder wieder salonfähig werden, ist eine besondere Herausforderung. Dennoch sei es gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spannungen wichtiger denn je, die Erinnerung an die Schoah lebendig zu halten. Comics und Graphic Novels könnten hierbei ein entscheidendes Mittel sein.
Quelle: KNA; Universität Siegen