Stellungnahme der BAG Jugendsozialarbeit zum 12. Kinder- und Jugendbericht: Bildung nicht auf schulische Bildung begrenzen

STELLUNGNAHME DER BAG JUGENDSOZIALARBEIT ZUM 12.KINDER- UND JUGENDBERICHT: Bildung nicht auf Schule begrenzen Die BAG Jugendspzialarbeit veröffentlichte am 9.2.2006 ihre Stellungnahme zum 12. Kinder- und Jugendbericht. Die BAG JSA begrüßt, dass sich der Bericht für eine neue und bessere Verbindung von Bildung, Betreuung und Erziehung ausspricht. Kritisiert wird die auf schulische Bildung begrenzte Sichtweise. Auch für junge Menschen, die sich nicht mehr in der Schule befinden, muss Bildung organisiert und verbessert werden. Auszüge aus der Stellungnahme: „Der 12. Kinder- und Jugendbericht wurde im August letzten Jahres – aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen früher als vorgesehen – noch von der alten Bundesregierung vorgelegt. Unter dem Titel „Bildung, Betreuung und Erziehung vor und neben der Schule“ erstellte eine Kommission aus VertreterInnen von Wissenschaft, Gebietskörperschaften und Freien Trägern unter der Leitung von Prof. Dr. Thomas Rauschenbach einen umfangreichen Bericht, der eine wichtige Bestandsaufnahme unterschiedlicher Bildungsorte und Lernwelten aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen liefert, die �Bildungsmisere’ in Deutschland analysiert und den Bildungsbegriff beleuchtet. … Die BAG Jugendsozialarbeit begrüßt vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung mit dem Bildungsauftrag der Jugendsozialarbeit und dem Wissen um die früh wirkenden Chancenungleichheiten, die in ihrer Folge eine Abwärtsspirale von Bildungs-, Berufs- und Lebenschancen in Gang setzen können, die Themenstellung des 12. Kinder- und Jugendberichts und sein Plädoyer für eine neue und bessere Verbindung von Bildung, Erziehung und Betreuung. Gleichzeitig zeigt sich jedoch in der Beschränkung der Kommission auf „die Phase bis zum Ende der allgemein bildenden Schulzeit“ (S. 14) ein allgemeiner Trend der(Fach)Öffentlichkeit, sich in Bezug auf das Thema „Bildung“ auf den vorschulischen und schulischen Bereich zu beschränken. … Der erweiterte Bildungsbegriff: … Bildung als einen „aktiven Prozess, in dem sich das Subjekt eigenständig und selbsttätig“ mit der sozialen, kulturellen und natürlichen Umwelt auseinandersetzt, beschrieben (S. 107). Dieser erweiterte Bildungsbegriff hebt das Bildungsverständnis aus einer verengten und den Lebens- und Lernwelten der Kinder und Jugendlichen nicht mehr gerecht werdenden Perspektive heraus und unterstreicht somit auch die Bildungsaspekte der Jugendsozialarbeit. Bildung … muss im Sinne eines umfassenden Bildungsverständnisses Bildungsorte und Lernwelten miteinander verzahnen und soziale und persönlichkeitsbildende Elemente mit eher schulisch geprägtem Lernen verbinden. Mit der Einführung dieses erweiterten Bildungsbegriffs wird den außerschulischen Bildungsorten ein weitaus größerer Stellenwert beigemessen, als ihnen bisher eingeräumt wurde. Dies wird von der BAG Jugendsozialarbeit als ausgesprochen wichtige Leistung des 12. Kinder- und Jugendberichts gewertet. Kooperation und Vernetzung zwischen den Akteuren im Bildungsbereich: Gerade für benachteiligte Jugendliche ist es wichtig, und hierbei unterstützt die BAG Jugendsozialarbeit die Forderungen des Berichtes ausdrücklich, so früh wie möglich gute Betreuung zu erhalten und umfassend gefördert zu werden. … Benachteiligungen von Kindern und Jugendlichen kann und muss so früh wie möglich und deutlich