Die BAG KJS auf dem Katholikentag

ZU ALLEM FÄHIG – ZU NICHTS ZU GEBRAUCHEN Mangelnde Chancen auf dem Ausbildungsstellenmarkt, Chancenungerechtigkeit, keine Teilhaben junger Menschen am Erwerbsleben 385.000 Altbewerber/-innen, jedes Jahr 88.000 Jugendliche ohne Schulabschluss, über 250.000 arbeitslose Jugendliche unter 25 Jahren die über keinen Berufsabschluss verfügen … Angesichts solcher Zahlen und Situationen macht sich bei vielen jungen Menschen die Hoffnungslosigkeit breit. Welche Rolle spiele ich in dieser Gesellschaft? Wo ist mein Platz, wenn mich niemand haben will? Warum höre ich immer nur, wozu ich nicht zu gebrauchen bin? Warum interessiert sich niemand dafür was ich kann? Szenenwechsel: Ein adrett gekleideter Mann sitzt in der U-Bahn. Er liest, vermutlich auf dem Weg zur Arbeit oder zu einem Termin, Zeitung. Schräg gegenüber sitzt ein Jugendlicher. Dieser ist dunkel gekleidet, die Kapuze seines Sweatshirts tief ins Gesicht gezogen. Der Mann fühlt sich von dem Jugendlichen beobachtet, vielleicht auch bedroht. Vorwurfsvoll spricht der Mann den Jugendlichen an: ‚Was willst du von mir?‘ Es klingt eher wie die Forderung ‚Lass mich in Ruhe. Starr mich nicht an‘ als denn eine freundliche Frage. Der Jugendliche antwortet ruhig und freundlich: ‚Wenn Sie mich so fragen, den Wirtschaftsteil.‘ (Quelle: Spot der Caritas Befähigungsinitiative) ‚Zu allem fähig – zu nichts zu gebrauchen‘ Diesem Thema widmeten sich die BAG KJS und die LAG KJS Nord im Rahmen des 97. Katholikentages in Osnabrück. An ihrem Stand präsentierten sie die Jugendsozialarbeit in ihren unterschiedlichsten Handlungsfeldern und stellen verschiedenste Praxisprojekte vor. Schwerpunktmäßig wurde auf die problematische Situation junger Menschen im Übergang Schule – Beruf hingewiesen. Besucher und Besucherinnen des Standes konnten elektronische Grüße vom katholikentag verschicken. Die Grußabsender formulierten mit der E-Mail ihre Ideen zur Verbesserung der Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Zu den Forderungen zählten u.a. gerechtere Verteilung der vorhandenen Finanzmittel mehr Orientierung am Menschen, weniger an Zeugnisnoten mehr Zutrauen in die jungen Menschen Politische Veränderungen nicht immer von denen aus deneken, die reich und mächtig sind … Vor allem im Rahmen eines Forums befasste sich die BAG KJS mit dem Thema ‚Zu allem fähig – zu nichts zu gebrauchen‘. Das Forum fand in Kooperation mit dem Deutschen Caritasverband statt, der sich mit seiner Befähigungsintiaitve nachhaltig für benachteiligte Kinder und Jugendliche einsetzt. Die oben beschriebene Szene in der Straßenbahn eröffnete die Veranstaltung. Drei Projekte in katholischer Trägerschaft stellten ihre Arbeit vor, in der deutlich wird, diese Jugendlichen sind unsere heutigen Helden. – Startklar für den Berufsstart – IN VIA Hamburg in Kooperation mit der Kath. Bonifatiusschule in Hamburg Wilhelmsburg Vor knapp drei Jahren begann das Projekt ‚Startklar‘ mit seiner Arbeit. Aufgabe ist es, Jugendliche frühzeitig, nämlich schon während der Schulzeit ab Klasse sieben im Prozess der Berufswahl zu unterstützen und beim Übergang von der Schule in den Beruf zu begleiten. Um die Schüler/-innen dort anzutreffen wo sie die meiste Zeit ihres Tages verbringen, ist das Projekt direkt in den Anbau einer Schule gezogen. Die große Stärke des Projektes liegt in der engen Kooperation von Jugendhilfe und Schule und einem Gesamtkonzept indem schulische und außerschulische Formen und Methoden des Lernens sich ergänzen und Ressourcen und Kompetenzen für individuelle und sozialpädagogische Begleitung die bisherigen Möglichkeiten der Schule erweitern. Die gemeinsame Arbeit ist in einem gemeinsamen Curriculum zur Berufsorientierung an der