Expertise: Jugendwohnheime in Deutschland. Wahrnehmung und Perspektiven

EXPERTISE: JUGENDWOHNHEIME IN DEUTSCHLAND. WAHRNEHMUNG UND PERSPEKTIVEN Die Ergebnisse der im Zeitraum von März bis Juli 2005 durchgeführten Datenanalyse werden in der Expertise ‚Jugendwohnen in Deutschland‘ gebündelt und bewertet. Grundlegend für die Expertise war umfangreiches Datenmaterial aus einer Fragebogenaktion, einer telefonischen Befragung sowie der Auswertung von Printmedien. Die Untersuchung erfolgte im Rahmen eines Projekts der BAG Jugendsozialarbeit, ‚Auswärts Zuhause‘. Die gesamte Expertise steht unter der Quellenangabe als Download zur Verfügung. Im Folgenden lesen Sie Auszüge aus einführenden Texten sowie der Auswertung: Jugendwohnen – mehr als nur ein Dach überm Kopf “ … Das eigenständige Wohnen ist für Jugendliche und junge Erwachsene auch eine Ausdrucksform von Individualität. Eigenständiges Wohnen gehört neben Erwerbsarbeit zu den elementaren Lebensentwürfen junger Menschen und dient der Darstellung des eigenen Lebensgefühls, des Lebensstils und der individuellen Lebensführung (vgl. Müller 1995). Dies gilt ohne Einschränkung auch für die Zielgruppen der Jugendsozialarbeit (vgl. Gabriel 1998). Jugendwohnen im Kontext von Jugendsozialarbeit Jugendwohnen im Rahmen von Jugendsozialarbeit beinhaltet verschiedenste Formen berufsbedingter Unterbringung junger Menschen außerhalb des Elternhauses, verbunden mit einer sozialpädagogischen Begleitung. … Von besonderer Bedeutung ist, dass in § 13 Abs. 3 im Gegensatz zu den Absätzen 1 und 2 nicht von individuell beeinträchtigten oder sozial benachteiligten jungen Menschen die Rede ist. Der Adressatenkreis des Jugendwohnens ist somit nicht eingeengt und bezieht sich auf alle jungen Menschen im Übergang von der Schule in den Beruf (vgl. Münder u.a. 2002 § 13 Rz. 18). … Die Art und der Umfang des Wohnangebotes bzw. die Vermittlung von für Jugendliche geeignetem Wohnraum richtet sich nach der individuellen Voraussetzung bzw. den Bedürfnissen der jungen Menschen. … “ Paul Fülbier (Geschäftsführer der BAG Jugendsozialarbeit) … AUSWÄRTS ZUHAUSE Jugendwohnen mit Zukunft? “ … Die vorliegende Expertise wird zeigen, dass die Einrichtungen des Jugendwohnens aus Sicht jugendhilfe-, arbeitsmarkt-, bildungs- und wohnungspolitischer Perspektiven sehr wohl eine Zukunft haben, und hiervon sind auch der Autor und mit ihm die Mitglieder der AG Jugendwohnen der BAG Jugendsozialarbeit als Steuerungsgruppe des Projektes überzeugt. Dennoch sind die Rahmenbedingungen für die Aufrechterhaltung des Angebotes in angemessener Qualität im Sinne junger Menschen derart kritisch, dass dieses Angebot vor der großen Gefahr steht, seine Zukunftsfähigkeit zu verlieren. Die Expertise wird zeigen, dass zu einer Überwindung dieser Krise ein ganzes Maßnahmenbündel gehört, das auch den Einrichtungen und ihren Verantwortungsträgerinnen und –trägern sowie den zuständigen Multiplikatorinnen und Multiplikatoren geschnürt wurde. Gleichzeitig muss aber ebenso deutlich betont werden, dass die Einrichtungen bei ihrem Angebot für junge Menschen nicht alleine gelassen werden dürfen und können. Angesprochen und in die Mitverantwortung gerufen sind daher alle, die Verantwortung für die erfolgreiche Integration junger Menschen in die Ausbildung, in den Arbeitsmarkt und schließlich für eine erfolgreiche Integration junger Menschen in die Gesellschaft insgesamt haben. … Der Berufsbildungsbericht des Bildungsministeriums 2005 konstatiert angesichts einer Ausbildungsabbrecherquote von über 25%: „Viele Vertragslösungen sind vermeidbar, …, wenn Warnsignale beachtet und rechtzeitig gegensteuernde Maßnahmen ergriffen werden. Mit externem Ausbildungsmanagement, Mediation und Ausbildungscoaching, also Begleitmaßnahmen mit qualifizierter sozialpädagogischer Begleitung, ist es vielfach gelungen, Vertragslösungen schon im Vorfeld zu vermeiden und den Anteil von Ausbildungsabbrüchen niedrig zu halten.