Was braucht eine kinder- und jugendorientiert Netzpolitik?

Auszüge aus den Zentrale Anforderungen an eine kinder- und jugendorientierte Netzpolitik aus Sicht des Bundesjugendkuratoriums:
“ … Eine kinder- und jugendorientierte Netzpolitik, deren Ziel es ist, die heranwachsende Generation zu Souveränität und Verantwortung in der vernetzten Medienwelt zu befähigen und ihr darüber eine souveräne Lebensführung in der mediatisierten Gesellschaft zu ermöglichen, muss die Belange, die Kinder und Jugendliche an die Medienwelt herantragen, zum Ausgangspunkt nehmen und Förder- wie Schutzleistungen an den Ressourcen ausrichten, die sie und ihre sozialen Bezugsgruppen, vorrangig ihre Eltern, für den Umgang mit Medien haben. Diese Grundlage schließt es aus, den Herausforderungen der vernetzten Medienwelt mit immer stärker individualisierten Verantwortungszuschreibungen
auszuweichen.

Die Fülle der Angebote der vernetzten Medienwelt, die Komplexität ihrer Strukturen sowie die vielfältigen Möglichkeiten, sich mit medialen Mitteln öffentlich zur Geltung zu bringen, treffen in der heranwachsenden Generation auf großen Zuspruch. So bleiben die vernetzte Medienwelt und die Mediatisierung den Bedingungen des Aufwachsens nicht äußerlich, sondern Schutzbelange und Förderbedarfe verändern sich gleichermaßen. Gesellschaft und Politik stehen in der Pflicht, jeder Generation Bedingungen des Aufwachsens zu sichern, die zu einer souveränen Lebensführung befähigen. Das schließt heute mehr denn je den kompetenten Umgang mit den Angeboten und Strukturen der Medienwelt und die sozialverantwortliche Gestaltung eigenen medienbasierten Handelns ein. …

Aus Sicht des Bundesjugendkuratoriums ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von hoher Priorität, in staatlicher Verantwortung eine kinder- und jugendorientierte Netzpolitik zu gestalten, die der Dynamik der vernetzten Medienwelt mit ebenso dynamischen Strategien begegnet und nachhaltige Strukturen schafft, die Anknüpfung und systematisches Zusammenwirken von Förder- und Schutzmaßnahmen ermöglichen. Über vereinzelte »Leuchtturmprojekte« ist das ebenso wenig zu erreichen wie über das Festhalten an überkommenen Strukturen und zersplitterten Zuständigkeiten oder gar Ignoranz gegenüber der Bedeutung von Medien in unserer Gesellschaft. Will man den Belangen von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf die vernetzte Medienwelt gerecht werden, ist vielmehr eine konsistente und fundierte Gestaltung von Förder- und Schutzleistungen und deren strukturelle Verankerung unabdingbar. Das erfordert in erster Linie ressortübergreifende und interdisziplinäre Anstrengungen.

Eine kinder- und jugendorientierte Netzpolitik muss von allen Akteuren, die für das Aufwachsen in unserer Gesellschaft Verantwortung tragen, und die sich dem Ziel verpflichtet fühlen, Kinder und Jugendliche für eine souveräne Lebensführung stark zu machen, systematische Zusammenarbeit fordern: von der Medienpädagogik, die Förderung von Medienkompetenz realisieren muss, dem Kinder- und Jugendmedienschutz, der einen tragfähigen Schutzrahmen gewährleisten muss, sowie von allen Akteuren, die durch Erziehung, Bildung oder Hilfeangebote Kinder und Jugendliche sowie Familien an ihren Lebensorten erreichen können.

Das Bundesjugendkuratorium hält deshalb im Bund und in den Ländern eine ressortübergreifend und interdisziplinär ausgerichtete Netzpolitik, die die Belange von Kindern und Jugendlichen aufnimmt, für geboten. Vorrang ist dabei drei Bereichen einzuräumen: ## Gesetzliche Verankerung von Medienkompetenzförderung Kinder und Jugendliche müssen ohne Ausnahme die Chance haben, Medienkompetenz auszubilden, und zwar mit all den Fähigkeiten, die einen kompetenten und sozial verantwortlichen Umgang mit der jeweils aktuellen Medienwelt ermöglichen. Ebenso wie sie einen Schutzanspruch gegenüber den Medien haben, bedarf es gesetzlicher Regelungen zur Medienkompetenzförderung, die regelhafte und kontinuierliche Angebote an ihren Lebensorten integrieren. … Das Bundesjugendkuratorium empfiehlt nachdrücklich eine gesetzliche Verankerung von Medienkompetenzförderung auf zwei Wegen: Erstens die Verankerung von Medienkompetenzförderung im SGB VIII. Aus Sicht des Bundesjugendkuratoriums muss das allgemeine Recht aller Kinder und Jugendlichen auf Förderung und Erziehung (§ 1 SGB VIII) heute explizit den Erwerb und die kontinuierliche Weiterentwicklung jener Fähigkeiten einschließen,
die kompetentes und sozialverantwortliches Handeln in Bezug auf die Medienwelt sichern und zur Partizipation in der mediatisierten Gesellschaft beitragen können. Es ist entsprechend zu prüfen, ob Medienkompetenzförderung beispielsweise als Querschnittsaufgabe ausdrücklich in die Norm des § 14 SGB VIII aufzunehmen ist. Zweitens die Verankerung von Medienkompetenzförderung in den landesrechtlichen Regelungen für Kindertageseinrichtungen und Schulen. Insofern vor allem Kindertagesstätten und Schulen zentrale Befähigungsorte sind, bedarf es der gesetzlichen Klarstellung, dass die Verantwortung für Erziehung und Bildung die Aufgabe einschließt, die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen kontinuierlich zu fördern. …
## Systematisches Zusammenwirken von Förder- und Schutzleistungen an allen LebensortenDie Dynamik und Komplexität der Medienwelt sowie das eigensinnige Handeln von Kindern und Jugendlichen in ihr erzeugen beständig neuartige Herausforderungen. Schutzbelange von Kindern und Jugendlichen in Kommunikations- und Interaktionskontexten gehören ebenso dazu wie Wege der pädagogischen Auseinandersetzung mit Vergemeinschaftungsformen im Netz, die Rechtsverletzungen begünstigen. Die Chancen für eine nachhaltige Bewältigung derartiger Herausforderungen wachsen, wenn Schutz- und Förderleistungen, die Kinder und Jugendliche an ihren Lebensorten erreichen, an ihren Schnittstellen systematisch aufeinander bezogen werden. Das erfordert das Zusammenwirken aller Akteure, die das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen mitgestalten und Verantwortung für ihre Entwicklung tragen, allen voran Familie, Kindertagesbetreuung, Schule und Kinder- und Jugendarbeit. Das Bundesjugendkuratorium hält deshalb eine ressortübergreifende Politik in Bund und Ländern für unerlässlich, durch die erstens an den Schnittstellen von Medienkompetenzförderung und Kinder- und Jugendmedienschutz kompatibles und durch Erkenntnisse der Medienaneignungsforschung fundiertes Handeln verbindlich gesetzt wird, und durch die zweitens von allen Akteuren in Erziehungs- und Bildungsfeldern eine systematische Zusammenarbeit eingefordert wird. …
## Förderung ressourcenorientierter Zugänge zu Kindern und Jugendlichen in ihren sozialen KontextenDie Befähigung zu einem kompetenten Umgang mit der vernetzten Medienwelt hat eine wesentliche Grundlage: die konsequente Ausrichtung aller Maßnahmen an den Ressourcen, die Kinder und Jugendliche und ihre sozialen Bezugsgruppen in Bezug auf die vernetzte Medienwelt haben. Förder- und Schutzleistungen müssen gleichermaßen an den jeweiligen Voraussetzungen ihrer Adressaten ansetzen und mit deren lebensweltlichen Bedingungen vereinbar sein. … Das Bundesjugendkuratorium sieht in den drei zentralen Handlungsfeldern Medienkompetenzförderung, Kinder- und Jugendmedienschutz und Medienaneignungsforschung die Notwendigkeit, entschieden ressourcenorientierte, innovative Ansätze und Maßnahmen zu unterstützen:
In Bezug auf die Medienaneignungsforschung, die die Fundierung von Förder- und Schutzmaßnahmen gleichermaßen leisten kann, impliziert diese Anforderung erstens, dass Forschungsansätze, die die Medienaneignung von Kindern und Jugendlichen alters- und geschlechtsdifferenziert, in ihren sozialen Kontexten und in Bezug auf die jeweils aktuelle Medienwelt untersuchen,insgesamt gestärkt und gefördert werden. Zweitens empfiehlt das Bundesjugendkuratorium einen Monitoringansatz, der Entwicklungen in der Medienwelt und Aneignungsprozesse in der heranwachsenden Generation kontinuierlich erfasst und aufeinander bezieht. … Als pädagogischer Zugang zu Kindern und Jugendlichen in ihren sozialen Kontexten schließt Medienkompetenzförderung Ressourcenorientierung ein. Um die modellhafte Entwicklung neuartiger Zugänge zu Kindern und Jugendlichen zu begünstigen, ist erstens ein innovationsoffenes Klima in Bund, Ländern und Kommunen notwendig. Zweitens müssen an den Lebensorten
von Kindern und Jugendlichen nachhaltige Strukturen geschaffen werden, die den kontinuierlichen Ausbau von Medienkompetenz im Prozess des Aufwachsens sichern. Dazu wird die Gestaltung lokaler Netzwerke empfohlen, in denen alle Akteure vor Ort, die Kinder, Jugendliche und Eltern mit Erziehungs-, Bildungs- oder Hilfeangeboten erreichen, ihr Professionswissen zusammenführen und im Verbund mit medienpädagogischer Expertise alltagsintegrierte Medienkompetenzförderung »aus einer Hand« gewährleisten. …“
Die Stellungnahme „Souveränität und Verantwortung in der vernetzten Medienwelt“ in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

www.bundesjugendkuratorium.de

Quelle: Bundesjugendkuratorium

Dokumente: Stellungnahme_Medienwelt_130613.pdf

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