Entwicklung eines Deutschen Qualifikationsrahmens weitestgehend ohne öffentliche Debatte

FACHGESPRÄCH DER LINKSFRAKTION ZUM DEUTSCHEN QUALIFIKATIONSRAHMEN AM 4. SEPTEMBER “ Qualifikationsrahmen – das klingt bürokratisch, sperrig, langweilig. Doch kaum jemand weiß, was sich hinter dieser Debatte wirklich verbirgt. Alle Qualifikationen, die in Schulen, Hochschulen, Betrieben oder sonstigen Einrichtungen erworben werden, sollen künftig in diesen Rahmen eingeordnet werden. Bereits in diesem Herbst wollen Bund und Länder das grobe Raster hierfür festzurren. Die Folgen sind unüberschaubar: Übergänge im Bildungssystem werden von der Einordnung einzelner Abschlüsse oder Kompetenzen in das Rahmenwerk abhängen, die Anerkennung von Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt soll sich hiernach richten und sicher wird sich die Bewertung von Qualifikationen der Erwerbstätigen auch auf künftige Tarifverhandlungen auswirken. Die bisherige Debatte wurde in einem Arbeitskreis von Bundes- und Landesregierungen hinter mehr oder weniger verschlossenen Türen geführt. Um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen, hat die Fraktion DIE LINKE Vetreter/innen aus Bildung und Forschung sowie Vertrer/innen der Arbeitgeber und Gewerkschaften zu einem Fachgespräch eingeladen. Die Gesprächsrunde letzten Donnerstag in Berlin (4.9.08) hat gezeigt: Eine breite Debatte zu diesem Thema ist erforderlich, da noch viele Fragen ungeklärt und mögliche negative Folgen der Einführung eines Qualifikationsrahmens sind bisher nicht thematisiert wurden. Dr. Harry Neß vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) warnte, unter dem von der Bundesregierung gesetzten Zeitdruck werde der Qualifikationsrahmen das Reformpotential, das in ihm stecke, kaum einlösen können. Hermann Nehls vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) wurde noch deutlicher: Es drohe die Gefahr, dass der Qualifikationsrahmen Bildungsbarrieren nicht abbauen, sondern zementieren wird. Auch Dr. Stephan Pfisterer vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) warnte davor, die Versäulung des Bildungssystems in den beruflichen und den akademischen Bereich unverändert in den Qualifikationsrahmen zu übertragen – dieser lohne sich im Gegenteil nur dann, wenn er für weitreichende bildungspolitische Fortschritte genutzt werde. Während Jan Rathjen von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) die Erarbeitung des Qualifikationsrahmens bereits jetzt als Erfolg beschrieb, weil die verschiedenen Bildungsbereiche überhaupt mal miteinander ins Gespräch gekommen seien und hierbei viel voneinander lernen könnten, übte Anja Gadow für den freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs) an der bisherigen Debatte scharfe Kritik: Was wir bisher erlebt haben sei vor allem Hinterzimmerpolitik – damit die Bildungsbereiche wirklich aufeinander zugehen und die Durchlässigkeit erhöhen könnten, sei eine transparente Debatte aber unverzichtbar. Brigitte Schindler von der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Jugendsozialarbeit (BAG KJS) plädierte dafür, einen stärkeren Blick für das untere Ende des Qualifikationsrahmens zu entwickeln: Nach dem aktuellen Stand der Debatte würden jedes Jahr acht Prozent der Jugendlichen die Schule verlassen, ohne überhaupt von dem Rahmen erfasst zu werden, weil sie keinen qualifizierten Hauptschulabschluss erworben haben. Bisher sieht niemand darauf, welche Kompetenzen diese Jugendlichen haben. Sie aufgrund des fehlenden formalen Schulabschlusses komplett aus dem Rahmen fallen zu lassen, könnte Benachteiligungen verschärfen, statt ihnen entgegen zu treten. Völlig unklar ist in der bisherigen Diskussion auch geblieben, welchen Weg zum Beispiel StudienabbrecherInnen im Qualifikationsrahmen gehen, oder wo das Übergangssystem der beruflichen Bildung eingeordnet werden kann. Gerade für diese Gruppen ist jedoch die Anerkennung ihrer Kompetenzen eine zentrale Voraussetzung, damit ihre Bildungswege keine Sackgassen werden. Für DIE LINKE hat das Gespräch deutlich gemacht: Die Debatte um einen Qualifikationsrahmen steht nicht kurz vor dem Abschluss, sondern ganz am Anfang. Ziel der Linksfraktion ist es, die Debatte in die Öffentlichkeit zu tragen. Sie appelliert an die Bundesregierung, sich die Zeit zu nehmen, gründlich zu diskutieren und Beschäftigte und Lernende umfassend zu beteiligen. “

http://www.linksfraktion.de/nachrichten.php

Quelle: Bundestagsfraktion Die Linke

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