In die Jugend investieren: eine Befähigungsstrategie

Die europäische Kommission bereitet für den Herbst 2007 eine Mitteilung vor, die sich mit Aspekten europäischer jugendpolitischer Themen und möglichen gemeinsamen Handlungsstrategien befassen wird. Dabei wird die Kommission auf das im April 2007 erschienene Papier „Investing in youth“ des Beratergremiums für europäische Politik (BEPA) zurückgreifen. Das Beratergremium für europäische Politik (BEPA) der Europäischen Kommission ist eine Dienststelle, die direkt für den Präsidenten der Europäischen Kommission arbeitet und deren Aufgabe es ist, pünktliche, sachkundige, strategische und politische Beratungsleistungen für den Präsidenten und die Dienststellen der Kommission zu Themen, die von Interesse für die Aktivitäten des Präsidenten und die Zukunft der Politiken der Union sind, zur Verfügung zu stellen. Die Aktivitäten des BEPA ergänzen jene der Kommissionsdienststellen, da sie sich auf die (strategische) Frühphase des Politikzyklus konzentriert und somit zu einer mittel- und langfristigen Formulierung politischer Optionen beitragen. Der Text des erschienen Papiers ist z.Zt. nicht in deutscher Sprache verfügbar. Für die Katholische Jugendsozialarbeit haben wir uns zur Übersetzung der Zusammenfassung und der Gliederung des Papieres entschlossen. Wir messen dem Papier eine grundlegende Bedeutung zur Verständigung über die Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher in Europa bei. … Das Gesamtpapier beschreibt eine frühzeitige und investive Politikstrategie. Es spricht die Notwendigkeit an, durch frühzeitige Bildung und Gesundheitsvorsorge, Chancen für Kinder und Jugendliche zu erweitern. Für Träger der Jugendsozialarbeit in Deutschland könnte das Papier, in Verbindung mit der noch folgenden Mitteilung der Kommission, auch zur Aufwertung ihrer Arbeitsbereiche führen. Schon jetzt bietet das BEPA-Papier eine gute Gesprächsgrundlage, um für benachteiligte Jugendliche bei ARGEN und Jugendämtern Überzeugungsarbeit leisten zu können. … Investing in youth: an empowerment strategy In die Jugend investieren: eine Befähigungsstrategie Zusammenfassung Die Jugend ist die Zukunft und eine effektive Investition in die Jugend ist der Garant für eine wirtschaftlich und sozial starke Zukunft. Kinderarmut und die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den Mitgliedsstaaten beweisen, dass nicht ausreichend und nicht erfolgreich in die Kinder und Jugendlichen investiert wurde. Eine umfassende Jugendstrategie ist notwendig, um die Jugend auf die Zukunft vorzubereiten. … Eine erfolgreiche Jugendpolitik soll sicherstellen, dass Menschen das Beste aus den sich bietenden Beschäftigungschancen herausnehmen. Eigenverantwortung und Anreize sind wichtig, nicht nur, damit persönliche Eignung anerkannt und Fähigkeiten gefördert werden, sondern auch, um durch Lebensstil verursachte Krankheiten zu vermeiden. Eine erfolgreiche Jugendpolitik verhindert auch die, durch inadäquate Bildung verursachte Vergeudung des Human- und Sozialkapitals. Die Rolle der Politik besteht darin, Menschen zu fördern und zu bemächtigen, Verantwortung zu übernehmen, damit die Ressourcen am besten genutzt werden. Die Politik muss aber auch dafür Sorge tragen, dass Menschen vor Risiken geschützt werden, die nicht voraussehbar waren, und gegebenenfalls eine zweite Chance erhalten. Einen Menschen zu befähigen bedeutet nicht, dass Anreize zur Investition in Humankapital mit garantierten Ergebnissen zur Verfügung gestellt werden müssen. Es geht vielmehr darum, Instrumente an die Hand zu geben, um sich dem Wandel effektiv anzupassen. Ein Ausbildungscurriculum mit Schwerpunkten auf kognitiven und sozialen Kompetenzen wird Menschen dazu befähigen, eine große Brandbreite an vielseitigen Sachverhalten zu bearbeiten. Ein Beispiel hierfür sind die Trainings für psychische Gesundheit, die den Menschen dazu befähigen, auch mit wachsenden Anforderungen zurecht zu kommen. … Die Forderung nach einer Jugendpolitik ist nicht neu. … Das vorliegende Positionspapier will jedoch zu einer erneuerten Investitionsstrategie aufrufen. Das Wort „Investition“ muss im weitesten Sinne verstanden werden, damit sind sowohl Investitionen in Form von humanem und sozialem Kapital gemeint. Es handelt sich um eine kombinierte Investition, die die jungen Menschen selbst, ihre Eltern, die lokalen Gemeinschaften, die Schulen, die Sportvereine und auch verschiedene Regierungsebenen und weitere Interessenvertreter involviert. Auf Politikebene heißt es, dass ein solcher Auftrag sowohl von der EU als auch von den Mitgliedsstaaten getragen wird, wobei die meiste Arbeit von den Mitgliedsstaaten und von den lokalen Akteuren geleistet