Auszuge aus dem UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Industrieländern 2013:
„Die neue Vergleichsstudie des UNICEF-Forschungsinstituts Innocenti knüpft an die umfassenden UNICEF-Studien von 2007 und 2010 an, in denen die Lage der Kinder in Industrieländern anhand von sechs Dimensionen verglichen wurde. Das frühere Konzept wird jedoch variiert. Die Studie analysiert zunächst die Daten der fünf Dimensionen materielles Wohlbefinden, Gesundheit und Sicherheit, Bildung, Verhalten und Risiken sowie Wohnen und Umwelt und blickt dann – … – gesondert auf das subjektive Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen. Grundlage der Analyse sind die neuesten erhältlichen Daten von Eurostat, OECD, PISA, Weltgesundheitsorganisation und Weltbank. Sie beziehen sich auf die Jahre 2009/2010 … .
Dimension: Materielles Wohlbefinden
Beim materiellen Wohlbefinden von Kindern belegt Deutschland nur einen mittleren Platz 11. … Als ein wichtiger Indikator für diese Dimension gilt die Rate der relativen Kinderarmut – gemessen als Prozentsatz der Kinder bis 17 Jahre, die in Haushalten aufwachsen, deren Einkommen unterhalb von 50 Prozent des nationalen Medianeinkommens liegt. Diese Rate beträgt in Deutschland rund zehn Prozent. Anders als zu Beginn der 2000er Jahre liegt Deutschland jetzt vor Frankreich und Tschechien auf Platz 11. … Betont werden muss, dass Deutschland noch wesentlich schlechter abschneiden würde, wenn die staatlichen Transferleistungen für Kinder gekürzt würden oder gar wegfielen. Diese Leistungen reduzieren die Rate relativer Kinderarmut derzeit um mehr als die Hälfte.
Die staatlichen Leistungen für Kinder sind auch der Grund, warum Deutschland hinsichtlich der so genannten Armutskluft relativ gut abschneidet. …
Zudem werden absolute Entbehrungen von Kindern mit einem so genannten Deprivationsindex verglichen. Erfasst wird der Mangel an 14 verschiedenen Gütern oder Angeboten – wie regelmäßige Mahlzeiten, ein Platz für Hausaufgaben, Internetanschluss oder regelmäßige Freizeitaktivitäten zum Beispiel in einem Sportverein. Die höchsten Deprivationsraten finden sich in den ärmeren Staaten Europas wie Rumänien und Ungarn. Deutschland liegt auf Platz 14 und schneidet so deutlich schlechter ab als Dänemark oder Schweden, obwohl alle drei Länder hinsichtlich des Pro-Kopf-Einkommens und der wirtschaftlichen Entwicklung auf einem ähnlichen Niveau liegen. …
Dimension: Bildung
Die Bewertung für das deutsche Bildungssystem hat sich deutlich verbessert. Gute Noten gibt es für das Leistungsniveau und die hohe Teilhabequote. Seit der ersten Vergleichsstudie ist Deutschland im Bildungsbereich insgesamt vom Mittelfeld (Platz 11) in die Spitzengruppe auf Platz 3 vorgerückt … .
Gegenüber dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler bei den PISA-Tests zu Anfang der 2000er Jahre weisen neuere Daten auf deutliche Leistungsverbesserungen hin – beim Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften. …
Positiv bewertet wird zudem, dass das deutsche Bildungs- und Ausbildungssystem mehr Jugendliche erfasst als der Durchschnitt der europäischen Länder. 96 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren befinden sich in Schule oder Ausbildung. In Spanien und Italien gingen bereits 2009/10 mehr als zehn Prozent der Jugendlichen unter 19 Jahren weder zur Schule noch hatten sie eine Lehrstelle. …
Dimension: Verhalten und Risiken
Bei den Verhaltensrisiken junger Menschen schneidet Deutschland auf Platz sechs relativ gut ab.
Dabei schlägt zu Buche, dass direkte körperliche Auseinandersetzungen zwischen Kindern und Jugendlichen in Deutschland offenbar deutlich seltener sind als in jedem anderen Land. …
Etwas seltener als früher leiden deutsche Jugendlichen unter Mobbing. Knapp 30 Prozent berichten, dass sie von anderen Jugendlichen drangsaliert oder gemobbt wurden. Im Vergleich rückt Deutschland damit ins Mittelfeld der Industrieländer vor.