Hauptschule und im Schulprogramm beschrieben. Dazu gehören: 1. Verbindliche Maßnahmen für Schüler und Schülerinnen ab Klasse sieben 2. Schulische – und außerschulische Lernorte einbeziehen 3. Individuelle Beratung und Begleitung 4. Kooperation mit relevanten Akteuren Es besteht die Auffassung, dass Jugendarbeitslosigkeit hauptsächlich ein Vermittlungsproblem wäre. Man muss die Jugendlichen nur eine bisschen trainieren, coachen, ihre wahren Fähigkeiten und Stärken analysieren, überzeugende Bewerbungsunterlagen mit ihnen erstellen und passgenau vermitteln. Letztendlich bleibt aber die Frage nach den Perspektiven. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist begrenzt und die Betriebe können aus einer Vielzahl von Bewerber/-innen auswählen, da diese in weit größerer Zahl vorhanden sind als freie Lehrstellen. Konkret lässt sich das an einem Fallbeispiel deutlich machen: Manolo ist 15 Jahre alt. Sein Großvater ist Tischler und von klein auf hat Manolo mit ihm in seiner Werkstatt „gearbeitet“ und gewerkelt. Als ich ihn in der siebten Klasse kennen lernte stand bereit fest. „Ich möchte Tischler werden“. Manolo hat verschiedene Praktika gemacht und weil er von uns gehört hat, man solle sich nicht nur auf einen Beruf festlegen sondern flexibel sein, hat er auch andere Berufe im Praktikum erprobt. – Er hat unsere gesamten Maßnahmen durchlaufen und sich mit seinem Berufswunsch auseinandergesetzt. Er hat die gesamte Diagnostik durchlaufen und eigentlich bringt er alle notwendigen Vorraussetzungen mit und ist, soweit wir es beurteilen können, für den Beruf geeignet. Er möchte Tischler werden. Manolo hat viel Zeit in seine Bewerbungsunterlagen investiert und sie würden inzwischen jedem Akademiker zur Ehre gereichen. Wir haben ihn darauf hingewiesen, dass die Konkurrenz um die Lehrstellen groß sein wird, weil auch viele Abiturienten diesen Beruf seit Jahren für dich entdeckt haben. Manolo ließ sich nicht entmutigen. Wenn man ihm etwas vorwerfen könnte, dann das er ein wenig zu sicher war, das er in dem Betrieb seines Großvaters auf jeden Fall eine Lehrstelle sicher habe. Nun hat dort aber vor kurzem die Betriebsleitung gewechselt und diese setzt nicht mehr auf „Beziehungen“. Es ist also für Manolo kein Selbstläufer mehr. Er hat dort einen Einstellungstest absolviert und hat diesen als zweitbester bestanden. Aber eben nur zweitbester denn es gibt nur einen Ausbildungsplatz. Wie sind also die Perspektiven: Manolo erhält von uns eine Innungsliste von Tischlerbetrieben, wir besprechen worauf er bei einem Anruf achten sollte. Was sollte er sagen, was könnte er fragen? Nach einigen Tagen ist er wieder da und berichtet, er hätte alle 76 Firmen auf der Liste angerufen aber nur drei haben ihm gesagt, dass er eine Bewerbung schicken solle. Er ist ein wenig frustriert. Viel Zeit – wenig Ertrag. Es waren auch nicht alle freundlich am Telefon, er hat erstmal genug. Wir ermutigen ihn zum weitermachen und versprechen uns auch noch um weitere Betriebe zu kümmern. Manolo hat ein gutes Zeugnis, nicht nur eine 2 in Mathe, insgesamt liegt sein Notendurchschnitt im Zweierbereich. Wir nehmen Kontakt auf zu weiteren Betrieben. Bilden sie aus? – Bilden sie in diesem Jahr aus? – Ist die Lehrstelle noch frei? Wenn ja kommen wir ein wenig ins Gespräch und in vielen Fällen hören wir: „Hauptschule?. Ach nee. Mit Hauptschülern habe ich schlechte Erfahrungen. Bloß keine Hauptschüler.“ Wir werben ein wenig für Manolo stellen seine Qualitäten heraus, aber nur selten und manchmal widerwillig heißt es – Na gut soll er mal seine Unterlagen schicken. Kein optimaler Start. Manchmal geht es auch noch weiter: „Ach aus Wilhelmsburg“, Schweigen, “Das ist vielleicht ein wenig weit weg.“, -„ Nein dem Schüler macht es nicht aus eine Stunde Weg in Kauf zu nehmen. Er möchte Tischler werden. –„Na ja, aber aus Wilhelmsburg?“ Wie geht es weiter mit Manolo? Er hat inzwischen 12 Bewerbungen geschrieben. Sein letztes Praktikum macht er in einer Tischlerwerkstatt. Sein Anleiter und Chef ist mit ihm sehr zufrieden. Manolo ist bereits zum 2. Mal bei ihm. Er würde den Jungen ja auch gerne einstellen, aber er hat seine Lehrstelle bereits einem Langzeitpraktikanten zugesagt. Aber weil er so zufrieden mit ihm ist, bietet er ihm an, ab Oktober ebenfalls ein Langzeitpraktikum, die Einstiegqualifizierung für Jugendliche in seinem Betrieb zu beginnen, danach würde man dann sehen und er könnte dann später mit der Ausbildung bei ihm beginnen. Manolo findet dies sei ein freundliches Angebot – Endlich ein Lichtblick am Horizont – Besser als weiter zur Berufsfachschule zu gehen. Weil die gibt es nur für Metall und nicht für Holz. Allerdings hat er das Gefühl dadurch Zeit zu verlieren. Eigentlich könnte ich doch gleich mit einer Ausbildung beginnen, oder?? Könnte er eigentlich. Aber wie sind seine Chancen? Kann Manolo jetzt eine Ausbildung als Tischler beginnen oder muss er erst eine „hochsubventionierte Maßnahme“ durchlaufen und mit Steuermitteln vorqualifiziert werden damit er für einen Betrieb schon profitabel einsetzbar ist? – Projekt Sprungbrett – Katholische Familienbildungstätte Osnabrück Die Kath. Familienbildungsstsätte Osnabrück führt mit der Maßnahme ‚Projekt Sprungbrett‘ Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 Jahre in modularisierter Form zu einer schulischen Qualifikation, einer beruflichen Qualifikation und einer beruflichen Zusatzqualifikation als nachhaltige Zugangsvoraussetzung für eine spätere Ausbildung und/oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: Modul 1: Bildung+Arbeit – schulische Qualifikation (Realschulabschluss) Modul 2: Pflege+ – berufliche Qualifikation (Pflegehilfe) Modul 3: JobStart – berufliche Zusatzqualifikation Gleichzeitig werden die jungen Menschen im Umfang von zweieinhalb bis vier Tagen pro Woche in praktische Tätigkeiten bei Arbeitgebern integriert und zusätzlich durch intensive Bildungsbegleitung betreut. Nichts desto trotz bleibt die Frage, wie gestaltet sich die Situation für die Jugendlichen nach Projektabschluss? Eindrucksvoll spielten jugendliche Projekteilnehmer/-innen eine Szene eines Bewrebungsgespräches vor. Die Bewerberin wollte um jeden Preis eine Stelle in der Pflege und ließ ein recht unangenehmes Vorstellungsgespräch über sich ergehen. Sie war offen und ehrlich, was ihren Lebenslauf betraf, der nicht gradlinig und von Brüchen durchzogen war. Ob der skeptische Chef dem schließlich Rechnung trägt und ihr einen Ausbildungsplatz zusagt, ließ das Szenenspiel offen. Das Publikum würde der jungen Frau mehrheitlich eine Stelle anbieten. – Projekt AsS+ (Arbeit statt Stütze Plus) – Cari Jobs Bruchsal AsS+ ist ein Patenprojekt, welches den Übergang von Schule in Beruf fördern und sichern soll. Ehrenamtliche Paten beraten Eltern, Lehrer und Schüler bereits ab Klasse 7 in Hauptschulen, vorwiegend in sog. Brennpunktschulen. Dem einzelnen jugendlichen Schulabgänger hilft der ehrenamtliche Pate bei der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Die Bewerberwerkstatt unterstützt den jungen Menschen bei seinen Bewerbungen. Bis hierhin ist das alles nicht neu, doch dann schließt sich der Teil „Lust auf Geldverdienen“ an. Das ist ein wesentliches Anliegen dieses Projektteiles, dass die jungen Leute nicht von einem Praktikum ins nächste geschoben werden, sondern für ihre Arbeit bezahlt werden. Das Konzept haben wir gemeinsam mit uns nahe stehenden Unternehmen entwickelt. Lust auf Geldverdienen bedeutet für die