“ … Eine Studie des Bundesinstituts für Berufliche Bildung (BiBB) belegt, dass ca. 20.000 junge Menschen mobil sind und wegen ihrer Ausbildung das Bundesland wechseln. Die grundsätzliche Bereitschaft zur Mobilität ist allerdings viel höher. Viele Betriebe beklagen mangelnde Ausbildungsreife, die nicht zuletzt auch in Persönlichkeitsstrukturen der Jugendlichen gründe. All dies und noch zahlreiche andere Hinweise können als Beleg für die Notwendigkeit des Jugendwohnens herangezogen werden, denn Einrichtungen des Jugendwohnens – überwinden Mobilitätshemmnisse, – stellen einen Standortvorteil für Kommunen dar, – sind Partner der Wirtschaft, – fördern junge Menschen bei der sozialen   Integration im neuen Umfeld, – unterstützen die erfolgreiche berufliche   Integration junger Menschen, – vermitteln soziale Kompetenzen und überwinden  an manchen Stellen vorfindbar mangelnde  Ausbildungsreife, – sind Ort für fördernde, orientierende,  begleitende, unterstützende pädagogische  Maßnahmen, – sind Instrument für mehr Bildungsgerechtigkeit, – erschließen Betrieben ein zusätzliches   Potential an Auszubildenden und Jugendlichen ein zusätzliches Potenzialan unbesetzten Ausbildungsstellen, – verhindern vorzeitige Ausbildungsabbrüche. … “ Andreas Finke (Referent beim Verband der Kolpinghäuser Leiter des Projektes AUSWÄRTS ZUHAUSE) … Zielsetzung und methodischer Ansatz “ 1. Zielsetzung der Expertise Zielsetzung der vorliegenden Expertise ist, Entwicklungen und Trends im begleiteten Jugendwohnen aufzuspüren. Dazu wird in verschiedenen Erhebungen (Umfragen und Medienauswertungen) ermittelt, wie die Einrichtungen, die darin wohnenden Jugendlichen, spezifische Zielgruppen im Umfeld der Einrichtungen und die Allgemeinheit die Angebote des begleiteten Jugendwohnens bewerten. Zusätzlich wird analysiert, wie über das Thema begleitetes Jugendwohnen in der Presse berichtet wird. … Vielmehr sollen Entwicklungen und Trends benannt werden sowie die Resonanz des begleiteten Jugendwohnens in der deutschen Presse, um für die Zukunft konkrete Maßnahmen sowohl der Öffentlichkeitsarbeit als auch der nachhaltigen Weiterentwicklung der Einrichtungen ableiten zu können. 2. Methodischer Ansatz Die Ergebnisse der vorliegenden Expertise beruhen auf einer Fragebogenuntersuchung unter verschiedenen Gruppen, einer repräsentativen telefonischen Befragung und auf der Auswertung von Printmedien. … “ … Auswertung der Befragung und Schlussfolgerungen “ Auswertung der Befragung und Schlussfolgerungen … Auffallend ist zunächst eine deutliche Diskrepanz zwischen der Einsicht der Einrichtungsleitungen in die Notwendigkeit, das eigene Handeln und die Bedeutung für die Gesellschaft stärker als bisher darzustellen, und der mangelnden Kontinuität und Zielrichtung der ergriffenen Maßnahmen. Dies betrifft insbesondere die Beurteilung der finanziellen Lage der eigenen Einrichtung in Kombination mit den angegebenen Lösungsvorschlägen. Einzig hinsichtlich einer Auslastungsverbesserung wurden hier konkrete Vorschläge zu möglichen Maßnahmen angegeben. Die deutlichste Bedrohung der finanziellen Situation wird allerdings in der weiteren Verminderung staatlicher Leistungen (auch über die Bewohnerinnen und Bewohner) gesehen. … Die Forderungen der Einrichtungen decken sich in diesem Zusammenhang mit den Angaben der Jugendlichen, auf welchem Wege Informationen zum Thema begleitetes Jugendwohnen verfügbar waren oder recherchiert worden sind. So werden