Geschlechtsspezifische Lohndifferenzen bereits bei Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern

EINKOMMENSUNGLEICHHEIT VON FRAUEN UND MÄNNERN Das Wirtschaft- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler- Stiftung untersuchte im Auftrag des Bundesfrauenministeriums geschlechtsspezifische Unterschiede in der Vergütung. Bereits Berufsanfängerinnen werden schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Dabei lassen sich diese Ungleichheiten nicht durch Bildungsvoraussetzungen oder Berufswahl erklären. Auszüge aus der Studie ‚GESCHLECHTSSPEZIFISCHE LOHNDIFFERENZEN NACH DEM BERUFSSTART UND IN DER ERSTEN BERUFSPHASE‘: “ … In der vorliegenden Untersuchung wurden die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern untersucht. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf den Differenzen bei den Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern. Substanzielle Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern bestehen trotz fortschreitender Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt und vielfältiger Bemühungen um den Abbau von Einkommensungleichheiten fort. Die Ergebnisse unserer Untersuchung belegen, dass bereits bei den Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern ein deutlicher Einkommensrückstand der Frauen gegenüber den Männern besteht, der sich dann in den folgenden Berufsjahren vergrößert. Die deskriptiv-empirische Analyse basierte auf den Einkommensdaten der LohnSpiegel-Datenbank. Dabei handelt es sich um Daten, die mit Hilfe einer laufenden Online-Erhebung zu den Einkommens- und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten gewonnen werden, die in vergleichbarer Form in Deutschland und einer wachsenden Zahl europäischer und außer-europäischer Länder durchgeführt wird. Das hier ausgewertete deutsche Sample umfasst rund 106.000 Datensätze aus dem Zeitraum von Ende 2004 bis Mitte 2008, darunter rund 16.000 Datensätze von Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern mit bis zu 3 Jahren Berufserfahrung. Für den europäischen Vergleich wurden 75.000 Datensätze für Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger aus 8 Ländern zugrunde gelegt. Bezogen auf alle Beschäftigten beträgt der „gender pay gap“ 21,6 %. Diese Höhe liegt in etwa auf dem Niveau anderer Befragungen. Bei Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern ist der „gender pay gap“ am niedrigsten: Frauen mit einer Berufserfahrung von bis zu 3 Jahren verdienen 18,7 % weniger als ihre männlichen Kollegen. In der Gruppe mit 4 bis 10 Jahren Berufserfahrung wächst der Abstand auf 21,8 %. Im Westen fällt der GPG bei absolut höherem Einkommensniveau mit 21,6 % relativ höher aus als im Osten, wo er 16,2 % beträgt. Dort geht er – anders als im Westen – mit wachsender Zahl der Berufsjahre zurück. Zwischen den Wirtschaftssektoren bestehen erhebliche Unterschiede. Der GPG bei Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern variiert zwischen 4,9 % im Wirtschaftsbereich Energie/Wasser, Entsorgung und Recycling, 11,1 % im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie 21,2 % im Kredit- und Versicherungsgewerbe. Je größer der Betrieb, desto größer der absolute Einkommensrückstand weiblicher Berufsanfänger. Relativ bleibt der GPG jedoch weitgehend gleich. Alter und Ausbildung spielen eine wichtige Rolle: Frauen bis zu 24 Jahren verdienen 6,9 % weniger als ihre gleichaltrigen Kollegen, am größten ist der Abstand