Der Arbeitsmarkt für Jüngere in Berlin und Brandenburg

ANALYSE DES REGIONALEN ARBEITS- UND AUSBILDUNGSMARKTES Die aktuelle Studie beleuchtet die Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt der 15- bis unter 25-Jährigen in Berlin und Brandenburg. Besonders eingegangen wird auf den demografischen Wandel, der gerade die neuen Bundesländer in erhöhtem Maße betrifft, sowie auf die Integration ausländischer Jugendlicher (Jugendlicher mit Migrationshintergrund). Die Studie skizziert zunächst die Situation auf dem Arbeitsmarkt und Ausbildungsstellenmarkt. Verschiedene Indikatoren, die Einfluss auf die Marktsituation haben, werden in die Untersuchung einbezogen: – Pendlerverflechtungen – Ausbildungsbedingungen der Unternehmen – Verteilung der Auszubildenden auf verschiedene Berufsbereiche Dem Bevölkerungswandel räumt die Studie besondere Bedeutung ein. Auszüge aus der Untersuchung von Dieter Bogai und Michael Partmann: “ EINLEITUNG Die Arbeitsmarktsituation in Berlin und Brandenburg ist seit Mitte der 1990er Jahre äußerst angespannt. Erst seit 2006 steigt die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Region wieder an. Vor dem Hintergrund des längjährigen Beschäftigungsabbaus war es für jüngere Arbeitskräfte besonders schwierig, eine Ausbildungsstelle und einen Arbeitsplatz zu finden. Der Arbeits- und Ausbildungsmarkt unterscheidet sich im dünn besiedelten Flächenland Brandenburg von der Dienstleistungsmetropole Berlin. Die Wirtschaftsstruktur und damit die Anforderungen an den Arbeits- und Ausbildungsmarkt divergieren erheblich. Beiden gemein ist jedoch das hohe Beschäftigungsdefizit, das in erheblichem Maße die unter 25-Jährigen betrifft. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in der Region Berlin-Brandenburg höher als in den anderen Bundesländern. Die Arbeitslosenquote, bezogen auf die Altersgruppe der unter 25-Jährigen, lag 2007 mit jahresdurchschnittlich 16,5 Prozent für Berlin und 15,4 Prozent für das Land Brandenburg deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnittswert von 8,5 Prozent. Zwischen 2000 und 2007 ist die Anzahl der jüngeren Arbeitslosen in Berlin und in Brandenburg im Jahresdurchschnitt um 2,8 Prozentpunkte bzw. 1,3 Prozentpunkte zurückgegangen. … Nach den aktuellen Bevölkerungsprognosen für Berlin und Brandenburg ist in den nächsten Jahren mit einem Rückgang der Bevölkerung in den jüngeren Altersgruppen zu rechnen. Danach verringert sich die Anzahl der Personen im Alter von 18 bis unter 25 Jahren in Berlin bis zum Jahr 2030 um rund 20 Prozent, in Brandenburg sinkt die Zahl der 16- bis unter 25-Jährigen im gleichen Zeitraum um etwa 44 Prozent. Bereits jetzt und verstärkt in den kommenden Jahren wirken sich die geburtenschwachen Jahrgänge zu Beginn der 1990er Jahre auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt aus. Mit dem Rückgang der jüngeren Erwerbspersonen dürften sich zukünftig die Startchancen Jugendlicher in das Berufsleben verbessern. … AUSBILDUNGSSTELLENMARKT … * Aktuelle Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt Ähnlich der Situation auf dem Arbeitsmarkt ist auch die Lage auf dem Ausbildungsstellenmarkt in Berlin und Brandenburg weiterhin angespannt. Es liegt eine deutliche Lücke zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen vor. In Brandenburg standen der Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung gemäß im Jahr 2007 19.839 Bewerbern nur 18.778 Ausbildungsplätze gegenüber. Das entspricht einer Angebots-Nachfrage-Relation von 94,7. Das bedeutet, dass für 100 Bewerber 94,7 Ausbildungsstellen zur Verfügung stehen. Bezogen auf die Agenturbezirke in Brandenburg liegt die Relation zwischen 91,6 Stellen für Eberswalde und 96,0 Stellen für den Bezirk Frankfurt (Oder). Die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage hat sich im Vergleich zum Vorjahr von 3.616 auf 1.061 verringert. Zuzuschreiben ist dies jedoch nicht einer höheren Zahl an Ausbildungsstellen, sondern einem merklichen Rückgang der Bewerberzahlen. Die Anzahl der angebotenen Ausbildungsplätze hat sich sogar um etwa 1.000 Plätze reduziert. In Berlin stand 2007 einer Nachfrage von 25.156 Jugendlichen ein Angebot von 21.953 Stellen gegenüber – 3.203 Ausbildungsplätze