Stellungnahme zu den geplanten Änderungen und zur Umsetzung des SGB II von IN VIA und SkF

STELLUNGNAHME ZUR UMSETZUNG DES SGB II und Auswirkungen auf junge Menschen, Frauen und Familien – IN VIA und SkF fordern Nachbesserungen Die Fachverbände Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit sind seit vielen Jahren in der Beratung, Begleitung und Qualifizierung von benachteiligten jungen Menschen, Frauen und Familien tätig. In diesem Zusammenhang befassen sie sich mit den Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen auf Familien in besonderen Notsituationen, Jugendliche ohne Schulabschluss und ohne Berufsausbildung, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Personengruppen erfahren mit der Umsetzung des SGB II erhebliche Benachteiligungen, die abgebaut werden müssen. Auszüge aus den Forderungen: “ 1. Geschlechtergerechte Förderung verwirklichen IN VIA und SkF stellen fest, dass mit der Umsetzung des SGB II Ungerechtigkeiten bei der Förderung und Vermittlung von Frauen entstehen. … Häufig liegen der Beratung durch die ARGEn/optierenden Kommunen tradierte Rollenbilder zugrunde. Um dem entgegen zu wirken, ist es dringend notwendig, den Mitarbeiter/-innen Genderkompetenz zu vermitteln. Durch die volle Anrechnung des Partnereinkommens kommen in der Realität vor allem Frauen nicht in den Bezug von Arbeitslosengeld II. Damit haben sie auch keinen Anspruch auf Qualifizierungsangebote und Fördermaßnahmen. Dies bedeutet verringerte Chancen auf eine Erwerbstätigkeit und eine weitere Zunahme von Altersarmut bei Frauen. Der § 16 sollte daher um einen Absatz 5 mit der Regelung ergänzt werden, dass Leistungen zur Eingliederung auch Personen gewährt werden, die wegen Einkommens und Vermögens des Partners nicht hilfebedürftig sind. … 2. Junge Menschen unter 25 Jahren nachhaltig fördern Die seit dem 1.1.2005 bestehende Verpflichtung des Gesetzgebers, erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren unverzüglich nach Antragstellung in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln, wird bis jetzt nicht erfüllt. Arbeitsfähigkeit der Leistungsträger herstellen Die Arbeit der ARGEN/optierende Kommunen trägt … nur selten zu einer verbesserten Förderung und nachhaltigen Vermittlung arbeitsloser junger Menschen bei. Dies ist nicht nur dem Arbeitsmarkt, sondern auch der Arbeitsweise der ARGEN/optierenden Kommunen zuzuschreiben. Erfahrungen aus der Praxis von SkF und IN VIA zeigen, dass die Ansprechpartner/-innen häufig nicht erreichbar sind bzw. unzumutbar lange Wartezeiten für einen Termin haben. Den Mitarbeiter/-innen fehlen häufig Kompetenzen für den Umgang mit benachteiligten Jugendlichen. Ausbildung Vorrang geben Die Regelung im § 3 Abs. 2, dass bei jungen Menschen unter 25 Jahren die Vermittlung in Ausbildung Vorrang vor der Vermittlung in Arbeitsgelegenheiten hat, wird unterlaufen. Vielmehr bestätigen die Erfahrungen von IN VIA und SkF, dass Arbeitsgelegenheiten als Regelinstrument für Jugendliche unter 25 Jahren eingesetzt werden. Für benachteiligte Jugendliche müssen jedoch vor allem Instrumente des SGB III, z.B. berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen sowie Instrumente des SGB II eingesetzt werden, die zu einer Ausbildung hinführen. Wenn Jugendliche in Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden, müssen diese durch begleitende Qualifizierungsangebote flankiert werden, um die Ausbildungs- bzw. Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten oder zu fördern und um die beruflichen Perspektiven der jungen Menschen unter 25 Jahren für eine Ausbildung, Ausbildungsvorbereitung und eine langfristige Erwerbstätigkeit zu verbessern. Passgenau fördern und vermitteln SkF und IN VIA stellen fest, dass Jugendliche seitens der ARGen/optierenden Kommunen häufig keine passgenaue Förderung und Vermittlung erfahren. Hier ist Beratung im Sinne eines gemeinsamen Klärungsprozesses nicht gewährleistet. Wünsche und Kompetenzen der Jugendlichen werden bei der Erstellung der Eingliederungsvereinbarungen kaum berücksichtigt. Die dort festgelegten Maßnahmen orientieren sich häufig nicht am