Positiv ist, dass Jugendliche in Deutschland offenbar weniger rauchen (Platz 9) und Cannabis konsumieren (Platz 7) als in der Mehrheit der Industrieländer. So geben weniger als neun Prozent der befragten 11-, 13- und 15-jährigen Kinder in Deutschland an, mindestens einmal in der Woche zu rauchen. …
Teenagerschwangerschaften sind in Deutschland seltener als in den meisten anderen Staaten (Platz 8). Es gibt weniger als zehn Geburten pro 100.000 Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren. …
In Deutschland geben nur knapp 70 Prozent der 11-, 13- und 15-Jährigen an, täglich regelmäßig zu frühstücken – gegenüber 90 Prozent in den Niederlanden. Weniger als die Hälfte der 11-, 13- und 15-Jährigen gibt an, täglich Obst zu essen. In Dänemark tun dies immerhin 60 Prozent.
Deutsche Kinder (im Alter von 11, 13 und 15 Jahren) berichten zu rund zwölf Prozent, dass sie bereits mehrmals betrunken waren. In den USA liegt dieser Anteil bei deutlich unter zehn Prozent, am höchsten ist er mit 30 Prozent in Litauen, gefolgt von Finnland mit rund 28 Prozent. …
Die Meinung der Kinder: Subjektives Wohlbefinden
In rund der Hälfte der Industrieländer hat sich die subjektive Lebenszufriedenheit der Jugendlichen seit der ersten UNICEF-Vergleichsstudie leicht verschlechtert – so auch in Deutschland. … Anfang der 2000er Jahre gaben noch etwas mehr als 85 Prozent der 11-, 13- und 15-Jährigen Deutschen einen positiven Wert von sechs oder höher an. Nach der neuen Studie ist dieser Anteil auf knapp unter 85 Prozent der Jugendlichen gesunken. Im Vergleich zu anderen Ländern ist Deutschland damit von
Platz 12 (…) auf Platz 22 (von 29) abgerutscht. …
Insgesamt gibt es eine klare Korrelation zwischen beiden Ranglisten. Mehr als die Hälfte der 29 Länder nehmen in beiden Tabellen eine ähnliche Position ein (…). In fünf Ländern gibt es keine Unterschiede – darunter die Niederlande an der Spitze und Rumänien am Schluss der Tabelle. Die Niederlande und die nördlichen Länder kommen in beiden Tabellen auf obere Plätze. Am größten ist der Abstand zwischen der Einschätzung der eigenen Lebenszufriedenheit und den äußeren Bedingungen für Kinder in Griechenland, … . In umgekehrter Richtung zeigt sich die breiteste Kluft mit weitem Abstand in Deutschland. Es stürzt bei der Lebenszufriedenheit um 16 Plätze nach unten ab … .
Schlussfolgerungen für Deutschland
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## Kinder und ihre Rechte stärken: Politik, Medien und Forschung dürfen Kinder nicht ausschließlich aus der Perspektive ihrer Leistungsfähigkeit beurteilen. … In der jetzt vorgelegten Studie stürzt Deutschland auf Platz 22 von 29 Ländern ab, wenn Jugendliche ihre Lebenszufriedenheit bewerten. Die Mädchen und Jungen stellen damit sich und ihrer Umgebung ein erschreckendes Zeugnis aus. Der vorliegende Bericht kann diese Entwicklung nicht erklären. Doch die Daten weisen darauf hin, dass viele Mädchen und Jungen hierzulande sich nicht wertgeschätzt und akzeptiert fühlen – möglicherweise, weil sie spüren, dass ihre Möglichkeiten zur Teilhabe an der Gesellschaft gering sind. … Das Wohlbefinden von Kindern und ihre Rechte müssen zur Richtschnur der Politik von Bund, Ländern und Gemeinden werden. Dabei darf nicht allein die (zukünftige) Leistungsfähigkeit von Kindern im Fokus stehen. Wichtig ist es, allen Kindern Möglichkeiten zur Teilhabe zu eröffnen. Insbesondere die Kommunen haben die Aufgabe, für mehr Kindergerechtigkeit und Kinderfreundlichkeit im Alltag zu sorgen. … „
Link: http://www.unicef.de/deutschland2013
Link: www.kinderrechte-ins-grundgesetz.de
Link: www.kinderfreundliche-kommunen.de
Quelle: UNICEF – Bereich Kommunikation Kinderrechte