Wie die Familie rechtsextremes Denken und Handeln Jugendlicher beeinflusst

ERZIEHUNG UND RECHTSEXTREMISMUS – NICHT NUR IN DEUTSCHLAND EIN DISKUTIERTER ZUSAMMENHANG Ergebnisse einer schweizer Studie: Jugendliche Rechtsextreme sind keine ‚Modernisierungsverlierer‘, also keine Opfer von ökonomischen und gesellschaftlichen Umbrüchen. Hingegen beeinflussen die Familie und das nahe soziale Umfeld rechtsextreme und rassistische Deutungen und Handlungen Jugendlicher stark. Zu diesem Schluss kommt eine im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms ‚Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen‘ (NFP 40+) erstellte Studie. „Wenn Jugendliche rechtsextreme Einstellungen vertreten – also sowohl die Menschenrechte als auch den demokratischen Rechtsstaat ablehnen – und zu gewalttätigen Handlungen neigen, spielen die Familien und das nahe soziale Umfeld eine entscheidende Rolle. Dies ist eines der Ergebnisse der qualitativen Studie ‚Familienerziehung und Rechtsextremismus – Analyse der biografischen Genese rassistischer Deutungs- und Handlungsmuster junger Menschen‘, die von Thomas Gabriel, Leiter der Sozialpädagogischen Forschungsstelle der Universität Zürich, und seinem Team im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms ‚Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenmassnahmen‘ (NFP 40+) erstellt wurde. Befragt wurden für die Studie 26 Jugendliche (sechs junge Frauen, 20 junge Männer, Durchschnittsalter 19 Jahre), die eine rechtsextreme und rassistische Einstellung besitzen und zu gewalttätigen Handlungen neigen, zum affektiven Klima in der Familie, zum Umgang mit Konflikten, zum Erziehungsstil und zur Qualität der innerfamiliären Beziehungen. Daraus rekonstruierten die Forschenden biografische Verläufe und Knotenpunkte, die zur Herausbildung von rechtsextremen Einstellungen führen. Drei unterschiedliche ‚Entwicklungspfade‘ Fast die Hälfte der befragten Jugendlichen war Mitglied in einer rechtsextremen oder weit rechts stehenden politischen Gruppe oder Partei. Rund zwei Drittel gehörten ausserdem einer subkulturellen Gruppierung wie Hooligans, Skinheads und Skingirls an. Neben den Jugendlichen bezogen die Forschenden auch sieben Elternpaare, Grosseltern und weitere erwachsene Bezugspersonen aus dem Umfeld der Jugendlichen in die Untersuchung mit ein. Aus dem umfangreichen Interviewmaterial haben die Wissenschaftler drei unterschiedliche familiäre Muster und biografische Verlaufsformen rechtsextremer Einstellungen und Gewalttaten gewonnen: 1. ‚Abgrenzung durch Überanpassung‘: Bei dieser Verlaufsform übernehmen die Jugendlichen politisch rechte Einstellungen und Handlungslogiken von den Eltern beziehungsweise Grosseltern. 2. ‚Gewalt, Missachtung und Suche nach Anerkennung‘: Hier spielt die jugendliche Erfahrung von Ohnmacht gegenüber Gewalt innerhalb der Familie eine wichtige Rolle. 3. ‚Nicht-Wahrnehmung und Suche nach Sicherheit und Differenz‘: Prägend in dieser Verlaufsform ist für die Jugendlichen der Eindruck, von den Erwachsenen nicht genügend wahrgenommen zu werden. Dies kompensieren sie mit Erfahrungen im einschlägigen Umfeld. Rechtsextreme sind keine Modernisierungsverlierer Aus diesen Ergebnissen ziehen die Forschenden den Schluss, dass es keine pauschal richtige Intervention im Umgang mit jugendlichem Rechtsextremismus gibt. Um sinnvoll intervenieren zu können, sei es wichtig, die biografischen, mit dem ‚Rechtssein‘ verknüpften Themen der Jugendlichen zu erkennen. In den drei Verlaufsformen würden unterschiedliche Hintergründe von Phänomenen sichtbar, die auf den ersten Blick eine täuschende Ähnlichkeit aufwiesen. Die in der Studie aufgezeigten Unterschiede sollten für die inhaltliche Justierung von Präventions- und Interventionskonzepten genutzt werden. Der Studienleiter weist darauf hin, dass die Jugendlichen und ihre Familien nicht als ‚Modernisierungsverlierer‘ bezeichnet werden können, also entgegen den Behauptungen bisheriger Forschungen keine Opfer von ökonomischen und gesellschaftlichen Wandlungsprozessen seien. In den 26 untersuchten Fällen lasse sich ein hohes Mass an ‚Normalität‘ der Lebensentwürfe und -welten nachweisen. Hingegen spielten häusliche Gewalt und die Folgen von Konflikten im sozialen Nahraum eine wichtige Rolle, insbesondere dann, wenn sie für die Heranwachsenden mit Misshandlungs- und Ohnmachtserfahrungen verbunden seien.“ Kontakt: Dr. Thomas Gabriel Universität Zürich Pädagogisches Institut Leiter Sozialpädagogische Forschungsstelle Freiestrasse 36 CH-8032 Zürich Tel. +41 (0) 44 634 45 60 Fax +41 (0) 44 634 43 65 E-Mail: gabriel@paed.uzh.ch Die Ergebnisse dieser und weiterer Studien werden am 31. Januar 2008 in Bern im Rahmen einer Fachtagung des NFP 40+ vorgestellt und mit Vertretern und Vertreterinnen aus Wissenschaft und Praxis diskutiert.

http://www.nfp40plus.ch
http://www.snf.ch/D/Seiten/default.aspx

Quelle: idw-online.de

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