Lehrstellensuche macht junge Menschen mobil

FORSCHUNGSERGEBNISS AUS DEM IAB Jugendliche unterwegs zum Ausbildungsplatz – Inwieweit die Mobilität junge Menschen dazu beiträgt, regionale Ungleichgewichte auf dem Ausbildungsstellenmakr auszugleichen, untersuchte das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Auszüge aus einem Beitrag von Dieter Bogai, Helger Seibert und Doris Wiethölter: “ Die Suche nach Lehrstellen macht junge Menschen mobil Über 600.000 Auszubildende verlassen auf dem Weg zum Ausbildungsort ihren Heimatkreis. In Westdeutschland sind dabei im Schnitt ein Drittel der Auszubildenden über eine Kreisgrenze hinweg mobil, im Osten sogar 41 Prozent. In manchen Regionen, wie z.B. den peripheren Kreisen Brandenburgs oder Mecklenburg-Vorpommerns legen sie große Distanzen von durchschnittlich mehr als 150 km zu ihrer Ausbildungsstätte zurück. In den Umlandkreisen der westdeutschen Metropolen sind es hingegen häufig nicht mehr als 30 Kilometer. Räumliche Mobilität auf dem Ausbildungsstellenmarkt variiert also sehr stark und hat zwei Dimensionen: Ausmaß und Entfernung. Betrachtet man die Pendlerverflechtungen am Ausbildungsmarkt auf der Ebene der Bundesländer, zeigt sich insbesondere zwischen den westdeutschen Flächenländern keine wesentliche Mobilität der Auszubildenden. Die meisten Auszubildenden sind eher innerhalb der Bundesländer mobil. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg ist die Mobilität über die Landesgrenze hinweg gering. Zu den Ausnahmen zählen Bundesländer, an deren Landesgrenzen größere Städte liegen, wie z.B. an der Grenze Hessen/Rheinland-Pfalz. Stadtstaaten wie Hamburg und Bremen sind Ausbildungszentren und stellen auch für Jugendliche aus weiter entfernten Regionen Ausbildungsplätze bereit. Selbst aus den Randregionen Brandenburgs pendeln Jugendliche zur Ausbildung nach Berlin. Die Auspendlerüberschüsse der anderen neuen Bundesländer differieren stark. Während Bundesländer entlang der ehemaligen Grenze wie Sachsen-Anhalt und Thüringen hohe Auspendlerquoten verzeichnen, liegt die Quote in Sachsen unter zehn Prozent. … Auf Kreisebene wird das räumliche Muster der Ausbildungsmobilität in erster Linie durch Stadt-Umland-Beziehungen geprägt. … Eine Darstellung der regionalen Unterschiede auf Kreisebene ist aber bei der Untersuchung räumlicher Mobilität nur bedingt aussagekräftig, da Städte und Umlandkreise funktionsräumlich einen einheitlichen Ausbildungsmarkt bilden. Daher wird in diesem Bericht die Ausbildungsmobilität für 150 Arbeitsmarktregionen in Deutschland untersucht. Da Arbeitsmarktregionen relativ eigenständige wirtschaftliche Einheiten darstellen, sind Pendlerbeziehungen deutlich geringer als auf der Kreisebene. Trotzdem bestehen auch hier regionale Ungleichgewichte, die durch Pendeln zwischen den Arbeitsmarktregionen zumindest teilweise ausgeglichen werden. So sind über die Grenzen der Arbeitsmarktregion hinweg in Westdeutschland noch immer über 180.000 Auszubildende mobil, in Ostdeutschland mehr als 80.000. Dies entspricht Auspendlerquoten von durchschnittlich 14 Prozent im Westen und 23 Prozent im Osten. Um regionale Mobilität in den unterschiedlich großen Arbeitsmarktregionen miteinander vergleichbar zu machen, wird im Folgenden ein gewichteter Pendlersaldo analysiert. Damit werden sowohl Ein- als auch Auspendler berücksichtigt und deren Saldo mit der Anzahl der Auszubildenden in der jeweiligen Region gewichtet. Besonders in Ostdeutschland gibt es zahlreiche Arbeitsmarkregionen mit negativen gewichteten Pendlersalden, die für