POSITIONSPAPIER DES KOOPERATIONSVERBUNDES JUGENDSOZIALARBEIT Anlässlich der Bekanntgabe der neuen Ausbildungsplatzzahlen und der Seitens der Bundesregierung und der BA sowie der Handels- und Industrieverbände gesungenen Loblieder weist der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit auf die nach wie vor schlechten Ausbildungschancen Jugendlicher im ALG-II-Bezug hin. Auch wenn sich defacto ein Lehrstellenrekord abzeichnet und der höchste Stand an bereitgestellten Lehrstellen seit der Wiedervereinigung erreicht wird, gelingt es nur einem kleinen Teil junger Menschen im Rechtskreis des SGB II eine Ausbildung zu beginnen oder eine erfolgreich abzuschließen. Das trotz der Verbesserungen am Ausbildungsstellenmarkt nicht alle Jugendliche eine Chance auf eine Lehrstelle haben, liegt zu einem Großteil an der unzureichenden Ausbildungsförderung und Ausbildungsvermittlung nach dem SGB II. Eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Auftrag des Paritätischen für den Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit belegt das. Die Bundesregierung leistet mit ihrer Qualifizierungsinitiative und dazugehörigen Programmen einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation. Um das Ziel zu erreichen, allen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anbieten zu können, sind nach Ansicht des Kooperationsverbundes weitere Anstrengungen und gesetzliche Veränderungen notwendig. Die geplante Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente bietet die Gelegenheit um Ausbildungsförderung junger Menschen im SGB II grundlegend zu verbessern und klare Prioritäten für Ausbildung festzulegen. In einem Positionspapier „Vorrang für Ausbildung – Positionen des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit zu den Ausbildungschancen von Jugendlichen im Rechtskreis SGB II“ werden Ergebnisse der o.g. Studie zusammengefasst sowie Vorschläge für die Weiterentwicklung des SGB II formuliert. Auszüge aus dem Papier des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit: “ Vorrang für Ausbildung – Positionen des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit zu den Ausbildungschancen von Jugendlichen im Rechtskreis SGB II * Zentrale Befunde der Expertise „Ausbildungschancen von Jugendlichen im SGB II“ – Die Grundsicherungsträger bemühen sich um eine zielgerichtete Ausbildungsvermittlung für diejenigen Jugendlichen, die schon als ausbildungsreif und ausbildungswillig gelten. Damit folgen sie den fachlichen Empfehlungen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Jedoch müssen Jugendliche aufgrund der im SGB II geltenden Zumutbarkeitskritierien mehr Konzessionen im Hinblick auf ihren Wunschberuf machen, als dies für Jugendliche gilt, die keine SGB II-Leistungen erhalten. Je näher Jugendliche dann ohne Ausbildung an die Altersgrenze von 25 Jahren rücken, desto weniger wird versucht, sie in eine Ausbildung zu vermitteln. … – Die von der Arbeitsagentur bereitgestellten Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sind für die Schwächeren unter den Jugendlichen nicht geeignet, weil diese Maßnahmen recht hohe Anforderungen an das Leistungsvermögen und die Durchhaltefähigkeit der Jugendlichen stellen. Dies signalisieren auch die häufigen Maßnahmenabbrüche. Was die bildungsschwachen Jugendlichen bräuchten, wäre eine bewerberorientierte, individuelle Ausbildungsstellenvermittlung, die jedoch von den Arbeitsagenturen nicht geleistet wird. – Die Förderung der Grundsicherungsträger für die Jugendlichen, die noch nicht ausbildungsreif sind, ist unzureichend. Vielerorts fehlen qualifizierte und längerfristig beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und damit die wichtigste Voraussetzung für eine gute Förderung. Die Verpflichtung, Eingliederungsvereinbarungen abzuschließen, wird häufig nur formal erfüllt. Die fachliche und inhaltliche Unterstützung für die Förderarbeit kommt hier zu kurz. … – Seit Inkrafttreten des SGB II haben die Grundsicherungsträger zunehmend Förderangebote im Bereich niedrigschwellige Hilfen, in der Berufsvorbereitung und Ausbildung von Jugendlichen aufgebaut. Dabei werden sie viel zu häufig von den Jugendämtern „im Stich gelassen“, die eigene Angebote der Jugendsozialarbeit vielerorts mit Einführung des SGB II gekürzt bzw. ganz gestrichen haben. – Auf dem Weg in eine Ausbildung müssen viele Jugendliche erst einmal ihren Schulabschluss nachholen. Die Träger der Grundsicherung erkennen diese Bedarfe und finanzieren entsprechende Angebote zum Nachholen des Schulabschlusses. Eine wichtige rechtliche Grundlage hierfür – die Umsetzung auf Basis der so genannten sonstigen weiteren Leistungen gem. § 16 Abs. 2 S. 1 SGB II – ist ihnen aber unterdessen vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales entzogen worden. Die anstelle dessen vorgesehenen Berufs-vorbereitenden Bildungsmaßnahmen sind mit zwei Problemen behaftet: Für einen Teil der Jugendlichen sind diese Maßnahmen nach vielfältigen Erfahrungen der Träger der Jugendsozialarbeit wie auch der Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen nicht geeignet. Außerdem kommt es bei der Umstellung der Förderung zu mehrmonatigen Förderlücken. – Ein sehr großer Teil der Jugendlichen wird auch drei Jahre nach Inkrafttreten des SGB II noch in Arbeitsgelegenheiten vermittelt. Allerdings weist nur jede dritte Arbeitsgelegenheit für Jugendliche einen Qualifizierungsanteil auf. Durchschnittlich dauern die Arbeitsgelegenheiten für die Jugendlichen nur sechs Monate. … * Vorschläge des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit zur Verbesserung der Ausbildungschancen von Jugendlichen im Rechtskreis SGB II Die oben genannten kritischen Befunde zur Ausbildungsförderung von Jugendlichen im Rechtskreis SGB II machen es aus Sicht des Kooperationsverbundes erforderlich, Gesetzesänderungen im SGB II vorzunehmen, die Steuerung der Grundsicherungsträger stärker auf Ausbildungsziele für Jugendliche auszurichten und die Umsetzungspraxis des SGB II umfassend zu verbessern. – Der Kooperationsverbund begrüßt und unterstützt den Anspruch der Bundesregierung, allen Jugendlichen Ausbildungschancen zu eröffnen. Diesem Anspruch muss das SGB II zukünftig wesentlich besser Rechnung tragen. Es ist daher eine rechtliche Klarstellung im SGB II vorzunehmen, wonach Jugendliche ohne Berufsabschluss vorrangig in eine Ausbildung und nicht in beliebig andere Maßnahmen zu vermitteln sind. Die bisherige Praxis, Jugendliche ohne Ausbildungschancen quasi automatisch in Arbeitsgelegenheiten zu vermitteln, sollte in jedem Fall unterbunden werden. Vielmehr ist gesetzlich zu regeln, dass Jugendliche Zugang zu bedarfsgerechten Eingliederungsleistungen erhalten. Dies muss sich auch in den Zielvorgaben des Bundesarbeitsministeriums und der Bundesagentur für Arbeit gegenüber den Arbeitsgemeinschaften widerspiegeln. … – Die Förderbedingungen des SGB II sind so zu verändern, dass längerfristige, modular aufgebaute und abgestimmte Förderleistungen für benachteiligte Jugendliche umgesetzt werden können. Dafür muss die Förderdauer der einzelnen Angebote stärker als bisher flexibilisiert werden, d.h. im Bedarfsfall kürzer oder länger ausgestaltet werden. Vor Ort bedarf es einer neuen strategischen Planung zur Abfolge der Förderangebote, so z. B. vom Wechsel aus der Arbeitsgelegenheit in ein betriebliches Praktikum bis hin zur Nachbetreuung am Arbeits- oder Ausbildungsplatz. – Dreh- und Angelpunkt einer besseren Förderung sind die persönlichen Ansprechpartner/innen und Fallmanager/innen in den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen. Die fachliche Kompetenz dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter muss so gestärkt werden, dass sie eine individuelle und zielgerichtete Förderarbeit leisten können. Dies schließt die Zusammenarbeit mit den Trägern der Jugendsozialarbeit ein, die die Jugendlichen betreuen. – Die Chancen für benachteiligte Jugendliche, eine betriebliche Ausbildung abzuschließen, müssen verbessert werden. Das gelingt nur, wenn Betriebe in der Ausbildung von benachteiligten Jugendlichen, wie auch die Jugendlichen selbst, unterstützt werden. Dafür müssen gelingende Modelle der Kooperation von Jugendberufshilfeträgern und ausbildenden Betrieben ausgeweitet werden, bei denen die Träger der Jugendberufshilfe die Betriebe mit flankierenden Dienstleistungsangeboten unterstützen und die Jugendlichen während der Berufsschule und im Betrieb begleiten. Der Kooperationsverbund setzt sich in diesem Zusammenhang dafür ein, dass ausbildungsbegleitende Hilfen ausgebaut und durch grundlegende Änderungen in der Ausschreibungspraxis der BA verstetigt werden. Wichtig ist außerdem, dass diese Hilfen frühzeitig einsetzen und bereits in den Prozess der Ausbildungsstellenvermittlung einbezogen werden. – Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert, modulare Ausbildungen aufzubauen, die es benachteiligten Jugendlichen erleichtern, einen Zugang zur Ausbildung zu erlangen und die Ausbildung in Teilschritten zu bewältigen. Zentrale Herausforderung ist es hierbei, die unterschiedlichen Lernorte (schulisch, außer- oder überbetrieblich) besser miteinander zu verknüpfen und aufeinander aufbauende Module und Qualifikationen zu schaffen. – Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit betont daneben den Stellenwert der außerbetrieblichen Ausbildung und sieht Optimierungsmöglichkeiten. Bei der integrativen Form der außerbetrieblichen Ausbildung wird die Ausbildung vollständig bei einem Träger der Jugendsozialarbeit bzw. Bildungsträger absolviert. Diese Form der Ausbildung stellt in vielen Fällen für besonders benachteiligte Jugendliche mit multiplen Vermittlungshemmnissen (z.B. verhaltensauffällige, drogenabhängige oder psychisch kranke Jugendliche) die einzige Chance dar, einen Ausbildungsabschluss zu erreichen. Die Anschlussfähigkeit der integrativen außerbetrieblichen Ausbildung an den Arbeitsmarkt kann jedoch verbessert werden, indem die Bemühungen der Arbeitsagenturen um eine Auswahl zukunftsträchtiger und nachgefragter Ausbildungsberufe gesteigert werden. Dafür sollten sich die Agenturen für Arbeit und die Grundsicherungsträger besser mit den lokalen Akteuren am Ausbildungsstellen- und Arbeitsmarkt, neben den Kammern insbesondere auch stärker mit den Betrieben und Trägern der Jugendsozialarbeit, austauschen. … – Arbeitsgelegenheiten sind nur unter ganz bestimmten Bedingungen ein geeignetes niedrigschwelliges Förderinstrument für junge Menschen ohne Ausbildung. Gerade für Jugendliche sind sinnstiftende Tätigkeitsfelder in Arbeitsgelegenheiten wichtig, damit sie motiviert werden. Trotz der bestehenden Zusätzlichkeitserfordernisse sollte dies von den Grundsicherungsträgern bei der Planung und Bewilligung dieser Stellen zukünftig viel stärker als bisher beachtet werden. Arbeitsgelegenheiten dürfen nicht länger in Sackgassen und Leerzeiten führen, sondern müssen mit weiterführenden Eingliederungsleistungen und auch mit betrieblichen Praktika verknüpft werden. – Um die Leistungen der Grundsicherungsträger zu verbessern, ist es auch erforderlich, die Rahmenbedingungen und Kooperationsmöglichkeiten für die Ausbildungsförderung zu verbessern. Angebote der Jugendsozialarbeit nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII), wie Hilfen zur Berufsorientierung oder Angebote zur Tagesstrukturierung, sind wieder aufzubauen. Wenn es um soziale Integration oder die Festigung der Lebensverhältnisse junger Menschen geht, sind diese Angebote unverzichtbar. – Am Übergang von der Schule in den Beruf sollen lokal abgestimmte Konzepte eines Übergangsmanagements unter kommunaler Steuerung aufgebaut werden, damit die vielfältigen Akteure ihre Angebote aufeinander abstimmen können und Jugendliche leichter Zugang zu den Hilfen finden. Solche Konzepte werden in einigen Regionen – etwa im Rahmen des Programms „Perspektive Berufsabschluss“ des Bildungsministeriums – bereits erprobt und umgesetzt. Sie müssen nun bundesweit realisiert werden. All diese Maßnahmen können jedoch nicht die Schulen aus der Pflicht nehmen. Vorrangiges Ziel der Schulpolitik der Bundesländer muss es sein, dass kein Jugendlicher die Schule ohne Abschluss verlässt. … “ Das Positionspapier im Volltext entnehmen Sie bitte dem Anhang. Zu den Ergebnissen der DJI-Studie lesen Sie bitte die Meldung im Archiv der Jugendsozialarbeit News vom 26. Mai 2008 „Leerzeilen statt Lehrzeichen: Studie über mangelnde Effizienz und Organisationsfehler bei der Vermittlung benachteiligter Jugendlicher“. Die Studie ist erhältlich beim Paritätischen.
http://www.jugendsozialarbeit.de
http://www.jugendsozialarbeit-paritaet.de
Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit, Der Paritätische
Dokumente: 08_08_29_Positionspapier_KV_JSA_Ausbildung_im_SGB_II.pdf