Benachteiligte Jugendliche in Europa

BENACHTEILIGTE JUGENDLICHE IN EUROPA “ Mit dieser Diagnose leitet die Europäische Kommission ihre „Mitteilung über europäische Politiken im Jugendbereich“ anlässlich des 2005 beschlossenen Europäischen Paktes für die Jugend ein. Sie greift damit einen Problemkomplex auf, der nicht nur auf nationaler, sondern zunehmend auch auf europäischer Ebene als politische Herausforderung betrachtet wird. Die Zwischenbilanz der im Jahr 2000 verabschiedeten Lissabon-Strategie, die Europa zur wettbewerbsfähigsten Wissensgesellschaft der Welt machen soll, fiel nicht nur wenig ermutigend aus, sondern zeigte dass vor allem arbeitslose Jugendliche vergleichsweise wenig von Eingliederungs- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen profitieren. … Unter dem Eindruck schlechter Schulleistungen besonders von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien – auch im internationalen Vergleich – wird dies neuerdings als �mangelnde Ausbildungsreife’ diskutiert. Das Zitat nimmt jedoch auch Bezug auf die jüngere europäische Jugendforschung, die den Wandel der Bedingungen sozialer Integration zunehmend unter der Perspektive von Lebenslauf und Biographie analysiert. Dabei gelten die Übergänge zwischen Jugend und Erwachsenenstatus, die sich zunehmend ins dritte Lebensjahrzehnt ausdehnen, als Kulminiationspunkte des Zusammenwirkens von sozialen Strukturen und individuellem, biographischem Handeln. … Im Zuge gesellschaftlicher Modernisierung ist eine Entstandardisierung von Lebensläufen und Übergängen erfolgt: Übergänge sind umkehrbar, weil einzelne Schritte zurückgenommen werden müssen sie sind fragmentiert, weil unterschiedliche Teilübergänge – in Bezug auf Familie, Lebensstil, Wohnsituation usw. sich nicht mehr automatisch aus dem Übergang in die Arbeit ergeben, sondern eigenen Rhythmen folgen sie sind individualisiert, weil sie zunehmend ohne Rückgriff auf zuverlässige, kollektive Muster entschieden und verantwortet werden müssen – auch wenn Ressourcen und Möglichkeiten nach wie vor ungleich verteilt sind. Soziale Ungleichheit und Benachteiligung bedeuten in diesem Kontext nicht mehr nur unterschiedliche Chancen sozialer Mobilität, sondern zunehmend Risiken sozialer Ausgrenzung. Deshalb fordert die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung weiter „einen auf dem Lebenszyklus basierenden Ansatz in der Beschäftigungspolitik … unter anderem durch verstärkte Bemühungen, Jugendliche Beschäftigungspfade zu öffnen und die Jugendarbeitslosigkeit abzubauen, sowie durch konsequente Beseitigung geschlechtsspezifischer Unterschiede. … Maßnahmen für benachteiligte Jugendlich in Europa In ihrem Bemühen, die Mitgliedsstaaten zu wirksameren politischen Strategien im Sinne der Lissabon-Strategie zu bewegen, setzt die Europäische Kommission auf die Offene Methode der Koordinierung. … gab die Kommission zur Unterstützung der Offenen Methode eine Studie in Auftrag, um diesen Prozess durch einen Vergleich der nationalen Ansätze und ihrer Wirkungen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu unterfüttern sowie Vorschläge hinsichtlich einer höheren Wirksamkeit von Integrationsmaßnahmen zu entwickeln. Die Studie wurde in 13 Ländern durchgeführt: Bulgarien, Finnland, Griechenland, Italien, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Spanien sowie im Vereinigten Königreich. Auswahlkriterium waren die überdurchschnittlichen Quoten an Jugendarbeitslosigkeit oder frühzeitigem Verlassen des Bildungssystems. Als Kontrastlälnder nahmen außerdem Dänemark, Österreich und Slowenien teil. Aufbauend auf der Analyse nationaler und europaweiter Daten sowie von �good- practice’-Beispielen wurde in der Studie den Fragen nachgegangen, wer die benachteiligten Jugendlichen und welches ihre sozioökonomischen Charakteristika sind, auf welche Probleme sie im Übergang von der Schule in die Arbeit treffen, welche Wirkungen Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit und gegen das frühzeitige Verlassen des Bildungssystems haben und welches die Faktoren für Erfolg oder Scheitern solcher