die strukturellen Mobilitätszwänge der dortigen Auszubildenden stehen. … Insgesamt weisen die eher ländlich geprägten Arbeitsmarktregionen, die nur über kleinere Zentren verfügen, tendenziell negative Pendlersalden auf, im Gegensatz zu stärker verstädterten Räumen mit größeren regionalen Zentren und deutlich positiveren Salden. … Der zweite Aspekt der räumlichen Mobilität ist die Entfernung. Als Indikator dient die durchschnittliche Pendlerdistanz. Auszubildende mit Wohnort in Ostdeutschland haben oft weite Wege zu ihrer Ausbildungsstätte. … Während im Osten Auszubildende aus 13 Arbeitsmarktregionen durchschnittlich mehr als 150 km zwischen Wohn- und Arbeitsort zurücklegen, ist dies in Westdeutschland nur in der Arbeitsmarktregion München der Fall. Hier sind es besonders die Auszubildenden aus der Stadt München, die bevorzugt in anderen Metropolen eine Ausbildung besuchen und damit den Distanzwert für die Region erhöhen. … * Zwei Mobilitätsgründe kommen in Frage Manche Regionen sind für Auszubildende attraktiver als andere. Sowohl die gewichteten Pendlersalden als auch die zurückgelegten Distanzen variieren. Zwei Faktoren können hierbei eine Rolle spielen: Das regionale Ausbildungsplatzangebot und die Bevölkerungsdichte. … Das Ausbildungsplatzangebot fällt in vielen Arbeitsmarktregionen Ostdeutschlands deutlich niedriger aus als in Westdeutschland. Zwar weisen auch im Osten einige Regionen ein hohes relatives Angebot auf, aber dabei handelt es sich vielfach um Regionen mit größeren Städten, in denen es zahlreiche außerbetriebliche Ausbildungsträger gibt, wie z.B. Frankfurt/Oder oder Neubrandenburg. Neben dem Ost-West-Gefälle existiert auch ein Nord-Süd-Gefälle. Obwohl in einigen Regionen Schleswig-Holsteins wie auch Mecklenburg-Vorpommerns aufgrund des ausbildungsintensiven Gastgewerbes zahlreiche Ausbildungsstellen angeboten werden, ist das relative Angebot im Süden insgesamt höher. Vor allem in Bayern ist dies auf den höheren Anteil ausbildungsintensiver Wirtschaftszweige und auf die günstigere Arbeitsmarktlage zurückzuführen. Aber auch auf kleinere Betriebsgrößen. … Wie wirkt sich nun der Faktor Ausbildungsplatzangebot auf die Mobilität der Auszubildenden aus? Ein niedriges relatives Ausbildungsplatzangebot dürfte dazu führen, dass es in der jeweiligen Region zu einem Auspendlerüberschuss kommt, da Ausbildungsplatzsuchende sich vermehrt in wirtschaftlich stärkeren Regionen um eine Lehrstelle bemühen müssen. Ein hohes relatives Ausbildungsplatzangebot sollte hingegen zu einem Einpendlerüberschuss führen, da eine Region zusätzliche Auszubildende aus anderen Regionen aufnehmen kann. Neben dem Angebot an Ausbildungsplätzen könnte auch die Bevölkerungsdichte die Mobilitätsbereitschaft Jugendlicher beeinflussen – und zwar unabhängig vom Angebot. … So gehen in Ballungsräumen die höhere Betriebsdichte sowie mehr Einrichtungen des tertiären Sektors mit einem höheren Angebot an betrieblichen Ausbildungsstellen einher. Außerbetriebliche Ausbildungsstätten existieren fast ausschließlich in größeren Städten. Regionen mit wenigen Agglomerationen haben daher oft eine Wirtschaftsstruktur, die weniger ausbildungsintensiv ist und Jugendliche zur Mobilität veranlasst. Hinzu kommt, dass 57 Prozent der Lehrstellenbewerber einen Dienstleistungsberuf anstreben. Lehrstellen in diesem Feld werden aber in dünner besiedelten Regionen tendenziell weniger angeboten. Deshalb gibt es für Bewerber aus peripheren Räumen unabhängig vom Gesamtangebot an Ausbildungsstellen einen höheren Mobilitätsdruck. Kombiniert