GRÜNE, LINKE und SPD haben jeweils eigene Anträge zur Reform der beruflichen Bildung ins Parlament eingebracht. Nur zwei Drittel der Bewerber erhalten im ersten Jahr ihrer Suche einen Ausbildungsvertrag, die anderen bleiben zunächst im sogenannten Übergangssystem hängen.
Über 266.000 junge Schulabsolventen fanden keinen Lehrplatz
Im Jahr 2012 fanden rund 266.700 junge Menschen nach der allgemeinbildenden Schule keinen Lehrplatz, sondern verbrachten wertvolle Lebenszeit in „Bildungsgängen“, Praktika und anderen Einstiegsangeboten, schreiben die Grünen in ihrem Antrag „Bildungschancen im Lebensverlauf verbessern – Berufliche Ausbildung Stärken“. Die Bundesregierung vermittle hingegen ein positives Bild vom Ausbildungsmarkt und seinem System an sich.
Nur 21,7 Prozent der Betriebe bilden aus
Auch wenn sich die berufliche Bildung in Deutschland gerade in Zeiten der Finanzkrise als Stabilisator und Innovationstreiber der deutschen Wirtschaft erwiesen habe, sei es eine „inakzeptable wie illusorische Strategie, die Sicherung des Fachkräftebedarfs in Deutschland allein auf Kosten der notleidenden EU-Mitgliedstaaten betreiben zu können“, schreibt die SPD in ihrem Antrag „Betriebliche Ausbildung weiter denken – Qualität erhöhen, Gleichwertigkeit durch einen attraktiven Dualen Bildungsweg herstellen“. Auch wenn die krisengeschüttelten südeuropäischen Staaten Solidarität und Unterstützung verdienten, müsse in Deutschland die berufliche Ausbildung weiter reformiert werden. „Das Recht auf Ausbildung umsetzen – Berufliche Perspektiven für alle garantieren“. Die in Deutschland offiziell angegebene Jugendarbeitslosigkeit verschleiere den hohen Handlungsbedarf. Der Berufsbildungsbericht 2013 zeige, dass lediglich 66,9 Prozent aller ausbildungsinteressierten Jugendlichen einen Ausbildungsplatz erhalten hätte. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge erreiche mit 551.271 den zweitniedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. Nur noch 21,7 Prozent aller Betriebe bildeten aus.
DIE LINKE: Recht auf Ausbildung für alle jungen Menschen umsetzen
Die Linken fordern die Bundesregierung in einem Acht-Punkte-Plan unter anderem dazu auf, in Deutschland das Recht auf Ausbildung für alle jungen Menschen umzusetzen. Auszüge aus dem Antrag der Linken „Das Recht auf Ausbildung umsetzen – Berufliche Perspektiven für alle garantieren“:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert:
- die Empfehlung der Europäischen Kommission über die Einführung einer Jugendstrategie als Ausgangspunkt zu nehmen, in Deutschland das Recht auf Ausbildung für alle jungen Menschen umzusetzen. Die „freie Wahl der Ausbildungsstätte“ nach Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz muss mittels eines auswahlfähiges Angebots an Ausbildungsplätzen, das die Zahl der Bewerberinnen und Bewerbern um mindestens 12,5 Prozent übersteigt, garantiert werden;
- allen jungen Menschen den Zugang zu einer guten Ausbildung zu ermöglichen, indem eine gesetzliche Umlagefinanzierung von Ausbildungsplätzen geschaffen wird, die alle Betriebe für die Ausbildung junger Menschen in die Pflicht nimmt;
- eine ehrliche Ausbildungsberichterstattung auf den Weg zu bringen, die den tatsächlichen Bedarf an Ausbildungsplätzen ausweist und alle Ausbildungsverläufe, insbesondere den Übergang von der Schule in Ausbildung, umfassend abbildet. (…)
- eine grundlegende Neuausrichtung der Berufsausbildungspolitik vorzunehmen (…)
- die öffentliche Berufsorientierung, -beratung und -vermittlung grundlegend zu reformieren (…)
