Bundesregierung nimmt Stellung zum 2. Nationalen Bildungsbericht

MISERABLES ZEUGNIS ODER ERFOLGSDOKUMENTATION? “ Der Hauptschulabschluss bringt Jugendlichen heute nur geringe Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Bildungschancen sind ungerecht verteilt. Diese Ergebnisse des zweiten Nationalen Bildungsberichts wurde schon vor 3 Monaten bekannt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit veröffentlichte bereits im Rahmen des Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages im Juni eine Stellungnahme, die ‚Bildung für alle‘ fordert und damit eine gerechter Chancenverteilung und Zugänge im Bildungssystem für jeden anmahnt. Letzte Woche hat die Bundesregierung den am 12. Juni vorgelegten bericht beraten und zieht eine Erfolgsbilanz. Die Studie «Bildung in Deutschland 2008» zeige erfreuliche Entwicklungen im Bereich der frühkindlichen Bildung, bei der Erhöhung der Ausbildungsplätze sowie einem Höchststand von Hochschulabsolventen, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Mittwoch in Berlin. Insgesamt sei der Bildungsstand der Bevölkerung gestiegen. Zugleich gebe es aber auch eine Reihe von Herausforderungen. So seien eine bessere Durchlässigkeit des Bildungssystems und Aufstiegswege auszubauen. Ferner müssten die Bildungschancen insbesondere für Migrantenkindern weiter verbessert werden, so Schavan. Die Bundesregierung hebt in ihrer Stellungnahme folgende Maßnahmen und Vorhaben besonders hervor: ‚ 1. Verbesserung der Bildungsvoraussetzungen Die Beherrschung der deutschen Sprache ist Voraussetzung einer erfolgreichen Bildungslaufbahn. Ziel ist, dass jedes Kind vor Beginn der Schule über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt. Dazu sind mehr Förderangebote sowie flächendeckende und verbindliche Sprachstandsfeststellungen im frühkindlichen Bereich erforderlich. 2. Mehr schulische Bildungsaufstiege und Stärkung der Ausbildungsfähigkeit Die Anzahl der Schulabgänger ohne Abschluss bzw. ohne zureichende Basiskompetenzen ist nach wie vor zu hoch. Das erschwert den erfolgreichen Übergang in eine Ausbildung. Die Bundesregierung hält eine Halbierung der Anzahl der Schulabbrecher binnen fünf Jahren für möglich. Das erfordert entsprechende Maßnahmen an den Schulen, die durch den Ausbau der vertieften Berufsorientierung und den modellhaften Einsatz von Berufseinstiegsbegleiterinnen und -begleitern an 1.000 Schulen durch die Bundesagentur für Arbeit flankiert werden können. 3. Umbau des Übergangssystems zu einem Ausbildungseinstieg Ziel der Bundesregierung ist, möglichst jedem jungen Menschen eine qualifizierte Berufsausbildung zu ermöglichen. Für junge Menschen, die nach der Schule noch nicht ausbildungsreif sind oder keinen Ausbildungsplatz finden, müssen wirksame Einstiegsmaßnahmen zur Verfügung stehen, die sich nicht als „Warteschleifen“ herausstellen, sondern als Brücken in die Berufsausbildung. Die Bundesregierung wird dafür Ausbildungsbausteine in 14 Berufen erproben und damit direkte Anschlüsse an die duale Ausbildung herstellen. 4. Ausbau der Aufstiegswege Die Chance zum Aufstieg durch Bildung gehört zum Kern eines leistungsfähigen und gerechten Bildungssystems. Deshalb wird die Bundesregierung Aufstiegswege ausbauen, u. a. durch ein verbessertes Meister-BAföG und die Vergabe von Aufstiegsstipendien. Wichtig sind daher eine deutliche Verbesserung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte durch die Länder sowie erweiterte Fördermöglichkeiten u. a. zum nachträglichen Erwerb von Schulabschlüssen. 5. Erweiterung der Studienchancen Zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses in Deutschland strebt die Bundesregierung eine Zielmarke von 40 Prozent Studienanfängern pro Jahrgang an. Deshalb sind eine Fortsetzung des Hochschulpaktes und eine Modernisierung der Studienplatzvermittlung erforderlich. Besonders wichtig sind zusätzliche Studienanfängerinnen und -anfänger in Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaften. Daher sind verstärkte Bemühungen um diese Fächer in allen Bereichen des Bildungswesens nötig.