MIT BETRIEBLICHEN TRAININGSMAßNAHMEN WERDEN VOR ALLEM ARBEITSLOSE GEFÖRDERT, DIE AUCH OHNE FÖRDERUNG HÖHERE EINGLIEDERUNGSCHANCEN GEHABT HÄTTEN Aktivierungsmaßnahmen sollen für Arbeitslosengeld-II-Bezieher ein Wegbereiter in Erwerbsarbeit sein. Trainingsmaßnahmen wie Bewerbungskurse, Kenntnisvermittlung oder Eignungsfeststellungen für unterschiedliche Berufsbilder gehören dabei zu den häufigsten Instrumenten. Sie zielen auf unmittelbare Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Eva Kopf und Joachim Wolff haben für das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) analysiert, wie sich unterschiedliche Förderarten auf die Beschäftigungschancen der Teilnehmer auswirken und ob die Wirkungen nachhaltig sind. Auszüge aus dem aktuellen IAB-Kurzbericht ‚Auf den Inhalt kommt es an‘: „Die Grundsicherung für Arbeitsuchende setzt seit über vier Jahren darauf, mit den Prinzipien des Förderns und Forderns bedürftige Arbeitslose an den Arbeitsmarkt heranzuführen. Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen, im Folgenden einfachheitshalber als Trainingsmaßnahmen bezeichnet, sind kurze Qualifizierungsmaßnahmen und ein zentrales Instrument der Aktivierungspolitik. Rechtsgrundlage der Trainingsmaßnahmen waren noch im Jahr 2008 die §§ 48 bis 52 des Sozialgesetzbuch (SGB) III. 2009 wurde mit dem Gesetz zur Neuausrichtung der Instrumente eine neue Rechtsgrundlage geschaffen. Durch Trainingsmaßnahmen sollen Teilnehmer einerseits in die Lage versetzt werden, Erwerbsarbeit schneller und teils gezielter zu finden. Neben diesem Förderaspekt könnte andererseits auch das Fordern eine Rolle spielen: Einige erwerbsfähige Hilfebedürftige, die sich nicht hinreichend um eine Überwindung der Hilfebedürftigkeit bemühen, könnten gezielt einer Maßnahme wie beispielsweise Bewerbungstraining zugewiesen werden. Das mag bewirken, dass sie sich künftig stärker aus eigener Initiative um Arbeit zu bemühen. Die Zahl der in Trainingsmaßnahmen geförderten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Im Jahr 2008 waren es fast 630 Tsd. Eintritte, während es im Jahr 2006 noch rund 500 Tsd. waren. Damit lagen die Förderfälle im Jahre 2008 schon fast in vergleichbarer Höhe zu den am häufigsten eingesetzten Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung, den sogenannte Ein-Euro-Jobs (760 Tsd. Eintritte). … * Trainingsmaßnahmen und ihre Vielfalt Trainingsmaßnahmen können vielfältige Inhalte haben. Einige Schulungen setzen darauf, Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitsuchenden (z. B. durch Fremdsprachen- oder EDV-Kurse) so zu verbessern, dass Arbeitgeber sie häufiger als geeignete Bewerber für offene Stellen in Betracht ziehen. Eine weitere Förderart sind Eignungsfeststellungen, durch die die Eignung für bestimmte Berufsfelder – wie gewerblich-technische Berufe oder Pflegeberufe – festgestellt und damit eine Integration in entsprechende Tätigkeiten vorbereitet wird. Auch Bewerbungstraining zählt zu diesen Maßnahmen. Hier lernen die Teilnehmer beispielsweise, ihre Bewerbungsunterlagen professioneller auszuarbeiten, und sie werden auf Vorstellungsgespräche vorbereitet. Ihre Bewerbungen sollen dadurch rascher zum Erfolg und damit zur Eingliederung in Erwerbsarbeit führen. … Die Teilnahme an Trainingsmaßnahmen sollte also einen Beitrag dazu leisten, dass Arbeitslose sich effektiver bewerben oder auch erweiterte Kenntnisse vorweisen, so dass ihnen häufiger Stellen angeboten werden und sie beständiger in Erwerbsarbeit integriert werden. Alle Förderarten haben eine kurze Dauer. Für Teilnahmen an einem Bewerbungstraining sind es wenige Tage bis zu zwei Wochen. Bei Eignungsfeststellungen sind es bis zu vier, bei der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten bis zu acht Wochen. Eine Kombination verschiedener Trainingsmaßnahmen ist für bis zu zwölf Wochen möglich: Häufig werden Maßnahmen der Eignungsfeststellung mit der Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten kombiniert. Alle genannten Förderarten werden als schulische Trainingsmaßnahmen durchgeführt. Als