„Zukunft der dualen Berufsausbildung – Wettbewerb der Bildungsgänge“

ERGEBNISSE EINES EXPERTENWORKSHOPS „Zukunft der dualen Berufsausbildung – Wettbewerb der Bildungsgänge“ Auszüge aus den Vorträgen: “ * Lässt sich die Erosion der Dualen Ausbildung aufhalten? AUSGANGSPUNKTE Die betriebliche Ausbildungsnachfrage nimmt seit vielen Jahren ab und lässt eine große Zahl an Jugendlichen unversorgt. Heute münden bereits mehr Jugendliche in Vorbereitungs- und Auffangmaßnahmen als in eine reguläre Berufsausbildung. Es greift zu kurz, diese Entwicklung einfach auf mangelnden Ausbildungswillen der Unternehmen zurückzuführen. Ihr liegen ein veränderter Bedarf an Fachkräften bisher ausbildungsintensiver Sektoren, andere Personalrekrutierungs- und Qualifizierungsstrategien im wachsenden Dienstleistungssektor, konjunkturell bedingte Nachfrageausfälle und ein im Verhältnis zu komplexer werdenden Ausbildungsinhalten ungenügende Ausbildungseignung eines Teils der Jugendlichen zugrunde. Um die duale Ausbildung abzusichern, reichen daher allein kurzfristige Akquisitions- und Unterstützungsprogramme und politische Appelle nicht aus. Es muss durch eine Modernisierung und Flexibilisierung der Strukturen der Ausbildung auch dafür Sorge getragen werden, dass die verfügbaren betrieblichen Kapazitäten aus dem Blickwinkel des Berufsbildungssystems optimal eingesetzt werden und dafür gesorgt werden, dass den Betrieben ein niedrigschwelliger Einstieg in die Berufsausbildung und eine produktive Durchführung der Ausbildung ermöglicht wird. EROSION AN DEN RÄNDERN DER DUALEN AUSBILDUNG Die mangelnde Differenzierung der Eingangsvoraussetzungen und Abschlüsse der deutschen dualen Ausbildung führt zu Adaptionsproblemen. Die Rechtsfiktion einheitlicher Eingangsvoraussetzungen, monolithische Ausbildungsgänge und das formell einheitliche Niveau der Berufsabschlüsse führen dazu, dass schwächere Aspiranten auf eine Berufsausbildung ausgegrenzt werden, … die duale Ausbildung erodiert an ihren Rändern. Ein Wettbewerb der Ausbildungsgänge am oberen Ende … mag ein Problem für die Positionierung des dualen Ausbildungssystems darstellen er ist keines für die Bildungsnachfrager. Am unteren Ende jedoch bleibt die duale Ausbildung vielen verschlossen, die sich dann ohne jede gesellschaftlich anerkannte Qualifikation verdingen müssen. Das Berufsbildungssystem hat dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich Jugendliche im Hinblick auf ihre Leistungs- und Motivationsvoraussetzungen bei der Einmündung in sowie der Durchführung einer Ausbildung unterscheiden. Die Qualifizierungsanforderungen ebenso wie die Voraussetzungen der Jugendlichen und der Betriebe sind hochgradig differenziert … Im Zuge des Auseinanderlaufens von Ausbildungsnachfrage und betrieblichem Ausbildungsangebot ist zudem an der Schwelle der Einmündung in eine Berufsausbildung für eine wachsende Zahl an Jugendlichen de facto eine Vielzahl von Warteschleifen geschaffen worden, die (a) größtenteils nicht anrechenbar sind auf abschlussbezogene und damit arbeitsmarktverwertbare Ausbildungsgänge (b) eine für die öffentliche Hand teure und zudem ineffiziente Ressourcenverwendung darstellen (c) aus Sicht vieler Jugendlichen zur Herausbildung von Maßnahmenkarrieren mit geringem Qualifizierungs- und Motivierungspotenzial führen. MODULARISIERUNG DER DUALEN AUSBILDUNG ZUR VERBESSERUNG DER ANSCHLUSSFÄHIGKEIT NACH UNTEN UND OBEN? Eine modulare Gliederung von Ausbildungsgängen wird zwar seit langem diskutiert, ist bislang aber in Deutschland nur in ersten Ansätzen umgesetzt worden. Eine zielorientierte und