Maßnahmen sind. Der Analyseprozess umfasste außerdem Konsultationen mit über 200 Expertinnen und Experten aus Praxis und Politik auf nationaler und europäischer Ebene. Das der Studie zu Grunde liegende Verständnis von Benachteiligung nimmt seinen ausgang im Wechselverhältnis zwischen sozialen Strukturen und individuellem Handeln, das konstitutiv für soziale Integration ist. Wer wo und warum als �benachteiligt’ gilt, lässt sich im internationalen Vergleich entlang dieser zwei Pole festmachen: Auf der einen Seite stehen eher individualisierende Zuschreibungen von Benachteiligung im Sinne von (Sozialisations-)Defiziten in Bezug auf Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit bzw. Arbeitswilligkeit, auf der anderen Seite Ansätze, die Benachteiligung eher Strukturproblemen wie segmentierten Arbeitsmärkten und fehlenden Berufsbildungs- und Wohlfahrtsstrukturen zuschreiben, wie dies lange vor allem in Ländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit (z.B. Südeuropa) die Regel war. Benachteiligung steht also für die ungleiche Verteilung von Chancen und das Risiko sozialen Ausschlusses in den individuellen Übergangsverläufen von Bildung in Beschäftigung und resultiert aus dem komplexen Zusammenspiel struktureller und individueller Faktoren. … zeigt deutliche Unterschiede zwischen den beteiligten Ländern – sowohl in Bezug auf das frühzeitige Verlassen des Bildungssystems als auch auf Jugendarbeitslosigkeit. … so zwingt auch der internatiole Vergleich zur Differenzierung in Bezug auf scheinbar allgemein gültige Dimensionen von Benachteiligung. So ist nicht nur die Struktur des Bildungswesens für das Ausmaß frühzeitigen Verlassens des Bildungssystems verantwortlich, sondern auch das Ausmaß von Armut und sozialer Ungleichheit. Und es sind primär die männlichen Jugendlichen betroffen. … Auch in Bezug auf Jugendarbeitslosigkeit sind junge Frauen nicht mehr generell stärker betroffen als junge Männer besonders in Dänemark, Rumänien, der Slowakei und dem Vereinigten Königreich ist die Arbeitslosigkeit unter jungen Männern höher. Vergleichbares gilt für den Zusammenhang zwischen Schulabschluss und Arbeitslosigkeit, der keineswegs in allen Ländern gleichermaßen besteht. … Auch wenn Arbeitsmarktentwicklungen möglicherweise stärker ökonomisch als institutionell bedingt sind, ist der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Jugendarbeitslosigkeit doch schwächer als vielfalt vermutet. Allerdings darf in Bezug auf den Arbeitsmarkt Benachteiligung nicht auf Arbeislosigkeit reduziert werden, sondern es muss auch die Zunahme und Vielfalt prekärer und atypischer Beschäftigungsverhältnisse berücksichtigt werden: eine Entwicklung, die … auch die höher qualifizierten jungen Frauen und Männer trifft (z.B. aktuell Frankreich). … In Bezug auf Jugendarbeitslosigkeit sind Statistiken auch deshalb irreführend, weil sich die meist zitierte Jugendarbeitslosenrate nicht auf die jugendliche Gesamtbevölkerung, sondern nur auf die jugendliche Erwerbsbevölkerung bezieht. Diese wiederum schwankt erheblich, abhängig von der Bildungsbeteiligung und dem Anteil derer, die sich vom formalen Übergangssystem zurückgezogen haben – aus gesundheitlichen oder familiären Gründen oder weil sie keine Perspektiven (mehr) für sich sehen (die auf Grund ihres beruflichen Status „Null“ so genannten „Status-Zer0-Jugendlichen). … Im Zentrum des Interesses der Studie standen die in den unterschiedlichen Ländern angewendeten Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche bzw. die Frage nach ihrem Einfluss auf den Zusammenhang zwischen dem Verlassen des Bildungssystems und Jugendarbeitslosigkeit. Entsprechend der Deutungsmuster von Benachteiligung lassen sich auch diese Maßnahmen unter der Perspektive indivudualisierende versus strukturbezogene Ansätze analysieren. Eine quer dazu liegende Dimension ist die Unterscheidung von präventiven Maßnahmen, die darauf zielen, Jugendarbeitslosigkeit zu vermeiden oder kompensatorischen, die versuchen, arbeitslose Jugendliche wieder in Arbeit zu bringen. Maßnahmen gegen das frühe Verlassen des