JUNGE MIGRANTEN AM ARBEITSMARKT Junge Migranten verlassen die Schule im Durchschnitt mit niedrigeren Bildungsabschlüssen als einheimische Schulabgänger. In der Folge gelingt es ihnen seltener, eine berufliche Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren. Dies wiederum führt zu erkennbaren Nachteilen am Arbeitsmarkt. Betrachtet man die Arbeitsmarktpositionen von jungen Migranten differenzierter, stellt man fest, dass diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit häufig besser gestellt sind als jene mit nichtdeutschem Pass. Auszüge aus der IAB-Studie von Holger Seibert: “ In Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten haben auf dem Arbeitsmarkt bereits seit Jahren schlechtere Chancen als Einheimische. … Dies gilt im Hinblick auf die Erwerbsbeteiligung ebenso wie bezüglich der beruflichen Platzierung. Allerdings beruht die Mehrzahl der empirischen Analysen auf der Unterscheidung zwischen deutschen und nichtdeutschen Staatsangehörigen. Erst seit 2005 wird im Mikrozensus – einem der wichtigsten Datensätze der amtlichen Statistik – der Migrationshintergrund aller Befragten differenziert ermittelt. Mit Hilfe des Mikrozensus 2005 wird hier die Arbeitsmarktsituation von jungen Erwach senen mit Migrationshintergrund unter sucht und mit der der gleichaltrigen einheimischen Bevölkerung (Personen ohne Migrationshintergrund) verglichen. Dabei werden nur Personen betrachtet, die in Deutschland das allgemeine Schulsystem besucht haben – so genannte Bildungsinländer. Es geht insbesondere um die Frage, welche beruflichen Bildungsabschlüsse die Bildungsinländer im Alter zwischen 26 und 5 Jahren haben und ob sie mit den erlangten Ausbildungsabschlüssen vergleichbare Verwertungschancen auf dem Arbeitsmarkt haben wie einheimische Ausbildungsabsolventen. Außerdem wird untersucht, ob Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit gegenüber ausländischen Staatsangehörigen bessere Arbeitsmarktchancen haben. … Niedrigere Schulabschlüsse Ungleichheiten zwischen Einheimischen und Migranten werden häufig als „ethnische Benachteiligung“ beschrieben. Ein Großteil dieser Unterschiede lässt sich auf die Ausstattung mit Humankapital zurückführen, die in Deutschland in hohem Umfang von Generation zu Generation vererbt wird. … … Lediglich 2 Prozent der Deutschen ohne Migrationshintergrund besitzen keinen Schulabschluss, 25 Prozent haben einen Hauptschulabschluss erlangt, weitere 5 Prozent einen Realschulabschluss und 8 Prozent verfügen über ein (Fach-)Abitur. (Spät-)Aussiedler und „Deutsche mit sonstiger Herkunft“ sind … mit jeweils 1 Prozent Hauptschulabsolventen am unteren Ende der Bildungsskala etwas stärker vertreten als Einheimische und verfügen dafür etwas seltener über höhere Bildungsabschlüsse. Viel deutlicher fällt der Abstand der Deutschen mit türkischer Herkunft aus: 8 Prozent besitzen keinen Schulabschluss, 45 Prozent lediglich einen Hauptschulabschluss. Türkische Staatsangehörige schneiden mit 13 Prozent ohne Schulabschluss und 58 Prozent Hauptschulabschluss sogar noch schlechter ab als die eingebürgerten Türken. Die „Sonstigen Ausländer“ verfügen mit 7 Prozent ohne Abschluss und 38 Prozent mit Hauptschulabschluss im Durchschnitt ebenfalls über niedrigere Bildungsabschlüsse als ihre eingebürgerten Landsleute, sind aber insgesamt deutlich besser ausgebildet als die eingebürgerten Türken. Insgesamt unterscheiden sich junge Erwachsene mit Migrationshintergrund erkennbar von den Einheimischen hinsichtlich ihrer schulischen Vorbildung. Die Diskrepanzen fallen für die Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit größer aus als für die bereits Eingebürgerten. Junge Menschen mit türkischer Herkunft schneiden dabei besonders schlecht ab – und das noch mehr, wenn sie keinen deutschen Pass besitzen. Die