Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass in jeder Schulklasse durchschnittlich ein bis zwei Kinder und Jugendliche unter Mobbing als dem systematischen und wiederholten Schikanieren Einzelner leiden. Die Belastungen für die Betroffenen sind gravierend: Sie stehen in der Gruppe (fast) allein da und sind den fortwährenden Attacken ihrer Mitschüler/-innen hilflos ausgeliefert. Häufige Reaktionen sind Depressionen, Suizidgedanken sowie psychosomatische Reaktionen. Auch zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche, die sozial ausgegrenzt und gedemütigt werden, ein erhöhtes Maß an Aggressionen zeigen und oft noch als Erwachsene mit den psychischen und physischen Folgen kämpfen. Wie es den betroffenen Kindern und Jugendlichen geht, spiegeln die folgenden Antworten von Fünftklässlern wieder, die nach der Offenlegung der Verletzungen, die dem Mobbingopfer zugefügt wurden, überlegen, wie sich dieses fühlt: „schlecht und ausgenutzt“, „abgestoßen und verletzt, „Er fühlt sich allein.“, „dass niemand ihn mag und als ob er nichts wert ist“, „entmutigt, überhaupt noch zu fragen, ob er mitspielen darf“, „traurig und ganz alleine“, „als ob er nicht zu uns gehört“, „wertlos“.
Mobbing tritt vor allem in �Zwangsgemeinschaften‘ wie Jugendhilfeeinrichtungen oder Schulklassen auf, aus denen Kinder und Jugendliche nicht einfach �fliehen‘ können. Methoden, die sich bei Konflikten zwischen Einzelnen bewährt haben, bewirken hier leicht eine Eskalation der Gewalt. Lösungsversuche, die für pädagogische Fachkräfte auf den ersten Blick nahe liegen (z.B. Führen von Einzelgesprächen mit Opfern oder Tätern), können die Situation erheblich verschlimmern. Lehrkräfte und in sozialen Einrichtungen tätige Pädagogen/-innen fühlen sich daher häufig überfordert.
Dies begründet die gestiegene Nachfrage nach dem Angebot „Konflikttraining und systemische Mobbingintervention in Gruppen und Schulklassen“ des AGJ-Fachverbandes für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg e.V. Hier geht es nicht darum, Schuldige zu identifizieren, sondern die gesamte Klasse bzw. Gruppe an der Aufdeckung und Lösung des Phänomens zu beteiligen. Dabei kommt, wie die Aussage einer Grundschullehrerin aufzeigt, oft ein Ausmaß an Gewalt zutage, das der Klassenleitung nicht bekannt ist: „Für mich als Rektorin und Klassenlehrerin war es erschütternd zu hören, dass die Schüler sich organisieren und absprechen, um bestimmte Schüler auszugrenzen. Dabei wird abgesprochen, wie bestimmte Kinder am stärksten verletzen werden können.“ Vor diesen ehrlichen Worten hatte ein Konflikttraining mit Mobbingintervention durch Konflikt-KULTUR stattgefunden.
Zum Abschluss des Trainings werden Kinder bzw. Jugendliche gesucht, die sich dafür einsetzen, dass niemand in der Klasse bzw. Gruppe mehr seelisch, körperlich oder in seinen Eigentumsrechten verletzt wird. Die Klassenleitung steht mit diesen �Anwälten für Menschenrechte‘ in regelmäßigem Kontakt, um ein Wiederaufflammen des Mobbings zu verhindern. Während des Konflikttrainings wird jedoch nicht nur am Phänomen des Mobbing gearbeitet, sondern auch aufgearbeitet, was die Kinder bzw. Jugendlichen tagtäglich in der Gruppe/Klasse nervt. Die Aussage der elfjährigen Marie einer fünften Realschulklasse zeigt exemplarisch, was viele Schüler/-innen ärgert: „Mich nervt: Alle machen dumme Sachen, wenn der Lehrer weg ist. Jeder macht Felix fertig, das ist feige. Manche finden sich cool, wenn sie jemanden beleidigen. Viele rufen rein, obwohl sie nicht dran sind. Es gibt oft Streit zwischen den Mädchen. Manche Mädchen halten sich für etwas Besseres. Es nervt mich, wenn man mich ohne Grund schlägt.“ Auch an diesen Ebenen von Gewalt, die sich täglich in Schulklassen und festen Gruppen abspielen, wird gearbeitet. Anschließende Reflexionen mit der Klassen- bzw. Gruppenleitung sowie Kontrolltermine in den von Mobbing betroffenen Gruppen sichern die Nachhaltigkeit der Maßnahme und tragen zu einer deutlichen Verbesserung des Gruppenklimas bei.
Das Angebot „Konflikttraining und systemische Mobbingintervention“ findet im Kontext des Landesnetzwerks Konflikt-KULTUR statt, einer Initiative zur Umsetzung des Präventionsprogramms Konflikt-KULTUR. Dies ist ein Mehr-Ebenen-Programm für Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen, dessen Ziel eine nachhaltige Organisationsentwicklung ist – verbunden mit einer Verbesserung des sozialen Klimas in Schulen und Einrichtungen. Dabei geht es darum, Konfliktlöserituale wie Mediation und Tat-Ausgleich zu institutionalisieren, Rahmenbedingungen für einen störungsfreien Unterricht zu schaffen sowie ein verbessertes soziales Klima in den Gruppen/Klassen zu verankern und diese Elemente nachhaltig in der Institution zu implementieren. Die Maßnahmen basieren auf der wissenschaftlich belegten Erkenntnis, dass Mobbing der Boden entzogen wird, wenn Lehrkräfte und Mitschüler sich schützend vor schwächere Schüler stellen und Verlass darauf ist, dass jede Form von Gewalt Konsequenzen hat. Die Verbesserung des sozialen Klimas in der Klasse trägt wiederum zu einer Verbesserung des Leistungsniveaus der Schüler/-innen bei.
Der AGJ-Fachverband bietet auch Fortbildungen für Multiplikatoren zu den Themen systemische Mobbingprävention und -intervention, Mediation und Tat-Ausgleich, störungsfreier Unterricht und Resilienz von Kindern und Jugendlichen an. “
Dr. Barbara Schramkowski
AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation
in der Erzdiözese Freiburg e.V.
Kontakt:
AGJ-Fachverband für Prävention und Rehabilitation
in der Erzdiözese Freiburg e.V.
Referat Prävention
Dr. Barbara Schramkowski
Oberau 21, 79102 Freiburg
Tel. 0761-2180744; E-Mail:
www.konflikt-kultur.de
Quelle: KJS-Fachverband für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg