Entwurf des 3. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung

KEINE VERGLEICHBARE DATENGRUNDLAGE – STEIGENDE KINDERARMUT VERSCHLEIERT Der aktuelle ‚Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ruft unterschiedlichste Reaktionen hervor. Die Beratung des Kabinetts ist für den 25. Juni geplant. Bis dahin soll der ‚Arbeitsentwurf‘ des Berichts allen Ressorts zwecks abgestimmter Stellungnahme zugeleitet werden, sagte Regierungssprecher Thomas Steg. Der Bericht spricht davon, dass der Sozialstaat wirke. Angesichts der gestiegenen Armut sehen Kritiker das anders. Politiker aus Union und FDP wollen die Mitte entlasten. CDU-Politiker sehen den Berichtsentwurf als Argument für ihre Forderung nach Steuerentlastungen. Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, hielt dies im Bayerischen Rundfunk für „dringend erforderlich, wenn wir verhindern wollen, dass immer mehr aus der Mittelschicht in den Bereich der Transferempfänger wechseln müssen“. Ähnlich argumentiert die FDP. „Die Ungerechtigkeit in Deutschland wächst, weil die Mitte schrumpft“, sagte der Parteivorsitzende Guido Westerwelle. In der SPD wird dagegen der Ruf nach der Wiedereinführung der Vermögensteuer lauter – um Reiche zur Verantwortung zu ziehen. Die SPD hält Steuersenkungen für kontraproduktiv. Die Diskussion über Armut würde weiter verschärft, „wenn wir den Staat schwächen würden“, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nach einer Präsidiumssitzung. Steuersenkungen führten „automatisch zu sozialen Kürzungen“. Allenfalls sei eine stärkere Steuerfinanzierung der Sozialabgaben auf Einkommen oberhalb von 800 Euro zu erwägen. Die SPD will weiter für existenzsichernde Löhne und damit auch für Lohnuntergrenzen kämpfen. Bedürftige in Deutschland seien „nicht durch die Steuerpolitik arm gemacht worden“, da sie „keinen Cent“ an Steuern zahlten. Zur Armutsvermeidung müsse vor allem bei der Bildung angesetzt werden, sagte Heil. In der SPD wurden außerdem Forderungen nach Wiedereinführung der 1997 abgeschafften Vermögensteuer laut. Die Union ist allerdings strikt dagegen. Grüne und Linke nahmen die Ergebnisse zum Anlass, um ihrer Forderung nach einer zügigen Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes für Arbeitslose von aktuell 347 auf 420 Euro monatlich Nachdruck zu verleihen. Dies wie auch eine Vermögensteuer befürwortet auch der Sozialverband VdK. Er plädiert außerdem für die Einrichtung von Armutsbeauftragten in Bund und Ländern. Gegen Steuersenkungen sprach sich auch der Bochumer Sozialethiker Joachim Wiemeyer aus. Der Staat müsse finanziell leistungsfähig sein, um den sozialen Zusammenhalt gezielt zu fördern, sagte er der Katholischen Nachrichtenagentur. Wiemeyer forderte Investitionen in Bildung, um Chancengleichheit zu schaffen. Der Theologe plädierte auch für den Ausbau der Kinderbetreuung, damit Alleinerziehende für sich und ihre Kinder sorgen könnten. Weitere Aufgabe des Staates sei die Förderung des lebenslangen Lernens. Denn nur so seien Technikwandel und Strukturveränderungen der Globalisierung zu bewältigen und Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Vermutlich ist das wahre Ausmaß der Armut in Deutschland größer und dramatischer als von Minister Scholz angegeben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nutzte eine Datengrundlage, die weder aktuell noch aussagekräftig ist. Mit Zahlentricks wird die Wirklichkeit verschleiert: Die Armut in Deutschland hat stark zugenommen. Die herangezogene Datenbasis des EU-SILC (EU Statistics on Income and Living Conditions) beruht auf einer unzureichenden Datenbasis und ist nicht vergleichbar mit den Zahlen der letzten beiden Armutsberichte. Würde man die bewährten und umfassenderen Daten des Sozioökonomischen Panels heranziehen, läge die Armutsquote 2006 bei 18,3 Prozent statt bei der von Scholz veröffentlichen 13 Prozent für 2005. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung lieferte Datenberechnungen für den Bericht und ist über die Berichterstattung erstaunt: ‚Dass der Arbeitsminister das Bild vermittelt, die Armut in Deutschland habe sich zuletzt kaum verändert, hat uns sehr überrascht‘, sagte Grabka, DIW-Experte. Die Auswahl der Daten zum Armuts- und Reichtumsbericht wird von dem auf Sozialstudien spezialisierten Institut kritisiert. Das Institut habe für den Regierungsbericht errechnet, dass die Armutsquote zwischen den Jahren 2000 und 2006 von 11,8 auf 18,3 Prozent angestiegen sei, sagte Markus Grabka der ‚Thüringer Allgemeinen‘. Diese Zahl erwähne Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) in seinen Eckpunkten nicht. Trotz der misslungenen Datenaufbereitung zeigt sich allerdings, dass die Einkommen im unteren und mittleren Einkommenssegment dramatisch eingebrochen sind. Selbst bei Verwendung der Daten der Bundesregierung zeigt sich, dass die Armut in Deutschland real erheblich zugenommen hat. Der sozialpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfratkion, Markus Kurth, erhebt den Vorwurf, Scholz verharmlose die drastische Entwicklung der Kinderarmut in Deutschland: “ Er versteckt die Ergebnisse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zur Armutsentwicklung von Kindern bis 15 Jahren im Anhang seines bekannt gegebenen Entwurfs zum 3. Armuts- und Reichtumsbericht. Nach den DIW-Daten ist die Armutsquote für Kinder unter 15 Jahren von 16 % in 1998 auf 26 % in 2005 gestiegen. Auch der Armuts- und Reichtumsbericht von Nordrhein-Westfalen weist eine Kinderarmutsquote von 24,7 % für 2005 in NRW aus. Der Mut der Verzweiflung muss Scholz bewogen haben im Hauptteil des 3. Armutsberichtes einen Rückgang der Kinderarmut auf 12 % in 2005 zu veröffentlichen, obwohl schon der 2. Armuts- und Reichtumsbericht einen Anstieg der Kinderarmutsquote von 13,8 % in 1998 auf 15 % in 2003 aufweist. Seither ist die Zahl der Kinder, deren Eltern Sozialleistungen beziehen, deutlich gestiegen. Allein die Kinder im Hartz IV-Bezug sind von 1,4 Mio. im Jan. 2005 auf rd. 1.8 Mio. im Dezember 2007 gestiegen. Ganz zu schweigen von der wachsenden Zahl der Kinder, deren Eltern zu den Geringverdienern zählen. Der dramatische Anstieg der Armutsquote für Kinder erfordert ein umfassendes Programm gegen Kinderarmut. Neben Investitionen in Bildung und Betreuung sind Existenz sichernde Kinderregelsätze für Familien, die Sozialleistungen beziehen, unerlässlich. “ Was ist die richtige Reaktion auf den Armutsbericht? Das Arbeitslosengeld anheben, die Steuern für die Mittelschicht senken oder doch eine Vermögensteuer einführen? Der Armutsforscher Christoph Buttwegge stellte in einem Interview mit zoomer.de fest, dass die Politik sich den Problemen nicht stellt und äußerte sich dazu, was er von den vermeindlichen Patentlösungen hält: “ Buttwegge erklärt, das Zustandekommen von Armut in Deutschland als die Folge der neoliberalen Modernisierung. Fast alle Länder der Welt versuchen, sich dem Markt anzupassen beziehungsweise sich zu unterwerfen. Die Regelung nach Marktgesetzen bewirkt, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Der Zusammenhang zwischen Hartz IV und der Zunahme von Armut ist für dem Armutsforscher offensichtlich. Durch Hartz IV hat die Armut viele Kinder ereilt. Auf dem Höhepunkt des gegenwärtigen Konjunkturaufschwungs leben 1,9 Millionen Kinder unter 15 Jahren von Sozialgeld. Mit der Einführung von Hartz