Süchtig nach dem nächsten Level: Abhängigkeit Jugendlicher von Computerspielen

„WORLD OF WARCRAFT“ HAT DAS GRÖßTE ABHÄNGIGKEITSPOTENTIAL Eine repräsentative Erhebung zur Spielsuchtgefährdung wurde vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen durchgeführt. An der Studie nahmen über 15.000 Schüler der neunten Klassenstufe teil, die zu ihrem Spielverhalten befragt wurden. Etwa 2,8 Prozent der Jugendlichen wurden als gefährdet und 1,7 Prozent als abhängig eingestuft. Jungen sind deutlich häufiger, fast 10 mal mehr betroffen als Mädchen. Bei den Jungen sind 4,7 Prozent „gefährdet“, 3,0 Prozent der Jungen müssen angeblich als abhängig bezeichnet werden Mädchen: 0,5 Prozent gefährdet, 0,3 Prozent abhängig. Auszüge aus der Studie zur Computerspielsucht bei Jugendlichen von Florian Rehbein, Matthias Kleimann, Thomas Mößle: “ EINLEITUNG Computerspiele sind inzwischen neben dem Fernsehen das zweite jugendkulturelle Leitunterhaltungsmedium: Der weltweit mit Computerspielen erzielte Umsatz übersteigt Jahr für Jahr mit wachsendem Abstand den, der mit Kinoproduktionen erreicht wird. Für das Jahr 2008 berichtet der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) einen Rekordumsatz mit Computerspielen in Deutschland von 1,57 Milliarden Euro, gegenüber 1,37 Milliarden im Vorjahr. … Gerade Jungen gelten hinsichtlich ihrer Computerspielnutzung inzwischen als Sorgenkinder aufgrund ihrer in doppelter Hinsicht problematischen Mediennutzungsmuster. Der erste Problembereich betrifft die … Präferenz von Jungen für kampfbetonte und gewalthaltige Spiele, die sich bereits im Grundschulalter abzeichnet. Obwohl über das genaue Ausmaß der Wirkungen solcher Nutzungsmuster Uneinigkeit herrscht, gilt das von Bushman und Anderson entwickelte General Aggression Model, das auf mehrere Meta-Analysen des internationalen Forschungsstandes gestützt die gewaltsteigernde Wirkung von Gewaltmediennutzung gerade in Computerspielen erklärt, derzeit als wissenschaftlicher Konsens. Nicht verwunderlich erscheint vor diesem Hintergrund die Tatsache, dass staatliche und freiwillige Institutionen des Jugendmedienschutzes ihre Alterseinstufungen bzw. Indizierungsentscheidungen bezüglich interaktiver Unterhaltungssoftware ganz überwiegend auf Art und Umfang vorhandener Gewaltinhalte beziehen. Keine Beachtung durch den Jugendmedienschutz fand bisher dagegen die Tatsache, dass bestimmte Computerspielformate weniger aufgrund ihrer Gewaltinhalte als vielmehr wegen des enormen Zeitaufwandes, der für ein Erreichen der Spielziele notwendig ist, problematisch werden können. Dabei stellen hohe Computerspielnutzungszeiten den zweiten großen Problembereich dar, von dem insbesondere Jungen betroffen sind. So bevorzugen Jungen weitaus stärker als Mädchen solche Computerspielformate, die aufgrund ihres Spieldesigns eine längere Verweildauer vor dem Bildschirm nahelegen, … . COMPUTERSPIELABHÄNGIGKEIT IM JUGENDALTER * Erhebung und Methode Im Zeitraum April 2007 bis Oktober 2008 konnte das KFN in 61 bundesdeutschen Erhebungsgebieten eine umfassende Befragung mit N = 44.610 Schülern neunter Jahrgangsstufen realisieren. Durch eine proportionale Berücksichtigung ost- und westdeutscher Befragungsregionen sowie kreisfreier Städte und Landkreise unterschiedlicher Größe wurde eine repräsentative Stichprobe der Population deutscher Neuntklässler an allgemeinbildenden Schulen erreicht. Das Durchschnittsalter der Befragungsteilnehmer betrug 15,3 Jahre, 51,3 Prozent waren männlichen Geschlechts, 27,4 Prozent der Jugendlichen wiesen einen Migrationshintergrund auf. Als Erhebungsinstrument diente ein 31-seitiger standardisierter Fragebogen, der von den Schülerinnen und Schülern nach einer Instruktion durch einen geschulten Interviewer im Klassenkontext selbstständig ausgefüllt wurde. Ein weiterer, sechs