früher als bisher begegnet werden. Deshalb begrüßt die BAG Jugendsozialarbeit auch den empfohlenen Rechtsanspruch für Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren. Von den ersten Lebensjahren an muss Eltern und Kindern ein kohärentes Bündel an Bildungs-, Beratungs- und Erziehungsangeboten zur Verfügung stehen. Wenn Jugendsozialarbeit nicht mehr nur verspäteter Lückenbüßer für Versäumtes sein soll, sind die Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten auch für Kinder unter drei Jahren flächendeckend einzurichten. Dies ist nach Meinung der BAG Jugendsozialarbeit ein wichtiger Beitrag zur Prävention bzw. Abmilderung von individueller Beeinträchtigung und sozialer Benachteiligung. Hierzu ist es … notwendig, Bildung, Betreuung und Erziehung als sich ergänzende Aspekte zu begreifen. Für eine gelingende Zusammenführung dieser Bereiche ist es erforderlich, die oft recht starren Institutionengrenzen zu überwinden. Ein engeres Aufeinanderbeziehen und Zusammenwirken der Systeme allgemeine, außerschulische Bildung, Schule, Jugendhilfe und Berufsbildung ist notwendig. Es ist zu begrüßen, dass im Bericht die Bedeutung der Kooperation von Schule und Jugendhilfe für ein gedeihliches Zusammenwirken der verschiedenen Bildungsorte und Lernwelten der Kinder und Jugendlichen hervorgehoben wird. … Ganzheitliche Bildungsansätze der Jugendsozialarbeit: Bezogen auf die Jugendsozialarbeit trifft der Bericht von Beginn an eine Untergliederung in berufsbezogene und schulbezogene Jugendsozialarbeit, um sich dann anschließend auftragsgemäß mit der schulbezogenen Jugendsozialarbeit zu beschäftigen. … verstellt sie doch den Blick auf die Schnittmenge zwischen Schul- und Berufsbezogenheit. Diese macht aber gerade einen wichtigen Schwerpunkt der Jugendsozialarbeit aus, nämlich Übergänge zwischen Schule und Arbeitswelt vorzubereiten und zu gestalten. Hier wird der 12. Kinder- und Jugendbericht dem breiten Spektrum von Leistungen der Jugendsozialarbeit nicht gerecht, die sich erfolgreich mit Schnittstellenarbeit im Gefüge von Familie, Schule, Arbeit/Beruf und Freizeit/sozialem Umfeld befassen. Hier sind insbesondere die Projekte sozialräumlich orientierter Jugendsozialarbeit zu nennen, ebenso wie die Initiierung und Bildung von jugendspezifischen Netzwerken, die mobile Arbeit und die unterschiedlichen Projekte der frühzeitigen beruflichen Orientierung von Schülerinnen und Schülern und der Zusammenarbeit mit Betrieben in institutionalisierter Form. … Insgesamt ist es schwer nachvollziehbar, dass der Bericht trotz des Ansatzes, Schule könne als dominanter Bildungsort jetzt und künftig ihre Aufgabe nicht mehr alleine erfüllen und der Beitrag aller anderen Bildungsangebote und Lernorte gewinne an Relevanz, letztendlich diese Bildungsgelegenheiten (zumindest im Schulalter) dann doch schulbezogen darstellt. … Dem Thema „Freiwilligendienste“ ist aber leider im 12. Kinder- und Jugendbericht überhaupt kein Platz eingeräumt worden. … Der 12. Kinder- und Jugendbericht geht im Kapitel 1.3.3 „Geschlecht“ auf Geschlecht als gesellschaftliches Strukturmerkmal ein. … Unter dem Aspekt von Gender Mainstreaming müsste Bildung darüber hinaus jedoch in den zentralen Handlungsfeldern der Jugendsozialarbeit mit Blick auf die Geschlechtergerechtigkeit behandelt werden, müsste also zum Beispiel analysieren, ob und in welchem Umfang Mädchen und Jungen in den Angeboten vertreten sind, wie ihre spezifischen Interessen und Bedürfnisse Berücksichtigung finden und welche