Reife ist eine Frage des Förderns und Forderns. Eine Handreichung des DGB zur Ausbildungsreife

REIFE IST EINE FRAGE DES FÖRDERNS UND FORDERNS Die Arbeitgeber beklagen die angeblich so mangelhafte Ausbildungsreife der SchulabgängerInnen. Der DGB macht sich dagegen dafür stark, Jugendliche in ihrer individuellen Entwicklung zu begleiten, ihre Stärken zu fördern und ihre Schwächen auszugleichen. Der DGB-Bundesvorstand hat dazu eine Handreichung und ein Eckpunkte-Papier verabschiedet. Auszüge aus der Handreichung: „Die Frage, ob Jugendliche heute noch im allgemeinbildenden Schulsystem ausreichend auf die Arbeitswelt vorbereitet werden, beschäftigt die Bildungs- und Berufsbildungspolitik nicht erst seit den PISA-Studien. Die Debatte um fehlende Bildungskompetenzen junger Menschen ist nicht neu. Die Klagen über mangelnde Ausbildungsreife und über die schlechte Vorbereitung auf die Arbeitswelt reißen nicht ab. Je weniger Arbeitsplätze und je weniger Ausbildungsstellen zur Verfügung stehen, desto schlechter scheinen die Qualifikationen. Andererseits steht fest, dass die beruflichen Anforderungen anspruchsvoller und spezieller geworden sind. … Es besteht kein Zweifel, dass das Kompetenzprofil junger Menschen besser werden muss. Es gilt allerdings auch zu klären, wie Ausbildungsreife zu definieren ist, welche Konsequenzen zu ziehen sind und wie gute Projekte zur Qualitätsverbesserung breitenwirksam eingesetzt werden. 1. Ausbildungsreife – ist eine Frage des Förderns und Forderns … Ausbildungsreife steht immer in Abhängigkeit zu dem jeweiligen Beruf, dem möglichen Ausbildungsbetrieb und dem dort bestehenden Umfeld. Deshalb dürfen Jugendliche nicht in ein starres Kriterienkorsett gepresst werden. Benötigt werden Potenzialanalysen für jeden/jede Schüler/in, um individuelle Stärken zu fördern und Schwächen durch Förderprogramme abzubauen. Als Basiskompetenzen gelten: Lesekompetenz und Rechtschreibung, mathematische Grundkenntnisse sowie fremdsprachliche und informationstechnologische Kompetenz. Darüber hinaus sollen Jugendliche gelernt haben, wie sie sich das Wissen aneignen können. Hinzu kommen Schlüsselqualifikationen wie Motivation, Selbständigkeit, Teamfähigkeit und soziale Kompetenz. Auch wenn am Ende der Schulzeit das Leistungsvermögen eines/r Jugendlichen unzureichend ist, braucht er/sie eine Chance auf Ausbildung. Die meisten Jugendlichen wachsen mit ihren Aufgaben, d.h. ihr Leistungsvermögen kann erweitert und in der Ausbildung entwickelt werden. Die Ausbildung trägt auch wesentlich dazu bei, dass Selbstbewusstsein der Jugendlichen zu stärken. Dennoch begründen Wirtschaft und einzelne Betriebe immer häufiger ihren Rückzug aus der Ausbildung mit dem Hinweis auf fehlende Ausbildungsreife. Tatsächlich steigen in Zeiten großer Nachfrage und zu geringer Angebote die Anforderungen. Heute tragen die hohen Anforderungen der Arbeitswelt dazu bei, dass nur die Besten zum Zuge kommen. Galt es früher als selbstverständlich, dass sich Meister und Ausbilder auch um schwache Auszubildende kümmerten, unterbleibt dies heute meist mit dem Hinweis auf die Kosten. Jugendliche mit schlechten Abgangszeugnissen oder ohne Schulabschluss bleiben außen vor. … Neben der Steigerung der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe bedarf es vor allem genügend voll qualifizierender Ausbildungsmöglichkeiten. Das deutsche Bildungssystem benötigt eine qualifizierte Berufsausbildungsvorbereitung für alle Jugendlichen, besonders aber für die, die Defizite haben. Die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss muss deutlich verringert werden. … 2. Reife – wie sich das Kompetenzprofil verändert hat . … Das Profil der Bewerber um Ausbildungsplätze hat sich in den vergangenen 15 Jahren gewandelt, meinen die Experten, keineswegs sei alles schlechter geworden. Die