Seiten langer Fragebogen mit Vertiefungsfragen zum Thema „Internetnutzung und Computerspielabhängigkeit“ wurde randomisiert an jeden dritten Befragungsteilnehmer ausgegeben. Angaben hierzu liegen somit von N = 15.168 Schülerinnen und Schülern vor. Die Rücklaufquote lag bei 88 Prozent. * Computerspielzeiten, Geräteausstattung … Die Nutzung elektronischer Medien stellt sich … als die wichtigste Freizeitbeschäftigung unter Schülerinnen und Schülern neunter Klassen in Deutschland heraus. Ob alleine oder mit Freunden, ob die Medien lediglich zur Begleitung anderer Tätigkeiten genutzt werden oder im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen: In der Addition nutzen 15-jährige Mädchen elektronische Bildschirmmedien täglich mehr als sechs Stunden (370 Minuten), Jungen kommen auf rund siebeneinhalb Stunden tägliche Bildschirmmedienzeit (457 Minuten). Obwohl explizit darauf hingewiesen werden muss, dass sich Mediennutzungszeiten häufig überschneiden, dass gerade das Fernsehen bei vielen Jugendlichen als „Nebenbei-Medium“ anderer medialer und nichtmedialer Tätigkeiten fungiert, wird die enorme Bedeutung der Nutzung elektronischer Medien erneut belegt. Dabei nimmt das Computerspielen insbesondere im Leben männlicher Jugendlicher einen großen Raum ein: Mit 141 Minuten durchschnittlicher täglicher Spielzeit ist Computerspielen bei männlichen Jugendlichen hinter dem Fernsehen die zweitwichtigste Freizeitbeschäftigung. Fast 60 Prozent dieser Spielzeit (83 Minuten) entfallen dabei auf Onlinespiele. … Die Relevanz der Computerspielnutzung zeigt sich auch in der Ausstattung der Jugendlichen mit elektronischen Spielgeräten. Mehr als zwei Drittel aller Jugendlichen besaßen zum Befragungszeitpunkt einen eigenen Computer im Jugendzimmer (69,8 %), wobei 15-jährige Jungen mit einer Ausstattungsquote von 78 Prozent häufiger einen Computer besaßen als ihre weiblichen Mitschülerinnen (61,2 %). Eine stationäre Spielkonsole … nannten 45,9 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler ihr Eigen. Hier ist die Ausstattungsquote der Jungen (62,5 %) mehr als doppelt so hoch wie die der Mädchen (28,3 %). Eine tragbare Spielkonsole … besaß rund die Hälfte der Befragten (Jungen: 58,1 % Mädchen: 43,9 %). Von denjenigen Jugendlichen, die zumindest über eins der erwähnten Spielgeräte verfügen konnte, waren fast drei Viertel (73,6 % Jungen: 74,6 % und Mädchen: 72,2 %) zum Befragungszeitpunkt theoretisch in der Lage, sich über einen eigenen Internetanschluss im Zimmer mit dem Internet zu verbinden. … * Zeitlich auffälliges Spielverhalten im Jugendalter Um die Häufigkeit zeitlich problematischen Computerspielens einschätzen zu können wurde eine Nutzergruppeneinteilung durchgeführt. Hierfür wurden die Jugendliche in Nichtspieler, Gelegenheitsspieler, unterdurchschnittliche Spieler, überdurchschnittliche Spieler, Vielspieler und Exzessivspieler eingeteilt. Als Nichtspieler gelten Jugendliche, die sowohl für Schultage als auch für Wochenendtage angeben, im Schnitt null Stunden Computerspiele zu spielen und darüber hinaus angeben, in den letzten 12 Monaten keine Computerspiele gespielt zu haben. Jugendliche, die eine durchschnittliche Spielzeit von null Stunden aufweisen und gleichzeitig angeben, in den letzten 12 Monaten einige Male gespielt zu haben werden als Gelegenheitsspieler bezeichnet. Für die Einteilung der verbleibenden regelmäßigen Spieler wird mit Perzentilbereichen (Prozenträngen) gearbeitet. Wer täglich mehr als 0 Stunden, jedoch weniger als 1 Stunde spielt (entspricht dem Perzentil P50), wird als unterdurchschnittlicher Spieler, Jugendliche die über diesem Perzentil liegen als überdurchschnittliche Spieler definiert. Ab 2,5 Stunden täglicher Spielzeit (Perzentil P75) werden Jugendliche als Vielspieler, ab 4,5 Stunden täglicher Spielzeit (Perzentil