IV hat sich das Problem der Kinderarmut deutlich erhöht. Steuererleichterungen für die Mittelschicht hält er für einen steuerpolitischen Schildbürgerstreich. Diejenigen, um die es geht, die Armen und sozial Benachteiligten, zahlen überhaupt keine Steuern. Um etwas zu verändern, wäre zunächst der Regelsatz von Hartz IV den Lebenshaltungskosten anzupassen, auf mindestens 420 Euro. Von 2,71 Euro pro Tag kann man ein Kind nicht vernünftig ernähren. Das aber ist der Betrag, der beim jetzigen Regelsatz für die Nahrung von Kindern veranschlagt wird. Wichtig ist folgender Dreiklang: soziale Grundsicherung für Kinder, Ganztagsbetreuung und Gemeinschaftsschulen, die verhindern, dass Kinder schon frühzeitig selektiert werden. Um Armut zu beseitigen – falls das überhaupt möglich ist -, müssten grundlegende gesellschaftliche Strukturveränderungen vorgenommen werden. Dafür bräuchte es einen sozialen Ausgleich, der sehr viel stärker in die Vermögens- und Einkommenspositionen großer Teile der Bevölkerung eingreift. Es ist doch ein Witz, wenn man erst den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent senkt und ihn dann unter dem Namen der Reichensteuer auf 45 Prozent anhebt. Eigentlich müsste der Spitzensteuersatz bei 60 Prozent liegen. Denn Steuersenkungen führen nicht zu mehr Gerechtigkeit. Eher zur Verarmung des Staates, zum Beispiel auf kommunaler Ebene. Da fehlt dann das Geld, um den Kindern von Hartz-IV-Empfängern das Mittagessen zu finanzieren. Es bedarf nach Butterwegge einer neuen Kultur und wirtschaftlichen Orientierung, einer Kultur der Solidarität. Dazu müsste die Politk aufhören, von den Reichen und Mächtigen aus zu denken und denen, die schon viel haben, noch mehr zu geben. Derzeit werden die sozial Benachteiligten durch die Mehrwertsteuer genauso belastet, wie diejenigen, die ein gutes Einkommen haben. Auf der anderen Seite senkt man die Körperschaftsteuer auf 15 Prozent. Die betrug zu Zeiten von Helmut Kohl noch 53 Prozent. So werden die Starken entlastet, die Schwachen belastet. “ Der Deutsche Caritasverband fordert eine stärkere Armutsprävention und mahnt eine differenzierte Debatte an: “ ‚Wir müssen endlich die Menschen wahrnehmen, die hinter den heute vorgelegten Zahlen des Armuts- und Reichtumsberichts stehen‘, mahnt Caritas-Präsident Peter Neher angesichts der wachsenden Zahl von Armen in Deutschland. Schon seit langem ist in den Armut bekämpfenden Diensten der Caritas eine wachsende Zahl von Menschen zu beobachten, die Rat und Hilfe brauchen. ‚Während früher der alleinstehende Obdachlose der typische Besucher unserer Tafeln war, sind es nun auch Familien, die zum Monatsende kommen‘, so Neher. ‚Suppenküchen sind keine Lösung.‘ Langfristig muss es besser gelingen, die Spirale aus geringer Bildung und Arbeitslosigkeit zu durchbrechen, denn diese beiden Faktoren sind entscheidend für die Entstehung von Armut. Aktuell sei erforderlich, beispielsweise die Regelsätze zu erhöhen, um die Preissteigerungen bei lebenswichtigen Gütern aufzufangen. Für Kinder müssen eigene und angemessene Regelsätze berechnet werden. ‚Wir müssen den Armutsbericht jetzt als Anlass nehmen, alles zu tun, um die materielle Situation von Menschen in Armut zu verbessern. Ebenso bedeutend ist aber, langfristig zu verhindern, dass Menschen in Armutssituationen kommen.