- zur Steigerung der Qualität und der Wirksamkeit von Berufsorientierungs-, Berufsberatungs- und Vermittlungsangeboten perspektivisch bundesweit dezentral organisierte Zentren für Ausbildungsberatung und -vermittlung zu gründen, um allen Ausbildungsinteressierten einen Ausbildungsplatz zu vermitteln. (…)
- jungen Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, unabhängig von ihrem Alter, die notwendige individuelle Unterstützung bereitzustellen, damit die, die einen anerkannten Berufsabschluss erreichen möchten, hierfür die Möglichkeit erhalten. (…)
- eine grundlegende Neuausrichtung der Förderpolitik und -praxis am Übergang in die Berufsausbildung, die eine individuelle und bedarfsgerechte Unterstützung in den Mittelpunkt stellt, zu veranlassen. Hierbei sind in einem ersten Schritt die auf mehrere Bundesministerien verteilten Programme und Initiativen bei dem Ministerium für Bildung und Forschung anzusiedeln. Diesem Bereich ist ein gesonderter Haushaltstitel, der das Gesamtvolumen der Fördermenge aller Programme und Initiativen auf Bundesebene umfasst, einzuräumen.“
SPD: Persönliche Begleitung und betriebliche Ausbildung stärken
Die SPD fordert in einem Zehn-Punkte-Plan die Bundesregierung auf, den systematischen Ausbau der persönlichen Begleitung von jungen Menschen und eine curricular verankerte Berufsorientierung während der Schulzeit gemeinsam mit den Ländern flächendeckend zu implementieren. Auszüge aus dem Antrag „Betriebliche Ausbildung weiter denken – Qualität erhöhen, Gleichwertigkeit durch einen attraktiven Dualen Bildungsweg herstellen“ der SPD:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert:
- den systematischen Ausbau der persönlichen Begleitung von jungen Menschen sowie eine curricular verankerte Berufsorientierung während der Schulzeit gemeinsam mit den Ländern flächendeckend zu implementieren;
- die Programmvielfalt im sogenannten Übergangsbereich radikal abzubauen und den Schwerpunkt in Vermittlung in Ausbildung und betriebliche Einstiegsqualifizierung zu legen;
- die Verantwortung über die Maßnahmen im so genannten Übergangsbereich, zur Vermittlung in Ausbildung sowie die Aktivitäten zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit zu bündeln und in ein Bundesministerium zu legen;
- die in dem Antrag „Jugendliche haben ein Recht auf Ausbildung“ (BT-Drs. 17/10116) aufgeführten Forderungen u. a. nach einer Ausbildungsgarantie, der Einhaltung des Konsensprinzips, der Einrichtung von Branchen- und Qualifizierungsfonds sowie die Zusammenführung der über 300 Ausbildungsberufen in Berufsfamilien umzusetzen;
- das regionale Bildungsmanagements in Form von Jugendberufsagenturen weiter zu entwickeln und zu stärken;
- bei den Neuverhandlungen für den folgenden „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland“ alle relevanten Akteure mit einzubeziehen und darauf hinzuwirken, dass eine ausreichende Zahl von zusätzlichen Ausbildungsplätzen bereitgestellt wird;
- die tatsächliche Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung mit den Ländern und Sozialpartnern zu diskutieren und einen eigenständigen dualen Bildungsweg zu etablieren;
- zur Sicherung der Qualität der dualen Berufsausbildung mit den Ländern den Nachwuchs an Berufsschullehrerinnen und -lehrern sicherzustellen;
- gemeinsam mit den Partnern der dualen Ausbildung konkrete Unterstützung und Umsetzungsmaßnahmen in EU-Mitgliedsländern bei entsprechenden Wunsch auf regionaler Ebene anzubieten und finanziell hinreichend auszustatten;