geschlechtsspezifischen Konzepte es gibt. Diese Darstellung erfolgt jedoch nicht … Zu begrüßen ist, dass der Bericht sich intensiv und durchgehend mit der Lebenssituation der Migrantenbevölkerung auseinandersetzt und besonders große Aufmerksamkeit auf die Bildungssituation der Migrantenkinder, auf die elterlichen und verwandtschaftlichen Ressourcen und auf die Stärkung der Elternkompetenz richtet. … Die Migrantenjugendlichen haben im Bildungs- und Ausbildungssystem insbesondere mit strukturellen Benachteiligungen zu kämpfen. Wie im Bericht auch richtig dargestellt wird,lebt ein Großteil der jungen MigrantInnen nach wie vor in schwierigen sozioökonomischen Verhältnissen: Armut, Arbeitslosigkeit, psychosoziale Auffälligkeiten, mangelnde (Aus)Bildung etc. bestimmen ihre Lebensverhältnisse. Die Ursachen dafür sind nicht individuell, sondern strukturell bedingt und basieren auf wirtschaftlicher und sozialer Benachteiligung. Während die Kommission diese Missstände in ihrer Deutlichkeit erwähnt, bleibt sie bei der Bennennung von Lösungsansätzen sehr zurückhaltend. So wird interkulturelle Bildung und Kompetenz und die Notwendigkeit interkultureller Öffnung der Bildungs- und Jugendhilfeeinrichtungen kaum angesprochen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Kommission bei der Aus- und Weiterbildung der pädagogischen Fachkräfte Interkulturelle Bildung und Kompetenz nicht als obligatorische Bestandteile universitärer Bildung, der schulpraktischen Ausbildungsphase sowie der Fortbildung für pädagogisches Personal aufgegriffen und empfohlen hat. … Schulbezogene Jugendsozialarbeit: Die Bedeutung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit für die Bildungsbiographie und den Lebenslauf insbesondere benachteiligter Jugendlicher wird im Bericht richtig erkannt und dargestellt, sowohl in ihrer notwendigen Eigenständigkeit als auch in ihrer Kooperations- und Vernetzungsfunktion. … Die finanzielle und strukturelle Absicherung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit wird aus Sicht der BAG Jugendsozialarbeit nicht ausreichend thematisiert. Forderungen etwa nach „flächendeckender schulbezogener Jugendsozialarbeit“ oder klarer finanzieller Absicherung dieses Arbeitsfeldes werden nicht explizit ausgesprochen, auch wenn die Bedeutung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit für das Erlangen einer ganzheitlich orientierten Bildung, Förderung und Betreuung durch die Schule vielfach betont wird. Kurzfristigen Initiativen und Projekten auf den unterschiedlichsten Ebenen fehlt es an Nachhaltigkeit. Wichtig ist deshalb, dass die schulbezogene Jugendsozialarbeit aus der „Patchwork-Finanzierung“ in eine gesicherte Finanzierung überführt wird. Für die Zukunft müssen in diesem Bereich die Rahmenbedingungen, unter denen schulbezogene Jugendsozialarbeit arbeitet, in Zusammenarbeit mit den KooperationspartnerInnen wie Schule, Kommune und den anderen Akteurinnen und Akteuren im Gemeinwesen geregelt werden. Der Bericht bleibt an dieser Stelle sehr vage und hat hierzu keine Empfehlungen erarbeitet. … Die BAG Jugendsozialarbeit stimmt den AutorInnen des 12. Kinder- und Jugendberichts ausdrücklich zu, wenn sie die Vieldimensionaltität des Anspruchsprofils schulbezogener Jugendsozialarbeit nicht nur als Stärke wahrnehmen, sondern in ihr auch die Gefahr sehen, vor dem Hintergrund rechtlich und finanziell ungeregelter Kontexte zu vage zu werden. …“

Quelle: http://www.bagjaw.de/index2.php

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