wird. … Elemente einer erfolgreichen Jugendstrategie sind 1) eine frühe Investition, 2) die Kombination von sozialen und wirtschaftlichen Zielen, 3) ein jugendpolitischer Ansatz, der verschiedene Politikbereiche verbindet sowie 4) die vermehrte Informationssammlung und Informationsverbreitung, um politische Entscheidungen zu untermauern. Aufgrund der unterschiedlichen Prioritätensetzung in den Mitgliedsstaaten und zur Erreichung des langfristigen Zieles, der Befähigung der Jugend, müssen die Herausforderungen gemeinsam definiert und die entsprechenden Veränderungen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich angestoßen werden. … Verbindung sozialer und ökonomischer Ziele In die Jugend zu investieren bietet die Möglichkeit, zugleich ökonomische wie soziale Ziele miteinander zu verknüpfen. … Kinderarmut (ein in ganz Europa wachsendes Problem) ist ein Beispiel, das zeigt wie gerechte Investitionen effektive Ergebnisse zur Folge haben. Kinderarmut ist ein Vorbote von kostenmäßiger sozialer Fehlfunktion, wenn ihr nicht früh genug vorgebeugt wird. Die Verbindungen zwischen einem armen sozioökonomischen Start ins Leben und Gesundheitsrisiken, Scheitern in der Erziehung und spätere Arbeitslosigkeit und darüber hinaus das Fehlen von politischem Engagement sind vielfältig, teuer und zahlreich für die Gesellschaft. Die Vorteile von Investitionen sind sowohl direkt (soziale Sicherheit) als auch indirekt (Wiedergewinnung humanen Kapitals). Fortschritte zum Beispiel im Bereich der Bildung, werden wahrscheinlich zu einer Reduzierung der allgemeinen Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung sowie zu individuellen Steuererleichterungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung führen. Der Anreiz für persönliche Investition in Bildung zum Beispiel steht folglich im Zusammenhang mit den erwarteten Vorteilen aus einer Beschäftigung. Wenn also die persönlichen Vorteile sich aufgrund hoher Einkommenssteuerraten oder der Unsicherheit des Beschäftigungsverhältnisses verringern, verringert sich proportional der Anreiz für vorhergehende Investitionen in Bildung und Ausbildung. … In koordinierter Weise in verschiedene Politikbereiche übergreifend investieren Die politischen Investitionsfelder, die in dieser Studie untersucht werden (Kinderbetreuung und Kinderwohlergehen, Gesundheit, Bildung, Beschäftigung und Bürgerschaft) interagieren untereinander. Dieser Umstand verlangt angemessene politische Koordination und Prioritätensetzung auf allen Ebenen. Gescheiterte Jugendinitiativen sind oft durch den Umstand charakterisiert, dass mehrere Organisationen von einander isoliert an ähnlichen Gegenständen arbeiten. Erfolgreiche Projekte sind oft Projekte, die sowohl konkret wie einschließend sind. So ist es zum Beispiel effektiver, in Schulen einen „one-stop-shop“ für Gesundheit oder gesundheitsbezogene Anliegen zu eröffnen als jedes einzelne gesundheitliche Anliegen separat zu behandeln. Damit Grundschulunterricht erfolgreich sein kann, ist eine allgemeine Herangehensweise der gesamten Fragestellung gegenüber notwendig, die Früherziehung, Qualität der Lehrkräfte, Integration von ausgegrenzten oder unterrepräsentierten Teilen der Bevölkerung, Prävention frühen Ausscheidens sowie Bildung zu und Erfahrung von Staatsbürgerschaftsprogrammen umfasst. Arbeitsmarktinstitutionen müssen so zugeschnitten sein, dass eine Bevorzugung von Insidern gegenüber Außenstehenden ausgeschlossen ist (denn dies behindert den schnellen Zugang der Jugendlichen) zudem müssen diese Institutionen untermauert sein mit Programmen zur Unterstützung der Bildung sowie zu einem effizienten öffentlichen Beschäftigungssystem. Die Erleichterung schnellen Zuganges zum Arbeitsmarkt erfordert effiziente Kooperation zwischen Ausbildungsinstitutionen und Arbeitgebern. Anti-Armutsmaßnahmen sollten in Übereinstimmung gebracht werden mit Programmen, die die Teilnahme der Frauen am Arbeitsmarkt in qualitativen und sicheren Jobs verbessern, begleitet von Kinderbetreuungsmaßnahmen und Bildungseinrichtungen. Auf der europäischen Ebene sind die offenen Methoden der Koordinierung im Bereich der Jugend, der sozialen Eingliederung (social inclusion), der Beschäftigung und der Bildung ebenso wie der Pakt für die Jugend (Youth Pact) bereits als Schlüsselelemente etabliert, um Energie für einige dieser Anliegen zu mobilisieren. Nichtsdestotrotz würden solche Werkzeuge dadurch gewinnen, wären sie weiter angelegt und systematisch in ihrer praktischen Anwendung. Zum Beispiel könnte ein jährlicher Jugendbericht der EU auf die überschneidenden Aspekte der einzelnen behandelten Fragestellungen (issues at stake) hinweisen, um die verschiedenen Akteure (Kinderbetreuungseinrichtungen, Versorger im Bildungs- und Gesundheitsdienst, Arbeitgeber, Gewerkschaften, lokale und regionale Behörden, etc.) anzuhalten, eine bessere Artikulation zwischen verschiedenen Politikfeldern zu begünstigen und Verantwortlichkeit zu verbessern. Eine integrierte Strategie impliziert darüber hinaus effektive Verbindungen zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Schwächen in vergangenen Investitionsstrategien für die Jugend sind zum Teil dem Fehlen eines solchen koordinierten Vorgehens geschuldet. Es sind Investitionen in die Verbindung zwischen dem Individuum, dem Arbeitgeber und dem Staat gefordert. Die EU kann zum Beispiel eine koordinierende Rolle spielen in der Ausformung, der Durchführung und der Stärkung von Pilotprojekten, selbst auf lokaler Ebene, wie zum Beispiel bei „Schulen der zweiten Chance“, die eng mit Arbeitgebern zusammenarbeiten. Allgemeiner sind Investitionen in die Familien, sei es durch Verbesserung des Informationsflusses oder Unterstützung von Netzwerken – durch Stärkung persönlichen Anreizes- entscheidend für die Effektivität öffentlicher institutioneller Investitionen. In der Absicht, Menschen zu einem gesünderen Lebenswandel zu ermutigen, ist es nicht hinreichend, die Kosten und Vorteile für den Staat zu bezeichnen. Die Ermutigung zu privaten (individuellen wie kommerziellen) Investitionen in die Bildung auf der Basis von zukünftigen Vorteilen ist ein anderes Beispiel des nützlichen Zusammenspiels öffentlich – privater Koordination. Das Schaffen und Unterhalten solcher Privatanreize beruht auf der Erwartung und Hervorbringung handfester Ergebnisse, bewerkstelligt durch eine erfolgreiche Koordinationsstrategie. Investieren in eine vermehrte Informationssammlung und –verbreitung Im Austausch von Kenntnissen und praktischen Erfahrungen steckt für die Politik großes Verbesserungspotential. … Die EU muss gemeinsame Kriterien definieren, Beobachtungsstellen einrichten, um Austausch und Anerkennung von Wissen und Erfahrungen zu vereinfachen und den Austausch von bewährten Praktiken zu fördern. Die offene Methode der Koordinierung bietet hier noch einmal weiteres Potenzial, das genutzt werden sollte. Die europäische Union könnte eine führende Rolle spielen, indem sie ein europaweites Forschungsprogramm einrichtet, das die Entwicklungen und die Auswirkungen der Investition in die Jugend sektorübergreifend misst … einen europaweiten Bericht über die Situation der Jugend jährlich vorlegt. Es ist auch wichtig, dass ein guter Informationsfluss zwischen allen Akteuren der Jugendinvestition gewährleistet wird, einschließlich der jungen Menschen und ihrer Familien. Passive Aneignung von Humankapital existiert nicht, weswegen das Konzept von passivem Empowerment in sich widersprüchlich ist. Investition in Humankapital stützt sich auf eine persönliche Investition und auf die individuelle Fähigkeit, sich effektiv anzupassen und die vorhandenen Strukturen zu nutzen. Folglich ergibt sich, dass individuelle und kollektive Empowerment-Strategien mit Augenmerk auf die Stärkung des Sozialkapitals unterstützt werden müssen. Ob man arbeitssuchend, mit Unterstützungsbedarf oder ob man einfach ein aktives und erfülltes Leben führt, es ist hilfreich, in Netzwerken eingebunden zu sein und die Institutionen zu kennen und zu verstehen. Eine Politik ist erfolgreich, wenn sie auf die Bedarfe der Individuen eingeht. Sehr wichtig ist, dass das Vertrauen in das System als Ganzes bestehen bleibt und dass die persönliche Investition zugleich auch persönlichen Mehrwert bedeutet. Eine solche Beziehung zwischen der Gemeinschaft und dem Einzelnen kann nur über einen kontinuierlichen Dialog gewährleistet werden, in dem die öffentlichen Institutionen zum einen die Ansichten, Verhaltensweisen und Bedürfnisse von Jugendlichen berücksichtigen, zum anderen die Jugendlichen mit geeigneten Informationen versorgen, die sie zur persönlichen Entscheidungsfindung und Investition benötigen. Ein gutes Beispiel für die Bedeutung eines solches Dialogs ist eine effektive Bildungs- und Berufsberatung. Die erfolgreiche Orientierung einer Person zu einem Kurs oder für einen Job hängt davon ab, ob die Person die für sich passenden Anreize bekommen hat. Um dies gewährleisten zu können, muss Klarheit darüber herrschen, welche Leistungen der Einzelne erwarten darf. “ Die englische Version – Zusammenfassung und Text insgesamt 18 Seiten – kann heruntergeladen werden unter aufgeführtem Link.

http://ec.europa.eu/dgs/policy_advisers/publications/docs/Investing_in_Youth_25_April_fin.pdf

Quelle: KJS Fachstelle Europa Bureau of European Policy Advisers

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