In Deutschland werden Nebenjobs begünstigt durch die weitgehende Befreiung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse von Steuern und Sozialabgaben für Arbeitnehmer. Damit verbleibt bei einer zusätzlichen Tätigkeit mehr Netto vom Brutto als ohne diese Entlastung.
Die IAB Forscher sehen die Bevorzugung geringfügig Zweitbeschäftigung kritisch. Eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit durch Anreize zu belohnen, sei zwar mit Blick auf die finanzielle Situation der Arbeitnehmer wie auch mit Blick auf Fachkräfteengpässe grundsätzlich richtig. Sie regen jedoch an, die Arbeit in der Hauptbeschäftigung zu stärken, beispielsweise durch niedrigere Sozialabgaben für Geringverdiener.
Auszüge aus dem IAB-Kurzbericht von Sabine Klinger und Enzo Weber:
Welches Geschlecht haben die Nebenjobber?
“ 56,7 Prozent der Nebenjobber sind Frauen, aber nur 47,5 Prozent der Einfachbeschäftigten. Kontrolliert für Faktoren wie die höheren Anteile von Frauen in Teilzeit, Dienstleistungen oder niedrigeren Entgeltgruppen, verbleibt ein Anstieg der Nebenjob-Wahrscheinlichkeit von Frauen gegenüber Männern um 0,7 Prozentpunkte. Dabei gibt es ein solches Plus über die gesamte untersuchte Altersspanne; (…).
Mit Blick auf die Art der Zweitbeschäftigung haben Frauen eine um 0,2 Prozentpunkte niedrigere Wahrscheinlichkeit für einen sozialversicherungspflichtigen Nebenjob als Männer, aber eine um 0,9 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit für einen geringfügigen Nebenjob. Auch hinsichtlich einer Zweitbeschäftigung sind Minijobs also eine Frauendomäne.“
Welches Alter haben die Nebenjobber?
„In einer Nebenbeschäftigung arbeiten Personen jeden Alters, mit den größten Anteilen in den mittleren Altersgruppen. (…) Auch Jüngere üben im Vergleich zu den mittleren Jahrgängen seltener eine zweite Beschäftigung aus – die Nebenjob-Wahrscheinlichkeit nimmt zwischen dem 15. und 45. Lebensjahr erst einmal zu, bevor sie danach wieder sinkt. (…) Der Verlauf beim geringfügigen Nebenjob überdeckt allerdings, dass es einen erheblichen Unterschied gibt in Abhängigkeit vom Hauptjob dieser Personen: Zwei geringfügige Beschäftigungen kombinieren gerade nicht die mittleren Altersgruppen, sondern – wenn auch insgesamt im Arbeitsmarkt schwächer vertreten – vornehmlich Jüngere bis 24 Jahre (…).“
Welches Fazit ziehen die Forscher und welche Änderungen regen Sie an?
„Aktuell gibt es in Deutschland mehr als drei Millionen Personen mit mehreren Erwerbstätigkeiten. Detaillierten Auswertungen der Beschäftigtenhistorik für das Jahr 2014 zufolge sind unter den Nebenjobbern Frauen, Personen mittleren Alters sowie Personen mit Hauptberufen in Verwaltung und Büro, in Allgemeinen Dienstleistungen, im Verkehr, im Gesundheitswesen sowie in Sozial- und Erziehungsberufen überdurchschnittlich häufig vertreten. Ein Drittel der Mehrfachbeschäftigten übt im Haupt- und im Nebenjob denselben Beruf aus. Mit Blick auf das Einkommen besteht die höchste Wahrscheinlichkeit für einen Nebenjob im untersten Lohnsegment; mit steigendem Tagesentgelt sinkt sie relativ rasch. Über die gesamte Entgeltverteilung hinweg üben eher Teilzeit- als Vollzeitbeschäftigte einen weiteren Job aus. (…)
Besonders stark legte die Kombination von sozialversicherungspflichtiger Hauptbeschäftigung mit einem Minijob zu; fast 90 Prozent der Nebenjobber nutzen sie mittlerweile. Ein Grund liegt in der für Arbeitnehmer weitgehenden Befreiung der geringfügigen Zweitbeschäftigung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die 2003 (wieder) in Kraft trat.
Eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit durch Anreize zu belohnen, ist mit Blick auf die finanzielle Selbstständigkeit der Arbeitnehmer wie auch mit Blick auf Fachkräfteengpässe grundsätzlich richtig. Zudem ist gerade für Geringverdiener, die am ehesten Nebenjobs ausüben, die (Sozial-)Abgabenbelastung in Deutschland im internationalen Vergleich recht hoch. Die Begünstigung einer zweiten Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber ist aber nicht das richtige Instrument, um hier gegenzusteuern. Erstens profitieren von der Regelung auch viele Gutverdiener. Zweitens leisten kleine Nebenjobs gerade für die Personen, für die es besonders wichtig wäre, kaum einen Beitrag für eine nachhaltige berufliche Entwicklung und Alterssicherung.
Natürlich verteuert es den Minijob als Nebenjob, wenn seine Begünstigung abgeschafft würde. Dies würde zwar die schwer begründbare Besserstellung gegenüber sozialversicherungspflichtigen Nebenjobs aufheben, könnte aber gerade Schwächeren im Arbeitsmarkt auch ihre Verdienstmöglichkeiten erschweren. Deshalb sollte im Gegenzug Arbeit in der Hauptbeschäftigung gestärkt werden. Denkbar ist eine Entlastung niedriger Verdienste bei den Sozialabgaben. Da eine solche Entlastung auch zu sozialer Umverteilung führt, könnte sie alternativ über das Steuersystem organisiert werden.
Im Kern geht es darum, dass sozialversicherungspflichtige Hauptbeschäftigungen auch bei geringen Brutto-Einkommen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber attraktiver werden. Letztlich führt dies auch dazu, dass mehr solcher Jobs mit einer größeren Stundenzahl entstehen. In der Summe verliert damit das Motiv, aus Beschränkungen der Arbeitszeit (und dadurch des Einkommens) heraus einen Nebenjob aufzunehmen, an Bedeutung. Auch geringfügige Hauptbeschäftigungen könnten mit der vorgeschlagenen Entlastung eher in sozialversicherungspflichtige umgewandelt werden.
Zudem wären die Bedingungen für schwer integrierbare, nichterwerbstätige Personen, Arbeit neu aufzunehmen, günstiger. Insgesamt würden die Anreize für Arbeit in einer Hauptbeschäftigung steigen, die Bedingungen für eine stärkere Arbeitsmarktintegration der Beschäftigten würden sich verbessern. Das ist gesamtwirtschaftlich und individuell wichtiger als die Ausreizung von Nebenjobpotenzialen.“
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung