Auszüge aus dem Bericht 19/2015 von Kerstin Bruckmeier, Johannes Eggs, Carina Sperber, Mark Trappmann und Ulrich Walwei:
“ (…) Ausgangslage
Rund 1,3 Mio. Menschen oder etwa 30 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsbezieher im Rechtskreis SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) waren im Durchschnitt der letzten Jahre sowohl erwerbstätig als auch im Leistungsbezug (…) Diese Zahlen können in verschiedener Weise gedeutet werden. Einerseits gelingt erwerbstätigen Leistungsbeziehern eine (Teil-)Integration in den Arbeitsmarkt. Dies mindert zunächst die Abhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen und führt tendenziell zu einer höheren Chance, den Leistungsbezug zu verlassen. Andererseits gelingt es Aufstockern nicht, mit dem erzielten Erwerbseinkommen ihren eigenen Lebensunterhalt und gegebenenfalls den Bedarf ihres Haushalts vollständig zu bestreiten.
Für erwerbstätige Leistungsbezieher ist die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns zum Januar 2015 von besonderer Bedeutung, da sie in der Mehrheit niedrig entlohnten Tätigkeiten nachgehen. Finanziell profitieren sie von dem Mindestlohn kaum, da sich ihre Nettoeinkommen aufgrund der Anrechnungsregeln im SGB II (…) zumeist nur geringfügig verändern (…). Durch die Anrechnung des zusätzlichen Einkommens auf die Transferleistungen verringert sich jedoch die Abhängigkeit von Sozialleistungen. Allerdings bestehen durch den Mindestlohn auch Risiken für Aufstocker, da sich die Beschäftigungschancen von besonders arbeitsmarktfernen Leistungsbeziehern mit geringen Lohnaussichten noch einmal verschlechtern können. Dieses mögliche Problem wurde seitens der Politik mit einer Ausnahmeregelung vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose adressiert. (…)
Fazit
(…) Eine geringe Stundenzahl und/oder geringe Stundenlöhne charakterisieren häufig die Tätigkeiten von Aufstockern. So hätten etwa 68 Prozent aller abhängig beschäftigten Aufstocker im Jahr 2013 (2011: 79 Prozent) die Höhe des – in 2015 eingeführten – allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro nicht erreicht. Aufgrund der auch nach 2013 anhaltenden positiven Lohnentwicklung dürfte jedoch die Betroffenheit unter den erwerbstätigen Leistungsbeziehern tendenziell abgenommen haben. Aufstocker, die 2013 unterhalb der Mindestlohngrenze lagen, lebten typischerweise in den neuen Bundesländern, waren relativ jung und hatten häufig keinen Berufsabschluss.
Zur Verbesserung ihrer Beschäftigungssituation ist die Suche nach einer anderen oder weiteren Tätigkeit eine wichtige Strategie. Während von den Minijobbern rund die Hälfte nach einer Arbeit sucht, ist es bei den Aufstockern, die mindestens in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit arbeiten, etwa ein Sechstel.
Als Grund dafür, dass sie nicht nach Arbeit suchen, verweisen Minijobber zu großen Teilen auf Entmutigung durch vergangene Misserfolge. Hingegen sind bei sozialversicherungspflichtig beschäftigten Aufstockern fehlende finanzielle Anreize ein häufiger Grund, nicht zu suchen. Laut Auskunft der befragten Aufstocker verlangt auch das Jobcenter nicht immer eine Arbeitsuche – zumeist aufgrund bereits bestehender Tätigkeiten. Im Vergleich zu Niedriglohnbeschäftigten ohne Leistungsbezug nutzen Aufstocker für die Arbeitsuche häufiger ihren bestehenden Kontakt zum Jobcenter.
Da sich mit der Einführung des Mindestlohns speziell für die mehrheitlich gering verdienenden Aufstocker Beschäftigungsrisiken ergeben könnten, ist die Erhöhung ihres Lohnpotenzials und ihrer Lohnmobilität ein wichtiges Ziel – auch um die Beendigung des Leistungsbezugs zu erreichen. Die Ergebnisse zeigen, dass unter den Aufstockern gerade die Gruppe der vom Mindestlohn potenziell betroffenen Beschäftigten häufiger gering qualifiziert ist. Auch im Vergleich zu niedrig entlohnten Arbeitnehmern außerhalb der Grundsicherung sind Aufstocker schlechter qualifiziert. Hier bieten Qualifizierung und berufsbegleitende, am dualen System der Berufsausbildung orientierte Weiterbildungsangebote mögliche Ansatzpunkte. (…)“
Den Bericht in vollem Umfang lesen Sie beim IAB.
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Quelle: IAB