- die in dem Antrag „Sofortprogramm 2. Chance auf Berufsausbildung für junge Erwachsene ohne Berufsabschluss“ (BT-Drs. 17/13252) aufgeführten Forderungen – u. a. nach einem finanziellen Anreiz zur Ausbildungsaufnahme – umzusetzen. (…)“
DIE GRÜNEN: Die Struktur muss umfassend reformiert werden
Die GRÜNEN legen in ihrem Antrag einen 12-Punkte-Plan vor, in dem Sie die Bundesregierung auffordern, Strukturreformen zur Modernisierung und Öffnung der beruflichen Bildung umzusetzen. Die wenig effizienten Maßnahmen des bisherigen Übergangssystems sollen in eine effektive Förderung überführt werden. Auszüge aus dem Antrag „Bildungschancen im Lebensverlauf verbessern – Berufliche Ausbildung stärken“ der Grünen:
„Die Grünen fordern die Bundesregierung auf:
- endlich die notwendigen Strukturreformen zur Modernisierung und Öffnung der beruflichen Bildung umzusetzen, um die wenig effizienten Maßnahmen des bisherigen Übergangssystems in eine effektive Förderung zu überführen, die betriebliche Ausbildung konjunkturunabhängiger zu machen, individuelle Lern- und Ausbildungspfade zu ermöglichen und Ausbildungsbetriebe besser zu unterstützen. Dazu liegt das Konzept DualPlus vor. (…)
- die Beratung bei der BA zu verbessern, so dass sowohl bei der Wahl der Ausbildung die individuelle Beratung und Förderung einen höheren Stellenwert erhalten und etwa auch das Überwinden geschlechterstereotypen Berufswahlverhaltens unterstützt wird. Auch die Ergebnisse der Kompetenzfeststellungen aus den Maßnahmen der Berufsorientierung müssen bei der Beratung durch die BA stärker berücksichtigt werden;
- zu mehr Qualitätssicherung in der Ausbildung beizutragen, etwa indem die Kammern angehalten werden, Qualitätsanforderungen in der Ausbildung stärker zu überprüfen, und Verstöße gegen gesetzliche Rahmenbedingungen wie etwa das Jugendschutzgesetz umgehend zu sanktionieren;
- die Vielzahl der Programme und Initiativen der verschiedenen Ressorts auf Bundes- und Länderebene, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Jahr 2010 endlich erfasst hat, zu straffen und koordiniert für eine effizientere und mehr auf Qualität ausgerichtete Verwendung der Mittel zugunsten der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu sorgen;
- in den Statistiken der BA nur diejenigen Bewerberinnen und Bewerber als „versorgt“ zu zählen, die auf keine weitere Vermittlung in Ausbildung warten. Die Statistiken müssen das abbilden, was man über die Ausbildungsinteressierten tatsächlich weiß, statt die Lage tendenziell zu beschönigen. (…)
- den Ausbildungspakt mit Wirtschaft, Kultusministerkonferenz und der Integrationsbeauftragten auch für die Gewerkschaften und die Träger der beruflichen Bildung zu öffnen, um in diesem Kreis gemeinsam die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung durch eine umfassende und konsistente Verbesserung der Übergänge von der Schule in die Ausbildung und von der Ausbildung in die Beschäftigung oder das Studium zügig voranzubringen;
- das Kooperationsverbot in der Bildung aufzuheben. (…)
- im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ auch die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften an beruflichen Schulen zu unterstützen; (…)
- bei der Bekämpfung der historisch hohen Jugendarbeitslosigkeit in den von der Wirtschaftskrise betroffenen EU-Mitgliedsländern aktiv Verantwortung zu übernehmen und die europäische Solidarität zu stärken. Dazu muss der EU-finanzierte Sonderfonds, der in Regionen mit sehr hoher Jugendarbeitslosigkeit eingesetzt wird, bei Bedarf erhöht werden.“
Quelle: Bundestagsfraktionen Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD, DIE LINKE; Pressedienst des Deutschen Bundestages