fehlten. Die Angebots-Nachfrage-Relation lag bei 87,3 Prozent und Berlin damit bundesweit auf dem letzten Platz. Wie in Brandenburg hat sich im Vergleich zum Vorjahr die Lage dennoch entspannt: Im Jahr 2006 lag die Differenz noch bei 5.191 Ausbildungsplätzen. Im Unterschied zu Brandenburg ist in Berlin die Anzahl der angebotenen Ausbildungsstellen bereits seit 2005 kontinuierlich angestiegen (insgesamt +2.056 Stellen). Damit spiegeln sich im Angebot an Ausbildungsplätzen die Wirtschaftslage und die unterschiedliche Erwartungshaltung in der Region wider: Während in Berlin die Zukunftserwartungen zum Ende des Jahres 2007 weiterhin verhalten optimistisch waren, zeigen sich brandenburgische Unternehmen diesbezüglich weit skeptischer. Zu berücksichtigen ist der Anteil der Altbewerber unter den Auszubildenden. … Von großer Bedeutung ist in Berlin und Brandenburg nach wie vor der Anteil außerbetrieblicher Ausbildungen. Seit Jahren sind hier im gesamtdeutschen Vergleich überdurchschnittlich hohe Anteile festzustellen. Sie lagen in Berlin 2007 bei 22,1 Prozent und in Brandenburg bei 24,9 Prozent. Der deutschlandweite Wert betrug 9,6 Prozent. … Trotz des weiterhin bestehenden Mangels an Ausbildungsplätzen existiert eine Lücke zwischen Ausbildungsplatzangebot und neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Diese hat sich im Jahr 2007 – nach deutlichen Anstiegen in den Vorjahren – in Berlin und Brandenburg von 661 auf 681 erneut erhöht. Welche konkreten Ursachen diesem gestiegenen Mismatch zugrunde liegen, lässt sich hingegen nur schwer beurteilen. Mangelnde Ausbildungsreife, zu hohe Anforderungen auf Arbeitgeber- wie auch auf Bewerberseite und die durch den Strukturwandel zurückgehende Attraktivität einiger Berufsfelder zählen zu den häufig angeführten Gründen für diese Entwicklung. Bundesweit an der Spitze lag in der Vergangenheit die Abbrecherquote der Auszubildenden in Berlin. 2006 brachen 28,0 Prozent der Jugendlichen ihre Ausbildung vorzeitig ab, eine erneute Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Der Bundesdurchschnitt lag 2006 bei 19,8 Prozent. Brandenburg verzeichnet ebenfalls überdurchschnittliche Werte, liegt jedoch mit 22,9 Prozent im Vergleich der Bundesländer nur an sechster Stelle. * Ausbildungssituation ausländischer Jugendlicher Der Anteil der Ausländer an den Auszubildenden ist in Deutschland seit Mitte der 1990er Jahre rückläufig. Er lag im dritten Quartal 2006 in Berlin bei 4,3 Prozent (1999: 5,2 %), türkische Jugendliche als größte ausländische Bevölkerungsgruppe sind mit 2,0 Prozent (1999: 3,0 %) vertreten. In Brandenburg dagegen kam es in den letzten Jahren zu einem Anstieg bei ausländischen Auszubildenden, allerdings auf sehr niedrigem Niveau. Hier liegt der Anteil bei 0,4 Prozent (1999: 0,1 %). Zu berücksichtigen ist jeweils der Anteil ausländischer Personen an der Gesamtbevölkerung. Er lag in Berlin 2006 bei 13,9 Prozent, in Brandenburg bei 2,6 Prozent. In der Altersgruppe der 15- bis unter 25-Jährigen sind in Berlin 16,3 Prozent Ausländer (1999: 16,5 %), in Brandenburg sind es 2,9 Prozent (1999: 3,0 %). Ausländische Jugendliche sind demnach in überdurchschnittlichem Maße nicht am Ausbildungssystem beteiligt. … * Entwicklung des Ausbildungsstellenmarktes seit 2000 In Berlin haben zwischen 2000 und 2003 Ausbildungsplatznachfrage und -angebot zunächst abgenommen, seit 2004 ist wieder ein tendenzieller Anstieg beider Werte zu beobachten. Während die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen sich zwischen 2000 und 2007 insgesamt jedoch kaum verändert hat, ist das Ausbildungsplatzangebot um 1.300 Plätze auf 22.000 zurückgegangen. Die Angebots-Nachfrage-Relation liegt im Vergleich zum Jahr 2000 (93,0) aktuell deutlich niedriger bei 87,3. Trotz der größeren Lücke zwischen Angebot und Nachfrage hat sich die Zahl der unbesetzt bleibenden Ausbildungsplätze von 206 auf 392 nahezu verdoppelt. In Brandenburg sind sowohl Ausbildungsplatzangebot als auch -nachfrage deutlich zurückgegangen, zugleich hat sich die Ausbildungslücke um 900 Plätze reduziert. Die Angebots-Nachfrage-Relation hat sich von 90,9 im Jahr 2000 auf 94,7 im Jahr 2007 verbessert. … Der Anteil der außerbetrieblichen Ausbildungsplätze