‘ Der Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes und der Ausbau der Kinderbetreuung für unter dreijährige sind entscheidende Schritte auf dem Weg dahin. ‚Jetzt gilt es auch, nach Veröffentlichung des Berichtes in eine seriöse Debatte einzutreten und das Thema über die Tagesaktualität hinaus gezielt und lösungsorientiert anzugehen‘, regt Neher an. “ REGIERUNG BETRACHTET ZUNAHME DES NIEDRIGLOHNSEKTORS MIT SORGE – BILDUNGSSCHERE MUSS GESCHLOSSEN WERDEN Auszüge aus dem umfangreichen Material des Berichts: “ * Beschäftigungsaufschwung kommt bei allen an Die Arbeitslosigkeit geht seit 2006 deutlich zurück. Von der Zunahme der Erwerbstätigkeit profitieren seit 2007 sowohl Langzeitarbeitslose, als auch junge, ältere und ausländische Menschen sowie Bezieher von SGB II/SGB III-Leistungen und Menschen mit Behinderungen. … Der Zuwachs an Beschäftigung geht im Zehnjahresvergleich auch mit einer Zunahme flexibler Beschäftigungsformen wie selbständiger, geringfügiger und zeitlich befristeter Erwerbstätigkeit einher. Mit gesetzlich veränderten Rahmenbedingungen wurden der Wirtschaft flexible Möglichkeiten eröffnet, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Vielen Menschen, insbesondere Frauen, ist dadurch der Wiedereintritt in das Arbeitsleben gelungen. Dabei setzt das neue zweistufige System der Arbeitsmarktpolitik aus Instrumenten des SGB III und des SGB II Arbeitsanreize und bietet Unterstützung für eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Erwerbsbeteiligung ist der Schlüssel dafür, Teilhabe- und Verwirklichungschancen für alle Haushaltsmitglieder zu eröffnen und damit auch Kinderarmut zu vermeiden. Voraussetzung ist jedoch, dass aus dem Einstieg über ein flexibles Beschäftigungsverhältnis die Möglichkeit zur Weiterentwicklung in vollzeitnahe und unbefristete Beschäftigung für die Arbeitnehmer entsteht. Erste Auswertungen deuten in Teilen auf eine Brückenfunktion von Leiharbeit und so genannten Midi-Jobs (400 bis unter 800 Euro Bruttoverdienst/Monat) im Gegensatz zu Mini-Jobs (unter 400 Euro) hin. Allerdings muss bei Leiharbeit auf Fehlentwicklungen geachtet werden, z. B. wo Arbeitgeber Teile ihrer Stammbelegschaften ersetzen und keine gleichen Löhne gezahlt werden. Mit Sorge betrachtet die Bundesregierung die Zunahme des Niedriglohnbereichs auch bei Vollzeiterwerbstätigkeit und damit einhergehend das steigende Armutsrisiko von Erwerbstätigen (Einkommensdaten nur bis einschließlich 2005). Auch das niedrige Niveau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ist problematisch. Seit 2006 wächst die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zwar wieder, liegt aber mit 26,85 Mio. … immer noch unter dem Niveau des Jahres 1998. … * Bildungsschere muss geschlossen werden Während das Bildungsniveau der gesamten Bevölkerung über die Jahrgänge betrachtet kontinuierlich gestiegen ist, blieb die Zahl der 18- bis 24-Jährigen mit geringen formalen Qualifikationen zwischen 1996 und 2006 nahezu konstant. Dagegen zeigt sich der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen im gestiegenen Anteil der hochqualifizierten Personen im Erwerbsalter. Eine Entwertung der unteren Schulabschlüsse führt zu geringeren Ausbildungs- und Berufschancen. Dies erhöht die Ausgrenzungsrisiken für Un- bzw. gering Qualifizierte und determiniert langfristig Einkommensarmut. Zugleich bedeutet diese Entwicklung eine unzureichende Ausschöpfung der Qualifikationspotenziale junger Menschen mit negativen Folgen für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. So lag der Anteil der so genannten frühen Schulabgänger zwar im Jahr 2006 mit 13,8% … über der europäisch vereinbarten Zielmarke von 10% im Jahr 2010. Hierbei handelt es sich um junge Menschen ohne Sekundarbereich II-Abschluss, die weder die Fachhochschul- oder Hochschulreife noch einen beruflichen Bildungsabschluss haben und sich auch nicht mehr in Ausbildung befinden. In Ostdeutschland stieg der Anteil junger Menschen ohne Abschluss der Sekundarstufe II zwischen 1996 und 2006 sogar von rund 6% auf 11%. Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens stehen Bund und Ländern durch die Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung seit 2007 neue Instrumente zur Verfügung. Bund und Länder stehen vor der Aufgabe, künftig das Fundament für eine ergebnisorientierte Vergleichbarkeit der Bildungseinrichtungen zu verbessern und gemeinsame strategische Ziele für die Weiterentwicklung des Bildungs- und Wissenschaftssystems zu vereinbaren. Die Mehrzahl der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen (so genannte Schulabbrecher: 7,9% im Jahr 2006) ergreifen später mit Erfolg eine „zweite Chance“ und nutzen die Möglichkeiten der Nachqualifizierung, um einmal versäumte Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse nachzuholen. Dennoch hat eine wachsende Teilgruppe der 18- bis 24-Jährigen weder einen Abschluss des Sekundarbereichs I (Haupt- oder Realschule) noch einen anderen allgemein bildenden oder beruflichen Abschluss (2006: 2,4%). Für sie soll ein Rechtsanspruch im SGB III geschaffen werden, den Hauptschulabschluss nachträglich zu erwerben. Der berufliche Bildungsabschluss hat entscheidenden Einfluss auf Beschäftigung und Einkommen. Wenn frühe Schulabgänger den beruflichen Abschluss nicht erreichen, stellen sie vor dem Hintergrund sozialer und gesellschaftlicher Integration eine Risikogruppe dar. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren ist der Anteil von Frauen ohne beruflichen Abschluss im Zeitraum von 1996 bis 2006 um erfreuliche 1,8 Prozentpunkte gesunken, während er bei Männern insbesondere aufgrund der Entwicklung in Ostdeutschland um 2,5 Prozentpunkte gestiegen ist. Bei den jüngeren Jahrgängen ist allerdings ein Anstiegs des Anteils der Personen ohne abgeschlossene Berufsausblidung zu verzeichnen. Betrachtet man die berufliche Ausbildung bei Personen im Alter von 35 Jahren als abgeschlossen, so bleiben 15% der Bevölkerung dauerhaft ohne abgeschlossene berufliche Ausbildung und haben damit stark eingeschränkte Integrationschancen auf dem Arbeitsmarkt. Während die Erwerbstätigenquote (hier bezogen auf die 25- bis 65-Jährigen) für Personen mit Fachhochschul- bzw. Hochschulabschluss rund 85% im Jahr 2006 betrug, waren nur 53,5% der Personen ohne beruflichen Abschluss erwerbstätig. Allerdings ist bei der Erwerbstätigenquote von Frauen ohne beruflichen Abschluss ein deutlicher Anstieg in den Jahren zwischen 1996 und 2006 von 37,5% auf 46,3% zu verzeichnen. Gleichberechtigte schulische und berufliche Ausbildung sind auch wichtige Elemente, um die Teilhabe- und Verwirklichungschancen behinderter Menschen in Deutschland zu verbessern. Über eine amtlich anerkannte Behinderung berichten Männer und Frauen mit niedrigem Berufsstatus 3,5- bzw. 1,9-mal häufiger als diejenigen mit hohem Berufsstatus. … Zwischen dem Bildungserfolg der Eltern und der Kinder besteht ein unmittelbarer Zusammenhang, der sich etwa in der unterschiedlichen Bildungsbeteiligung der Kinder von Akademikern und Nichtakademikern messen lässt. 83% der Kinder mit Vätern mit Hochschulabschluss studieren ebenfalls, während dies nur für 23% der Kinder von Nichtakademikern zutrifft. Besonders ausgeprägt ist dieser Zusammenhang bei der Bevölkerungsgruppe der Menschen mit Migrationshintergrund. Kinder von gering qualifizierten Zuwanderern erreichen sehr häufig nur den Hauptschulabschluss, während Kinder qualifizierter Zuwanderer ebenso häufig wie deutsche Kinder studieren. Eine vergleichbare Entwicklung ist auch bei der Erwerbsbeteiligung zu beobachten. Gering Qualifizierte haben erwartungsgemäß eine niedrigere Erwerbsbeteiligung,dies trifft insbesondere in der Gruppe der Frauen