POSITIONSPAPIER DES KOOPERATIONSVERBUNDES JUGENDSOZIALARBEIT Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit nimmt in seinem aktuellen Positionspapier Stellung zu den Plänen für einen Deutschen Qualifikationsrahmen. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) ist die nationale Übersetzung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR). Die EU verabschiedete im Februar 2008 ein achtstufiges Referenzsystem zur outcome-orientierten Einordnung von beruflicher Qualifikation, dem EQR. Der EQR soll europaweite Vergleiche von Qualifikationen ermöglichen, Qualifikation und Kompetenzen transparent machen. Der EQR zielt darauf ab, auch informell erworbene Kompetenzen abzubilden. Darüber hinaus soll die Anrechenbarkeit von Qualifikationen innerhalb der EU erleichtert werden. Zusammenhängend mit der Verabschiedung des EQR beschloss die Bundesregierung im Jahr 2008 die nationale Übersetzung zu konzipieren. Dieser Deutsche Qualifikationsrahmen soll 2010 in Kraft treten. Derzeit werden Vorschläge zur Gestaltung des DQR erarbeitet. Daran beteiligt sind eine Bund-Länder- Arbeitsgruppe und der „Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen“. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit richtet sich mit seinem Positionspapier in erster Linie an die nationalen Experten/-innen, an die Parlamentarier/-innen sowie an die beteiligten Regierungsinstitutionen. Auszüge aus dem Positionspapier: “ Potenziale des DQR–Chancen für Inklusion In der begonnenen Diskussion um die Gestaltung des DQR sieht der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit die Chance, dem deutschen Bildungssystem wichtige Impulse zu geben, vor allem im Hinblick auf eine größere Durchlässigkeit. Durchlässigkeit und die Anerkennung der Gleichwertigkeit unterschiedlicher Bildungswege können aus Sicht des Kooperationsverbudes einen Beitrag zu einem gerechteren Bildungssystem leisten. Dazu sind bewusste Entscheidungen für veränderte Rahmenbedingungen in der allgemeinen und beruflichen Bildung nötig. Dies betrifft u. a. die Anerkennung unterschiedlicher Zugangswege und Qualifikationen, die an verschiedenen Lernorten – auch außerhalb des formalen Bildungssystems – erworben werden. Der Rahmen, den der EQR nun bietet, ist hilfreich für diese Diskussion. Das Besondere des europäischen Ansatzes ist es, dass alle erworbenen und nachweisbaren Kompetenzen anerkannt werden können, und zwar unabhängig davon, ob sie in Bildungsinstitutionen, im Prozess der Arbeit, im sozialen Umfeld, in allgemeiner oder beruflicher Bildung oder durch Erfahrung erworben wurden. Das heißt, dass dabei auch Kompetenzen erfasst und anerkannt werden, die junge Menschen auf informellem und nonformalem Weg erworben haben. Gleichzeitig sind die Stufen des EQR durchlässig. Der Europäische Qualifikationsrahmen steht damit explizit im Kontext des lebenslangen Lernens und bietet eine neue gesamteuropäsche Perspektive für Aus-, Fort- und Weiterbildung. „Bildung“ soll dabei nicht auf ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit reduziert, sondern auch in ihrer sozialen und integrativen Bedeutung anerkannt und gestärkt werden. Der DQR darf niemanden ausschließen. Nach bisher bekannten Plänen soll der DQR analog zum EQR acht Niveaustufen umfassen und die erste Niveaustufe (Stufe 1) mit der formalen Qualifikation „qualifizierter Hauptschulabschluss“ beschrieben werden. Aus Sicht des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit hätte dies für benachteiligte junge Menschen schwerwiegende Folgen. – Mit einer solchen Entscheidung würden alle Menschen ohne qualifizierten Hauptschulabschluss quasi aus dem Rahmen fallen. Dies würde insbesondere Jugendliche ausgrenzen, die in den verschiedensten Qualifizierungsmaßnahmen der Jugendsozialarbeit außerhalb des klassischen Schulsystems Kompetenzen, Fertigkeiten und Kenntnisse erwerben, die sie zu einem späteren Zeitpunkt zur Berufsausbildung und Berufsausübung befähigen. – Eine solche Einteilung widerspräche der ursprünglichen Intention eines Qualifikationsrahmens, der sich gerade nicht an formalen Abschlüssen orientieren soll, sondern an den (wo auch immer) erworbenen Kompetenzen, Fertigkeiten und Kenntnissen der einzelnen Jugendlichen. Sollten in Einrichtungen und Angeboten der Jugendsozialarbeit erworbene Kompetenzen keine Anerkennung finden, würden sich die Chancen der jungen Menschen weiter verschlechtern, eine Berufsausbildung zu beginnen und zu beenden. – Somit