Alternative zur öffentlichen Ausschreibung. Ein Diskussionspapier des Deutschen Caritasverbandes.

GESTALTUNG VON VERTRAGSBEZIEHUNGEN BEI ANGEBOTEN DER BERUFLICHEN INTEGRATIONSFÖRDERUNG FÜR JUNGE MENSCHEN Alternative zur öffentlichen Ausschreibung. Ein Diskussionspapier des Arbeitsbereichs Jugendsozialarbeit des Deutschen Caritasverbandes. Auszüge aus dem Diskussionspapier: “ 1 Einleitung Derzeit sind die Angebote der beruflichen Integrationsförderung nach dem SGB III für Jugendliche geprägt durch einen Preiswettbewerb, der für viele Träger und den dort beschäftigten Mitarbeiter/-innen eklatante Folgen hat. Ursache ist die seit 2003 praktizierte zentrale Einkaufspolitik der Bundesagentur für Arbeit mit öffentlichen Ausschreibungen. … Den Ausführungen zugrunde liegen das Papier „Thema Subjekt- und Objektförderung – Relevanz für die Jugendsozialarbeit“, erstellt von einer dazu beauftragten Arbeitsgruppe der Caritas-Jugendsozialarbeit, sowie einem Aufsatz von Dr. Frank Brünner, Arbeitsstelle Sozialrecht im Deutschen Caritasverband. Die Ausführungen dienen als Grundlage für die Diskussion in den Gliederungen und Einrichtungen der Caritas und ihrer Fachverbände zu der Frage, ob ein Zulassungsverfahren im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis eine Alternative zur öffentlichen Ausschreibung darstellt. Die nachfolgenden Abhandlungen sind jedoch noch weitgehend systemimmanent. Nach Ansicht der Mitglieder der DCV-Bundesfachkonferenz Jugendsozialarbeit muss im Zuge der derzeitigen Diskussion um die Finanzierung der Integrationsmaßnahmen aus Beiträgen der Arbeitslosenversicherung und der Forderung, diese zukünftig aus Steuermitteln zu finanzieren, auch die Frage der Zuständigkeit bedacht werden. Von Seiten der Jugendsozialarbeit sind in den letzten Jahrzehnten maßgeblich Impulse für Planungen und Instrumente zur Förderung benachteiligter Jugendlicher ausgegangen. Auch die Förderinstrumente aus dem SGB III (§ 61 und §§ 240 ff) sind wesentlich durch die Organisationen der Jugendsozialarbeit mit gestaltet worden. Als Leitprinzipien der Jugendsozialarbeit haben sich insbesondere (sozial)pädagogische, ganzheitliche und an den Lebenswelten der jungen Menschen orientierte Ansätze bewährt. Vor dem Hintergrund, dass die Jugendhilfe über Erfahrungen und Kompetenzen in der Koordinierung und Steuerung jugendspezifischer Angebote verfügt, sollten die Angebote der beruflichen Integrationsförderung für Jugendliche nach dem SGB II, dem SGB III und dem SGB VIII von der Jugendhilfe gebündelt und gesteuert werden. Denkbar wäre, dass regional angesiedelte jugendspezifische Job-Center in Trägerschaft der öffentlichen Jugendhilfe arbeiten. In Kooperation mit allen Akteuren und Akteurinnen der beruflichen Integrationsförderung müssten die Angebote geplant, ausgestaltet und umgesetzt werden. Instrumente dafür wären mit bestehenden Strukturen bereits vorhanden. Beispielsweise böten Jugendkonferenzen eine Plattform zur Planung und Koordinierung der Angebote. Die Angebote der beruflichen Bildung für benachteiligte Jugendliche könnten gemäß dem Entscheidungsleitfaden 50/99 der Bundesagentur für Arbeit, der die Qualitätsgrundsätze beschreibt, gesteuert und damit Qualität und Wettbewerb sichergestellt werden. Die Beiräte in den ARGEn/optierenden Kommunen könnten die Arbeit der Job-Center begleiten. Auch diese Option sollte weiter diskutiert werden, mit dem Ziel, die Hilfen nach SGB II, III und VIII sinnvoll im Sinne der Entwicklung und Integration benachteiligter junger Menschen zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. 