Ausbildung (wieder nicht) für Alle?

Der Berufsbildungsbericht 2011 zeigt deutlich: Auch im Jahr 2010 ist es nur knapp der Hälfte aller jungen Bewerber/-innen gelungen, direkt nach dem Schulabschluss eine Ausbildungsstelle zu finden – weiterhin bleiben viel zu viele junge Menschen langfristig ohne Ausbildungsabschluss. Anlässlich der Sitzung des Lenkungsausschusses des Ausbildungspaktes am 7. Juli 2011 weist der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit auf die Gruppe von Jugendlichen hin, die seit Jahren am Ausbildungsstellenmarkt benachteiligt werden. Es fehlt weiterhin eine transparente Ausbildungsstatistik, die offen legt, dass mehr als ein Drittel aller Jugendlichen in Maßnahmen statt in Ausbildung sind. In seiner Stellungnahme zum Berufsbildungsbericht stellt der Kooperationsverbund klar: der absehbare Fachkräftemangel kann nur mit neuen Initiativen in der Ausbildungsförderung und in der Fort- und Weiterbildung gering qualifizierter junger Erwachsener bewältigt werden. Anstelle geplanter Kürzungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik werden dringend weitere Mittel in der Ausbildungsförderung benötigt, damit auch Jugendliche mit schlechteren Ausgangsvoraussetzungen eine Ausbildung bewältigen. Hier wirbt der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit für Modelle wie die triale Ausbildung, bei der die Träger der Jugendberufshilfe den Betrieben und den Jugendlichen Begleitung und Unterstützung garantieren.

Auszüge aus der Stellungnahme des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit „Ausbildung (wieder nicht) für Alle?“ zum Berufsbildungsbericht 2011:

Was die Statistik nicht zeigt…

„Die Bundesregierung kommt im Berufsbildungsbericht 2011 zu einer insgesamt positiven Bewertung der Situation am Ausbildungsstellenmarkt:

(…) Die positive Bilanz der Bundesregierung stellt sich aus der Perspektive derjenigen jungen Menschen, die im letzten Jahr – häufig vergeblich – eine Ausbildungsstelle gesucht haben, ganz anders dar: So ist es trotz einer leichten Entspannung am Ausbildungsstellenmarkt 2010 nur knapp der Hälfte der Jugendlichen, die sich um eine Ausbildungsstelle bemüht haben, auch gelungen, eine solche anzutreten. Während sich aber 94 % aller Hauptschüler/‐innen eine betriebliche Ausbildung wünschten, gelang nur rund einem Drittel (36 %) tatsächlich der Einstieg in eine Berufsausbildung.

Selbst bei den Jugendlichen mit mittlerem Schulabschluss bleibt eine große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Obwohl fast 80 % von ihnen eine betriebliche Ausbildung anstreben, konnten ebenfalls nur 36 % eine solche Ausbildung aufnehmen. (…) Im Berufsbildungsbericht wurde ermittelt, dass rechnerisch 89,9 betrieblichen Ausbildungsplatzangeboten 100 Ausbildungsnachfragende gegenüberstehen. Erst bei einem Wert von 101,3 gilt der Ausbildungsstellenmarkt als ausgeglichen. Insofern fehlten 2010 für ein ausgeglichenes
Ausbildungsangebot bundesweit noch 65.000 Ausbildungsstellen. Ein auswahlfähiges Angebot und damit eine echte Berufswahloption liegen erst ab einem Wert von 112,5 vor. Zu einem auswahlfähigen Angebot fehlten 2010 also noch rund 130.000 Ausbildungsplätze.

In der offiziellen Statistik werden außerdem regelmäßig zwei Gruppen von Jugendlichen ausgeblendet: diejenigen, die sich in Maßnahmen des Übergangssystems befinden, sowie diejenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen, aber von der Bundesagentur für Arbeit als nicht ausbildungsreif eingestuft werden. Von 95.908 Jugendlichen liegen zudem für 2010 keine Informationen über ihren Verbleib vor. Eine transparente Ausbildungsstatistik fehlt weiterhin. (…)

Jungen Menschen mit erhöhtem Förderbedarf einen Ausbildungsabschluss
ermöglichen.