schlechteren Schulabschlüsse von Migranten lassen sich insbesondere auf ihre im Durchschnitt niedrigere soziale Herkunft zurückführen und auf die Tatsache, dass das deutsche Schulsystem der Vererbung von niedriger Bildung nur wenig entgegenzusetzen hat Seltener berufliche Bildungsabschlüsse Für die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt spielt die Schulbildung eine immer wichtigere Rolle. Denn in den letzten Jahrzehnten sind die schulischen Eingangshürden in der betrieblichen Ausbildung aufgrund des technischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels kontinuierlich gestiegen. Deshalb ist das duale Ausbildungssystem auch immer weniger in der Lage, leistungsschwache Jugendliche zu integrieren. In der Folge hat das so genannte Übergangssystem zwischen Schule und Ausbildung immer mehr an Bedeutung gewonnen. … Hinsichtlich der beruflichen Bildungsabschlüsse von jungen Migranten zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Schulabschlüssen. (Spät-)Aussiedler sind dem Muster der Deutschen ohne Migrationshintergrund Migrationshintergrund (12% ohne Berufsabschluss, 68% mit Berufsausbildung, 20% mit (Fach-)Hochschulabschluss) noch am nächsten. Personen mit türkischer Herkunft haben weitaus häufiger keinen Abschluss: Unter den Deutschen mit türkischer Herkunft sind es 33 Prozent, bei den türkischem Staatsangehörigen sogar 54 Prozent. Auch die Anteile mit Berufsausbildung (57% bzw. 44%) und (Fach-)Hochschulabschluss (10% bzw. 2%) unterscheiden sich deutlich von denen der gleichaltrigen Einheimischen. Migranten mit sonstiger Herkunft nehmen hier eine mittlere Position ein, wobei diejenigen mit deutscher Staatsangehörigkeit wiederum höhere Abschlüsse besitzen als jene mit nichtdeutscher. Wie bei den Schulabschlüssen sind es auch bei den beruflichen Bildungsabschlüssen die Migranten mit deutschem Pass, die besser abschneiden als die ausländischen Staatsangehörigen. Türkische Migranten erreichen deutlich seltener berufliche Bildungsabschlüsse als alle anderen Gruppen. Ausbildung hilft, den Abstand zu Einheimischen zu verringern … Die Erwerbstätigenquote – der Anteil der Erwerbstätigen an allen Erwerbspersonen – ist ein Indikator für die Integration in den Arbeitsmarkt. Die Untersuchung zeigt, dass die Erwerbstätigenquoten höher ausfallen, wenn die befragten Personen einen Ausbildungsabschluss besitzen. Während unter den Einheimischen ohne Ausbildung lediglich 76 Prozent der Erwerbspersonen auch tatsächlich erwerbstätig sind, liegt dieser Anteil bei denen mit Abschluss bei 92 Prozent. Ausbildung ist also bei Deutschen ohne Migrationshintergrund ein wirksamer Schutz gegen Erwerbslosigkeit. Das gilt aber auch für die hier untersuchten Migrantengruppen, die allesamt deutlich höhere Erwerbstätigenquoten aufweisen, wenn sie einen Ausbildungsabschluss besitzen. Am stärksten zahlt sich eine Ausbildung für eingebürgerte Türken aus. Türkische Staatsangehörige sind aber selbst mit Ausbildungsabschluss seltener erwerbstätig als alle anderen Gruppen. Möglicherweise haben sie aufgrund ihrer deutlich geringeren Schulbildung häufiger Ausbildungsberufe gewählt, die auf dem Arbeitsmarkt weniger gut verwertbar sind. Ein vergleichbares Bild zeigt sich, wenn man einen weiteren Indikator für die Integration am Arbeitsmarkt betrachtet, nämlich den Anteil der qualifiziert Tätigen an allen Erwerbstätigen in der jeweiligen Gruppe. Anhand der ausgeübten beruflichen Tätigkeiten ist eine Unterscheidung in einfache und qualifizierte Tätigkeiten möglich. … Erneut fallen die Gewinne für die Deutschen mit türkischer Herkunft am höchsten aus. Gegenüber Personen ohne Ausbildung (27%) liegt der Anteil der qualifiziert Tätigen bei den Ausbildungsabsolventen mit 68 Prozent mehr als doppelt so hoch. Zwar erreichen sie auch bei diesem Indikator