“WIE GEHT ES EIGENTLICH DEN JUGENDLICHEN … bei IN VIA WIB in München?”

Viele Einrichtungen der Jugendsozialarbeit nehmen im Rahmen der Vorschriften wieder ihre Arbeit auf. Die finanzielle Absicherung von Trägern, Personal und Maßnahmen bestimmt weiterhin einen Großteil der Debatte um die Auswirkungen der Coronakrise. Ergänzend dazu richten die “Jugendsozialarbeit News” den Blick auf die Jugendlichen in der Jugendsozialarbeit. Wir fragen “WIE GEHT ES EIGENTLICH DEN JUGENDLICHEN…” und geben der Berichterstattung zur Coronakrise damit eine neue Ausrichtung. Heute antwortet Manuel Mosler auf unsere Fragen. Er ist pädagogischer Mitarbeiter bei der IN VIA WIB in München und begleitet junge Geflüchtete und Asylbewerber*innen auf ihrem Weg in den Beruf. Derzeit beginnt die Einrichtung wieder unter Hygieneschutzmaßnahmen mit Beratungen und Lernhilfen vor Ort. Bis dahin wurden diese auf Distanz durchgeführt und nur in Notfällen durften Jugendliche in die IN VIA WIB kommen.

Welche Jugendlichen betreuen Sie in Ihrer Einrichtung?

Manuel Mosler: IN VIA WIB versteht sich als Brücke auf dem Weg in den Beruf. Unser Angebot richtet sich an junge Geflüchtete und Asylbewerber*innen, die nach erfolgreichem Schulabschluss in die Ausbildung gehen. Das Angebot beinhaltet Übergangsmanagement und Begleitung während der Ausbildung.

Wie geht es den Jugendlichen? Wie gehen sie mit der Situation um?

Manuel Mosler: Die Jugendlichen sind sehr verunsichert und haben Angst. Die meisten von ihnen sind in den Gemeinschaftsunterkünften untergebracht, wo sie auf engstem Raum mit vielen Menschen zusammenleben. Die schwierigen Rahmenbedingungen in diesen Unterkünften führen dazu, dass viele notwendige Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus nicht eingehalten werden können. Deswegen ist die Angst sich anzustecken sehr groß. Viele der Jugendlichen sind traumatisiert und durch die Angst sich anzustecken, ist es zur Retraumatisierung gekommen. Es gab sogar schon einen Fall der psychischen Krise.

Viele Jugendliche haben Sorgen, dass sie ihre Ausbildung nicht schaffen, weil die unterstützenden Präsenzangebote der IN VIA WIB ausgefallen sind. Seit Kurzem sind unsere Angebote aber wieder offen und die Jugendlichen sind sehr froh darüber. Die abgeschlossene Ausbildung ist die Voraussetzung, damit sie in Deutschland bleiben können und der Ausfall der Maßnahmen führte bei den Jugendlichen zu Verunsicherung und existentiellen Ängsten. Zudem fehlen den Jugendlichen in dieser Krisenzeit noch stärker als zuvor die Familie und das soziale Netzwerk. Corona wirkt wie ein Brennglas, das die Probleme vergrößert und verschärft.

Mit welchen Schwierigkeiten haben die Jugendlichen in dieser Zeit zu kämpfen?

Manuel Mosler: Die größten Schwierigkeiten, mit denen die Jugendlichen zu kämpfen haben, sind die Raumenge, fehlende Privatsphäre und dass sie in den Gemeinschaftsunterkünften keine Ruhe zum Lernen finden. Hinzu kommt, dass es diesen Unterkünften an digitaler Ausstattung mangelt. In vielen Gemeinschaftsunterkünften gibt es kein freies WLAN, von Laptops und Druckern ganz zu schweigen. Lernen für die Ausbildung ist unter solchen Bedingungen fast unmöglich.

Wie haben Sie Ihren Kontakt zu den Jugendlichen gestaltet?

Manuel Mosler: In der Regel nahmen wir den Kontakt zu den Jugendlichen telefonisch auf und tun es immer noch. Zu Wochenbeginn haben wir immer angerufen. Die Unterlagen und Lernaufgaben druckten wir aus und schickten diese per Post. Wir nutzen auch WhatsApp. Das ist möglich, weil wir uns vorher zum Datenschutz abgesprochen haben. Die Jugendlichen konnten uns jederzeit telefonisch und über E-Mail kontaktieren.

In Ausnahmenfällen, das heißt in Krisensituationen, konnten die Jugendlichen auch während der Einrichtungsschließung zur Beratung zu uns kommen.

Wie sah Ihre Förderung und Beratung, etwa über digitale Tools, aus? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?

Manuel Mosler: Außer Smartphone haben die Jugendlichen keine technische Ausstattung und nicht alle haben Zugang zu kostenfreiem WLAN. Wir versuchten trotzdem aus der Situation das Beste zu machen und kreativ zu sein. So schickten wir den Jugendlichen Videobotschaften und animieren sie selbst, Videos zu drehen und an uns zu schicken. Zudem fand virtuelles Lernen mit Ehrenamtlichen statt, z. B. haben wir Deutsch und Englisch angeboten. Wir machten auch viele Videokonferenzen mit den Jugendlichen, in denen wir die Lernaufgaben oder ihre Sorgen besprochen haben.

Was haben die Jugendlichen in der Zeit des Shutdowns gebraucht?

Manuel Mosler: Wichtig war, dass Lernen wieder möglich wird. Unabhängig davon müssen die Jugendlichen jederzeit Zugang zu technischen Geräten und kostenfreies WLAN haben. Unsere Zielgruppe darf nicht bei der Förderung vergessen werden. Bedürftige Schüler*innen in Deutschland sollen einen Zuschuss von 150 Euro für den Kauf eines Laptops oder Druckers für den Unterricht zu Hause erhalten, aber unsere Jugendlichen, da sie volljährig sind, wurden dabei nicht berücksichtigt und haben keinen Anspruch darauf.

Welche Rahmenbedingungen würden Sie sich in der aktuellen Situation von der Politik wünschen?

Manuel Mosler: Wir wünschen uns, dass die schon lange bestehende Forderung nach einer dezentralen Unterbringung junger Menschen endlich umgesetzt wird und in diese Richtung mehr getan wird. In dieser Zeit ist es wichtiger denn je und die sehr schlechten Bedingungen in diesen Unterkünften sind noch einmal sehr deutlich geworden.

Zudem müssen die Konzepte an den Berufsschulen für digitales Lernen ausgearbeitet werden, z. B. fehlten die Rückmeldungen der Lehrer*innen zu den Aufgaben. 

Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Xenia Romadina von der IN VIA Akademie Paderborn

Quelle: BAG KJS

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