würde der DQR, statt Inklusion zu fördern, das Gegenteil bewirken, nämlich dauerhafte Exklusion junger Menschen, und das nicht nur im nationalen, sondern auch im europäischen Kontext. Diese Pläne stünden auch im krassen Widerspruch zur Stellungnahme des BMBF selber, wonach sich der Qualifikationsrahmen „unabhängig vom formalen Bildungsabschluss ausschließlich an den Lernergebnissen orientieren“ soll (BMBF, 15.11.07). In die gleiche Richtung weist die Position des BiBB:„Die Qualifikationen sollen dabei als Lernergebnisse klassifiziert werden, die sich Niveaus von Tätigkeitsanforderungen und Kompetenzprofilen unabhängig von Bildungsabschlüssen zuordnen lassen. Dabei wird ein Nationaler Qualifikationsrahmen als ein Instrument verstanden, mit dessen Hilfe vergleichende Aussagen zu Lernergebnissen getroffen werden können, die auf verschiedenen Wegen erzielt werden.“ Anforderungen an den DQR als Instrument einer Inklusionsstrategie Für junge Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf kann der DQR eine Chance bedeuten, wenn es gelingt, geeignete Definitionen zu finden, die Grundvoraussetzungen für die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt beschreiben, ohne weitere Exklusion hervorzurufen. Die erste Niveaustufe des DQR muss dabei sicherstellen, dass allen sowohl ein „Einstieg“ als auch Weiterentwicklungen – vor allem die Durchlässigkeit nach oben in höhere Niveaustufen – ermöglicht werden. Dies entspräche dem von der EU geforderten Konzept des Lebenslangen Lernens. Im EQR wird die Niveaustufe 1 mit folgenden Deskriptoren skizziert: – „grundlegendes Allgemeinwissen“ (Kenntnisse), – „grundlegende Fertigkeiten, die zur Ausführung einfacher Aufgaben erforderlich sind“ (Fertigkeiten) – „Arbeiten und Lernen unter direkter Anleitung in einem vorstrukturierten Kontext“ (Kompetenz). Diese Beschreibungen können eine erste Orientierung geben, in welche Richtung die Deskriptoren des DQR zu entwickeln sind. Wichtig ist, dass kognitive Fähigkeiten gegenüber praktischen oder sozialen Kompetenzen nicht überbetont werden. Für die Zielgruppe der Jugendlichen mit besonderem Unterstützungsbedarf ist zusätzlich eine adäquate Begleitung dieses Konzepts sicherzustellen, damit sie das ´Lebenslange Lernen` tatsächlich umsetzen und für ihre Entwicklung nutzen können. Hierbei verweisen wir darauf, dass in unzähligen Maßnahmen der Jugendsozialarbeit, also jenseits des schulischen Kontextes, seit langem solche grundlegenden Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen vermittelt werden. Als förderlich erweist sich in diesem Prozess der sozialpädagogisch-, ressourcen- und lebenswelt-orientierte Ansatz. Lernerfahrungen, die junge Menschen an anderen Lernorten machen, werden in die Angebote mit einbezogen und der Zugang zu neuen Lernorten eröffnet. Forderungen und Empfehlungen des Kooperationsverbundes – Der DQR darf sich nicht allein an formalen Abschlüssen orientieren, sondern muss informell und nonformal erworbene Kompetenzen, Fertigkeiten und Kenntnisse gleichwertig anerkennen und Durchlässigkeit im Bildungssystem ermöglichen. Dies ist umso notwendiger, als insbesondere benachteiligte Jugendliche erfahrungsgemäß Kompetenzen, Fertigkeiten und Kenntnisse eher in außerschulischen Kontexten erwerben als in der Schule. Um sie nicht zusätzlich zu stigmatisieren und auszugrenzen, sind diese Lernergebnisse – auch im Kontext unterschiedlicher Bildungs- und Ausbildungswege – anzuerkennen und in den Qualifikationsrahmen zu integrieren. – Um die Validität der Aussagen über Qualifikationen zu gewährleisten, ist die Entwicklung eines umfassenden Kompetenzverständnisses und damit einhergehend adäquater Messinstrumente und Nachweissyseme notwendig. Dies ist auch eine Anforderung an die Maßnahmen und Angebote der Jugendsozialarbeit. – Bei den weiteren Planungen für den DQR sollten die Erfahrungen und Erkenntnisse der Jugendsozialarbeit sowie deren Bildungs- und Kompetenzverständnis angemessen berücksichtigt werden. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit empfiehlt der Bundesregierung, in diesem Prozess offensiv auf breite Beteiligung und konstruktive Auseinandersetzung zu setzen und bietet an, daran als kompetenter Ansprechpartner aktiv mitzuwirken. “ Das Positionspapier in vollem Textumfang ist zum Download im Anhang bereitgestellt.
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Quelle: Kooperationsverbund und Jugendsozialarbeit
Dokumente: KV_JSA__Positionspapier_DQR.pdf