Die Bundesregierung hat sich auf einen Formulierungsvorschlag zur Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz verständigt. Das Aktionsbündnis Kinderrechte (Deutsches Kinderhilfswerk, der Kinderschutzbund, UNICEF Deutschland, in Kooperation mit der Deutschen Liga für das Kind) bewertet den Vorschlag als unzureichend. Dies betreffe beispielsweise die Formulierungen zum Kindeswohl sowie zum Recht des Kindes auf Beteiligung, die hinter der UN-Kinderrechtskonvention und auch hinter der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückblieben. Das Kindeswohl müsse ein vorrangig zu berücksichtigender Gesichtspunkt sein, wenn auch nicht immer den Vorrang haben. Dieses Ansinnen müsse auch in der Formulierung für die Grundgesetzesänderung zum Ausdruck kommen. Darüber hinaus dürfe die Beteiligung von Kindern sich nicht auf das rechtliche Gehör beschränken, sondern sei als umfassendes Beteiligungsrecht zu formulieren.
Ähnliche Kritik formuliert auch Lisi Maier, Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS). Im Gespräch mit katholisch.de stellt Maier klar, dass Kinderrechte ins Grundgesetz gehören: „Aber nicht so!“ Anstelle des von der Koalition vorgelegten Vorschlags, demzufolge das Wohl des Kindes „angemessen zu berücksichtigen“ sei, spricht sich der Dachverband der katholischen Jugendverbände für eine stärkere Verbindlichkeit aus. „Nur mit der Formulierung ‚vorrangig‘ müssen Entscheidungen gegen das Kindeswohl besonders gerechtfertigt werden“, so Maier. Aus BDKJ Sicht ist auch der Aspekt der Beteiligung unzureichend berücksichtigt. „Hier ist lediglich von ‚rechtlichem Gehör‘ die Rede, Beteiligung geht für uns aber weit darüber hinaus!“, betonte Maier. Gerade in der aktuellen Situation massiver Einschränkungen in der Jugendhilfe könne die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz einen großen Unterschied machen, argumentierte Maier auf dem Internetportal der Katholischen Kirche in Deutschland.
Auch aus der Opposition kommt Kritik. Die Grüne Abgeordnete Ekin Deligöz bezeichnet die Einigung der Bundesregierung als faulen Kompromiss. Er sei noch einmal schwächer als der erste Entwurf von Justizministerin Christine Lambrecht vom November 2019. So fehlen der besondere Schutz der staatlichen Ordnung für Kinder und des Kinderwillens völlig. Auch fehle es an umfassenden Beteiligungsrechten der Kinder. Darüber hinaus ist die Formulierung nach einer „angemessenen“ Berücksichtigung des Kinderwohls zu schwach und hat keinerlei Steuerungswirkung. Gerade in der Pandemie hätten Kinderrechte im Grundgesetz einen Unterschied gemacht. Für den Linken Abgeordneten Norbert Müller ist es ebenfalls nicht hinnehmbar, dass man hinter die Standards der UN-Kinderrechtskonvention zurückfallen soll. Das Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses aus drei Jahrzehnten dürfe nicht ignoriert werden. Müller fordert die Bundesregierung auf, einen Vorschlag auf den Tisch zu legen, der eine Stärkung der Kinderrechte insbesondere bezüglich Förderung, Beteiligung und Schutz beinhaltet. Grüne und Linke hatten jeweils in 2019 eigene Formulierungsvorschläge präsentiert.
Quelle: Deutsches Kinderhilfswerk; BDKJ; katholisch.de; Bündnis 90/Die Grünen – Ekin Deligöz MdB; Die Linke – Norbert Müller MdB