systematische Modularisierung könnte aber eine Reihe von Vorteilen mit sich bringen: Ausbildungsgänge müssten nicht mehr nur als monolithische Einheiten von mehrjähriger Dauer, sondern könnten auch in flexibleren Formen organisiert werden. Die Adaption an veränderte Anforderungen der Teilnehmer und/oder der Betriebe gelänge leichter die Planungsvorläufe verringerten sich. Eine innere Differenzierung in Berufsfelder und Einzelberufe würde leichter hergestellt. Auch würde der bestehende Gegensatz zwischen hochgradig geregelter dualer Ausbildung und wenig transparenter beruflicher Weiterbildung gemindert. Die Anschlussfähigkeit hin zu einer ergänzenden und kompatiblen Weiterbildung … wäre prinzipiell gegeben. Es ist dabei das Berufsprinzip zu wahren. … Ausbildungsgänge sollten in eine überschaubare Zahl von Modulen aufgeteilt werden, die je für sich eine Einheit begründen, die auf dem Arbeitsmarkt sinnvoll und transparent zu vermitteln ist. Bezogen auf einen dreijährigen Ausbildungsgang ergäben sich je nach Ausbildungsberuf beispielsweise Strukturen von sechs bis zwölf Einheiten, deren Definition und Begründung im Rahmen der Ordnungsarbeit zu leisten wäre. Grundmodule wären tendenziell umfassender als Fach- und Spezialmodule. Modulbezogene Prüfungen können … ohne den vorherigen Durchlauf von organisierten Ausbildungsprozessen erfolgen und so faktisch zu einer Verkürzung der Regelausbildungszeit führen. … Die berufliche Abschlussprüfung ist damit zwar nicht völlig obsolet ihr käme aber eine deutlich reduzierte Bedeutung zu. Sie diente nicht mehr dazu, das während der langen Zeit der Ausbildung erlernte Fachwissen gesammelt zu prüfen, sondern sie würde eher die erworbene überfachliche Kompetenz und die Sinnhaftigkeit der jeweiligen Modulkombination dokumentieren. Die Zulassung zu der Abschlussprüfung wäre gebunden an die erfolgreiche Absolvierung von Modulprüfungen. … eine berufsbezogenen Modularisierung würden dazu beitragen können, eine bessere Verzahnungen zwischen vor- und nachgelagerten Phasen und der eigentlichen Berufsausbildung zu schaffen, da sich auch vorgelagerte Ausbildungsaktivitäten zielgerichtet auf die Erreichung eines Ausbildungsabschlusses richteten und angerechnet würden. Die heutigen Warteschleifen führen hingegen zu Bildungsverläufen, die aus der Perspektive von Jugendlichen demotivierend und wenig kompetenzfördernd sind. … Es bleibt zu beachten, dass die Gruppe der „nicht unmittelbar Ausbildungsfähigen“ unverändert eigenständige Maßnahmen benötigt, die noch nicht modular mit der Berufsausbildung verzahnt sind. … “ Prof. Dr. Eckart Severing (f-bb) “ * Wettbewerb im Dualen System – Wettbewerb für das Duale System (1) Da das betriebliche Angebot an Ausbildungsplätzen nicht mit der steigenden Nachfrage nach Ausbildungsplätzen Schritt gehalten hat, ist es zu einer massiven Verschiebung von Bildungsströmen gekommen. Die Schaffung der Möglichkeit zur Zulassung von Absolventen beruflicher Vollzeitschulen zur Kammerprüfung war notwendig, um das duale System zu entlasten und Bildungsumwege zu vermeiden. Mittelfristig könnten dadurch neue Formen der Dualität entstehen. (2) Neue Ausbildungsberufe schaffen nicht nur neue Ausbildungsplätze. … Sinnvoller als die Schaffung einer zunehmenden Zahl von Spezialberufen wäre es, Einzelberufe zu Berufsfamilien zusammen zu führen und spezielle Qualifikationen im Rahmen differenzierter Ausbildungsregelungen (z.B. durch Schwerpunktbildungen, Fachrichtungen, Wahlqualifikationen oder als Zusatzqualifikationen) zu vermitteln. (3) Angesichts des zu erwartenden Rückgangs der