Einige Gruppen von jungen Menschen werden seit Jahren am Ausbildungsstellenmarkt benachteiligt, sie bleiben – so stellt es auch der Berufsbildungsbericht 2011 fest – längere Zeit im so genannten Übergangssystem und oftmals auch langfristig ohne Ausbildungsabschluss. Zu nennen ist hier die schwierige Situation von sozial benachteiligten oder auch lernbeeinträchtigten Jugendlichen sowie von jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Außerdem legt der Bericht dar, dass 2010 insgesamt fast 100.000 Jugendliche in besonderen Maßnahmen für junge Menschen mit Behinderung gefördert wurden – sie erhalten so zwar eine Qualifikation, eine Teilhabe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wird ihnen dadurch in der Regel aber gerade nicht eröffnet. (…)

Während der Berufsbildungsbericht zum Stichtag 30.9.2010 mit einem Minus von rund 10 % der neu abgeschlossenen außerbetrieblichen Ausbildungsverträge schon eine deutliche Kürzung aufgezeigt hat, weisen die aktuellen Förderstatistiken der Bundesagentur für Arbeit weitere drastische Reduzierungen dieser Ausbildungsangebote auf: Seit Jahresbeginn 2011 sinkt die Zahl der Jugendlichen, die in eine außerbetriebliche Ausbildung einmünden, massiv. Im Vorjahresvergleich gelangten rund 30 % weniger junge Menschen in eine solche Ausbildung. Während der Berufsbildungsbericht die Rückgänge noch alleine in Ostdeutschland verzeichnet, finden die aktuellen Reduzierungen sowohl in Ost‐ als auch in Westdeutschland statt. Da die betroffenen, zumeist stark benachteiligten Jugendlichen aber derzeit so gut wie
keine Chance haben, einen „regulären“ betrieblichen Ausbildungsplatz zu bekommen, steigt ihr Risiko, langfristig ohne Ausbildung zu bleiben, enorm. Rund 15 % junger Erwachsener im Alter von 20 bis 34 Jahren verfügen weiterhin nicht über einen Berufsabschluss, bei den jungen Menschen mit Migrationshintergrund sind es mehr als ein Drittel.

In junge Menschen investieren – Ausbildung sichern und die Ungelerntenquote senken.

Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert neue Initiativen in der
Ausbildungsförderung und in der Fort‐ und Weiterbildung gering qualifizierter junger Erwachsener, damit der absehbare Fachkräftemangel bewältigt wird und junge Menschen Zukunftschancen erhalten. Die Ausbildungsförderung muss als ein Bestandteil der Bildungspolitik begriffen werden, die mit hoher Priorität betrieben wird. Außerdem soll sich die Bundesagentur für Arbeit stärker an der Fort‐ und Weiterbildung gering qualifizierter junger Arbeitnehmer/‐innen beteiligen. Die Sparmaßnahmen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik müssen zugunsten der Ausbildungsförderung von benachteiligten Jugendlichen und der Qualifikation von ungelernten jungen Erwachsenen zurückgenommen werden.

Wichtiger Bestandteil benötigter neuer Aktivitäten in der Ausbildungsförderung sollte die Entwicklung und Verbreitung der trialen Ausbildung sein. Die triale beziehungsweise assistierte Ausbildung erschließt – gewissermaßen als „dritter Weg“ zwischen ungeförderter Ausbildung und außerbetrieblicher Ausbildung – bisher ungenutzte Ausbildungspotenziale sowohl bei jungen Menschen mit unterschiedlichen Problemlagen und Vermittlungshemmnissen als auch bei Betrieben. (…)

Viele Unternehmen besetzen ihre Ausbildungsstellen nicht, weil ihnen das Leistungsvermögen und die schulischen Voraussetzungen der Bewerber/‐innen als nicht ausreichend erscheinen. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit spricht sich deshalb dafür aus, ausbildungsbegleitende Hilfen – die sowohl zur Unterstützung der Betriebe als auch der Jugendlichen erheblich beitragen – zukünftig stärker zu nutzen, um benachteiligten Jugendlichen eine betriebliche Ausbildung zu ermöglichen.

Um benachteiligte Jugendliche erfolgreich in eine betriebliche Ausbildung zu integrieren, ist eine verlässliche und kontinuierliche Beleitung und Unterstützung notwendig. Häufig wechselnde Träger wirken sich nachteilig aus und gefährden eine nachhaltige Integration und das Erreichen eines Berufsabschlusses. (…)

Aus Sicht des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit ist es außerdem endlich Zeit, verstärkt in die beruflichen Qualifikationen ungelernter junger Erwachsener zu investieren. Wir fordern deshalb, jungen Menschen verstärkt geeignete, praxisnahe Angebote zur Nachqualifizierung zu eröffnen. Fort- und Weiterbildungsangebote der Arbeitsmarktförderung müssen hierfür ausgebaut und verlässlich finanziert werden. (…)“

Quelle: Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit

Ähnliche Artikel

Ablehungskultur für Menschen auf der Flucht

Das europäische Parlament hat zuletzt seinen Beitrag geleistet, die Außengrenzen der Europäischen Union noch stärker als bisher abzuriegeln. In allen europäischen Nationalstaaten sind Geflüchtete nicht

Skip to content