Informationen über Möglichkeiten des begleiteten Jugendwohnens sowie zu konkreten Wohnheimplätzen zu überwiegendem Teil über „Mundpropaganda“ weitergegeben, Recherchen über das Internet werden hier komplementär vorgenommen. Das Angebot der Wohnheimsuche über die Internetseite der BAG Jugendsozialarbeit ist dabei nur wenigen Jugendlichen bekannt. Da insbesondere die Berufsberatung der Arbeitsagenturen und Kammern von den Jugendlichen in Anspruch genommen werden, sollte parallel zur Schaffung eines Internetportals Informationsmaterial an diese Einrichtungen versandt werden. Neben der Betrachtung der Informationskanäle sollte in Anbetracht des starken Gewichtes mündlicher Informationsweitergabe die Aufklärung der Bewohnerinnen und Bewohner über die grundsätzlichen (finanziellen und konzeptionellen) Rahmenbedingungen begleiteten Jugendwohnens stärker als Mittel der Öffentlichkeitsarbeitarbeit genutzt werden. … Bezugsgruppen und Adressaten * Berufsinformationszentren (BIZ) Gerade die Berufsinformationszentren sowie Berufsberaterinnen und Berufsberater der Arbeitsagenturen haben eine für die Einrichtungen nutzbare Interessenlage, da die Vermittlung von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt und die Integration in die Gesellschaft zu den maßgeblichen Aufgaben der Berufsinformationszentren zählen. Entsprechend können die Berufsinformationszentren ihr Angebot und ihre Vielseitigkeit durch Weitergabe der Informationen über begleitetes Jugendwohnen verbessern. … * Schulen/LehrerInnen und Lehrer/Verbände Eine ähnliche Rolle wie den Berufsinformationszentren kommt den Schulen /Lehrerinnen und Lehrern als Ansprech- und Kooperationspartnerinnen und -partner zu. … Einer zentralen Stelle käme dabei die Aufgabe zu, die Lehrerverbände darauf hinzuweisen, dass für die Jugendlichen zahlreiche Möglichkeiten bestehen, Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen auch in anderen Regionen wahrzunehmen und dabei auswärts ein Zuhause zu finden. … * IHKs/HWKs Die einzelnen Einrichtungen des begleiteten Jugendwohnens müssen hier mit ihrem speziellen Zusatznutzen argumentieren, beispielsweise jungen Fachkräften aus anderen Regionen kurzfristig und kostengünstig angemessene Unterbringungen mit pädagogischer Begleitung zu bieten. Die überregionale Arbeitskräftevermittlung ist dabei gerade in Zeiten einer angespannten Wirtschaftslage eine Chance. … Methoden und Instrumente … Der Erfolg sozialer Einrichtungen wird nach dem Grad der öffentlichen Präsenz beurteilt. Solche, die aktive Öffentlichkeitsarbeit betreiben, erfahren Nachfrage und Unterstützung, wer sich passiv verhält, wird hingegen kaum beachtet. Die Erkenntnis, dass man sich auf Seiten von „Öffentlichkeit“ und „Staat“ in dieser Weise verhält, ist dabei längst im Bewusstsein der Verantwortlichen in den Einrichtungen verankert. Anders als in Unternehmen, die bereits seit den 60er Jahren nach und nach ihre Werbeabteilungen um PR und Governmental Relations erweitert haben, scheint man im sozialen Bereich darauf zu vertrauen, dass sich die Notwendigkeit der eigenen Tätigkeit früher oder später bis zu den zuständigen Stellen herumspricht. Öffentlichkeitsarbeit findet bisher – wenn überhaupt – nicht auf der Grundlage einer Strategie statt. … Zusammenfassende Analyse der Befragungen hinsichtlich der konzeptionellen Ausrichtung der Einrichtungen Empfehlungen für eine sinnvolle Weiterentwicklung des Angebotes Neben den dargestellten Schlussfolgerungen für die Öffentlichkeitsarbeit können die Ergebnisse der Analyse einer konzeptionellen Weiterentwicklung der Einrichtungen des begleiteten Jugendwohnens dienen. So unterscheiden sich die Rahmenbedingungen vor Ort je nach Region zwar