individuellen Förderbedarf der Jugendlichen. Ein typisches Beispiel einer jungen Frau, die in eine Bildungsmaßnahme im Malerbereich vermittelt wurde, zeigt dies. Weder ihre schulische Vorbildung noch ihre Sprachkenntnisse und ihre persönlichen Fähigkeiten oder Berufswünsche wurden berücksichtigt. Sie brach die Maßnahme nach nur einer Woche wieder ab. Die persönlichen Ansprechpartner/-innen bei den SGB II-Trägern benötigen Schulung und Qualifizierung für die Beratung von arbeitslosen Jugendlichen in schwierigen Problemlagen. IN VIA und SkF fordern darüber hinaus ein Kompetenzfeststellungsverfahren für jeden jungen Menschen, in dem dessen Fähigkeiten, Stärken und Förderbedarfe analysiert werden. Dies muss Basis sein für die Eingliederungsvereinbarung. Wenn passgenaue Angebote fehlen, müssen Förderlücken geschlossen werden, statt junge Menschen mehrfach in die gleiche Maßnahme zu vermitteln. Sozialpädagogische Begleitung ermöglichen Es zeigt sich, dass die sozialpädagogischen Unterstützungsleistungen für benachteiligte Jugendliche mit multiplen Problemlagen vielerorts nicht ausreichend sind. Damit vollzieht das SGB II einen Paradigmenwechsel: Psychosoziale Stabilität und Sozialkompetenz sind bei Jugendlichen Fördervoraussetzung und nicht – wie etwa in der Jugendberufshilfe – Förderziel. Dies hat zur Folge, dass Jugendliche mit hohem Förderbedarf häufig nicht in die Förderung kommen. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine junge Frau, der Leistungen gestrichen wurden. Sie reagierte mit Unverständnis, da ihr nicht bewusst war, was sie falsch gemacht hatte. Es stellte sich heraus, dass sie Termine und Absprachen nicht eingehalten hatte. Die Ursache hierfür waren u.a. große sprachliche Verständigungsschwierigkeiten. Der plötzliche Verlust sämtlicher finanzieller Unterstützung brachte die Frau in enorme Schwierigkeiten. Ohne Hilfe der Sozialpädagogin wäre die Situation nicht zu klären und aufzulösen gewesen. IN VIA und SkF fordern deshalb, dass sozialpädagogische Begleitung grundsätzlich Bestandteil der Angebote für Jugendliche sein muss. Ggf. müssen sozialpädagogische Angebote zur Stabilisierung von arbeitslosen Jugendlichen einer Vermittlung auch vorgeschaltet werden. Zudem müssen flexiblere Möglichkeiten der Verlängerung von Maßnahmen gegeben sein, damit auch junge Menschen mit multiplen Problemlagen ihrem individuellen Förderbedarf entsprechend Unterstützung bekommen. Qualifizierte Sprachförderung sicher stellen Angebote der Sprachförderung, wie sie das SGB II vorsieht, werden zwar vorgehalten, jedoch reicht der Förderumfang häufig nicht aus. Besonders junge Menschen, die schon länger in Deutschland leben, sind bei der Sprachförderung nicht im Blick. Es bedarf flexibler, individuell angepasster Angebote der Sprachförderung durch die ARGEn/optierenden Kommunen. Für Migrantenjugendliche sind die Eingliederungsvereinbarungen häufig unverständlich. Die persönlichen Ansprechpartner/-innen müssen sich vergewissern, dass die Beratung für Migranten und Migrantinnen verständlich ist und ggf. Übersetzungshilfen einbeziehen. Ungerechtigkeiten bei den Sanktionierungsregelungen aufheben Dass junge Menschen die vollständige Streichung der finanziellen Zuwendungen z.B. bei Ablehnung einer zumutbaren Arbeit oder Arbeitsgelegenheit erfahren, während es bei Erwachsenen ein abgestuftes Sanktionssystem gibt, bewerten SkF und IN VIA als Ungleichbehandlung. Wenn Sanktionierungen bei Jugendlichen eingesetzt werden, sollten sie wie bei Erwachsenen stufenweise erfolgen und im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs transparent gemacht werden. Um Ausgrenzungen von Jugendlichen aus dem Fördersystem zu vermeiden, sollten die Sanktionierungen in Kooperation mit den Einrichtungen der Jugendsozialarbeit pädagogisch flankiert werden. Angebote gemeinsam planen und abstimmen In Jugendkonferenzen wirken Arbeitsagenturen, Kommunen, Schulen, Wohlfahrtspflege und Träger zusammen mit dem gemeinsamen Ziel, für Jugendliche ein ausreichendes Ausbildungs-, Qualifizierungs- und Arbeitsangebot bereit zu stellen. Jugendkonferenzen zur gemeinsamen Planung und Abstimmung der Angebote werden von der Bundesagentur für Arbeit in ihrem Kompendium für Arbeitsmarktpolitik zwar selbst gefordert. Jedoch haben sie an vielen Standorten noch gar nicht stattgefunden bzw. sind die Träger der Jugendsozialarbeit nicht beteiligt oder der Auftrag, gemeinsam Angebote zu planen und abzustimmen, wird nicht erfüllt. IN VIA und SkF fordern die Einberufung von Jugendkonferenzen an allen Standorten. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit aller Akteure und Akteurinnen müssen Netzwerkstrukturen aufgebaut werden, die das regionale Ausbildungs-, Arbeits- und Qualifizierungsangebot für Jugendliche sichern. … 4. Individuelle Problemlagen berücksichtigen Die Situation für Frauen in Notsituationen hat sich durch die Einführung des SGB II in vielen Bereichen verschlechtert. Fehlende oder unzureichende Durchführungsbestimmungen, mangelnde Informationen und unzureichende Beratung führen zu einer nicht zufrieden stellenden Anwendungspraxis. Einmalige Leistungen am Einzelfall prüfen und als Beihilfen gewähren Auf einmalige Beihilfen verzichtet das SGB II fast vollständig. Lediglich die Erstausstattung für Wohnung, Schwangerschaft und Geburt und mehrtägige Klassenfahrten sind noch als einmalige Leistungen vorgesehen. Die Beschaffung von Kleidung, Schuhen und Gebrauchsgütern, Umzugs- und Renovierungskosten müssen nun grundsätzlich aus der pauschalierte Regelleistung gedeckt werden. Hilfebedürftige, die nach § 23 SGB II einmalige Leistungen, wie z.B. Renovierungs- und Umzugskosten, Lernmittel etc. beantragen, erhalten diese nur auf Darlehensbasis, die ihnen mit Raten bis zu 10% von der Regelleistung abgezogen werden. Durch diese zusätzliche Belastung fallen die Hilfeempfänger/- innen oft unter den Sozialhilfesatz von 2004. Ansparungen sind damit nicht mehr möglich und neue Darlehen werden notwendig. In der Folge setzt sich die Schuldenspirale fort. SkF und IN VIA fordern, den Leistungskatalog des § 23 SGB II zu ergänzen und Abs. 4 dahingehend zu verändern, einmalige Leistungen bei individuellen Notlagen als Beihilfen und nicht als Darlehen zu gewähren, da dies eine unzulässige Reduzierung der Grundsicherung bedeutet. Beratung und Unterstützung der Hilfeempfänger/-innen sicher stellen Der Grundsatz des Förderns sieht gemäß § 14 SGB II vor, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit umfassend unterstützt werden sollen. Hierzu gehören auch Information und Beratung, auf die im ehemaligen Bundessozialhilfegesetz (BSHG) noch ein Rechtsanspruch bestand. … Es obliegt den ARGEn/optierenden Kommunen, die Beratung und Unterstützung der Hilfeempfänger/-innen sicher zu stellen und eine entsprechende Förderung für die Leistungen Dritter vorzusehen. Darüber hinaus müssen die Fachkräfte in den ARGEn/optierenden Kommunen für die besonderen Notlagen der Hilfeempfänger/-innen sensibilisiert und qualifiziert werden. 5. Arbeitslose brauchen Perspektiven Die Forderungen von IN VIA und SkF beziehen sich auf das Hilfesystem des SGB II. Jedoch scheint dieses System in mittelfristiger Perspektive nicht in der Lage zu sein, die beruflichen Chancen von arbeitslosen Menschen auch tatsächlich zu verbessern, da der Arbeitsmarkt die betroffenen Menschen nicht in erforderlichem Umfang aufnimmt. Auch zusätzliche Arbeitsgelegenheiten eröffnen den Betroffenen nur in seltenen Fällen eine berufliche Perspektive. Durch die schwierige Überprüfung der Zusätzlichkeit besteht zudem die Gefahr des Abbaus weiterer regulärer Arbeitsplätze. Die gesetzlichen Regelungen des SGB II erweisen sich nicht als Lösung für das Problem der Massenarbeitslosigkeit. SkF und IN VIA fordern deshalb den Ausbau eines dauerhaft öffentlich subventionierten Arbeitsmarktes für Langzeitarbeitslose mit multiplen Vermittlungshemmnissen, damit sie mit längerer Perspektive sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden können. “

http://www.invia.caritas.de/aspe_shared/form/download.asp?nr=105148&form_typ=115&acid=&ag_id=6596

Quelle: IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit – Deutscher Verband

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