Bildungssystems … – Schulreformen zur Modernisierung von Bildungsgängen in Bezug auf Dauer und Durchlässigkeit, den Ausbau beruflicher Bildungsgänge und die Entwicklung nationaler Bildungsrahmensysteme – Bildungsgeld zum Ausgleich sozialer Ungleichheit … – Beratung zur Problemlösung und Unterstützung bei Bildungsentscheidungen … – Stützunterricht und sonderpädagogische Maßnahmen … -�Second-Chance’-Schulen zum Nachholen von Abschlüssen, entweder in Verbindung mit beruflicher Bildung oder in Abendschulen – Anerkennung informeller Kompetenzen … – (Berufs)vorbereitende Maßnahmen in Bezug auf persönliche Kompetenzen, Bewerbungstraining, Praktika, Ausbildungsvorbereitung, die jedoch nur zum Teil auf die spätere Ausbildung anrechenbar sind. Berücksichtigt man den Zusammenhang zwischen individuellen Bildungsentscheidungen und strukturellen Bedingungen, so erscheint es folgerichtig, dass sich Länder mit niedrigeren Bildungsquoten oder einer rapiden Abnahme in den vergangen Jahren durch eine Koordination von Maßnahmen auszeichnen, in denen Schulreformen mit finanzieller Unterstützung sowie individueller Beratung kombiniert sind. … Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit …lassen sich auch Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit entsprechend der Dimensionen individualisierend versus strukturbezogen und präventiv versus kompensatorisch analysieren – … – Beratung zur beruflichen Orientierung von Schulabgängern … – Berufsvorbereitung im Sinne der Kompensation individueller Defizite zur Erleichterung des Übergangs in reguläre Ausbildung… – Qualifizierungsprogramme und teilqualifizierende Maßnahmen… – Lohnkostenzuschüsse oder Steuererleichterungen für Arbeitgeber … – Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten … Eine ambivalente Form aktiver Arbeitsmarktpolitik stellt Deregulierung dar. Einerseits zielt sie auf die Dynamisierung von Arbeitsmarktstrukturen und Zugängen, andererseits setzt sie eine Absenkung der Ansprüche in puncto Lohnniveau und sozialer Sicherung auf Seiten der Arbeitssuchenden voraus. Für ihre integrative Wirkung entscheidend ist deshalb, ob Deregulierung durch erwerbsunabhängige soziale Sicherung flankiert wird. Die Evaluation aktiver Arbeitsmarktpolitik erweist sich durchweg als uneindeutiger als die der Maßnahmen gegen das frühzeitige Verlassen des Bildungssystems. So lassen die meisten Evaluationen keine Aussagen darüber zu, wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch ohne Hilfe eine Arbeit gefunden hättten. Gleichzeitg können auch erfolgreiche Beratung und Qualifizierung wirkungslos bleiben, wenn die Nachfrage nach Arbeitskraft ausbleibt. Inzwischen ist außerdem hinlänglich nachgewiesen, dass Effekte eines Maßnahmetyps von einer Vielzahl kontextgebundener Variablen abhängig sind, die sich nur schwer verallgemeinern lassen. … Aktivierung als �Erfolg’ in der Integration benachteilgter Jugendlicher? In den vergangenen Jahren lässt sich ein Trend hin zu aktivierenden Ansätzen feststellen, die nicht nur im Ausbau von Maßnahmen aktiver Arbeitsmarktpolitik bestehen, sondern unter dem Motto �Fördern und Fordern’ zunehmend die Selbstverantwortung und Motivation der Individuen in den Blick nehmen. Zentrale Aspekte von Aktivierung sind auf der einen Seite die Absenkung des Niveaus von Sozialleistungen bzw. deren stärkere Koppelung an die Bedingungen aktiver Arbeitssuche und Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen. Auf der anderen Seite spielen individuelle Eingliederungsvereinbarungen (EV) eine zentrale Rolle für die Einflussnahme auf und Kontrolle von individueller Erwerbsorientierung. … wesentliche Unterschiede zwischen vier Varianten: … – Unterstützende Aktivierungspolitiken, wie sie in Finnland und Dänemark sowie ansatzweise in Slowenien praktiziert werden, sind eingebettet in umfangreiche finanzielle Sicherungsleistungen und ganzheitliche Beratung. Jugendlichen steht eine breite Palette anerkannter Wahlmöglichkeiten offen, wobei die Integration ins reguläre Bildungssystem eine höhere Priorität genießt als der direkte Einstieg ins Erwerbsleben. Bildung