Schulabgängerzahlen werden Lehrstellenbewerber künftig wieder in eine Situation kommen, sich aus unterschiedlichen Angeboten das für sie attraktivste auszuwählen. Die Betriebe werden mit Ausbildungsvergütungen, Zusatzqualifikationen, Auslandsaufenthalten, Jobs und Weiterbildungsmöglichkeiten um die Schulabgänger werben. (4) Die zunehmende Akademisierung bedeutet, dass der Berufsausbildung das Klientel der besonders leistungsfähigen Schulabgänger entzogen wird. … muss das Potenzial von Mitarbeitern in ungelernten Tätigkeiten und bei Personen ohne Ausbildungsabschluss besser ausgeschöpft werden. … (6) Mit der Realisierung eines Europäischen Qualifikationsrahmens (EQF) und eines Leistungspunktesystems (ECVET) entsteht ein Wettbewerb durch ausländische Bildungsgänge, Zertifikate und Abschlüsse. Die Sorge, dadurch würde das duale System ausgehöhlt oder entwertet, erscheint unberechtigt. Ausländische Zertifikate und Abschlüsse könnten deutsche aber sinnvoll ergänzen. “ Prof. Dr. Reinhold Weiß (BIBB) “ * Determinanten und Entwicklung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung in ausgewählten Dienstleistungsbereichen Die Hoffnungen auf eine bessere Versorgung mit Ausbildungsplätzen ruhen auf Wachstumsbranchen, die in Dienstleistungsbereichen, vor allem bei unternehmensbezogenen Dienstleistungen, ausgemacht wurden. Eine positive Beschäftigungsentwicklung im Dienstleistungssektor um die Jahrtausendwende war nicht von einer parallelen Entwicklung bei den Ausbildungsplätzen begleitet. Die Qualifizierung der Beschäftigten erfolgte weitgehend durch „Training on the job“, die Personalrekrutierung größtenteils durch Quereinsteiger aus Hoch- und Fachhochschulen. Eine mittlere Qualifikationsebene war nur ansatzweise auszumachen. Die Betriebe erkannten aber schon vor fünf Jahren einen Bedarf an Fachkräften mit betrieblicher Berufsausbildung. … Was hat sich daran bis heute geändert? Die Auszubildendenzahlen sind auch im Dienstleistungsbereich nach einem Höhepunkt in 2001 spürbar zurückgegangen. Betriebe aus jungen Dienstleistungsbereichen haben sich aber hinsichtlich ihres Ausbildungsverhaltens (Ausbildungsbeteiligung und Ausbildungsintensität) weitgehend an Betriebe traditioneller Wirtschaftsbereiche angenähert. In den neuen und modernisierten Berufen findet Ausbildung statt. Der Rückgang der Ausbildungszahlen ist weitgehend konjunkturell bedingt und bedeutet keineswegs, dass sich diese Betriebe aus der Ausbildung zurückziehen werden. Sie bieten dabei zukunftsorientierte Ausbildungsplätze von hoher Qualität.“ Silke Hartung (IAB), Klaus Schöngen (BIBB) “ * Einfache Arbeit in der Automobilindustrie. Ambivalente Kompetenzanforderungen und ihre Herausforderung für die berufliche Bildung 90% der Ausgebildeten werden heute in den großen Unternehmen der Massenfertigung von den direkten Fertigungsbereichen übernommen. Das hohe fachliche Niveau der Ausbildung wird in der Fertigung nur unzureichend abgerufen. Die Facharbeit wird heute von der Fertigung dominiert. Mit der Einführung von ganzheitlichen und standardisierten Produktionssystemen ergeben sich neue Dimensionen des Kompetenzerwerbs für Produktionsarbeiter. Zur Herstellung von sicheren Prozessen sind die Prozessträger, nämlich die Mitarbeiter in der Produktion, notwendigerweise zu beteiligen. Diese Beteiligungsprozesse der Mitarbeiter erfolgen über die Methoden der Gruppenarbeit, des Zielvereinbarungsprozess, der Visualisierung sowie der Kontinuierlichen Verbesserung. Der Kompetenzerwerb findet nunmehr in der inhaltlichen Aneignung der Methoden sowie ihrer jeweiligen Verfahren und