‘ Um diese Ziele zu erreichen, hat die Bundesregierung eine Qualifizierungsinitiative für Deutschland vereinbart und stimmt aktuell mit den Ländern ein gemeinsames Vorgehen ab, das am 22. Oktober 2008 beim Bildungsgipfel vorgestellt werden soll. * Das Kolpingwerk lobt Bildungspolitik der Bundesregierung. Mit der „Bildungsreise“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem abschließenden Bildungsgipfel am 22. Oktober werde das Thema in seiner ganzen Breite auf die bundespolitische Agenda gesetzt, erklärte der Bundesvorsitzende Thomas Dörflinger letzte Woche in Berlin. Obwohl Bildungspolitik in erster Linie Sache der Länder sei, dürften bundespolitische Initiativen nicht ausbleiben, so der CDU-Bundestagsabgeordnete weiter. Gerade weil die Bildungschancen der jungen Generation in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich seien,müssten Instrumente einer koordinierten Bildungspolitik gefördert werden. * Caritas-Präsident Peter Neher hingegen bemängelt das Konzept des für den 22. Oktober geplanten Bildungsgipfels. Der Caritas-Präsident äußerte letzte Woche in Frankfurt Zweifel, ob sich bei der Veranstaltung wirklich jene Akteure träfen, die in diesem Bereich etwas zu bewegen hätten. So kämen der gesamte Sozialbereich und insbesondere die Jugendsozialarbeit nicht vor. Der Präsident appellierte an die Politik, ihre Handlungsmöglichkeiten im Bildungswesen nicht durch neue finanzielle Verpflichtungen in anderen Politikfeldern einzuschränken. * Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft liest den Bildungsbericht als Miserables Zeugnis für die Bildungsrepublik Deutschland: ‚Die Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss ist erschreckend hoch. Hauptschüler haben nach wie vor kaum Chancen, einen Platz in Ausbildung und Beruf zu ergattern. Unser gegliedertes Schulsystem erweist sich als Rutschbahn, auf der soziale Auslese ’nach unten‘ bestens funktioniert. Wir müssen endlich die zentralen Probleme unseres Bildungswesen – Bildungsarmut, Pädagogenmangel und die chronische Unterfinanzierung – angehen‘, erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, mit Blick auf die Stellungnahme des Bundeskabinetts zum zweiten nationalen Bildungsbericht. ‚Wenn Kanzlerin Angela Merkels (CDU) Initiative mehr sein soll, als eine PR-trächtige Sommerwanderung mit anschließendem Fototermin auf dem Bildungsgipfel, muss sie in all diesen Bereichen belastbare und verbindliche Vereinbarungen mit den Ländern treffen‘, erklärte Thöne. Er schlägt entschiedene Maßnahmen im Kampf gegen Bildungsarmut vor: ‚Wir können und wollen uns keine ‚verlorene Generation‘ leisten. Wir müssen endlich ein verbrieftes Recht auf Bildung für alle Menschen in unserer Gesellschaft verankern. Der Mittlere Schulabschluss nach Klasse zehn in der ‚Einen Schule für alle Kinder‘ muss künftig Standard- und Qualitätsziel für alle Schülerinnen und Schüler werden‘, sagte Thöne. Das A und O bleibe, dass junge Menschen nach dem Schulabschluss den Sprung in Ausbildung und Beruf schaffen. Dafür müsse das duale System reformiert werden. ‚Wir brauchen eine Ergänzung des dualen Systems: Ausbildungsverbünde, außerbetriebliche Ausbildungsstätten bei Trägern und berufsbildende Schulen müssen gemeinsam ein ausreichendes Angebot an Lehrstellen sichern. Die jungen Menschen wie in der Vergangenheit in Warteschleifen abzuschieben, bedeutet Frustration und ihnen Berufs- und Lebenschancen zu verweigern‘, betonte der GEW-Vorsitzende. “ Die Kernergebnisse des Bildungsberichts entnehmen Sie bitte einer Pressemiteilung der Autorengurppe im Anhang. Die Forderungen der Evangelischen Jugendsozialarbeit entnehmen Sie bitte dem Archiv der Jugendsozialarbeit News vom 30.06.2008.

http://www.aufstieg-durch-bildung.info
http://www.bildungsbericht.de

Quelle: Pressmitteilungen der Bundesregierung, der Integrationsbeauftragten, der GEW, der Grünen Katholische Nachrichtenagentur

Dokumente: Bildungsbericht_Pressemitteilung_2008.pdf

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