orientiert sich dabei stärker an Persönlichkeitsentwicklung und Lebensplanung als an direkter Arbeitsmarktverwertbarkeit. Maßnahmen sind prinzipiell eher im Regelsystem angesiedelt und lassen sich deshalb als primär strukturbezogen und präventiv charakterisieren. … – Die britische Workfare-Variante von Aktivierung setzt dagegen auf hohen Druck auf die Individuen, irgendeine Beschäftigung anzunehmen – mit entsprechend hohen Anteilen von Jugendlichen in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Aktivierung ist dabei prinzipiell individualisierend auf die Bildungs- und Arbeitsbereitschaft der Jugendlichen ausgerichtet, jedoch keineswegs nur in kompensatorischer, sondern auch in präventiver Absicht mit Blick auf die vielfältigen Ein- und Umstiegsoptionen in Arbeit und Bildung. – Die Rekrutierungsvariante schließlich zielt vor allem auf eine bessere Passung zwischen Arbeitssuchenden und Arbeitsangeboten. Aktivierung dient in erster Linie der Eignungsfeststellung der Arbeitssuchenden und ihrer Rekrutierung für Qualifizierungs- und Beschäftigungsmaßnahmen. Eine zentrale Rolle spielen dabei berufsvorbereitende Maßnahmen für diejenigen, die beim Übergang in eine Ausbildung scheitern (z.B. Österreich). Hauptakteure von Aktivierung in dieser Variante sind deshalb auch ausschließlich die Arbeitsverwaltungen, obwohl keineswegs alle jugendlichen Arbeitssuchenden auch Leistungen beziehen. Dieser Variante ist auch Deutschland zuzuordnen (obwohl Hartz IV für einen Trend zur Workfare-Variante steht). – In der Defizitvariante besteht auf Grund grundsätzlicher struktureller Probleme im Übergangssystem keine ausreichende Basis für Aktivierung. Weder haben junge Frauen und Männer einen eigenständigen Anspruch auf Sozialleistungen, noch besteht ein flächendeckendes Angebot der Berufsberatung und Arbeitsverwaltung. Entsprechend dem Strukturdefizit des Übergangssystems und vor allem mangels individueller Leistungsansprüche überwiegen strukturbezogene Maßnahmen zur Kompensation der Nachteile junger Arbeitssuchender wie etwa Lohnkostenzuschüsse für die Einstellung Arbeitsloser und die Unterstützung junger Selbstständiger (vor allem in Griechenland, Italien, Polen). … Erfolgsfaktoren und Schlussfolgerungen für das deutsche Übergangssystem Die Frage �Was heißt Erfolg?’ ist damit noch nicht abschließend beantwortet. Vielmehr zeigt sich, dass das vorherrschende Verständnis von Aktivierung als Arbeitsmarktintegraion – wiederum gleichgesetzt mit sozialer Integration – in den meisten Kontexten die subjektiven Bedürfnisse und Interessen junger Frauen und Männer systematisch und massiv übergeht. Dies wiederum zeigt sich im steigenden Anteil der �Status Zer0’-Jugendlichen oder der Ausbildungs- und Maßnahmeabbrecher (etwa in Bulgarien oder im Vereinigten Königreich). … Eine weitere Definition von Erfolg, welche die biografische Passung von Maßnahmen und die subjektive Zufriedenheit der jungen Frauen und Männer einschließt, ist deshalb grundlegender Erfolgsfaktor der Integration benachteiligter Jugendlicher und junger Erwachsener. Dies bedeutet, die Motivation bzw. Demotivation der Subjekte nicht einfach – wie im Kontext gegenwärtiger Aktivierungsdiskurse – als Ressource oder individuelles Defizit, sondern als Indikator für soziale Integration im Übergang anzusehen. Vor dem Hintergrund einer solchen weiten Definition von Erfolg in Bezug auf Übergangshilfen erlaubt die Analyse der Länderberichte und der darin enthaltenen Beschreibungen �guter Praxis’ die Identifikation fünf allgemeiner Erfolgsfaktoren: Finanzierung: … im Sinne des günstigsten Kosten-Nutzen-Verhältnisses gilt festzuhalten, dass die Finanzierung die Reichweite von Maßnahmen, deren Qualität (z.B. Personal) sowie Absicherung der Adressaten gegen prekäre Lebenssituationen bestimmt. … Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich … die These ableiten, dass eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Vorbereitung Jugendlicher und junger Erwachsener für die Bewältigung unsicherer Übergänge Bildungsaufgaben von mindestens 6 Prozent des Bruttosozialproduktes