zwischen Frauen und Männern mit 23,8 % in der Altersgruppe ab 46 Jahren. Bei Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern mit Hauptschulabschluss ist der „gender pay gap“ gegenüber ihren männlichen Kollegen mit 16,8 % doppelt so groß wie bei Absolventinnen der Realschule bzw. der mittleren Reife mit 8,6 %. … In den folgenden Berufsjahren entwickeln sich die Einkommensdifferenzen je nach Schulabschluss unterschiedlich. Bei Berufsanfängerinnen mit Promotion reduziert sich der Abstand von 14,2 % auf 10,7 %. Ein ähnlich deutlicher Rückgang der Differenzen zeigt sich bei Beschäftigten mit Volkschul-/Hauptschulabschluss. … Unsere Datenanalyse bestätigt den bekannten Tatbestand, dass Teilzeitbeschäftigte insgesamt – gemessen am Stundenlohn – weniger verdienen als Vollzeitbeschäftigte. Dies gilt auch für die Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger. Außerdem gibt es einen „gender pay gap“ zulasten der Frauen sowohl bei den Vollzeit- als auch bei den Teilzeitbeschäftigten. Im Einzelnen heißt das: Insgesamt verdienen Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger mit bis zu 3 Jahren Berufserfahrung mit Teilzeitbeschäftigung 17,7 % weniger als diejenigen mit Vollzeitbeschäftigung. Diese Differenz beträgt bei den Frauen rund 10,3 % und geht bei 4 bis 10 Jahren Berufserfahrung auf 8,9 % zurück. Bei den teilzeitbeschäftigten Männern beträgt der Einkommensrückstand rund 15 % und steigt bei 4 bis 10 Jahren Berufserfahrung auf rund 20 %. … Der „gender pay gap“ bei den Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern weist in Bezug auf Voll- und Teilzeitbeschäftigung eine unterschiedliche Ausprägung auf: Teilzeitbeschäftigte Berufsanfängerinnen mit bis zu 3 Jahren Berufserfahrung verdienen rund 13 % weniger als teilzeitbeschäftigte Männer. Diese Lücke verringert sich in der Beschäftigtengruppe mit 4 bis 10 Jahren Berufserfahrung auf 10,3 %. Bei vollzeitbeschäftigten Berufsanfängerinnen fällt der „gender pay gap“ mit knapp 18 % deutlich stärker aus und steigt dann bei 4 bis 10 Jahren Berufserfahrung auf 21,3 %. … Frauen haben sowohl beim Berufsstart als auch in den späteren Berufsjahren häufiger einen befristeten Arbeitsvertrag als Männer. Bei den Frauen mit bis zu 3 Jahren Berufserfahrung sind es 41,1 %, bei den Männern dagegen nur 26,3 %. Bei 4 bis 10 Jahren Berufserfahrung sinkt der Anteil bei den Frauen auf 15,7 % und ab 11 Jahren geht er auf 11,8 % zurück. Die entsprechenden Werte bei den Männern betragen 11,3 % und 7,6 %. Unsere Einkommensdaten ergeben folgendes Bild: Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger mit befristetem Arbeitsvertrag verdienen insgesamt im Durchschnitt 2.278 € und damit 352 € bzw. 13,4 % weniger als unbefristet beschäftigte Berufsstarterinnen und Berufsstarter. Bei den Frauen fällt die Lohndifferenz der befristet beschäftigten Berufsanfängerinnen gegenüber den unbefristeten Anfängerinnen mit 8,1 % deutlich geringer aus als die entsprechende Differenz bei den Männern (14,1 %). Wie sieht nun der Einkommensrückstand der Frauen gegenüber den Männern mit Blick auf (un-)befristete Beschäftigung aus? Der „gender pay gap“ befristet beschäftigter Frauen mit bis zu 3 Berufsjahren gegenüber der entsprechenden Gruppe der Männer liegt bei rund 330 € bzw. 13,6 %. Bei unbefristet beschäftigten Berufsanfängerinnen beträgt der Einkommensunterschied gegenüber den männlichen Kollegen hingegen 19,5 %. Bei 4 bis 10 Jahren Berufserfahrung