Jugendlichen bis 25 Jahre, die dem Träger von der Arbeitsagentur zugewiesen werden, zunächst eine Theoriewoche beim Träger. Pünktlichkeit, Mitarbeit und ordentliches Benehmen nach strengen Regeln sind Voraussetzung, um überhaupt diese Woche zu überstehen. Sie beginnt mit einem sozialpädagogischen Teil von 2 Tagen zur Aufbereitung des Themas Arbeit, z.B. mein Traumjob, Die Ampel (was geht und was nicht am Arbeitsplatz), der ideale Chef und der ideale Mitarbeiter u.s.w., dann folgt ein eigens entwickeltes Unternehmensplanspiel. Hier wird u.a. Belastbarkeit und Sozialverhalten getestet, Verständnis vermittelt für die Hierarchien im Unternehmen, für die Aufgaben und die Situation eines Firmenchefs und ebenso für Zeitarbeitsunternehmen. Danach folgen 2 Tage Arbeit an sich selbst. Der Profilpass wird erarbeitet. Dies ist vor allem Nachdenken über sich selbst und herausfinden, was man möchte und kann. In Einzelgesprächen mit den TeilnehmerInnen vervollständigt sich sodann das Bild und über seinen/ihren Einsatz und weiteren Weg kann entschieden werden. Die nächsten 6 Wochen erfolgt ein bezahlter Arbeitseinsatz in einem der Partnerunternehmen des Projekts. Für die Bezahlung wird das Instrument der Zeitarbeit genutzt und die Unternehmen teilen dem Träger aus ihrer Sicht mit, ob der- oder diejenige für den ersten Arbeitsmarkt geeignet ist. Falls nicht, wird ein geeignetes Projekt gesucht, um den Teilnehmer aufzufangen, falls ja wird ein Arbeits- oder Ausbildungsplatz gesucht. Hier unterstützen Unternehmen, auch Zeitarbeitsunternehmen. Es sind mittlerweile mehr als 20 Firmen, die dem Träger zur Seite stehen. Außerdem erfährt Cari Jobs vielfältige Unterstützung durch die Gemeinden in ihrem Einzugsgebiet und natürlich wiederum durch ehrenamtliche Paten, die bei der Stellen- und Ausbildungsplatzsuche behilflich sind. Die Hemmnisse der Jugendlichen werden zunehmend komplexer. Grundsätzlich muss die Situation im Ganzen betrachtet werden. Häusliche Probleme, Schulden, fehlende soziale Kompetenzen, fehlende Schulabschlüsse und nicht zuletzt Drogen- oder Alkoholabhängigkeiten müssen vorab oder parallel bearbeitet werden. Einen Teil der Jugendlichen, die aufgrund dieser Hemmnisse, nicht sofort oder nach 6 Wochen vermittelt werden können, werden derzeit in Arbeitsgelegenheiten, den sog. 1-€-Jobs, aufgefangen. PROJEKTERFAHRUNGEN Die Erfahrungen aus allen drei vorgestellen Projekten lassen sich in der Aussage ‚Jugendliche wünschen sich Perspektiven und wollen gebraucht werden.‘ zusammenfassen. Gleichsam berichten alle Projekte über Schwierigkeiten der frühen Berufsorientierung, die das Projekt ‚Startklar‘ aus Hamburg wie folgt beschreibt: Das Problem ist, dass die Wahrnehmung von Jugendlichen heute überwiegend unter defizitären Aspekten wie Delinquenz, Schulversagen, Sucht und Arbeitslosigkeit geschieht. Andererseits wird 14/15jährigen schon Ungeheures abverlangt, wenn es um Eigeninitiative, Verantwortungsübernahme und soziale Kompetenzen geht. Dem Fakt, dass die Jugendphase heute länger dauert, muss Rechnung getragen werden. Es ist keine Seltenheit, dass junge Erwachsene mit Mitte zwanzig noch bei ihren Eltern leben. Wer Abitur macht und studiert hat mehr Zeit zum Erwachsen werden. Mit 13 oder 14 Jahren eine Berufsentscheidung zu treffen, ist für viele eine Überforderung. Die Jugendzeit steht für das Ausprobieren unterschiedlicher Potenziale, Verantwortungsübernahme, der Entwicklung von Normen. Wenn wir die Jugendlichen in dieser Zeit nicht unterstützen und Ernst nehmen, vergeben wir eine Möglichkeit des sozialen Lernens und der gesellschaftlichen Integration. Wir sollten 14jähige nicht nach betriebswirtschaftliche Kategorien beurteilen sondern in Familien, Schule aber auch in der