nicht das Niveau der einheimischen Ausbildungsabsolventen, aber sie sind zumindest ähnlich erfolgreich wie die übrigen Migranten. Türkische Staatsangehörige können dagegen ihre Ausbildungsabschlüsse deutlich schlechter verwerten als alle Vergleichsgruppen. Auch hier ist zu vermuten, dass sie aufgrund ihrer Berufswahl beim Zugang zur Ausbildung in weniger attraktiven Arbeitsmarktsegmenten tätig sind. Hinzu kommt, dass sie im Vergleich zu den anderen Gruppen ohnehin eine niedrigere Erwerbstätigenquote haben und deshalb möglicherweise eher bereit sind, trotz Ausbildungsabschluss einfache Tätigkeiten aufzunehmen. Trotz Abschluss bleiben signifikante Nachteile Die vorangegangenen Analysen haben gezeigt, dass alle Gruppen durch einen Ausbildungsabschluss Gewinne erzielen – aber auch, dass die Unterschiede verschiedener Migrantengruppen gegenüber Deutschen ohne Migrationshintergrund trotzdem fortbestehen, wenn auch abgeschwächt. … Die besondere Benachteiligung der Ausbildungsabsolventen mit türkischer Staatsangehörigkeit lässt sich nicht allein mit der schlechteren Schulbildung dieser Gruppe begründen, da der Effekt trotz Kontrolle der Schulabschlüsse fortbesteht. Daher müssen hier auch andere Gründe zum Tragen kommen, die mit Hilfe der vorhandenen Daten nicht geprüft werden können. So kann es sein, dass Arbeitgeber den Signalwert einer Ausbildung für verschiedene Migrantengruppen unterschiedlich bewerten. Beobachtet wird aber auch, dass es insbesondere Jugendlichen mit türkischer Staatsangehörigkeit an wichtigen arbeitsmarktrelevanten Ressourcen mangelt. So sind sie z. B. hinsichtlich ihrer sozialen Netzwerke oder der sozialen Herkunft schlechter gestellt. Mechanismen der institutionellen Diskriminierung durch Betriebe können ebenfalls eine Rolle spielen, etwa wenn die Bewerberrekrutierung und -auswahl so organisiert sind, dass es zum Ausschluss von (bestimmten) Migrantengruppen kommt. Schließlich werden auch die Einstellungen, die in Gesellschaft und Wirtschaft gegenüber Migranten existieren, als Beschäftigungsbarrieren eingestuft. Fazit Junge Erwachsene mit Migrationshintergrund sind in Deutschland in vielerlei Hinsicht im Nachteil. Bedingt durch die soziale Herkunft ihrer Eltern – die vielfach in den 1960er und 1970er überwiegend für einfache Tätigkeiten in der Industrie angeworben wurden – verfügen viele von ihnen zuallererst über deutlich niedrigere Schulabschlüsse als die gleichaltrigen Einheimischen. In der Folge bleiben sie häufiger ohne Ausbildung und haben seltener eine Berufsausbildung abgeschlossen. Noch seltener haben sie studiert. Wenn junge Erwachsene mit Migrationshintergrund allerdings einen Ausbildungsabschluss besitzen, können sie damit ihre Position am Arbeitsmarkt gegenüber Personen ohne Ausbildung deutlich verbessern. … Auch wenn man verschiedene Einflussgrößen berücksichtigt, bleiben für die meisten Migrantengruppen signifikante Nachteile bestehen. … Dass die Migranten mit deutscher Staatsangehörigkeit besser in den Arbeitsmarkt integriert sind als die (noch) nicht Eingebürgerten, kann in gewisser Weise hoffnungsfroh stimmen – dokumentiert es doch einen erkennbaren Integrationsfortschritt. Dies ist im Wesentlichen eine Folge der besseren schulischen und beruflichen Bildung der Eingebürgerten gegenüber den Migranten mit nichtdeutschem Pass. Dennoch sind weitere Integrationsbemühungen erforderlich, um den hierzulande lebenden Menschen mit Migrationshintergrund vergleichbare Chancen zu bieten. Hierzu sind insbesondere Anstrengungen im Bildungssystem notwendig … . “ Den IAB-Kurzbericht im Volltext entnehmen Sie bitte dem Anhang oder aufgeführtem Link.
http://www.iab.de
http://www.doku-iab.de
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Kurzbericht 17/2008
Dokumente: IAB_kb1708_Bildung_und_Einbuergerung.pdf