man die Einflussgrößen, so lässt sich für Regionen mit überdurchschnittlichem Ausbildungsplatzangebot und hoher Bevölkerungsdichte ein Einpendlerüberschuss erwarten. Bei überdurchschnittlichem Angebot und niedriger Bevölkerungsdichte sowie bei unterdurchschnittlichem Angebot und hoher Bevölkerungsdichte sollte der Pendlersaldo eher ausgeglichen sein. In Arbeitsmarktregionen mit unterdurchschnittlichem Ausbildungsplatzangebot und niedriger Bevölkerungsdichte würde man hingegen einen Auspendlerüberschuss erwarten. Zwischen dem Pendlersaldo und den unterstellten Einflussfaktoren (Ausbildungsplatzangebot und Bevölkerungsdichte) gibt es statistisch signifikante Zusammenhänge. So nimmt der Pendlersaldo bei zunehmendem Ausbildungsplatzangebot zu. Dagegen fällt die Korrelation zwischen der Bevölkerungsdichte und dem Pendlersaldo deutlich geringer aus. … Die zurückgelegte Entfernung hängt nur mit der Bevölkerungsdichte zusammen. Der Weg zur Ausbildung verlängert sich dabei mit abnehmender Bevölkerungsdichte. Die Auszubildenden legen aber keinen signifikant weiteren Wege zurück, wenn das relative Ausbildungsplatzangebot in einer Region besonders niedrig ist. … Die gewichteten Pendlersalden fallen wie erwartet in Regionen mit gutem Ausbildungsplatzangebot und hoher Bevölkerungsdichte am höchsten aus. Von diesen Regionen verzeichnen 72 Prozent Einpendlerüberschüsse. In den Arbeitsmarktregionen mit gutem Angebot und geringer Bevölkerungsdichte sowie mit niedrigerem Angebot und hoher Dichte haben 39 Prozent bzw. 31 Prozent einen positiven Pendlersaldo. … In Arbeitsmarktregionen mit schlechtem Ausbildungsplatzangebot und niedriger Bevölkerungsdichte liegen hingegen erwartungsgemäß fast ausschließlich negative Pendlersalden vor. Lediglich eine Region kann hier mit einem positiven Pendlersaldo aufwarten. Das entspricht 3 Prozent an allen Regionen dieses Typs. Dabei handelt es sich um die Arbeitsmarktregion Goslar im Harz an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. … Alle anderen Regionen verzeichnen negative gewichtete Pendlersalden mit z.T. sehr hohen Auspendlerüberschüssen. * Fazit Die Ausbildungsmobilität junger Menschen in Deutschland hängt vom regionalen Ausbildungsmarkt und von der Siedlungsstruktur ab. Auf Kreisebene prägen vorrangig Stadt-Umland-Beziehungen die Pendlerströme. Zwischen den westdeutschen Flächenländern sind Auszubildende weniger mobil. Dagegen sind die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg Pendlermagneten. In Ostdeutschland nehmen Jugendliche für eine duale Ausbildung weite Wege in Kauf. Sie pendeln sogar häufiger in die westlichen Bundesländer als ostdeutsche Beschäftigte insgesamt. Das hohe außerbetriebliche Ausbildungsplatzangebot in Ostdeutschland mindert allerdings den Mobilitätsdruck und trägt dazu bei, dass zahlreiche junge Menschen ihre Ausbildung dennoch vor Ort absolvieren können. … Insgesamt kann festgehalten werden, dass regional mobile Auszubildende die Disparitäten auf dem Ausbildungsstellenmarkt erheblich ausgleichen. Ohne ihre Flexibilität wäre die Lage auf dem Lehrstellenmarkt vor allem in Ostdeutschland deutlich schlechter. Denn dort nimmt der Aufschwung am Ausbildungsmarkt im Vergleich zum Westen nur zögerlich Fahrt auf. “ Den Bericht im Volltext entnehmen Sie bitte dem Anhang oder aufgeführten Link.

http://iab.de/de/194/section.aspx/Publikation/k080806n04

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 9/2008

Dokumente: IAB_Kurzbericht_Mobilitaet_Ausbildung.pdf

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