Berufsausbildung Voraussetzungen schaffen, die die Kette von Misserfolgserlebnissen durchbrechen und verschüttete Lern- und Gestaltungspotenziale von Jugendlichen wieder beleben und weiterentwickeln. Dazu gehört auch, ihnen Zeit zu geben Erfahrungen zu machen und persönlich zu reifen. Dann werden wir bemerken, dass diese Investition allen nützt, denn unsere Jugendlichen sind nicht nur zu allem fähig sondern auch zu mehr zu gebrauchen als wir ihnen zutrauen. Mehr Felxibilität in den behördlichen Regelungen gefordert Als behindert erlebt werden gesetzliche Regelungen, an deren Grenzen die Arbeit in den Projekten stößt. Es wird sich mehr Flexibilität gewünscht, um den Problemlagen der Jugendlichen besser Abhilfe schaffen zu können. Z.B. wenn ein junges Mädchen oder ein junger Mann dringend zu Hause ausziehen müssten, weil es gerade die häuslichen Verhältnisse sind, die seine/ihre Entwicklung so nachhaltig negativ beeinflussen. Hier stehen sich die Behörden gegenseitig im Weg und Entscheidungen sind kaum oder nur sehr langwierig durchzusetzen. Konsequenzen aus der Rechtskreiszugehörigkeit der Jugendlichen führen häufig zu Maßnahmeabbrüchen. Wenn sich das Einkommen der Bedarfsgemeinschaft verändert, in der junge Menschen leben, bestehen die Fördermöglichkeiten des SGB II nicht mehr. z.B. Eltern junger Menschen, die gerade 5 € zuviel verdienen, so dass sie keinen Anspruch mehr auf Alg II haben, können von der ARGE nicht gefördert werden. Die Jugendlichen haben aber die gleichen Probleme wie vorher und rutschen so einfach durch die Maschen, müssen Maßnahmen abbrechen. Ähnlich schwierig verhält es sich mit ausgesprochenen Sanktionen und Sperrungen für Jugendliche in Bedarfgemeinschaften. PODIUMSDISKUSSION Eine Podiumsdiskussion mit Otto Kentzler (Präsident des ZDH), Hubertus Heil (Generalsekretär der SPD), Prälat Dr. Peter Neher (Präsident des Deutschen Caritasverbandes) und Pater Franz-Ulrich Otto SDB (Vorsitzender der BAG KJS) prägte den zweiten Teil des Forums. Die Jugendlichen haben den Wunsch nach einer Perspektive und wollen gebraucht werden. Aber braucht die Gesellschaft diese Jugendlichen? Oder kann auf sie verzichtet werden? Schlaglichter der Diskussion: Hubertus Heil stellt klar, dass jeder Mensch gebraucht wird und wertvoll ist. Es hat Veränderungen unserer Arbeitsgesellschaft gegeben, die sich nicht zurückdrehen lassen. Allerdings fügt der Prozess des Ablehnenes junger Menschen mit sozialer Benachteiligung oder individueller Einschränkung der Gesamtgesellschaft Schaden zu. Der Schlüssel zu mehr Teilhabe ist nach Heils Auffassung die Qualifikation. Derzeit werden bestimmte Personengruppe besonders ausgegrenzt und ihnen Teilhabe an Qualifikation verwehrt. Heil fordert ein, das alle Zuständigen anfangen an die Wurzeln des Problems zu gehen, um es gemeinsam zu lösen. Jeder Teil habe seine Aufgaben: Gesellschaft, Staat und Wirtschaft. Der Staat habe die Aufgabe gute Bildung zu gewährleisten. Heil verlangt den Mut, aller Verantwortlichen im Bildungsbereich, dieser Aufgabe nachzukommen. In diesem Zusammenhang müsste jedem Menschen das Recht gewährt werden, einen (Haupt-)Schulabschluss nachzuholen, um damit seine Situation auf dem Arbeitsmarkt und Teilhabechancen zu verbessern. Heil forderte einen Rechtsanspruch auf das Nachholen des Hauptschulabschlusses. Insgesamt müsse man früher anfangen, Problemlagen zu beheben. Er plädierte dafür, Kinderechte in der Verfassung zu verankern und die hohe Selektivität des deutschen Bildungssystems aufzulösen. Otto Kentzler machte deutlich, dass das Handwerk und schlußendlich die Gesellschaft die Jugend braucht, egal, wie gut oder schlecht sie ist. Kentzler stelle aber auch klar, dass Wir es uns nicht leisten können, wenn