mit Migrationshintergrund zu. … Maßnahmen um die Bildungsschere zu schließen: • Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe: Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens erarbeiten die Bundesregierung und die Regierungen der Länder auf der Grundlage internationaler Vergleichsstudien Empfehlungen mit dem Ziel, die Qualität des deutschen Bildungswesens zu stärken und gemeinsam Ziele für dessen Weiterentwicklung festzulegen. Zu den Ergebnissen der internationalen Studien IGLU und PISA 2006 wurden im März 2008 erste Empfehlungen verabschiedet. • Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung: Im Januar 2008 hat die Bundesregierung ein Maßnahmenbündel beschlossen, das Aktivitäten zur Förderung und Unterstützung über den gesamten Lebensweg von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung im Beruf umfasst. Die Bildungschancen für Kinder unter sechs Jahren sollen durch eine Fortbildungsinitiative für 80.000 Erzieher/-innen sowie für Tagesmütter/-väter verbessert werden. Die berufliche Bildung soll gestärkt und das duale System modernisiert werden. Übergänge in die Ausbildung sowie die Durchlässigkeit von der beruflichen Bildung in die Hochschule sollen verbessert werden. • Der Ausbau der Ganztagsschulangebote bis 2009 wird durch den Bund im Rahmen des Investitionsprogramms „Zukunft Bildung und Betreuung“ mit vier Mrd. Euro unterstützt. Die Schwerpunkte des Programms kommen auch einer integrativen Beschulung entgegen, da individuelle und damit auch behinderungsspezifische Förderung sowie soziales Lernen unter Einbeziehung der Eltern und außerschulischer Partner stärker in den Mittelpunkt gerückt werden. • Kultusministerkonferenz der Länder: Im Oktober 2007 wurde ein Handlungsrahmen beschlossen, um die Anzahl der Schüler/-innen ohne Schulabschluss wie auch die Anzahl der Ausbildungsabbrecher zu halbieren. • Programm „Schulverweigerung – Die 2. Chance“: Mit Fördermitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und lokaler Kofinanzierung wird seit Herbst 2006 erfolgreich an bundesweit 74 Standorten die Wiedereingliederung von etwa 1.800 so genannten harten Schulverweigerern, insbesondere in Hauptschulen gefördert. Rund 80% der Jugendlichen konnten seit Herbst 2006 reintegriert werden. • Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs: Die Paktzusagen (je Paktjahr 30.000 neue Ausbildungsplätze und 25.000 Plätze für Einstiegsqualifizierungen) wurden klar übertroffen. Der Pakt wurde im März 2007 für weitere drei Jahre verlängert und fortentwickelt (60.000 neue Ausbildungsplätze und 40.000 Plätze für Einstiegsqualifizierungen sowie 30.000 neue Betriebe für die Ausbildung). • Ausbildungsbonus: Im Rahmen des Konzepts „Jugend – Ausbildung und Arbeit“ sollen bis 2010 etwa 100.000 zusätzliche Ausbildungsplätze für Jugendliche geschaffen werden, die schon seit längerem vergeblich einen Ausbildungsplatz suchen. Arbeitgebern, die zusätzliche Ausbildungsplätze für förderbedürftige Bewerber schaffen, wird einmalig ein so genannter Ausbildungsbonus in Höhe von 4.000 bis 6.000 Euro je Auszubildendem gewährt. … • Verbesserung der Ausbildungsförderung: Ab Herbst 2008 werden die Bedarfssätze und die Elternfreibeträge des BAföG deutlich erhöht. Damit wird ein Studium für zusätzlich rund 100.000 Schüler und Studierende gefördert. … “

http://www.bmas.de/coremedia/generator/26160/2008__05__23__3arb.html

Quelle: BMAS, Fraktionen aller im Bundestag vertretenen Parteien, Focus-Online, Wirtschafts-Woche, AFP, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Deutscher Caritasverband, zoomer.de, Katholische Nachrichten Agentur

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