Team- und Kommunikationsfähigkeiten des Nachwuchses von heute schätzen gut 40 Prozent der Experten höher ein als noch vor 15 Jahren. Auch mit Englisch- und IT-Kenntnissen könnten die Jugendlichen glänzen. In einigen wichtigen Bereichen stellen die Fachleute hingegen Leistungseinbußen fest. Und zwar gerade bei Fähigkeiten, die in der Schule vermittelt werden, wie korrekte Rechtschreibung, einfaches Kopfrechnen, Prozent- und Dreisatzrechnen. Auch die Konzentrationsfähigkeit habe abgenommen. In der Summe beurteilen die Experten die Entwicklung skeptisch. Dies lasten sie nicht den Schülern an, sondern eher dem sozialen Umfeld. Fast acht von zehn der Befragten beklagen: Der Zusammenhalt in den Familien ist geschwunden, die Vermittlung von Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Arbeitstugenden hat nachgelassen. Die Arbeits- und Ausbildungsmotivation der Jugendlichen wird dadurch beeinträchtigt. Zugleich sind die Anforderungen in den Ausbildungsberufen und die Ansprüche der Betriebe an das Leistungsniveau der Bewerber gewachsen. … 3. Verbesserung der Ausbildungsreife – Wege und Möglichkeiten Nur mittels einer intensiven Verbindung zwischen Schule und Arbeitswelt gelingt es, junge Menschen auf die Arbeitswelt vorzubereiten. … 3.1 Schule Schulen brauchen Rahmenbedingungen und Strukturen, die es ermöglichen, bessere Lernbedingungen für alle Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Ein besonderes Augenmerk brauchen dabei bildungsbenachteiligte Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, mit Handicaps oder aus sozial schwachen Familien. Dazu gehören individuelle Angebote ebenso wie ein verstärkt projektorientierter Unterricht, differenzierte Aufgabenstellungen sowie Freiräume, um selbstständig zu lernen. Ganztagsschulen mit entsprechenden pädagogischen Konzepten bieten hierfür die besseren Voraussetzungen. … 3.2 LehrerInnen LehrerInnen und Berufsberatung stehen gemeinsam in der Pflicht, für alle Jugendlichen Hilfen für die Berufsorientierung zu leisten. Wer mit der Berufswahlvorbereitung und der Betreuung der Betriebspraktika beauftragt ist, benötigt sinnvolle Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote wie auch die Zeitkontingente, um diese nutzen zu können. … 3.3 Eltern Die Erziehung der Kinder stellt Eltern oft vor größere Herausforderungen als früher. Die Verbesserung der Qualifikationen und des Berufswahlverhaltens von Schulabgängern ist aber ohne Einbeziehung der Eltern kaum denkbar. Dabei dominiert in den Schulen der Eindruck, dass das Engagement der Eltern in den letzten Jahren eher gesunken ist. Eltern sind heutzutage zunehmend rat- und hilflos. Der Berufsfindungsprozess sollte Eltern genauso wichtig sein wie die Wahl der richtigen Schule. Berufswahlvorbereitung ist auch ein Familienprozess, der aktiv gestaltet sein will. … 3.4 Lernort: Betrieb Noch immer gibt es zwischen den Systemen Betrieb und Schule eine sehr große Distanz. Zu den zentralen Kompetenzen, die Jugendliche zur Bewältigung ihrer Zukunft brauchen, gehören Kenntnisse über Wirtschaft und Arbeitswelt. Der Unterricht muss praxisnah sein und die Arbeitswelt muss erlebt werden können. Schülerinnen und Schüler sollen erfahren, dass Lernen Grundvoraussetzung für Ausbildung und Arbeit im Unternehmen, also kein Selbstzweck ist. Dies fördert die Motivation zum Lernen und verbessert die Berufswahlorientierung. Durch das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Betrieben und Schulen wird die Vermittlung Lernschwächerer erleichtert. … 3.5 Kooperationen mit Ausbildungseinrichtungen Zahlreiche Untersuchungen und Projekte bestätigen das Interesse Jugendlicher, Schule nicht nur als Lern-, sondern auch Lebensraum zu erfahren. Zentrale Lebenswelten sind Familie, Tageseinrichtungen für Kinder und Schule. Diese (Aus-)Bildungsorte