zehn Prozent eines Jahrgangs ohne Abschluss die Schule verlassen und ein Viertel nicht ausreichend lesen, rechnen und schreiben kann. Es müssten mehr Möglichkeiten freigesetzt werden, dass die letzten Schuljahre besser gestaltet werden. Kentzler sieht besonders die Kultusministerkonfernz in der Verantwortung. Den Vorschlag von Heil, Schulabbrechern einen Rechtsanspruch auf einen Hauptschulabschluss einzuräumen, unterstützt Kentzler nicht. Ziel müsste es vielmehr sein, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu reduzieren. Gelder müssten in Vorschule und Schule investiert werden. Der Zusammenhang zwischen persönlicher Bildung, schulischer Bildung und beruflicher Bildung muss verstanden und in der Praxis hergestellt werden. Den Solgan bzw. das Thema der Podiumsdiskussion ‚zu allem fähig – zu nichts zu gebrauchen‘ sieht des Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks eher kritisch. Jugendliche seien weder „zu allem fähig“ noch „zu nichts zu gebrauchen“. Dass sie leider nicht zu allem fähig seien, belegen die aktuellen Zahlen und Fakten zur mangelnden Ausbildungsreife. Ebenso überzeichnet sei: „zu nichts zu gebrauchen“. Denn: Viele Jugendliche sind eher praktisch begabt und haben viele Kompetenzen, was durch die Schulnoten oft nur unzureichend wiedergegeben wird. Kentzler appellierte auf das Handwerk, die Industrie bzw. die Wirtschaft zu zugehen. Derzeit liefen viele unterstützende Angebote parallel. Die Wirtschaft verfüge über Ausbildungsberater, psychologische Unterstützung, Ausbildugnsstätten usw. Zum Wohle der Jugendlichen sollten die vorhandenen Resscouren ausgenutzt werden. Beide Seiten müssten sich aufeinander zu bewegen. Kentzler lobte den Ansatz des Cari Jobs Projekts, Jugendlichen positive Erfahrungen mit dem eigenen Engagement zu vermitteln. Für zuviele junge Menschen ist es keine Lebensrealität, den eigenen Lebensunterhalt mit Arbeit zu erwirtschaften. Pater Franz-Ulrich Otto mahnte an, dass es eine Zusage der Gesellschaft bedürfe, dass jeder juge Mensch gebraucht würde. Gelingende Beziehungen seien unbedingt notwendig, damit Kompetenzen und Fähigkeiten entfaltet werden können. Wenn niemand zu einem sage, dass es schön ist, dass man da ist und gebraucht wird, könne man auch nicht erwarten, dass Menschen sich einbringen und entfalten. Wie könnte man von einem Jugendlichen, der im Leeren steht, etwas erwarten, was er zuvor nie kennen gelernt hat? Damit dringend notwendige Beziehungsarbeit gelingen kann, sind langfristige Projekte erforderlich. Politik müsste in dieser Hinsicht für finanzielle Kontinuität und stabile Fördergrundlagen sorgen. In der sozialen Arbeit mit benachteiligten und individuell beeinträchtigeten Jugendlichen gehen viel Ressourcen für Antragsbürokratier verloren und kommen nicht den Menschen zu Gute. Pater Otto forderte verbindliche Finanzierungsagen und Abbau der Antragsbürokratie. Prälat Dr.Peter Neher machte sehr deutlich, dass es keinen Menschen gibt, der nichts kann. Jeder könne etwas. Es sei Aufgabe der Gesellschaft, dafür Sorge zu tragen, dass die jungen Menschen ihre Fähigkeiten entwickeln könnten. Nicht jeder sei seines Glückes Schmied, sondern jeder habe ein Anrecht auf die notwendige Unterstützung, damit er sein Glück schmieden könne. Die Jugendlichen benötigen alle Unterstützung und Befähigung, um einen adäquaten Ausbildungsplatz zu finden. Neher untersützte ebenfalls den Projektansatz der Car Jobs, Jugendlichen die Erfahrung zu ermöglichen mit eigenen Fähigkeiten etwas erwirtschaften und für sich sorgen zu können.

Quelle: BAG KJS, Deutscher Caritasverband, Praxisprojekte und Teilnehmer der Podiumsdiskussion

Dokumente: Von_jungen_Helden.doc

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