Praktika in Betrieben gibt es hauptsächlich Maßnahmen zur Eignungsfeststellung und Kenntnisvermittlung. * Vorgehensweise und Resultate der Untersuchung Die vorliegenden Ergebnisse beziehen sich auf sechs verschiedene Typen von Trainingsmaßnahmen. Zum einen werden vier schulische Maßnahmetypen untersucht: Bewerbungstrainings, die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, Eignungsfeststellungen sowie Kombinationen dieser Maßnahmen. Zum anderen werden zwei betriebliche Maßnahmearten betrachtet: Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten sowie Kombinationen und Eignungsfeststellungen. … Um die Nachhaltigkeit der Beschäftigungswirkungen zu untersuchen, wird analysiert, inwiefern sich die Teilnahme auf die Chance auswirkt, mindestens zwölf Monate ununterbrochen beschäftigt zu sein. Um diese Effekte zu schätzen, werden die Teilnehmer, die zwischen Februar und April 2005 ihre Förderung begonnen haben, mit sehr ähnlichen Nicht-Teilnehmern verglichen. … Von den insgesamt rund 62 Tsd. Maßnahmeteilnehmern haben etwas mehr als zwei Drittel an schulischen Trainingsmaßnahmen teilgenommen. Am häufigsten sind Teilnahmen an schulischen Trainingsmaßnahmen als Eignungsfeststellungen, Verbesserung von Kenntnissen und Fähigkeiten sowie Kombinationen der Maßnahmen. Sie machen jeweils um die 19 Prozent aller betrachteten Teilnahmen aus. Die Zahlen der Teilnehmer an Bewerbungstraining sind weniger als halb so hoch. Eignungsfeststellungen werden allerdings häufiger in als außerhalb von Betrieben durchgeführt. Rund 24 Prozent aller Trainingsmaßnahmen erfolgen in dem Beobachtungszeitraum als betriebliche Eignungsfeststellung. Die Verbesserung von Kenntnissen und Fähigkeiten/Maßnahmekombinationen im Betrieb findet hingegen mit 9,1 Prozent der Teilnahmen viel seltener statt. * Was wäre ohne die Teilnahme? … Welche Beschäftigungschancen hätten die Teilnehmer in unserer Studie, wenn sie gar nicht durch die jeweilige Maßnahme gefördert würden? … Mit Hilfe des Vergleichsgruppenansatzes kann unter den zuvor getroffenen Annahmen geschätzt werden, welcher Anteil der Teilnehmer ungefördert sozialversicherungspflichtig beschäftigt wäre, wenn sie nicht an der jeweiligen Trainingsmaßnahme teilgenommen hätten. Er entspricht dem Anteil der ungefördert sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der durch Propensity-Score-Matching bestimmten Vergleichsgruppe der jeweiligen Trainingsmaßnahme. 28 Monate nach Teilnahmebeginn beträgt dieser Anteil für schulische Trainingsmaßnahmen knapp 15 bis rund 31 Prozent. Die Anteile für ostdeutsche Frauen liegen mit 15 bis etwas unter 18 Prozent am niedrigsten. Für Männer und westdeutsche Frauen liegen die Anteile mit mehr als 18 bis 31 Prozent etwas höher. Deutlich höher sind die Beschäftigungsanteile der Vergleichspersonen für die betrieblichen Trainingsmaßnahmen mit 22 bis fast 35 Prozent. Das zeigt, dass mit betrieblichen Trainingsmaßnahmen Arbeitslose gefördert werden, die auch ohne Teilnahme an der Maßnahme höhere Eingliederungschancen hätten als Arbeitslose, die in den verschiedenen schulischen Trainingsmaßnahmen gefördert werden. … * Nettoeffekte: Wirkungen im Vergleich zur Nicht-Teilnahme Welche Wirkungen haben aber nun die verschiedenen Trainingsmaßnahmen auf den Arbeitsmarkterfolg der Teilnehmer? … Nach vier Monaten ist dabei noch mit keinen oder teils nachteiligen Nettoeingliederungseffekten zu rechnen. Der Grund dafür ist das Nachwirken des sogenannten „Einbindungseffekts“: Während der Teilnahme an einer Trainingsmaßnahme haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer weniger Zeit für die Arbeitsuche als die Vergleichspersonen. Daher nehmen sie in den ersten Wochen ab Teilnahmebeginn auch weniger häufig Erwerbsarbeit auf als die Vergleichspersonen. Dieser anfängliche Nachteil kann erst im Laufe der Zeit überwunden werden. Für Teilnehmer am schulischen Bewerbungstraining werden kurz nach Teilnahmebeginn die Beschäftigungschancen dabei etwas reduziert. Nach 28 Monaten sind die Nettoeffekte nahe Null und nicht statistisch signifikant. Ein deutlich positiveres Bild zeigt sich bei den Teilnahmewirkungen der schulischen Eignungsfeststellungen und der schulischen Vermittlung von Kenntnissen. Sie reduzieren zwar auch zunächst die Beschäftigungschancen für westdeutsche Frauen, da der anfängliche Einbindungseffekt erst noch überwunden werden muss. Hingegen werden mittelfristig häufig erhöhte Beschäftigungschancen aufgrund der Teilnahme nachgewiesen. Bei schulischer Kenntnisvermittlung sind die Maßnahmewirkungen 28 Monate nach Maßnahmebeginn mit einer Erhöhung der Beschäftigungschancen zwischen 3,0 und 4,4 Prozentpunkten deutlich positiv. Kombinierte Maßnahmen hingegen wirken sich weniger stark auf die Beschäftigungschancen der Teilnehmer aus: Hier sind nur bei ostdeutschen Frauen und westdeutschen Männern 28 Monate nach Maßnahmebeginn positive statistisch gesicherte Effekte zu verzeichnen. Bei Weitem stärker sind die Auswirkungen der beiden betrieblichen Trainingsmaßnahmearten auf die Beschäftigungschancen der Teilnehmer. Schon vier Monate nach Teilnahmebeginn wird ihre Chance, einer regulären Erwerbstätigkeit nachzugehen, um 10 bis 22 Prozentpunkte erhöht. Nach 28 Monaten sind es rund 15 bis 21 Prozentpunkte. Die Effekte sind für alle Personengruppen und beide Varianten recht ähnlich. * Stabilere Integrationen … Im Durchschnitt nahezu keine Wirkung auf die Beschäftigungsstabilität haben schulische Bewerbungstrainings und Trainingsmaßnahmekombinationen. Im Gegensatz dazu zeigen die Schätzergebnisse, dass schulische Eignungsfeststellungen und Vermittlung von Kenntnissen einen Beitrag zur Aufnahme stabiler Beschäftigungsverhältnisse leisten. Die Chance auf eine stabile Beschäftigung steigt je nach Teilnehmergruppe um rund ein bis drei Prozentpunkte. Nur für westdeutsche Teilnehmerinnen bleibt die Teilnahme an allen schulischen Trainingsmaßnahmen im Schnitt ohne Wirkung. Beide betrieblichen Trainingsmaßnahmen wirken sich hingegen sehr stark positiv aus: Die Chance der Aufnahme einer stabilen Beschäftigung ist zwischen13 und 19 Prozentpunkten höher als in der jeweiligen Vergleichsgruppe, bei nur geringen Unterschieden zwischen den Maßnahmevarianten. … * Fazit Die Befunde dieser Studie weisen für einige Fördervarianten der Trainingsmaßnahmen positive Beschäftigungswirkungen auf die Teilnehmer aus dem Kreis der Arbeitslosengeld-II-Bezieher nach. Die Wirkungen sind in der Regel nachhaltig und die Teilnahmen tragen zu stabileren Integrationen in ungeförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei. Am stärksten fallen die Beschäftigungseffekte für Teilnehmer an den zwei Arten betrieblicher Trainingsmaßnahmen aus, gefolgt von schulischen Trainingsmaßnahmen zur Vermittlung von Kenntnissen sowie Eignungsfeststellungen. … Die Ergebnisse für Trainingsmaßnahmen im Betrieb zeigen, dass mit dem gezielten und praxisnahen Erlernen berufsbezogener Kenntnisse und der Möglichkeit einer verlängerten Arbeitserprobung oder Vorstellungsphase durch das Betriebspraktikum stabilere Beschäftigungsverhältnisse im Anschluss an die Arbeitslosigkeit zustande kommen. Allerdings könnten hier in nicht zu vernachlässigendem Umfang Mitnahmeeffekte vorliegen, wenn die Firmen einen großen Einfluss auf die Auswahl der Teilnehmer haben: Die Geförderten könnten so aus einer Personengruppe stammen, aus der ohnehin die verfügbaren offenen Stellen besetzt worden wären. … Bewerbungstrainings vermitteln Kenntnisse, die es erleichtern, einen Job zu finden – für die Ausübung des Jobs spielen sie aber in der Regel keine maßgebliche Rolle. Mit den erlernten Fähigkeiten zur Verbesserung des Bewerbungsprozesses scheinen für einige Teilnehmer an Bewerbungstraining keine höheren Jobchancen einherzugehen, so dass sie wohl effektiver durch Vermittlung von Kenntnissen oder Eignungsfeststellungen gefördert worden wären. …“ Den Analysebericht in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem aufgeführten Link oder dem Anhang.
http://www.iab.de/194/section.aspx/Publikation/k091030a01
http://doku.iab.de/kurzber/2009/kb2309.pdf
Quelle: IAB
Dokumente: kb2309.pdf