steigt der Einkommensabstand fast in allen genannten Vergleichsgruppen. Am stärksten ist dies zwischen befristet und unbefristet beschäftigten Männern der Fall. Hier steigt der Rückstand von 14,3 % beim Berufsstart auf 19,2 % in den späteren Berufsjahren. … Nach Berufsgruppen ergeben sich ebenfalls erhebliche Einkommensunterschiede: Differenziert man die Beschäftigten nach dem in einzelnen Berufen vorhandenen Frauenanteil, so bestätigt sich der aus anderen Untersuchungen bekannte Befund, dass in Berufen mit besonders hohem Frauenanteil im Durchschnitt ein geringeres Einkommen gezahlt wird. Dieses geringere Einkommensniveau geht jedoch nicht zwangsläufig mit einem höheren „gender pay gap“ einher. Dieser beträgt in den Berufen unseres Samples, die einen Frauenanteil von bis zu 60 % aufweisen, etwas über 18 %, verringert sich aber in der Gruppe der Berufe mit einem Frauenanteil von über 60 % auf knapp 14 %. … In dieser Berufsgruppe finden sich unter anderem sogenannte Frauenberufe wie Zahnarzthelferinnen und Zahnarzthelfer, Verkäuferinnen und Verkäufer oder Sekretärinnen und Sekretäre, in denen es auch für Männer nur beschränkte Aufstiegsmöglichkeiten gibt. … Wir haben die in unserem Sample vertretenen Berufe zu 20 Berufsgruppen zusammengefasst und diese dann nach dem Ausmaß des Einkommensrückstandes der Berufsanfängerinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen geordnet. Dies ergibt folgendes Bild: Ein besonders großer „gender pay gap“ ist mit 20 % und darüber bei Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern in den Gesundheitsberufen, in der Nahrungsmittelverarbeitung und in den Chemieberufen festzustellen. Zwischen 15 und 17 % beträgt der Einkommensrückstand in den Bank- und Finanzberufen, in den Medien-/Gestaltungsberufen, in den Berufen des Transport- und Verkehrsgewerbes und bei den Technikerberufen. Zwischen 10 und 14 % Einkommensdifferenz findet sich u. a. in den Rechtsberufen, in den Büro- und Verwaltungsberufen, in den Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes, in den Handelsberufen sowie bei Wirtschaftswissenschaftlern und weiteren Wissenschaftsberufen. Mit unter 10 % fallen die Einkommensunterschiede in den Bauberufen, den EDV-/IT-Berufen, den Sozialberufen, den Ingenieurberufen sowie in den Marketing-/Werbung-/ PR-Berufen relativ gering aus. … Für eine Reihe von Berufen haben wir eine berufsbezogene Analyse der Einkommensdifferenzen von Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern durchgeführt. Im Folgenden werden die Daten von 33 Einzelberufen zugrunde gelegt. Bis zu 3 Berufsjahren In 28 Berufen weisen die Berufsanfängerinnen einen Einkommensrückstand gegenüber ihren männlichen Kollegen auf, der zwischen 0,6 % und 15,7 % variiert. In fünf Berufen liegen die Frauen in den ersten drei Jahren dagegen vor den Männern. 4 bis 10 Berufsjahre In 21 Berufen vergrößert sich der bereits bestehende Abstand der Frauen zu den Männern. In 6 Berufen verringert er sich, bleibt aber negativ. Lediglich in 2 Berufen gelingt es den Frauen, einen Einkommensrückstand in einen Vorsprung zu verwandeln. Umgekehrt drehen sich in allen 5 Berufen mit einem Gehaltsvorsprung der Frauen die Verhältnisse in den Folgejahren um die Frauen fallen zum Teil kräftig hinter die Männer zurück. … Ausgewählte Berufe * Bürokaufleute: Bürokauffrauen mit bis zu 3 Berufsjahren verdienen mit 1.782 € nur rund 1,7 % weniger als ihre männlichen Kollegen, die auf 1.813 € kommen. Dies ändert sich jedoch stark mit zunehmenden Berufsjahren. Bei 4 bis 10 Berufsjahren steigt der Rückstand bereits auf 10,7 %. * Industriekaufleute: Anders dagegen das Bild bei den Industriekaufleuten. In den ersten drei Jahren liegen die Frauen mit 11,5 % deutlich stärker zurück (1.962 zu 2.216 €), in den folgenden Jahren (4 bis 10 Berufsjahre) schwächt sich die Einkommensdifferenz relativ ab sie beträgt noch 10,3 %. * Großhandelskaufmann/-frau: In diesem Beruf bleibt der Einkommensabstand der Frauen gegenüber den Männern mit gut 14 % stabil. In den ersten 3 Jahren bedeutet dies einen Rückstand von durchschnittlich 286 €, mit 4 bis 10 Berufsjahren wächst er absolut auf 335 €. * Buchhalter/-in: In den ersten 3 Berufsjahren liegen die Frauen in diesem Beruf 8,0 % hinter den Männern zurück. Bei 4 bis 10 Berufsjahren wächst dieser Rückstand auf 14,9 %. In absoluten Größen: Bei den Frauen steigt das durchschnittliche Einkommen von 2.053 auf 2.317 €, bei den Männern hingegen von 2.230 € auf 2.722 €. * Bankkaufmann/-frauDie Bankkauffrauen verdienen in den ersten 3 Jahren im Schnitt mit 2462 € insgesamt 105 € bzw. 4,1 % weniger als die Bankkaufmänner. Dieser Abstand wächst bei 4 bis 10 Berufsjahren auf 217 € bzw. 7,4 %. * Sozialpädagoge/Sozialpädagogin: Die Berufsanfängerinnen liegen mit ihrem Einkommen von 2.211 € in den ersten 3 Berufsjahren im Durchschnitt 5,6 % vor ihren männlichen Kollegen mit 2.093 €, fallen aber anschließend relativ zurück und verdienen mit 4 bis 10 Berufsjahren im Schnitt 9,4 % weniger. * Dipl.-Kauffrau/-mann: In diesem Beruf verdienen die Frauen bereits in den ersten 3 Jahren rund 14,4 % weniger als die Männer. Ihr Einkommen liegt bei 2.896 €, das der Männer hingegen bei 3.351 €. In den Folgejahren (4 bis 10 Berufsjahre) vergrößert sich der Abstand auf 17,2 %. * Mathematiker/-in und Statistiker/-in: Die Mathematikerinnen starten mit einem kräftigen Einkommensrückstand von 15,7 % gegenüber ihren männlichen Kollegen. Sie verdienen im Schnitt in den ersten 3 Jahren 3.100 €, die Männer hingegen 3.677 €. In der Folgezeit (4 bis 10 Berufsjahre) steigern sie ihr Durchschnittseinkommen auf 4.237 €, die Männer kommen auf 4.187 € und liegen damit geringfügig (1,2 %) hinter den Frauen. * Jurist/-in: Zu Beginn ihrer Berufskarriere verzeichnen die Juristinnen gegenüber ihren männlichen Berufskollegen einen Rückstand von 7,3 %. Sie verdienen in den ersten 3 Berufsjahren im Schnitt 3.207 € und damit rund 1.252 € weniger. Bei 4 bis 10 Berufsjahren wächst der Abstand sehr stark auf 12,4 %. Juristinnen verdienen mit dieser Berufserfahrung im Schnitt 3.845 € gegenüber 4.391 € bei den Juristen. … Im europäischen Vergleich mit 7 anderen Ländern liegt Deutschland beim GPG im oberen Drittel. In allen Ländern weisen die Frauen in den ersten 3 Berufsjahren einen deutlichen Einkommensabstand gegenüber den Männern auf. Die Spannweite reicht von 9,4 % in Belgien und 9,8 % in Dänemark bis zu 26,0 % in Polen und 30,4 % in Spanien. Deutschland liegt mit einem Rückstand von 17,3 % im oberen Drittel. … “ Die Studie in vollem Textumfang inklusive umfangreicher Tabellen entnehmen Sie bitte dem Anhang oder aufgeführtem Link.

http://www.boeckler.de/8.html
http://www.boeckler.de/pdf/p_ta_lohnspiegel_berufsanfaengerinnen.pdf

Quelle: Presseinformation WSI – Hans-Böckler-Stiftung

Dokumente: p_ta_lohnspiegel_berufsanfaengerinnen.pdf

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