ist in Berlin seit 2000 deutlich um 5,6 Prozentpunkte zurückgegangen. In Brandenburg stagnierte der Wert im Vergleichszeitraum nahezu (+0,2 Prozentpunkte), jedoch kam es zwischen 2001 und 2004 zu Werten deutlich über 30 Prozent. Auch wenn, wie bereits in Abschnitt 3.2 angesprochen wurde, der Anteil der außer-betrieblichen Ausbildungsplätze nur auf sehr groben Schätzungen beruht und damit nur eingeschränkt interpretierbar ist, wird deutlich, dass eine Verbesserung auf dem Ausbildungsstellenmarkt nicht bzw. nicht allein einer gestiegenen Zahl der außerbetrieblichen Stellen zuzuschreiben ist. … AUSBLICK … Die Beschäftigungsperspektiven Jugendlicher in Berlin und Brandenburg hängen von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bzw. von der zukünftigen Arbeitskräftenachfrage ab. Nach einer Projektion der Prognos AG wird die Erwerbstätigkeit in Berlin bis 2013 und auch darüber hinaus bis 2020 in etwa konstant bleiben. In Brandenburg dürfte sie dem ostdeutschen Trend folgend ebenfalls konstant bleiben. Damit ist mit keinem Expansionsbedarf in der Gesamtnachfrage der Unternehmen zu rechnen, sondern der Ersatzbedarf der Unternehmen aufgrund der Abgänge in die Altersrente bestimmt die Eintrittsoptionen für Jugendliche. Es sei unterstellt, dass jeder frei werdende Arbeitsplatz wiederbesetzt wird und die Erwerbstätigen tatsächlich bis zum Renteneintritt beschäftigt sind. Wenn man die Altersstrukturen und Besetzungsstärken der rentennahen Jahrgänge mit den prognostizierten Größenordnungen der Absolventen allgemeinbildender oder beruflicher Schulen vergleicht, ist in wenigen Jahren insbesondere in Brandenburg der Ersatzbedarf zahlenmäßig nicht mehr von den Berufseinsteigern zu decken. Damit dürften sich die Einstiegschancen qualifizierter Jugendlicher in eine Beschäftigung deutlich erhöhen. Unter Berücksichtigung der hohen Zahl von Altbewerbern wird in den nächsten Jahren allerdings die Ausbildungssituation Jugendlicher weiterhin schwierig bleiben. Insbesondere in Brandenburg bestimmt die Demografie (Bevölkerungsalterung und Abwanderung) die künftige Arbeitsmarktentwicklung. Dort sinken die Absolventenzahlen allgemein bildender Schulen in den nächsten Jahren um die Hälfte. Für sich genommen entlastet ein geringeres Erwerbspersonenpotential den Arbeitsmarkt, da weniger Personen Arbeit suchen. Mit der Bevölkerungsabnahme sind aber auch negative Auswirkungen auf die Arbeitskräftenachfrage verbunden. Sie schwächt gleichzeitig das Wachstumspotential, denn die geringere Zahl der Konsumenten reduziert die Nachfrage nach nicht-handelbaren Gütern, also Gütern mit Abhängigkeit von der regionalen Nachfrage der Bevölkerung, was zu einer Verringerung der Beschäftigung führen könnte. Somit entstünde ein Teufelskreis, der die Arbeitsmarktproblematik nicht löst. Ob die Arbeitslosigkeit angesichts des sinkenden Arbeitsangebots zurückgehen wird, ist zudem in hohem Maße abhängig von der Qualifikation der Beschäftigten. Von zentraler Bedeutung ist daher die Ausbildung der Jugendlichen. Der in den letzten Jahren entstandene Mismatch zwischen Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage – … – könnte möglicherweise auf mangelnde Qualifikationen der Jugendlichen hindeuten. … Qualifizierungsmaßnahmen für die betroffenen Jugendlichen können unter Umständen helfen, für die Ausbildung noch fehlende, berufsqualifizierende Kenntnisse nachzuholen. Insbesondere in Berlin kommt die gestiegene Zahl der Ausbildungsplätze anscheinend verstärkt mobilen und vergleichsweise gut qualifizierten Jugendlichen aus dem Umland zugute. Leistungsschwächere Jugendliche sind daher einem stärkeren Wettbewerb um die zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze ausgesetzt. Damit gelten hier ähnliche Phänomene wie in den anderen Stadtstaaten Hamburg und Bremen: „hohe Nachfrage von außerhalb, hoher Anteil von Altbewerbern, von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und von alternativ oder unbekannt verbliebenen Bewerbern“. “

http://www.iab.de/de/publikationen/regional/berlin-brandenburg.aspx

Quelle: IAB regional Berlin-Brandenburg Nr. 01/2008

Dokumente: Arbeitsmarkt_fuer_Juengere_IAB_Regional.pdf

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