erheblich und letztendlich müssen die Einrichtungen hier individuell entscheiden können. Die folgenden Anregungen sind somit eher grundsätzlicher Natur und müssen in der Umsetzung an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden. a) Kommunikation der Leistung und Kosten Die Einrichtungen des begleiteten Jugendwohnens müssen zukünftig noch stärker darauf achten, dass der eigene Stellenwert und Möglichkeiten der finanziellen Förderung transparenter werden. So sollte die Beratung auch im Vorfeld für interessierte Jugendliche und ihre Eltern sowie für Ausbilderinnen und Ausbilder und Firmen ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen Auftritts sein. … b) Weiterentwicklung der pädagogischen Begleitung Während von Arbeitgeberseite verstärkt Kompetenzen im Bereich des selbständigen Arbeitens nachgefragt werden, können die Jugendlichen dem erhöhten Anforderungsdruck nur gerecht werden, wenn sie außerhalb der Ausbildung ein „sicheres“ Umfeld vorfinden, das zudem auch grundsätzliche Koordinaten eines Wertesystems vermittelt. Gerade darin liegt die Stärke der Einrichtungen des begleiteten Jugendwohnens. Neben der pädagogischen Begleitung ist die Erfahrung des Zusammenlebens mit anderen Jugendlichen dabei ein prägender Faktor. Diese Leistung gilt es auch weiterhin aufrecht zu erhalten. … c) Ausstattung der Einrichtungen Im Bewusstsein junger Menschen ändern sich die Vorstellungen zu Lebensphasen, Lebensalter und Geschlechterrolle. Diesem Wandel muss auch in der Form der Wohnheimgestaltung Rechnung getragen werden. Das bezieht sich auf die Bedürfnisse an die Ausgestaltung und Möglichkeiten der modernen Technik sowie Größe und Einrichtung der Wohn- und Gemeinschaftsräume. Die Tatsache, dass die Mehrzahl der Zimmer in den Einrichtungen Einzelzimmer sind, trifft die Erwartungen der Bewohnerinnen und Bewohner, die nach überwiegender Angabe Einzelzimmer bevorzugen. Das Bedürfnis nach Privatsphäre, das dem Wunsch nach einem Leben in Gemeinschaft mit zahlreichen Jugendlichen im Wohnheim nicht widerspricht, sollte in der Gestaltung der Wohnräume ebenfalls berücksichtigt werden. Genauso sollten die Unterschiede zwischen Wünschen und Bedürfnissen von Mädchen und jungen Frauen ebenso wie die der männlichen Bewohner beachtet werden. … d) Regionale Integration Da sich Umfeld und Infrastruktur der neuen Heimat häufig stark von der des Herkunftsortes unterscheiden (regionale Besonderheiten, Wechsel vom Land in die Großstadt), sollten die Bewohnerinnen und Bewohner über die Freizeitmöglichkeiten und Veranstaltungen in der Region informiert, aber auch in die regionale Wirtschaftsstruktur eingeführt werden. Nicht selten können sich so Perspektiven ergeben, die für den beruflichen Werdegang eines jungen Menschen entscheidend sein können. … e) Ausrichtung auf den europäischen Integrationsprozess Der europäische Integrationsprozess bietet den Einrichtungen des begleiteten Jugendwohnens eine große Chance, da vermehrt junge Menschen in einer anderen europäischen Region Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten suchen werden bzw. bereits suchen. Auf diese Entwicklung sollte das Jugendwohnen vorbereitet sein. Dazu gehören die Ansprache überregional tätiger Unternehmen und die Information über die Möglichkeiten des begleiteten Jugendwohnens. Daneben sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der einzelnen Einrichtungen auch Sprache und kulturelle Unterschiede in die individuelle pädagogische Begleitung einfließen lassen. … < http://www.auswaerts-zuhause.de
http://www.bag-jugendsozialarbeit.de

Quelle: http://www.auswaerts-zuhause.de/expertise_auswaerts-zuhause.pdf

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