Die neueste Ausgabe der Sinus-Jugendstudie „Wie ticken Jugendliche?“ 2024 bietet einen tiefgehenden Einblick in die Lebenswelten von jungen Menschen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Alle vier Jahre beleuchtet die qualitative Studie Sorgen, Hoffnungen und alltägliche Realitäten der Jugendlichen und zeichnet ein differenziertes Bild ihrer soziokulturellen Verfassung. Die Ergebnisse zeigen, dass die Jugendlichen heutzutage ernster und besorgter sind als je zuvor. Sie bestätigen damit Ergebnisse anderer Studien, wie der Erhebung von Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann „Jugend in Deutschland 2024“. Trotz anhaltender globaler Krisen, den Sorgen, keinen sicheren Arbeitsplatz zu finden, oder der Angst vor einem Leben in Armut, haben viele Jugendliche Strategien entwickelt, um mit den Belastungen umzugehen.
Die Ergebnisse der Studie bieten wichtige Ansatzpunkte für Fachkräfte der Jugendsozialarbeit, um Jugendliche besser begleiten und unterstützen zu können.
Der Übergang von der Schule in den Beruf: Herausforderungen und Hoffnungen der Jugendlichen
Die Sinus-Jugendstudie 2024 beleuchtet ausführlich den Übergang von der Schule in den Beruf, der für Jugendliche eine bedeutende Phase ihres Lebens darstellt. Viele junge Menschen blicken mit gemischten Gefühlen auf den Übergang ins Berufsleben. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten, die durch Krisen wie den Klimawandel, Kriege, Inflation und Energieknappheit verstärkt werden, führen zu erheblichen Zukunftsängsten. Besonders die schwer einschätzbare Dynamik der Migrationsbewegungen und die Zunahme von Rassismus und Diskriminierung tragen zur Verunsicherung bei. Diese Ängste manifestieren sich in der Sorge, keinen sicheren Arbeitsplatz zu finden oder im Beruf nicht erfolgreich zu sein.
Ein wesentlicher Aspekt, der den Übergang von der Schule in den Beruf beeinflusst, ist die Unterstützung durch das soziale Umfeld und institutionelle Rahmenbedingungen. Die Rolle von Schulen, Berufsberatungsstellen und Ausbildungsinstitutionen ist hierbei entscheidend. Jugendliche, die eine klare Orientierung und Unterstützung erfahren, fühlen sich besser auf die Herausforderungen des Berufslebens vorbereitet. Hierzu gehört auch die Integration digitaler Medien und Kompetenzen in den Schulalltag, die von vielen Jugendlichen als unzureichend empfunden wird. Eine bessere Vorbereitung auf die digitalisierte Arbeitswelt ist ein häufig geäußerter Wunsch.
Auch die Angst vor Armut prägt Jugendliche
Die Sinus-Jugendstudie 2024 wirft ebenfalls ein Licht auf die Ängste der Jugendlichen, insbesondere die Angst vor Armut. Diese Sorge spiegelt die Unsicherheit und die Herausforderungen, denen die junge Generation in einer sich ständig wandelnden Welt gegenübersteht. Der Studie zufolge nehmen junge Menschen die wachsende soziale Ungleichheit wahr. Ihre Angst vor Armut leitet sich aus den bestehenden und sich verschärfenden sozialen Disparitäten ab. Nachrichten über Inflation, steigende Lebenshaltungskosten und wirtschaftliche Unsicherheiten verstärken diese Angst.
Die Bundearbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. gibt den Monitor „Jugendarmut in Deutschland“ bereits seit 2010 heraus. In der alle zwei Jahre erscheinenden Publikation dokumentiert sie über die Jahre hinweg, dass die Angst vor Armut oder sozialem Abstieg bereits seit vielen Jahren ein prägendes Lebensgefühl für Jugendliche ist. Im Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ dokumentiert die BAG KJS die Auswirkungen von Armut auf alle Lebensbereiche und die ungleichen Startchancen ins Leben.
Besonders stark ausgeprägt sind die Ängste vor Armut in den benachteiligten sozialen Milieus, dazu zählen Jugendlichen aus den Sinus-Milieus „prekäre Lebenswelten“ und „Konsum-Materialisten“. In diesen Gruppen ist das Streben nach materieller und sozialer Absicherung besonders spürbar. Sie äußern häufig existenzielle Sorgen, etwa die Angst, die Wohnkosten nicht tragen zu können oder nicht genug Geld für grundlegende Bedürfnisse zu haben. Diese Ängste werden durch ihre oft ungünstigen Startbedingungen und den Mangel an Aufstiegsperspektiven verstärkt.
Viele Jugendliche nehmen wahr, dass die soziale Herkunft erheblichen Einfluss auf den Bildungserfolg und die beruflichen Chancen hat. Jugendliche aus Einwanderungsfamilien fühlen sich besonders benachteiligt, wenn es darum geht, schulisch oder beruflich erfolgreich zu sein. In der Wahrnehmung der jungen Menschen schafft Schule als Institution es nicht, diese Ungleichheiten auszugleichen.
Werte und Lebensentwürfe junger Menschen
Die Sinus-Studie verdeutlicht, dass traditionelle Werte wie Familie, Sicherheit und Geborgenheit für die Jugendlichen von großer Bedeutung sind. Viele streben nach einer „bürgerlichen Normalbiografie“ und wünschen sich eine feste Partnerschaft, Kinder, ein eigenes Haus und einen sicheren Job. Diese Sehnsucht nach Stabilität spiegelt sich auch in der Abnahme von Hedonismus und jugendsubkulturellen Stilisierungen.
Im Bereich der sozialen Werte zeigen die Jugendlichen eine hohe Akzeptanz für Diversität und soziale Gerechtigkeit. Besonders bemerkenswert ist die wachsende Sensibilität für Gender-Gerechtigkeit und die Akzeptanz non-binärer Geschlechtsidentitäten. Diskriminierung, insbesondere in Schulen, ist jedoch weiterhin ein alltägliches Problem. Viele Jugendliche berichten von eigenen Erfahrungen oder Beobachtungen von Diskriminierung und fühlen sich in der Schule oft nicht ausreichend geschützt oder unterstützt.
Junge Menschen wollen politische und gesellschaftliche Veränderung
Die Jugendlichen äußern klare Forderungen nach einer gerechten und inklusiven Gesellschaft. Sie wünschen sich mehr Unterstützung und Chancengerechtigkeit, unabhängig von ihrer sozialen oder ethnischen Herkunft. Politische Maßnahmen und Programme, die diese Anliegen adressieren, sind aus Sicht der Jugendlichen notwendig, um ihnen einen fairen Start ins Berufsleben zu ermöglichen.
Zu den Forderungen der jungen Menschen zählen bessere Bildungsangebote, mehr Unterstützung für von Benachteiligung betroffene Gruppen und ein stärkerer Fokus auf soziale Gerechtigkeit. Die Jugendlichen wünschen sich eine Gesellschaft, in der jede*r unabhängig von seiner sozialen Herkunft die Möglichkeit hat, wirtschaftliche Sicherheit zu erreichen.
Quellen: BDKJ; bpb; BAG KJS