sind. Dabei ist natürlich nicht allein die Höhe der Ausgaben, sondern auch die Art ihrer Verwendung entscheidend. Zugänge: Die Voraussetzung für die Effektivität von Fördermaßnahmen besteht darin, dass die unterschiedlichen Zielgruppen tatsächlich erreicht werden. Vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund oder Angehörige ausgegrenzter Minderheiten sind in Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen unterrepräsentiert. Der anhaltend hohe Anteil von Jugendlichen, die das Bildungs- und Ausbildungssystem ohne Qualifikation verlassen und auch nicht nach Unterstützung nachfragen, deutet darauf hin, dass die Unterstützungssysteme nicht nur an strukturelle Grenzen stoßen, sondern auch darunter leiden, dass ein Teil ihrer potenziellen Nutzerinnen und Nutzer sie nicht als sinnvolle Perspektiven wahrnehmen. Maßnahmen müssen deshalb … im regulären Bildungs- und Erwerbssystem … angesiedelt sein. Koordination: Integrierte Förderansätze sind notwendig, um der Vielschichtigkeit der Problemlagen von Jugendlichen im Übergang in die Erwerbsarbeit angemessen Rechnung zu tragen. … Reflexivität: … In die Planung und Durchführung von Programmen müssen �reflexive Schleifen’ eingebaut sein, damit Effekte und Nebeneffekte von Maßnahmen frühzeitig im weiteren Verlauf berücksichtigt werden können. Dies setzt etwa Evaluationsmechanismen voraus, die über die üblichen Verbleibs- und Vermittlungsquoten hinausgehen, … Empowerment und Anerkennung: Empowerment als handlungsleitende Maxime setzt an individuellen Ressourcen und Bewältigungsstrategien an. Motivation gilt dabei als Indikator dafür, ob Jugendliche und junge Erwachsene Handlungsspielräume und Integrationschancen für sich sehen. … Der Vergleich von Übergangsstrukturen ergibt ein Modell unterschiedlicher �Übergangsregimes’. Damit sind Konstellationen der Regulierung von Übergängen gemeint, die aus dem Zusammenspiel von Strukturen sozialer Sicherung, allgemeiner und beruflicher Bildung, des Arbeitsmarktes sowie geschlechtsspezifischen Zuweisungsmechanismen entstehen, in denen sich unterschiedliche Deutungen von Problemenen im Übergang als individuelle oder strukturelle Benachteiligung manifestieren. Maßnahmen gegen Schulabbruch oder Jugendarbeitslosigkeit erhalten so eine jeweils andere Ausrichtung. Solche Regimes sind nicht nur auf Grund der vielfachen institutionellen Verflechtungen relativ veränderungsresistent, sondern auch, weil sie Ausdruck unterschiedlicher Bedeutungen von Jugend und Integration sind. … Die Arbeitsmarkt- und Sozialstaatsreformen in Deutschland – zuerst das Jugendsofortprogramm JUMP, zuletzt Agenda 2010 und Hartz IV – erscheinen in diesem Licht als Versuch des Regimewechsels vom erwerbsarbeitszentrierten hin zum liberalen Übergangsregime, um strukturelle Probleme der Konjunktur- und Dienstleistungsschwäche durch einen erhöhten Druck auf die Individuen auszugleichen. Unter dem Motto �Fördern und Fordern’ wird die primäre Ausrichtung an Berufsbildung und Berufsvorbereitung zunehmend durch Druck auf jugendliche Arbeitssuchende ersetzt, jede Form von Erwerbstätigkeit anzunehmen. Auch mit diesem Versuch einer Trendwende zur Aktivierung ist die deutsche Politik für benachteiligte Jugendliche in erster Linie �individualisierend und kompensatorisch’, da weder Berufsvorbereitung noch die neuen Arbeitsgelegenheiten für Arbeitssuchende (Ein-Euro-Jobs) verlässlich Anschlussperspektiven eröffnet. Dies liegt nicht nur am stagnierenden Arbeitsmarkt, sondern auch daran, dass Schule und Ausbildung weder durchlässiger gestaltet noch mit flexiblen Hilfen für individuelle Bedarfe ausgestattet werden dies würde allerdings auch eine deutliche Erhöhung der Bildungsausgaben voraussetzen, die in den vergangenen Jahren – öffentliche und private Ausgaben zusammengenommen – um die 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betrugen. “

http://www.bpb.de/publikationen/W8UOKP,0,0,Benachteiligte_Jugendliche_in_Europa.html

Quelle: Apuz Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament 47/2006

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