Für viele Azubis hat am 1. September das erste Ausbildungsjahr begonnen und damit auch ein neuer Lebensabschnitt, der häufig mit einem Umzug in eine andere, neue Stadt oder Region verbunden ist und somit auch mit der Suche nach einem WG-Zimmer oder einer eigenen kleinen Wohnung, am liebsten in einem Viertel, in dem auch andere junge Menschen leben. Köln-Ehrenfeld ist ein solcher Ort, an den es junge Erwachsene zieht: Hier gibt es ein lebendiges Kulturangebot, unzählige Kneipen und Restaurants und ruhige Ecken. In kaum einem anderen Stadtteil leben so viele Nationen und Religionen neben – und vor allem miteinander.
Bereits im Jahr 1951, als Köln-Ehrenfeld noch gar nicht so angesagt war, eröffnete hier das erste Kolping Jugendwohnen, damals noch als sogenanntes „Gesellenhaus“, das 135 jungen Lehrlingen und Umschülern eine Heimat bot. Notwendige Sanierungen folgten in den 1970er und 1990er Jahren, bis im Frühjahr 2020 eine ökologische Kernsanierung des Kolpinghauses begann, die aufgrund von Corona etwas länger andauerte als gedacht, nun das Haus aber in neuem Glanze erstrahlen lässt. 73 moderne Plätze warten auf junge Menschen, die während der Teilnahme an einer schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahme oder bei der beruflichen Eingliederung, Unterstützung benötigen. Diese besondere Unterstützung im Alltag ist das, was die Einrichtungen des sozialpädagogischen Jugendwohnens so auszeichnet: Neben bezahlbarem Wohnraum für jene, die aus benachteiligten Familien kommen und zum Beispiel in nicht ausreichend vergüteten Ausbildungsberufen arbeiten, bietet ein Haus wie das in Köln-Ehrenfeld auch Orientierung in einer neuen Umgebung, Beratungs- und Bildungsangebote und Freizeitmöglichkeiten. Pädagogisches Personal hilft den Neu-Ehrenfelder*innen in vielen praktischen Angelegenheiten, zum Beispiel bei Fragen zu Versicherungen, bei Schuldenproblemen, in Sachen Behördengängen oder auch bei Heimweh. Außerdem gibt es Möglichkeiten zur offenen Freizeitgestaltung, sei es ein Filmabend oder ein Sportangebot im Fitnessraum. Und auch die anstehende Bundestagswahl wirft im Programm des Hauses seine Schatten voraus, denn es dient als Wahllokal der U18-Wahlen, die immer neun Tage vor den eigentlichen Wahlen als Angebot politischer Bildung junge Menschen für die Demokratie begeistern.
Ein eigenes Bad, schnelles WLAN – und ein neues Management
Nicht nur die Ausbildungsbedingungen haben sich seit den 1950er Jahren geändert; auch die veränderten Anforderungen an die Ausstattung des sozialpädagogischen Jugendwohnens wurden mit der Wiedereröffnung im Sommer 2021 berücksichtigt: alle Zimmer verfügen über ein eigenes kleines Badezimmer mit Toilette und Nasszelle. Und besonders wichtig und unabdingbar für Jugendliche: ein Zugang zu schnellem Internet im ganzen Haus. Aber auch auf der Organisations- und Management-Ebene hat sich mit der Wiedereröffnung etwas geändert: Bert Haushalter steht nun nicht nur dem Kolping Jugendwohnen in Ehrenfeld als pädagogischer Leiter vor, sondern auch dem Kolping Jugendwohnen in Köln-Mitte, und er verkörpert so ein neues Leitungskonzept, das mithilfe von Teams in den jeweiligen Häusern viele Synergieeffekte ermöglicht. Hat früher noch der Einrichtungsleiter im Haus mitgewohnt, so garantiert nun neben einer pädagogischen Begleitung durch ein fachkundiges Team auch eine Nachtbereitschaft, dass die jungen Bewohner*innen stets kompetente Ansprechpartner*innen im Haus vorfinden. Dies ist insbesondere für minderjährige Azubis, aber auch für deren Eltern ein wichtiges Kriterium, sich für einen Platz im sozialpädagogischen Jugendwohnen zu entscheiden, sagt Haushalter, zum Beispiel auch dann, wenn es um Fragen des Jugendschutzes geht. Die jungen Bewohner*innen genießen jedoch auch die Möglichkeit eines Rückzugs in die eigenen vier Wände, wo sie auch dank digitaler Vernetzung den Kontakt zu ihren Freund*innen und ihrer Familie halten können.
Krise auf dem Wohnungsmarkt – Chance des Jugendwohnens?
Doch die Corona-Pandemie ging bekannterweise auch nicht spurlos am Arbeitsmarkt vorbei; gerade in Köln, das als Stadt von einer lebendigen Gastronomie und von internationalem Tourismus lebt, haben weniger junge Menschen eine Ausbildung in diesen Bereichen beginnen können als noch vor der Pandemie und sie sind es auch gewesen, die aufgrund der bisweilen prekären Ausbildungsvergütung auf das sozialpädagogische Jugendwohnen angewiesen waren. Zurzeit sind noch nicht alle Plätze in den Kölner Einrichtungen belegt, so Haushalter, obwohl die Lage am Wohnungsmarkt insgesamt sehr angespannt ist. Als eine Gruppe, die besonders auf die Unterstützung durch die Angebote des Jugendwohnens angewiesen ist, benennt Bert Haushalter u.a. jene, die um 2015 als sogenannte unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind und unter größter Anstrengung einen Ausbildungsplatz erhalten haben. Auch wenn sie diese Ausbildung erfolgreich abschließen, so benötigen sie insbesondere am Übergang von der Ausbildung in den Beruf und vom Jugendwohnen in die erste eigene Wohnung besonderen Support, denn ihnen fehlen die familiären Netzwerke und der finanzielle Rückhalt, um diesen Übergang alleine gut zu meistern. Auch deshalb ist Bert Haushalter der Auffassung, dass insgesamt die Situation junger Menschen mit einer Fluchterfahrung im Rahmen der Ausbildung besser berücksichtigt werden müssen, zum Beispiel durch Veränderung der Prüfungsvorgaben durch Innungen und Kammern der jeweiligen Berufe und Gewerke.
Azubis sind keine „Erstis“
Haushalter weiß, wovon er spricht: Bevor er bei Kolping Jugendwohnen in Köln anfing, war er sieben Jahre beim Autohersteller Ford tätig und kennt sich aus der eigenen Praxis sehr gut mit den Anforderungen an Azubis aus. So macht er auch deutlich, dass an jungen Auszubildende andere lebensweltliche Maßstäbe als an junge Studierende gelegt werden müssen: Während für Erstsemester an einer Hochschule dies eine Zeit des „Socializing“ sei, also eine Lebensphase, die dazu dient, viele neue Leute kennenzulernen und sich auszuprobieren, gelte dies für Auszubildende im ersten Lehrjahr nur bedingt. Sie arbeiten nicht selten im Schichtdienst, haben viele lebenspraktische und bürokratische Herausforderungen zu meistern und benötigen Unterstützung und Beratung bei der Verselbstständigung am Übergang zwischen Schule und Beruf. Bert Haushalter und sein Team stehen dabei stellvertretend für viele Einrichtungen des sozialpädagogischen Jugendwohnens in ganz Deutschland, die für junge Menschen in dieser besonderen Zeit zu einem neuen Zuhause werden – auch wenn es ein „Auswärts Zuhause“ auf Zeit ist.
Quelle: BAG KJS