P90) als Exzessivspieler klassifiziert. … Hierbei zeigt sich zunächst, dass weibliche Jugendliche weit häufiger Nichtspieler sind als männliche Jugendliche. Ihr Anteil fällt bei den Gelegenheitsspielern und den unterdurchschnittlichen Spielern ebenfalls größer aus. Insgesamt sind 44 Prozent der Mädchen Nicht- oder Gelegenheitsspieler und weitere 25 Prozent weisen eine Spielzeit unter 60 Minuten auf. Von den Jungen fallen hingegen nur 31 Prozent in eine dieser zeitlich unauffälligen Nutzergruppen. Jungen sind dafür weit häufiger als Mädchen in den zeitlich auffälligen Nutzergruppen vertreten. Während 8,3 Prozent der Mädchen als Vielspielerinnen und 4,3 Prozent als Exzessivspielerinnen einzustufen sind und damit ca. 13 Prozent ein in dieser Weise zeitlich auffälliges Spielverhalten aufweisen, beträgt dieser Anteil bei den Jungen insgesamt 39 Prozent. … AUSBLICK UND DISKUSSION Mithilfe der Datenbasis der KFN-Schülerbefragung 2007/2008 und des Berliner Längsschnitt Medien konnte erneut bestätigt werden, dass Computerspielabhängigkeit als Störungsbild im Jugendalter einer erhöhten Aufmerksamkeit bedarf. Die von uns entwickelte Computerspielabhängigkeitsskala KFN-CSAS-II erweist sich dabei als gut geeignet, eine Abhängigkeit von Computerspielen von einem zeitlich auffälligen bzw. exzessiv betriebenen, in seinen Auswirkungen jedoch vergleichsweise weniger problematischen Spielverhalten abzugrenzen. Die große Zahl – insbesondere männlicher – betroffener Jugendlicher weist auf einen dringenden gesellschaftlichen Handlungsbedarf hin: Allein in der Altersklasse Jugendlicher im Alter von 15 Jahren muss deutschlandweit von etwa 13.000 computerspielabhängigen Jungen und 1.300 computerspielabhängigen Mädchen ausgegangen werden. Nach wie vor ist das Störungsbild der Computerspielabhängigkeit jedoch nicht klinisch anerkannt und damit auch eine Behandlung Betroffener im Gesundheitssystem nicht vorgesehen. Zwar entstehen derzeit erste Beratungs- und Behandlungsangebote. Von einer bundesweiten Grundversorgung kann jedoch nicht einmal in Ansätzen gesprochen werden. Therapeuten werden dadurch in die Bedrängnis gebracht, ggf. zugunsten einer kassenfinanzierten Behandlung eine alternative Diagnose wie Anpassungsstörung, Depression oder gar einer Persönlichkeitsstörung zu vergeben, die jedoch dem klinischen Sachverhalt nicht gerecht wird, Betroffene zu unrecht stigmatisiert und das Problem des Abhängigkeitspotenzials von Computerspielen aus dem gesellschaftlichen Blickfeld nimmt. Unter diesen Voraussetzungen wird auch eine systematischen Professionalisierung der Behandlungspraxis behindert: Die Behandlung Betroffener wird an bereits bestehende therapeutischen Konzepte angepasst anstatt adäquate therapeutische Konzepte für von Computerspielabhängigkeit betroffene Patienten zu entwickeln. … Die aufgefundenen Risikofaktoren des Störungsbildes bestätigen den sich abzeichnenden wissenschaftlich/medizinischen Konsens, das Phänomen klinisch als eine stoffungebundene Abhängigkeitserkrankung bzw. Verhaltensabhängigkeit einzuordnen. So zeigt sich ein erhöhtes Risiko bei jenen Jugendlichen, die in der Kindheit schwerer elterlicher Misshandlung ausgesetzt waren und damit in Übereinstimmung mit anderen Suchterkrankungen die Bedeutung zurückliegender Traumatisierungserlebnisse. Die große Erklärungskraft, die auch einem Rückzug in die virtuellen Spielwelten bei realweltlichen Misserfolgen zukommt, ist ebenfalls als störungskongruent zu bewerten. Wie zu erwarten setzen Computerspielabhängige das Spielen verstärkt kompensatorisch ein, indem sie insbesondere bei realweltlichen Problemen und Misserfolgen das Spielen intensivieren anstatt sich diesen Problemen lösungsorientiert zuzuwenden. … Während die Zugehörigkeit des Jugendlichen zu einer bestimmten Schulform und auch das