Die regierende Koalition will die Gesundheitsvorsorge in den Kommunen stärken. Das federführende Bundesgesundheitsministerium (BMG) legt dazu einen Entwurf für ein Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) vor. Anfang April hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Idee der Gesundheitskioske propagiert. In Arbeitspapieren zum Gesetz aus dem März 2024 waren die Kioske umfassend beschrieben. Im Gesetzentwurf sind die Kioske jedoch nicht enthalten. Eine große Chance, niederschwellige Gesundheitsversorgung anzubieten, ist offensichtlich durch den Widerstand der FDP vertan.
Versorgungslücke schließen
Im Politikbrief „Armut und Gesundheit” beschreibt die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. Versorgungslücken vor allem in Regionen, in den benachteiligte Menschen leben. Eine Forderung, die mindesten seit zehn Jahren besteht: Diese Lücken schließen! Ärzt*innen, öffentliche Gesundheitsdienste sowie karitative Einrichtungen müssen lokal und regional stärker zusammenarbeiten. Zudem muss die aufsuchende Versorgung der Benachteiligten ausgebaut werden. In der Vernetzung der medizinischen, psychologischen und sozialarbeiterischen Angebote vor Ort liegen Stärken. Der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach SJ hatte dergleichen bereits im Jahr 2014 in der Zeitschrift Aspekte 71 skizziert.
Gesundheitskioske als innovativer Ansatz
Als Vorstufe einer interdisziplinären und engmaschigen Versorgung in Kommunen wären die Gesundheitskioske ein innovativer Ansatz, zumal ein Kontakt zum öffentlichen Gesundheitsdienst vorgesehen war. Krankenkassen und Kommunen sollten im Kiosk über medizinische Behandlung und Prävention niederschwellig beraten. Modellprojekte in Hamburg Billstedt-Horn, Unna, Essen oder Aachen haben laut Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) gezeigt, dass ein niederschwelliger Zugang wirksam ist. In einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf schreibt die BAGFW: Der Gesundheitskiosk zeichne sich durch ein mehrsprachiges Team aus, das allen Menschen in einem Quartier sowie darüber hinaus durch mobile Angebote wie Gesundheitsbusse, einen einfachen, niedrigschwelligen Zugang ohne Termine biete. Das sei insbesondere für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte oder Geflüchtete wichtig, die häufig aufgrund von Sprachbarrieren mit zentralen Hürden im Zugang zum Gesundheitswesen konfrontiert würden; Fehldiagnosen, lange, unnötige Wartezeiten sowie eine Unter- und Fehlversorgung seien die Folge.
Kommunale medizinische Versorgungszentren
Damit Kommunen besser eine starke lokale Versorgungsinfrastruktur aufbauen können, wird im Gesetz die Gründung kommunaler medizinischer Versorgungszentren (MVZ) erleichtert. Als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) sollen für die MVZ die gesetzlich vorgesehenen Sicherheitsleistungen der Höhe nach begrenzt werden. Es wird darauf vertraut, dass diese Erleichterung die Kommunen und die gesetzlichen Krankenkassen motiviert, gemeinsam entsprechende Zentren zu gründen. Angesichts wirtschaftlicher Interessen im Gesundheitssystem bleibt jedoch offen, ob der Plan funktioniert und die MVZ ausreichend niederschwellig sind. Von öffentlichen Daseinsvorsorge ist der Ansatz jedoch weit entfernt.
Bedarf von Kindern und Jugendlichen
Mehr als ein Versprechen liefert der Entwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz für Kinder und Jugendliche nicht. Es wird festgestellt, dass die jungen Menschen im Bereich der Psychotherapie besondere Versorgungsbedürfnisse haben. „Ihr flächendeckender Zugang zur ambulanten psychotherapeutischen Versorgung soll verbessert werden”, formuliert das BMG im Gesetzentwurf und sagt zur Umsetzung: Psychotherapeutisch tätige Ärzt*innen sowie Psychotherapeut*innen, die überwiegend oder ausschließlich Kinder und Jugendliche behandeln, sollen zukünftig eine eigene bedarfsplanungsrechtliche Arztgruppe bilden und damit die Niederlassung besser steuern, um die Versorgung auszubauen. Im Programm Mental Health Coaches wird aktuell deutlich, dass die Versorgungslücke äußerst akut ist und kurzfristig geschlossen werden muss.
Quellen: Bundesgesundheitsministerium, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, BAG Katholische Jugendsozialarbeit, Mental Health Coaches