2 Öffentliche Ausschreibung Die Bildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (BA) werden in öffentlichen Wettbewerben vergeben. Die rechtlichen Grundlagen für diese wettbewerbsrechtlichen Ausschreibungen finden sich im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in der Vergabeverordnung (VgV) und in der Verdingungsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A). Bei der Praxis der öffentlichen Vergabe sind die Auswirkungen der VOL/A zu unterscheiden von denen der in 2003 eingeführten zentralen Einkaufspolitik der BA. … 2.3 Anwendung der öffentlichen Ausschreibung bei Angeboten für Jugendliche unter 25 Jahren 2.3.1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) Bei den Förderangeboten für Jugendliche nach dem SGB III wird seit 1998 nach der VOL/A ausgeschrieben, … Seit 2006 wird auch der zentrale Einkauf flächendeckend umgesetzt. Ziel der BA ist es, jährlich jeweils ein Segment auszuschreiben, also Ausbildungsbegleitende Hilfen (AbH), Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB) oder Berufsausbildung in Außerbetrieblichen Einrichtungen (BaE). Für die Vertragsgestaltung hieße dies, es würden einjährige Verträge mit Optionen auf zweimalige Verlängerungen abgeschlossen werden. Im Jahr 2007 soll dieser dreijährige Zyklus für alle o.g. Maßnahmen eingeführt sein. 2.3.2 Sozialgesetzbuch II (SGB II) Das Verfahren im Wirkungsbereich des SGB II ist wesentlich uneinheitlicher. Zuständig für Vereinbarungen über Leistungen nach SGB II sind die Arbeitsgemeinschaften/ARGEn bzw. die optierenden Kommunen. Die Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung und die Auswahl der Anbieter liegen somit grundsätzlich in örtlicher Hand. Die ARGEn können Leistungen wie Trainingsmaßnahmen nach § 48 SGB III oder Maßnahmen der Benachteiligtenförderung nach §§ 240 ff SGB III zwar auch über die Regionalen Einkaufszentren der Bundesagentur beschaffen. Nicht alle ARGEn machen hiervon jedoch Gebrauch. … 3. Alternative zur öffentlichen Ausschreibung: Zulassungsverfahren im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis Im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis verpflichtet sich der Leistungserbringer zur Bereitstellung und Erbringung einer vereinbarten Leistung und erhält im Gegenzug vom Kostenträger das Recht eingeräumt, diese Dienstleistung erbringen zu dürfen. Die Bewilligung der Leistung erfolgt gegenüber dem/der Leistungsberechtigte/n. Die Leistungsberechtigten entscheiden in Ausübung ihres Wunsch- und Wahlrechts, bei welchem Maßnahmeträger die Leistung in Anspruch genommen wird. Die Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis ist eine subjektbezogene Finanzierungsart. Im Gegensatz zur Vertragsgestaltung im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung, bei den Belegungsplätze fest eingekauft und bezahlt werden, hat der Träger das finanzielle Risiko selbst zu tragen, da er die Dienstleistung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung anbietet. Die Inanspruchnahme der Leistung hängt einerseits von der Bewilligung der Hilfen durch die Leistungsträger ab und andererseits von der Wahl der Leistungsberechtigten selbst. 3.1. Gesetzlicher Rahmen Bei Ermessensleistungen soll Wünschen des Berechtigten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind (§ 33 Sozialgesetzbuch I). Dieses Wunsch- und Wahlrecht ist Ausdruck der Achtung der Menschenwürde und Freiheit des Einzelnen und gilt für alle Sozialleistungen, also auch für Leistungen nach SGB II oder SGB III. Dementsprechend ist die Pluralität des sozialen Hilfeangebotes eines der wesentlichen Strukturgesetze unserer Gesellschaft. Hierzu gehört auch die Wählbarkeit wertgebundener sozialer Dienstleistungen. Aus Sicht der Leistungserbringer wird das plurale Hilfeangebot über die durch Art.12 GG geschützte Berufsfreiheit verfassungsrechtlich gesichert. Die Angebotssteuerung durch Sozialleistungsträger ist ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in Art. 12 GG, der einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. In SGB II und SGB III fehlt es für die meisten Leistungen an einer solchen Grundlage. 