Bildungsniveau im Elternhaus keinen eigenständigen Erklärungswert für die Entstehung einer Computerspielabhängigkeit aufweisen und die Erkrankung damit als gesellschaftsübergreifend zu bewerten ist, gehen eine erhöhte Schulangst und auch zurückliegende Leistungseinbußen, welche die Wiederholung einer Klasse notwendig machten, mit einem erhöhten Abhängigkeitsrisiko einher. Auch diese Faktoren können letztlich als Ausdruck von Defiziten im Erleben von Selbstwirksamkeit im eigenen schulischen Alltag gedeutet werden. Damit erscheint weniger der Status eines Schülers hinsichtlich des Bildungsniveaus im Elternhaus oder der von ihm besuchten Schulform als entscheidend, sondern vielmehr seine Stellung innerhalb des eigenen sozialen Binnengefüges. Jungen entwickeln weit häufiger sowohl eine zeitlich exzessive Nutzung als auch eine psychische Abhängigkeit von Computerspielen als Mädchen. Dennoch zeigen unsere Analysen, dass der Einfluss des männlichen Geschlecht als prädisponierender Faktor mittels weiterer Variablen erklärt werden kann. Im Zusammenspiel mit den von uns im Erklärungsmodell berücksichtigten Faktoren der Spielnutzung, Spielmotivation, des Erlebens selbstwertförderlicher Erfahrungen im Alltag und psychischer Faktoren auf Seiten des Spielers kommt dem männlichen Geschlecht keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Dies ist darauf zurückzuführen, dass männliche Kinder und Jugendliche einige der für die Ausbildung von Computerspielabhängigkeit relevanten Risikofaktoren in besonderem Maße aufweisen, wie z. B. eine erhöhte Impulsivität und erhöhte Gewaltakzeptanz sowie ein erhöhtes Interesse daran, in virtuellen Welten Macht und Kontrolle zu auszuüben. Die Untersuchung von Computerspielabhängigkeit im Kindes-, und Jugendalter legt nahe, dass sich Computerspielabhängigkeit in unterschiedlichen Altersgruppen in unterschiedlichen Computerspielpräferenzen manifestiert, die unter Umständen sogar aufeinander aufbauen. … Auch hinsichtlich der Frage, welche Erklärungskraft der Art des genutzten Spiels zukommt, liefern unsere Daten wichtige Erkenntnisse. So zeigt sich, dass der mit Onlinespielen verbrachten Zeit eine größere Erklärungskraft zukommt als der mit Offlinespielen verbrachten Zeit. Von besonderer Bedeutung ist jedoch insbesondere der Befund, dass der Zuwendung zu bestimmten Spielformaten bzw. Spielgenres unabhängig von der individuellen Spielzeit eine eigenständige Rolle für die Etablierung einer Computerspielabhängigkeit zukommt. Eine hinsichtlich ihres Abhängigkeitspotenzials vergleichende Analyse der beliebtesten Spiele männlicher Neuntklässler konnte zeigen, dass Nutzer des beliebten Onlinerollenspiels World of Warcraft besonders häufig von Computerspielabhängigkeit betroffen sind. So sind World of Warcraft spielende Jungen zu 8,5 Prozent von Computerspielabhängigkeit betroffen, Jungen hingegen, die andere Spiele aber nicht WoW spielen, nur zu 2,7 Prozent. Mehr als jeder dritte Junge, der dieses Spiel nutzt, spielt mehr als 4,5 Stunden täglich Computerspiele. Auf dem zweiten Platz unseres Rankings von Spielen mit besonderem Abhängigkeitspotenzial befindet sich mit Guild Wars ebenfalls ein Onlinerollenspiel. Auch für Spieler des häufig online gespielten Strategiespiels Warcraft und der Onlineshooter Counterstrike und Call of Duty ermitteln wir einen erhöhten Anteil abhängiger Personen. In unserem Risikomodell zur Entstehung von Computerspielabhängigkeit erweist sich jedoch nur das Genre ‚Onlinerollenspiel‘ als Risikofaktor mit eigenständigem Erklärungswert. … Hieraus ergeben sich dringende Konsequenzen für den Jugendmedienschutz. Trotz ihres erhöhten Abhängigkeitspotenzials sind Onlinerollenspiele wie World of Warcraft oder Guild Wars in Deutschland bislang „ab 12 Jahren“ freigegeben. Zu erklären ist dies damit, dass