WIDER DIE BENACHTEILIGUNG DER BENACHTEILIGTEN Die BAG Katholische Jugendsozialarbeit hat die derzeitige SGB II-Debatte zum Anlass genommen, Aussagen zu ihrer Kernzielgruppe, benachteiligte Jugendliche, zu formulieren. Zwar ist das Gesetzgebungsverfahren zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende weitgehend abgeschlossen, aber die Diskusiion in der Regierungskoalition zeigt, dass weiterer Änderungsbedarf im SGB II gesehen wird. Mit dieser Stellungnahme möchte die BAG KJS noch einige neue Akzente setzen und spricht sich für eine stärkere Berücksichtigung der Anliegen benachteiligter junger Menschen aus. “ Von den aktuell 4.790.046 bundesweit gemeldeten Arbeitslosen sind 555.037 unter 25 Jahren. Davon gehört der weitaus größte Teil, nämlich 332.380 junge Menschen, dem Rechtskreis des SGB II an. Diese Situation ist nicht hinnehmbar. Es müssen besondere Anstrengungen zur beruflichen und damit verbunden gesellschaftlichen Integration dieser Zielgruppe unternommen werden. Dabei muss die berufliche Bildung Vorrang haben, weil sie der Schlüssel zur Integration junger Menschen ist. Das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende zeigt Ansätze in diese Richtung, geht jedoch nicht weit genug. * Verstärkte Unterstützung bei der Vermittlung Die BAG KJS e.V. begrüßt die Erweiterung in § 16 Abs.1 SGB II: „Zur Eingliederung in Arbeit erbringt die Agentur für Arbeit Leistungen nach § 35 des Dritten Buches.“ Hier ist u. a. geregelt: „Die Agentur für Arbeit stellt sicher, dass Arbeitslose und Ausbildungssuchende, deren berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert ist, eine verstärkte vermittlerische Unterstützung erhalten.“ und weiter: „Die Agentur für Arbeit hat durch Vermittlung darauf hinzuwirken, dass Ausbildungssuchende eine Ausbildungsstelle, Arbeitsuchende eine Arbeitsstelle und Arbeitgeber geeignete Arbeitnehmer und Auszubildende erhalten. Sie hat dabei die Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit der Ausbildungssuchenden und Arbeitsuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen zu berücksichtigen.“ (§ 35 Abs. 1 und 2 SGB III) Das geschieht heute nicht in ausreichendem Maße. Deshalb ist vor Abschluss der Eingliederungsvereinbarung mit jeder und jedem Jugendlichen ein Kompetenzfeststellungsverfahren durchzuführen. Die freien Träger bieten hierzu ihre Erfahrungen an. * Finanzierung von Aktivierungshilfen Positiv zu bewerten ist, dass künftig die Aktivierungshilfen (§ 241 Abs. 3a SGB III) als niedrigschwellige Angebote für junge Menschen im Vorfeld von Ausbildung, Qualifizierung und Beschäftigung in ihrer Gesamthöhe finanziert werden können. Dies führt zu einer Umsetzungsvereinfachung, da die bisher geforderte Kofinanzierung durch einen weiteren Träger entfällt. Leider wendet der Gesetzgeber diese Regelung nicht auf die Berufsorientierungsmaßnahmen nach § 33 SGB III an, mit denen junge Menschen durch vertiefte Berufsorientierung und Berufswahlvorbereitung gefördert werden können. Hier ist nach wie vor eine Kofinanzierung durch Dritte notwendig. Diese ist aber aufgrund der angespannten Finanzsituation vieler Kommunen in den wenigsten Fällen zu erwarten. * Nachhaltig fördern und qualifizieren Es müssen besondere Anstrengungen unternommen werden, damit neben dem „Fordern“ im SGB II dem „Fördern“ größere Bedeutung zukommt. In § 14 SGB II hat der Gesetzgeber geregelt: „Die Träger der Leistungen nach diesem Buch unterstützen erwerbsfähige Hilfebedürftige umfassend mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit.“ und weiter: „Die Träger der Leistungen nach diesem Buch erbringen … alle im Einzelfall für die Eingliederung in Arbeit erforderlichen Leistungen“. Die BAG KJS e.V. fordert deshalb, dass für junge erwerbsfähige Hilfebedürftige in § 3 Abs. 2 SGB II die Reihenfolge der Angebote geändert wird. Bisher schreibt das Gesetz vor, dass junge Menschen unter 25 Jahren unverzüglich nach Antragstellung auf Leistungen nach diesem Buch in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln sind. Für die berufliche Entwicklung der jungen Menschen wie für die Heranbildung des bald dringend gesuchten Nachwuchses an Fachkräften müsste die Formulierung lauten: „ … in Ausbildung, Arbeit oder Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln…“. Arbeitsgelegenheiten müssen bei jungen Menschen ohne Ausbildung immer die ultima ratio sein. Im vergangenen Jahr sind 630.000 Teilnehmer/-innen in Arbeitsgelegenheiten eingetreten, ca. 25 % von ihnen waren unter 25 Jahren. Man darf junge Menschen nicht schon zu Beginn ihrer beruflichen Karriere auf zusätzliche und zeitlich befristete Beschäftigungen ohne längerfristige Perspektiven verweisen. Viel mehr als bisher müssen jungen Menschen im Rahmen des SGB II Zugänge zu beruflichen Bildungsangeboten des SGB III eröffnet und tatsächliche Angebote verschafft werden. * Finanzierung von Eingliederungsmaßnahmen Dass künftig Eingliederungsmaßnahmen auch nach Wegfall der Bedürftigkeit weiter gefördert werden können, wenn bereits zwei Drittel der Maßnahme durchgeführt worden sind, ist zu begrüßen (§ 16 Abs. 4 SGB II). Allerdings besteht besonders für junge Menschen das Problem, dass dies nur auf Darlehensbasis geschieht und damit gleich zu Beginn der beruflichen Karriere Schulden entstehen. Die vorgesehene Änderung in § 22 Abs. 7 SGB II, nach der Auszubildende einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung erhalten sollen, wird daher positiv bewertet. * Ungerechtigkeiten bei den Sanktionierungsregelungen aufheben Bei der Verhängung von Sanktionen (§ 35 SGB II) waren junge Menschen unter 25 Jahren bisher deutlich stärker betroffen als andere Hilfebedürftige. Künftig soll zwar der Wegfall der Regelleistung von bisher drei Monaten auf sechs Wochen verkürzt werden können. Trotzdem sind junge Menschen schlechter gestellt als erwachsene Hilfebedürftige, da ihnen bei einer Pflichtverletzung weiterhin der gesamte Regelsatz gestrichen wird und ihnen nicht, wie anderen Hilfebedürftigen, eine Kürzung von zunächst 30 % auferlegt wird. Außerdem ist die Rechtmäßigkeit der Regelung anzuzweifeln, nach der der Gesetzgeber die Grundsicherung, also das, was Menschen grundlegend zum Leben brauchen, kürzen oder gar – bei jungen Menschen – ganz streichen darf. “ Beschluss des Vorstands der BAG KJS Köln, 09.06.2006
Quelle: BAG Katholische Jugendsozialarbeit