Verhilft eine bessere Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen zu verbesserte Integration?

Auszüge aus den aktuellen Forschungsergebenissen des IAQ “ Wege zur Anerkennung – Wege zur Integration?“ von Martin Brussig, Ulrich Mill und Lina Zink:
“ … Der gesetzliche Rahmen und die Notwendigkeit von Beratung
Anerkennungsverfahren zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Abschlüsse selbst sind nicht neu. Bis zum Inkrafttreten des „Berufsqualifikationsfeststellungsgesetzes“ (BQFG) im Jahr 2012 wurde jedoch nach dem Herkunftsland und dem betreffenden Berufsfeld unterschieden. … Das BQFG hat diese Ungleichheit beseitigt und den Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren auf alle Zugewanderten unabhängig vom Herkunftsland und Aufenthaltsstatus ausgedehnt. …

Mit dem BQFG und – soweit vorhanden – entsprechenden Ländergesetzen wurde ein Rechtsanspruch auf ein Verfahren geschaffen. In die Zuständigkeit der Ämter und Organisationen, die die Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Abschlüsse mit inländischen Abschlüssen nachprüfen, wurde nicht eingegriffen. Für die Anerkennungsverfahren ist eine Vielzahl von Ämtern und Einrichtungen tätig. …

Für Zugewanderte, die ihren im Ausland erworbenen Abschluss in Deutschland anerkennen lassen wollen, kann es schwierig sein, die Zuständige Stelle zu identifizieren, da sie sich nach der Art des Abschlusses (Schulabschluss, akademischer Grad oder Berufsabschluss), dem Beruf und dem Bundesland bestimmt. Je nach zuständiger Stelle können die Anerkennungsverfahren unterschiedlich ausgestaltet sein. Die meisten Zuständigen Stellen sehen deshalb nicht nur vor, Anerkennungsverfahren durchzuführen, sondern bieten auch Beratungen für potenzielle Antragsteller an. Teilweise informieren sie bereits im Internet über die einzureichenden Dokumente, zusätzliche Nachweise sowie die Gebühren der Verfahren. …

Ergebnisse der Untersuchung
… Die Beratung wird überwiegend von Frauen in Anspruch genommen. Die am stärksten vertretene Herkunftsregion ist Russland bzw. die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Auch aus den übrigen mittel- und osteuropäischen Staaten kommt ein großer Teil von weiteren Ratsuchenden. Im Durchschnitt sind die Ratsuchenden seit ca. 8 Jahren in Deutschland. … Über zwei Drittel der Ratsuchenden sind akademisch qualifiziert, wobei eine breite Streuung der Fachrichtungen zu beobachten ist.

Aus einer Online-Befragung geht hervor, dass es dass es etwa ebenso viele Ratsuchende gab, die ein Zeugnisbewertungsverfahren durchlaufen haben, wie solche, die ein berufliches Anerkennungsverfahren begannen. … Viele Ratsuchende, vor allem aus Russland und der Ukraine, und vor allem in Pädagogischen Berufen und viele Ingenieure, strebten beides an.

Von denen, die eine berufliche Anerkennung beantragten, erlangte über die Hälfte eine volle Anerkennung; rechnet man Personen mit einer teilweisen Anerkennung hinzu, dann erreichten drei Viertel aller Antragsteller eine teilweise oder eine volle Anerkennung. Jedem/r achten Antrag blieb die Anerkennung versagt. Möglicherweise nur aufgrund der relativ geringen Fallzahlen sind kaum Unterschiede zwischen Herkunftsländern festzustellen. Lediglich für polnische Antragsteller zeichnen sich günstige Anerkennungschancen ab, wobei nicht klar ist, ob dies an den Ausbildungsgängen in Polen oder an anderen Faktoren liegt. Auch hinsichtlich der Fachrichtungen sind keine klaren Unterschiede erkennbar, allerdings stechen die Ingenieure mit etwas besseren Chancen auf die Anerkennung ihres Berufes heraus. …

Die Ergegnisse zeigen, dass etwa ein Drittel der Personen mit einer vollen Anerkennung im erlernten Beruf tätig ist, weitere ca. 20 Prozent sind in einem anderen als dem erlernten Beruf tätig. Gegenüber den nur teilweise Anerkannten besteht der Unterschied gar nicht so sehr in der Tätigkeit im erlernten Beruf als vielmehr in der Betroffenheit von Arbeitslosigkeit: sie ist unter den teilweise anerkannten etwa doppelt so hoch wie unter denen mit einer vollen Anerkennung. Die Personen mit einer teilweisen Anerkennung stellen sich damit polarisiert dar: Ein Teil kann die teilweise Anerkennung nutzen, während einem anderen Teil womöglich gerade der nicht bescheinigte Teil der Ausbildung fehlt. …

Jene, denen eine Anerkennung mindestens teilweise gelungen ist, berichten mehrheitlich von positiven Effekten für die eigene Arbeit und sogar für die berufliche Entwicklung. Drei Viertel der Antwortenden gab an, dass die (mindestens teilweise) Anerkennung wichtig war, „um eine Arbeit zu finden“. … Die hohe Bedeutung der beruflichen Anerkennung für die Ratsuchenden – für 90 Prozent hat die berufliche Anerkennung eine sehr hohe oder hohe Bedeutung – und der starke Zusammenhang mit der Lebenszufriedenheit in Deutschland deuten aber darauf hin, dass die Anerkennung nicht vorrangig aus finanziellen Motiven von den Antragstellern betrieben wird, sondern dass es eher noch um eine Anerkennung der beruflichen Identität geht. …

Fazit
Die Bereitschaft zur Anerkennung von Berufsabschlüssen, die Zugewanderte im Ausland erworben haben, ist ein Prüfstein für die Integrationsbereitschaft der deutschen Gesellschaft. Im Erfolgsfall – bei einem erfolgreich durchlaufenen Anerkennungsverfahren – ist die berufliche Anerkennung ein Integrationstreiber für die Zugewanderten, also ein wichtiger Faktor, der ihnen dabei hilft, in Deutschland heimisch zu werden. Demographischer Wandel und prognostizierter Fachkräftemangel, aber auch die jahrzehntelange Realität dauerhafter Zuwanderung haben die Bereitschaft der zuständigen Stellen für die Anerkennung ausländischer Abschlüsse steigen lassen; seit 2012 gibt es einen Rechtsanspruch für alle Zugewanderten unabhängig vom Herkunftsland für die bundesrechtlich geregelten Berufe; die Länder ziehen allmählich mit äquivalenten Regelungen für landesrechtliche Berufe nach.
Die ersten Erfahrungen mit Anerkennungsverfahren zeigen, dass sich die Verlässlichkeit, Problemangemessenheit, Transparenz und Schnelligkeit der Verfahren verbessert haben. Anscheinend hat die Institutionalisierung eines Rechtsanspruchs für die Zugewanderten Entwicklungen angestoßen oder verstärkt, die eine berufliche Anerkennung erleichtern. Hierzu gehören der Ausbau von Beratungseinrichtungen für Anerkennungssuchende, der Aufbau von Anpassungsqualifizierungen, aber auch Zeichen von Flexibilität auf Seiten der Zuständigen Stellen, wenn es darum geht, Kompetenzen aus ausländischen Bildungsgängen in das deutsche System zu „übersetzen“. “ …

Für die Betroffenen hat der Rechtsanspruch auf Anerkennungsverfahren Fortschritte gebracht: Fast alle, die die Anerkennungsberatung aufgesucht haben, messen der beruflichen Anerkennung eine hohe und sehr hohe Bedeutung bei. Für etwa drei Viertel derjenigen, die mindestens eine teilweise Anerkennung erreicht haben, war die Anerkennung wichtig, um eine neue Arbeit zu finden. Die Hälfte derjenigen, die mindestens eine teilweise Anerkennung erreicht haben, sehen mit einer beruflichen Anerkennung bessere berufliche Entwicklungschancen als zuvor. Mehr als ein Drittel berichtete von Einkommensverbesserungen nach der Anerkennung. Eine berufliche Anerkennung hat also für viele, wenngleich bei weitem nicht für alle, die das Anerkennungsverfahren mindestens teilweise erfolgreich durchlaufen haben, die individuelle Arbeitsmarktlage und Arbeitsmarktperspektiven verbessert. Aber für nahezu alle von ihnen stellt die berufliche Anerkennung ein sichtbares Zeichen der Wertschätzung in der Bundesrepublik Deutschland dar. „

Die Beratung junger Zuwanderinnen und Zuwanderer, die in Deutschland die Hochschulreife erwerben, ein Hochschulstudium aufnehmen oder eine akademische Laufbahn fortsetzen möchten, wird über die Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule angeboten. Deutschlandweit sind Beratungsstellen bei den Jugendmigrationsdiensten angesiedelt.

Quelle: Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen

Ähnliche Artikel

Skip to content