3.1.1 Sozialgesetzbuch III (SGB III) Die Leistungen speziell für Jugendliche unter 25 Jahren gemäß §§ 59 ff und §§ 240 ff SGB III umfassen berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, ausbildungsbegleitende Hilfen, Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen sowie finanzielle Hilfen. 3.1.2 Sozialgesetzbuch II (SGB II) Die berufliche Förderung nach SGB II für die Zielgruppe der unter 25-jährigen sieht nach SGB II § 3 (2) Leistungsgrundsatz vor, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unverzüglich nach Antragstellung auf Leistungen aus diesem Buch in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln sind. § 16 SGB II enthält Informationen darüber, welchen Anspruch auf Förderung Empfänger/-innen der Grundsicherung haben. Dabei sind auch die Angebote aufgeführt, die aus dem SGB III „entlehnt“ sind: Berufsberatung, Ausbildungsvermittlung und Berufsausbildung in außerbetrieblichen Einrichtungen sowie ausbildungsbegleitende Hilfen. Es ist grundsätzlich Sache des Leistungsträgers, dafür zu sorgen, dass die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I). Die Chance, dass das bestehende Angebot möglichst vielfältig und bedarfsgerecht ist, ist bei Anwendung von Zulassungsverfahren im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses größer als bei einer Angebotssteuerung durch den Sozialleistungsträger. 3.2 Anforderungen an Maßnahmeträger und Kostenträger *Planung der Angebote Die Sicherstellung des Angebots der beruflichen Integrationsförderung für junge Menschen im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses würde voraussetzen, dass ein Aushandlungsprozess aller regionalen Akteure und Akteurinnen stattfindet, in dem der Bedarf ermittelt und entsprechende Angebote durch Maßnahmeträger angeregt werden. Für die Planung der Angebote für Jugendliche sind beispielsweise Jugendkonferenzen oder Jugendhilfeplanung geeignete Instrumente. Ggf. könnten Rahmenvereinbarungen einbezogen werden. Auf dieser Basis könnten potenzielle Träger ihre Angebote für Jugendliche bedarfsorientiert konzipieren und vor Ort anbieten. Die Angebote wären damit regional angepasst und würden nicht vorrangig politischen Schwankungen unterliegen. Eine staatliche Bedarfsplanung, wie sie derzeit durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgt, wäre damit aufgehoben, an ihre Stelle treten würde ein Verfahren, bei dem vorhandene Ressourcen zu Gunsten der Zielgruppe vernetzt werden könnten. *Anerkennungs- und Controllingverfahren Beim Anerkennungs- und Controllingverfahren müsste ein transparentes Prüfverfahren mit abprüfbaren Kriterien eingesetzt werden, nach denen Träger eine Konzessionierung erhalten. Im Rahmen eines Aushandlungsprozesses zwischen Leistungserbringer und Kostenträger müssten Leistungsbeschreibung, Anerkennungs- und Controllingverfahren erarbeitet und festgelegt werden. *Preisgestaltung Die Preisgestaltung wäre Ergebnis der Verhandlungen zwischen Leistungsträger und Kostenträger, die vertraglich festgelegt würde. Sie müsste Personal- , Durchführungs- sowie Investitionskosten einrechnen und systemimmanente Risiken absichern. Die Preiskalkulation müsste zudem auf Basis einer realistischen Auslastungsquote erfolgen. *Ausübung des Wunsch- und Wahlrechts der jungen Menschen Voraussetzung dafür, dass die Teilnehmer/-innen „mit den Füßen abstimmen“ könnten, wären kundige Kunden, die in die Lage versetzt wären, das für sie beste Angebot auswählen zu können. Den Job-Centern bzw. den Arbeitsagenturen obläge die Aufgabe, mit ihrer Beratung eine gute Entscheidungsgrundlage für die jungen Menschen zu schaffen. Auch würde dies eine plurale Anbieterstruktur voraussetzen. Erst unter diesen Voraussetzungen könnten Jugendliche das für sie passende Angebot auswählen und