Werkzeuge statt. Letztlich wird jeder Mitarbeiter in der Produktion ein Experte z.B. im Autobauen, … Einfache Arbeit wird so angereichert durch komplexes betriebliches Zusammenhangwissen wie umgekehrt der Wissensarbeiter der Produktion mehr und mehr standardisierten Einfachtätigkeiten ausgesetzt ist. Bislang ist die Frage nach der Ausbildung von Facharbeitern für die Fertigung nur unzureichend beantwortet. … Die berufliche Erstausbildung muss für die gewerblich technische Facharbeit ein Profil entwickeln, das der Komplexität der Fertigungsprozesse und gleichermaßen ihrer Vereinfachung gerecht wird. Eine Modernisierung der beruflichen Erstausbildung muss sich künftig an den quantitativen und qualitativen Bedarfen der Fertigung orientieren. Die Großserie nimmt nur noch sehr begrenzt Facharbeiter alten Zuschnitts auf, der geprägt ist durch autonomes Handeln, vertieftes Fachwissen und ganzheitlichen Arbeitsvollzügen. Andererseits ist es fraglich, ob die aktuelle Schneidung zweijähriger Berufe wie z.B. der Maschinen- und Anlagenführer in der Lage ist, die komplexen Anforderungen ganzheitlich, standardisierter Produktionssysteme einerseits und routinisierter Arbeitvorgänge andererseits angemessen abzubilden. Darüber hinaus müssen die Unternehmen Antworten auf erhöhte Flexibilitätserfordernisse ihrer Fertigungsbereiche finden, die allein über zweijährige Berufe nicht darstellbar sind. Diesen heterogenen Handlungsanforderungen kann nur Rechnung getragen werden, indem sie über ein modularisiertes System betrieblicher und außerbetrieblicher Bildung gesteuert werden, … das den starren Ordnungsrahmen beruflicher Erstausbildung überwindet. “ Dr. Michael Lacher (VW Coaching) “ * Segmentierung der Arbeit – neue Qualifikationsanforderungen an der Schnittstelle von einfacher Arbeit und Facharbeit Der Trend zu steigenden Qualifikationsanforderungen hat inzwischen auch den Bereich der einfachen Arbeitstätigkeiten erfasst. Aktuelle Untersuchungen der Nachfrageentwicklung nach Hilfs- und einfachen Tätigkeiten zeigen, dass sich einfache Tätigkeiten längst nicht mehr dadurch charakterisieren lassen, dass für ihre Ausführung keine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind. Einfache Arbeit wird komplexer und erfordert mehr und andere Kompetenzen als noch vor zehn Jahren. Diese Veränderungen werden ausgeblendet, wenn betriebliche Arbeitssysteme nur auf der Ebene des Berufsbildungssystems betrachtet werden. Eine Beschreibung auf der Ebene von Tätigkeiten ergibt dagegen ein differenziertes Bild. Branchenbezogene Untersuchungen von Tätigkeitsanforderungen im Bereich der einfachen Arbeit und ihrer Schnittstelle zur Facharbeit zeigen, dass sich in den Betrieben eine Entwicklung in zwei Richtungen abzeichnet. Im Beschäftigungsbereich der einfachen Arbeit zeigt sich deutlich eine Segmentierung. Neben einfach strukturierte Hilfstätigkeiten treten Tätigkeiten, die komplexere Fähigkeiten und erweitertes Wissen voraussetzen, ohne dass dabei das an Facharbeitsplätzen geforderte Wissens- und Könnensniveau erreicht wird. Gleichzeitig lässt sich im Bereich der Facharbeit neben der Tendenz zu steigenden Anforderungsniveaus eine gegenläufige Tendenz zur Rückführung von Facharbeitertätigkeiten in Tätigkeiten mit weniger komplexen Anforderungen beobachten. … “ Beate Zeller (f-bb) Die vollständige Dokumentation ist unter angegebenen Link erhältlich.

http://www.f-bb.de

Quelle: http://www.f-bb.de/fbb/tagungen_workshops/index.php?we_objectID=3436&Menu_Level_1_Control=4&Menu_Level_2_Control=4.1&l

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