Stellungnahme des Kooperationsverbundes Jugendsozialarbeit zum Referentenentwurf ‚Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente‘

GEPLANTE NEUREGELUNGEN SEHEN KAUM DENZTRALE HANDLUNGSSPIELRÄUME VOR Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, wie das Instrumentarium der Arbeitsförderung gestrafft werden kann. Betroffen von der geplanten gesetzlichen Neuregelung sind das SGB III und SGB II. Aus Sicht der Jugendsozialarbeit besteht an verschiedenen Stellen Nachbesserungsbedarf. Vor allem den Grundsicherungsträgern sind für den Bedarfsfall alternative Förderungsangebote zu den Regelinstrumenten des SGB III bereit zu stellen. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit hat zu dem Gesetzentwurf Stellung bezogen. Auszüge aus der Stellungnahme: „…  A) NEUREGELUNGEN IM SGB III * Ziele der Arbeitsförderung § 1 SGB III neu (Nr. 2 des Referentenentwurfs) Mit der Neufassung des § 1 SGB III sollen die Ziele der Arbeitsförderung klargestellt werden. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert, die Förderung von benachteiligten Ausbildungs- und Arbeitssuchenden in diesen Zielkatalog wieder aufzunehmen, um diesen wichtigen Auftrag der Arbeitsmarktpolitik zu verdeutlichen. Dabei kann zurückgegriffen werden auf Ziele, die vom Gesetzgeber mit Inkrafttreten des SGB III in das Arbeitsförderungsrecht aufgenommen wurden: Als § 1 Aufgaben der Arbeitsförderung (heute: „Ziele der Arbeitsförderung“) wurde formuliert: „Durch die Leistungen der Arbeitsförderung soll vor allem der Ausgleich am Arbeitsmarkt unterstützt werden, indem Ausbildungs- und Arbeitssuchende über Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Berufe beraten werden (…) und die Möglichkeiten von benachteiligten Ausbildung- und Arbeitssuchenden für eine Erwerbstätigkeit (…) verbessert werden.“ * Potenzialanalyse und Eingliederungsvereinbarung § 37 SGB III neu (Nr. 15 des Referentenentwurfs) Nach den Neuregelungen soll nunmehr eine Potenzialanalyse (vormals ein Profiling / Assessment) zur Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung gemacht werden. Die Eingliederungsvereinbarung würde frühzeitiger, unmittelbar nach Arbeitsuchendmeldung bzw. Ausbildungsuchendmeldung abgeschlossen werden. Die Verpflichtungen für Arbeitslose bzw. ausbildungsuchende Jugendliche, eigeninitiativ zu werden, sollen verschärft werden. Analog dem SGB II wird nun in der Eingliederungsvereinbarung festgehalten, welche Eigenbemühungen und Nachweise die Arbeitslosen bzw. ausbildungsuchenden Jugendliche zu erbringen haben. … Dass die Vermittlungsbemühungen auf Basis einer Eingliederungsvereinbarung möglichst frühzeitig eingeleitet werden sollen, ist aus Sicht des Kooperationsverbundes unterstützenswert. Die Potenzialanalyse muss dabei den erforderlichen fachlichen Standards genügen. Auf unsere Kritik stößt die Neuregelung zur Ersatzvornahme der Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt. Eine Eingliederungsvereinbarung ist sinnvoll, um auch Jugendliche in ihrer Eigenverantwortung bei der Arbeits- bzw. Ausbildungsstellensuche zu stärken. Die Eingliederungsvereinbarung muss aber die Interessen, Fähigkeiten und Bedürfnisse der Arbeitslosen tatsächlich berücksichtigen und Vereinbarungen auf gleicher Augenhöhe ermöglichen. Die Neuregelung zum Verwaltungsakt widerspricht diesen Anforderungen. * Einführung des Rechtsanspruchs auf Vorbereitung auf einen Hauptschulabschluss im Rahmen einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme § 61 a SGB III neu, (Nr. 28 des Referentenentwurfs) Wir begrüßen es, dass Jugendliche und Erwachsene einen Rechtsanspruch erhalten sollen, für den Erwerb eines nachholenden Hauptschulabschluss gefördert zu werden. … Kritisch sehen wir allerdings das Vorhaben, den nachträglichen Hauptschulabschluss für Jugendliche ausschließlich über Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen (BvB) zu realisieren (§ § 61, 61 a SGB III neu). Diese sind für einen Teil der benachteiligten Jugendlichen zu hochschwellig und nicht zu bewältigen. So setzt z.B. die verbindliche, konstante Teilnahme in einem modularisierten System eine relativ hohe Selbststeuerungskompetenz voraus. Gleichzeitig ist die Förderdauer stark begrenzt. Außerdem scheiden BvBs für diese Zielgruppe häufig deshalb aus, weil solche Maßnahmen zuvor von den Jugendlichen bereits einmal abgebrochen worden sind. Leichter zugängliche Ansätze, die z.B. praktische Beschäftigungsangebote mit der Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss verbinden, stehen nicht mehr zur Verfügung, wenn die sonstigen weiteren Leistungen wie geplant wegfallen. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit weist darum deutlich daraufhin, dass der Rechtsanspruch auf einen nachholenden Hauptschulabschluss für Jugendliche nur dann sinnvoll realisiert werden kann, wenn bei Bedarf auch passgenaue alternative Förderangebote zu den Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen bereitgestellt werden. … * Wegfall der Förderung für das Jugendwohnen gem. §§ 252 ff. SGB III (Nr. 61 Referentenentwurf) Der Referentenentwurf sieht vor, die institutionelle Förderung des Jugendwohnheimbaus wegen geringer Nutzung zu streichen. Wir halten dagegen die institutionelle Jugendwohnförderung nach wie vor für notwendig. Es käme vielmehr darauf an, dass eine Förderung über den § 252 SGB III durch die vorgesehene (aber unterbliebene.) Einstellung von Haushaltsmitteln auch praktisch nutzbar wird. Jugendwohnheime unterstützen in idealer Weise die berufliche Mobilität junger Menschen. Die Bedeutung der beruflichen Mobilität wird im Gesetzentwurf auch in den Zielen der Arbeitsförderung neu unterstrichen (§ 1 SGB III neu). Die fortschreitende Entvölkerung ländlicher Gebiete insbesondere in Ostdeutschland zwingt junge Menschen zur Mobilität. Die Jugendwohnheime werden stark nachgefragt und dringend benötigt. Die bestehenden Jugendwohnheime haben auf Grund ihres Alters (viele Häuser stammen aus den 1960er und 1970er Jahren) und der geänderten Wohnbedürfnisse junger Menschen heute bei Bau, Einrichtung und Ersatzbeschaffung großen Investitionsbedarf. Nach den Erfahrungen der Jugendsozialarbeit auf Bundesebene steigt das Interesse bei Jugendlichen, ihren Eltern, Betrieben, Berufsschulen und v.a. auch den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende außerdem weiter an. Besonders für individuell benachteiligte Jugendliche bieten die Jugendwohnheime wertvolle Unterstützung bei der beruflichen Integration. Es ist sicherzustellen, dass die veranschlagten Kosten für eine notwendige Individualförderung für Jugendliche im Rechtskreis SGB III und SGB II auch die sozialpädagogische Begleitung enthalten, entsprechend der Leistungsentgelte der Länder. Der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit fordert eine Klarstellung in § 65 Abs. 3 SGB III zu treffen. Zum einen soll das Wort „Wohnheim“ durch „Jugendwohnheim“ ersetzt werden, damit klargestellt wird, dass es sich um eine Einrichtung der Jugendhilfe mit einem differenzierten Angebot an Unterkunft, Verpflegung, sozialpädagogischer Begleitung und individueller Förderung handelt. Zum anderen sollte die Formulierung „amtlich festgesetzte Kosten für Unterkunft und Verpflegung“ ersetzt werden durch „das gem. § 78 a – g SGB VIII vereinbarte Leistungsentgelt. Diese neuen Formulierungen sind zur Klarstellung der Regelungen und zur Herstellung von Rechtssicherheit für die Beteiligten notwendig. * Erprobung innovativer Ansätze gem. § 421 h SGB III neu (Nr. 69 des Referentenentwurfs) Der Referentenentwurf sieht eine neue Regelung zur Erprobung lokaler und zeitlich begrenzter innovativer Projekte vor, gleichzeitig wird die freie Förderung gem. § 10 SGB III gestrichen. Dies wird vom Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit abgelehnt. Dass es die Möglichkeit der Erprobung innovativer Maßnahmen im SGB III gibt, halten wir zwar grundsätzlich für sinnvoll. Bedenklich erscheint indes, dass das hierfür vorgesehene Budget auf lediglich 1% des Eingliederungstitels für Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung begrenzt ist … Nach unserer Auffassung wird diese Regelung – mit minimalem Budget bei zentraler Verwaltung durch die BA – in keiner Weise dem erhobenen Anspruch gerecht, dezentrale Handlungsspielräume in der Arbeitsmarktpolitik zu erweitern und das Innovationspotenzial zu fördern. Dies ist umso bedauerlicher, weil man so der Anforderung einer Neuausrichtung nicht gerecht wird. Ebenso kritisiert der Kooperationsverbund Jugendsozialarbeit die vorgeschriebene Anwendung des Vergaberechts. Der Argumentation in der Gesetzesbegründung, wonach im Vergabeverfahren auch ein innovativer Ideenwettbewerb der Träger befördert werden kann, müssen wir aufgrund vielfältiger Erfahrungen der Träger der Jugendsozialarbeit deutlich widersprechen. Die Durchführung von Ausschreibungen ist innovationsfeindlich, führt sie doch dazu, dass Träger von der Entwicklung von Maßnahmenkonzepten seitens der Agenturen/Grundsicherungsträger ausgeschlossen werden. Auf Grund schlechter Erfahrungen ist es für die Träger außerdem riskant, innovative Konzepte und Ideen offen zu legen, weil sie befürchten müssen, dass diese lediglich für nachfolgende Ausschreibungen mit standardisierten Leistungsbeschreibungen abgeschöpft werden, während sie selbst im Wettbewerbsverfahren unterliegen bzw. sogar ausgeschlossen sind.  … B) NEUREGELUNGEN IM SGB II * Verpflichtung von Migranten zur Teilnahme an Deutschkursen § 3 Abs. 2 b SGB II neu, (Nr. 2 Referentenentwurf) Laut Referentenentwurf sind Migrantinnen und Migranten mit geringen Kenntnissen der deutschen Sprache zukünftig über die Eingliederungsvereinbarung zur Teilnahme an den Sprachkursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu verpflichten. Schon heute können die Fallmanager arbeitslose Migranten mittels Eingliederungsvereinbarung zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichten. Nach unserer Auffassung sollten Ermessenspielräume auch weiterhin gewahrt werden, um spezifische Lebenssituationen von Migranten zu berücksichtigen (z.B. familiärer Hintergrund als Hindernis einer Kursteilnahme). Außerdem gilt es der Tatsache Rechnung zu tragen, dass eine besonders sensible Handhabung von verpflichtenden und sanktionsbehafteten Förderleistungen für die betroffenen Personen, die nicht über ausreichende Sprachkenntnisse verfügen, geboten ist (z.B. mangelnde Kompetenz der Fallmanager, Sprachkenntnisse und berufliche Qualifikationen der Migranten einzuschätzen, Kommunikationsschwierigkeiten beim Abschluss von Eingliederungsleistungen o.ä.). Dem wird die vorliegende Regelung nicht gerecht. Wir fordern zudem weitere flexible, individuelle Angebote für Migrantinnen und Migranten – etwa durch die Vermittlung berufsbezogener Deutschkenntnisse – zu schaffen. Hierzu wäre das neue Programm des BAMF zu nutzen. * Wegfall der sonstigen weiteren Leistungen, Neufassung des § 16 SGB II, (Nr. 5 des Referentententwurfs) Den Wegfall der sonstigen weiteren Leistungen (SWL) lehnen wir ab. Gerade für benachteiligte Jugendliche ist eine Förderung alleine über die Regelinstrumente des SGB III nicht zielführend. Die im Referentenentwurf enthaltenen Verweise auf die Regelungen zum neu geschaffenen Vermittlungsbudget, zu den Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung sowie zum Experimentiertopf sind unzureichend. … Der vorgesehene Experimentiertopf (§ 16 f SGB II neu) kann die bisherigen Förderleistungen auf Basis der sonstigen weiteren Leistungen nicht auffangen,  weil hierunter nur modellhafte, innovative Maßnahmen gefasst werden und der Experimentiertopf auf 2% der Eingliederungsmittel begrenzt sein soll. Weitere Reglementierungen gibt es durch die Beschränkung auf Gruppenmaßnahmen und die Verpflichtung zur Anwendung des Vergaberechts. … * Neuregelungen bei den Sanktionsregelungen § 31 SGB II (Nr. 14 Referentenentwurf) Positiv sehen wir den Wegfall der Sanktionsregelung bei Nichtunterzeichnung einer Eingliederungsvereinbarung. Hier wird in der Gesetzesbegründung zu Recht auf die Möglichkeit im SGB II hingewiesen, ersatzweise einen Verwaltungsakt zu erlassen. Die Sanktionsregelungen werden durch die Neuregelungen – auch für Jugendliche – allerdings gleichzeitig verschärft, indem jetzt klargestellt wird, dass von der Sanktion bei wiederholter Pflichtverletzung auch der befristete Zuschlag betroffen ist. Die Sanktionen bei wiederholter Meldeversäumnis werden verschärft, indem vor einer härteren Sanktion zukünftig kein Sanktionsbescheid vorliegen muss. Die vorgesehenen Verschärfungen werden aus der fachlichen Perspektive der Jugendsozialarbeit gerade für Jugendliche äußerst kritisch gesehen, denn diese haben sich in ihrer starren und weit reichenden Form schon jetzt nicht bewährt. Vielmehr müssten die bestehenden Regelungen im SGB II im Hinblick auf Jugendliche dringend flexibilisiert werden, d.h. dass Dauer und Höhe des Leistungswegfalls stärker nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt werden können. … “ Die Stellungnahme in vollem Umfang entnehmen Sie bitte dem Anhang, ebenso den Gesetzentwurf des BMAS. – Stellungnahme Referentenentwurf Neuausrichtung 13.06.08.pdf

Quelle: 

Dokumente: Stellungnahme_Referentenentwurf_Neuausrichtung_13_06_08.pdf

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