in Anspruch nehmen. *Wettbewerbsgestaltung Bei einer Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis ohne Belegungsgarantie könnten und müssten Träger sich selbst um eine möglichst hohe Belegung ihrer Einrichtungsplätze bemühen. Dies erforderte entsprechende seriöse Werbestrategien und Aktivitäten zur Teilnehmer/-innenakquise. Bei entsprechender Begleitung der jungen Menschen wären hohe Qualität und ein gutes Förderangebot ausschlaggebend dafür, dass Jugendliche ihre Einrichtung wählen würden. *Qualitätsüberprüfung Für die Qualitätsüberprüfung müssten harte Prüfkriterien angelegt werden, wie sie in den Entscheidungsleitfäden 50/99 und 12/20025 festgelegt waren. Voraussetzung wäre die Bereitstellung einer adäquaten Ausstattung und von qualifiziertem Personal. Die ausbildungsadäquate Bezahlung des Personals im Rahmen eines Preiskorridors wäre ebenso gefordert wie die Einhaltung fachlicher Standards. Die Qualitätsüberprüfung müsste vor allem im Rahmen eines Routinecontrollingverfahrens in der realen Umsetzung der Arbeit der Träger erfolgen. 3.3 Bewertung Im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis würde ein Wettbewerb in Gang gesetzt, der sich nicht, wie dies aktuell der Fall ist, überwiegend am Preis orientiert, sondern an der Qualität der Arbeit in den Einrichtungen und an den Wünschen und Interessen der Teilnehmer/-innen. Wenn die Strategie der Bundesagentur bzw. der ARGEn oder optierenden Kommunen im Hinblick auf die zukünftigen Schwerpunkte der Förderung von Jugendlichen unter Einbeziehung aller regionalen Akteure und Akteurinnen festgelegt würde und diese sich so rechtzeitig auf Veränderungen im Bewilligungsverhalten der Leistungsträger einstellen können, kann im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis ein passgenaues und plurales Angebot sichergestellt werden. Günstigstenfalls könnte sich durch diese Art des Wettbewerbs eine verlässliche Infrastruktur mit qualitativ wertvollen, pluralen und kontinuierlichen Angeboten entwickeln, bei der Jugendliche ihr im SGB I verbrieftes Wunsch- und Wahlrecht ausüben könnten. Da Leistungsverträge ausgehandelt würden, erfolgte die Vertragsgestaltung in partnerschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Leistungsträger und Kostenträger. Allerdings würde die Leistungserbringung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis auch Risiken für die Träger mit sich bringen. Auch im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis können nicht immer angemessene Preise erzielt werden. Um Angebote etablieren zu können, müssten Träger selbst mit der Finanzierung ihrer Infrastruktur (Werkstatteinrichtungen, Räumlichkeiten etc.) in Vorleistung gehen. Dies wäre nur für potente Träger leistbar. Bestehende Einrichtungen hätten insofern jedoch Vorteile. Die Belegungsgarantie würde entfallen. Allerdings besteht diese im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen auch nur maximal drei Jahre für eine von der BA vorgegebenen Anzahl von Plätzen. Auf mittlere und längere Sicht bestünde aber die Chance, dass Träger mit Angeboten, die eine hohe Qualität aufweisen, sich etablieren könnten. Der Qualitätswettbewerb würde den Markt bereinigen, so dass Träger mit schlechten Angeboten nicht bestehen könnten. In Einrichtungen der erzieherischen Hilfen gibt es ähnliche Erfahrungen. Im Rahmen der Konzessionierung stünden Träger mit hochwertigen Angeboten nicht in der Gefahr, ihre Angebote nach kurzer Zeit wieder zu verlieren. Sie hätten mehr Gestaltungsmöglichkeiten und es würde sich lohnen, in die Qualität der Angebote zu investieren. “ Das Diskussionspapaier in seiner Gesamtheit ist unter angegebenem Link abrufbar.

http://www.caritas.de/2023.html

Quelle: Deutscher Caritasverband, Arbeitsbereich Jugendsozialarbeit

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