eine Überprüfung der interaktiven Unterhaltungsmedien auf Spielstrukturen, welche ein exzessives Spielverhalten nahelegen bzw. in deren Zusammenwirken ein erhöhtes psychotropes Abhängigkeitspotenzial befürchtet werden muss, nicht Gegenstand der Prüfung der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ist. Stattdessen ist eine sehr enge Ausrichtung der Begutachtung auf explizite jugendbeeinträchtigende Darstellungen von Gewalt und Sexualität zu konstatieren. … Ein systematischer Einbezug abhängigkeitsendogener Spielmerkmale in die Alterseinstufungsentscheidung des Jugendmedienschutzes erscheint ebenso zwingend notwendig. Unsere Studie zeigt, dass der Jugendmedienschutz bei Computerspielen wie World of Warcraft über Produkte zu befinden hat, die nicht nur als Formen interaktiver medialer Unterhaltung zu betrachten sind, sondern auch als potenzielles Suchtmittel wie dies schon vor Jahren für Glücksspiele mit Geldgewinnmöglichkeit festgestellt wurde. … Ein Problem, das sich in Zukunft stellen wird, ist die Frage, wie mit Neuerscheinungen zu verfahren ist, deren Abhängigkeitspotenzial im Rahmen der Jugendschutzbegutachtung prognostiziert werden muss. Zwar erscheint es bereits jetzt vertretbar, Spiele, die eine hohe strukturelle Ähnlichkeit mit World of Warcraft aufweisen, keinesfalls für Kinder freizugeben. Bezüglich der Jugendfreigabe solcher Spiele ist aber mit Sicherheit eine Einzelfallabwägung vorzunehmen, für die wir nachfolgend erste Abwägungskriterien vorschlagen, die jedoch innerhalb der praktischen Arbeit weiterentwickelt und präzisiert werden müssen. Spiele scheinen geeignet, ein hohes Abhängigkeitspotenzial zu bergen, wenn in ihnen eine Häufung oder besonders intensive Ausprägung folgender Merkmale zu beobachten ist: – eine Vergabe virtueller Belohnungen in Abhängigkeit von der im Spiel verbrachten Zeit – eine Vergabe besonders seltener und für den Spieler besonders prestigeträchtiger virtueller Belohnungen unter Rückgriff auf Mechanismen intermittierender Verstärkung (insbesondere intermittierend variabel und quotiert) – Spielprinzipien, die dem Nutzer direkte Nachteile einbringen sofern er nicht regelmäßig die Spielwelt aufsucht (Persistente Spielwelt) – ein langwieriges Levelsystem, das so angelegt ist, dass die Weiterentwicklung des eigenen Spielcharakters bis zur letzten Erfahrungsstufe ein ausdauerndes und zeitintensives Spielen über einen Zeitraum von mehreren Monaten erfordert – eine großflächige und komplexe Spielwelt, die so angelegt ist, dass die Erkundung und Nutzung der vorhandenen Spieloptionen ein ausdauerndes und zeitintensives Spielen über mehrere Monate erfordert – komplexe Aufgabenstellungen, die nur innerhalb einer eingespielten und sich funktional ergänzenden Spielergemeinschaft gelöst werden können und daher einen starken Verpflichtungscharakter des sozialen Gefüges begünstigen, so dass die Präsenz in der Spielwelt nicht ohne größere innere (Verantwortungsgefühl gegenüber den Mitspielern, schlechtes Gewissen) oder äußere Widerstände (Mitspieler drohen mit Ausschluss aus der Gemeinschaft oder mit Kontaktabbruch) reduziert werden kann. “ Die Erhebung in vollem Umfang steht Ihnen über aufgeführtem Link als Download zur Verfügung. Computerspielabhängigkeit im Kindes- und Jugendalter. Empirische Befunde zu Ursachen, Diagnostik und Komorbiditäten unter besonderer Berücksichtigung spielimmanenter Abhängigkeitsmerkmale | Florian Rehbein, Matthias Kleimann, Thomas Mößle | 2009 | Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN). Lützerodestraße 9, 30161 Hannover. Tel. (05 11) 3 48 36-0, Fax (05 11) 3 48 36-10. E-Mail: kfn@kfn.uni-hannover.de

http://www.kfn.de/versions/kfn/assets/fb108.pdf

Quelle: Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN)

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