stehen häufig noch unverbunden nebeneinander. … 3.6 Berufsberatung ist Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit Berufsberatung muss auch weiterhin eine zentrale Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit sein. Entscheidende Vorteile sind einerseits die Nähe zu Wirtschaft und Betrieben und andererseits die an den Wünschen und Potenzialen orientierte Berufsberatung und Vermittlung. Die BA ist die einzige Institution mit umfassendem Überblick über Berufe, Arbeitsmarkt und Qualifikationsbedarf. Berufsberatung der Agenturen vor Ort • Angebote zur beruflichen Einzel- und Gruppenberatung in den Schulen, • Berufswahlseminare, • Testangebote des Psychologischen Dienstes der Agenturen zur Eignungsfeststellung. • berufs- und studienkundliche Vortragsreihen und weitere Veranstaltungen im Berufsinformationszentrum der Agenturen (BIZ), • individuelle Vermittlung von Ausbildungsstellen, • Internet-Lehrstellenbörse, • Förderangebote und finanzielle Hilfen. 4. Fazit Dies alles ist keine Garantie für die richtige Berufswahl und keine Garantie zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit. Aber eine durchdachte Berufswahl mindert die Wahrscheinlichkeit eines Ausbildungsabbruchs oder eines Ausbildungswechsels mit hohen Zeitverlusten. Gleichwohl muss heute klar sein, dass Tätigkeits- und Berufswechsel an der Tagesordnung sind. Der einmal erlernte Beruf fürs Leben wird in Zukunft noch weniger die Regel sein. Es wird erwartet, dass Qualifikationen und Kompetenzen im Laufe des Erwerbslebens immer wieder angepasst werden. Eine Ausbildung mindert jedoch die Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit erheblich. Bei einer Arbeitslosenquote von 11,2 % (2004) lag die Quote für Menschen mit Berufsabschluss bei 8,7 %, für Hochschulabsolventen bei 4 % und für betrieblich ausgebildete bei 9,9 %. Dagegen war die Arbeitslosenquote von Menschen ohne Ausbildung mit 24,6 % mit Abstand am höchsten. Professionelle Berufsorientierung und Berufsberatung sind insoweit vorsorgende Sozialpolitik, die sich lohnt. … 5.2 Berufswahlpass Die Ausbildungsreife der Schülerinnen und Schüler soll durch frühe Berufsorientierung erleichtert werden. Somit wird der Übergang von der Schule in die Berufsausbildung unterstützt. Vorbild ist der im Programm ‚Schule-Wirtschaft/Arbeitsleben‘ zusammen mit den Ländern entwickelte Berufswahlpass. … Er ist: • ein Instrument zur Förderung der Selbstverantwortung der Schülerinnen und Schüler und zur individuellen Lernplanung • ein Mittel zur Dokumentation der Projekte und Maßnahmen im Rahmen der Berufsorientierung wie z. B. Praktika, Unterrichtsprojekte,schulische und außerschulische Veranstaltungen oder auch Angaben zu besonderen Lernleistungen, • Unterlage zur Unterstützung des beruflichen Entscheidungsprozesses der Schülerinnen und Schüler, • ein Mittel zur Initiierung von gemeinsamen Auseinandersetzungs- und Gesprächsanlässen über den Verlauf des Berufswahlprozesses der Schülerinnen und Schüler, • Anlass für die Schule, ihr Berufsorientierungscurriculum zu formulieren und zu präzisieren. Mit dem Berufswahlpass lassen sich Materialien und Informationen sinnvoll ordnen und ablegen. Vor allem hilft er dabei, diese später im Bedarfsfall schnell und sicher wieder zu finden.“ … Weitere Informationen zur Berufsorientierung und Bewerbung mit vielen nützlichen Tipps und Materialien sind unter den zusammengestellten Links erhältlich.

http://www.berufswahlpass.de
http://www.machs-richtig.de
http://www.hamburger-bildungsserver.de
http://www.was-werden.de
http://www.jungekarriere.com
http://www.idee-it.de
http://www.educationnetwork.de
http://www.jugendjockel.de

Quelle: http://www.dgb.de/homepage_kurztexte/ausbildungsreife.htm/

Dokumente: handreichung_reife.pdf

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