Caritias fordert Erhöhung des Kinderregelsatzes und Weiterentwicklung des Kinderzuschlags

TEILHABE VON KINDERN DURCH BEFÄHIGENDE SACHLEISTUNGEN Der Deutsche Caritasverband sieht in der Bekämpfung von Kinderamrmut eine vordringliche Aufgabe. Die Berechnungen des DCV zeigen, dass die Regelsätze deutlich angehoben werden müssen, um bedarfsdeckend zu sein: Für Kinder unter sechs Jahren auf 250 Euro (39 Euro mehr), für Kinder zwischen sechs und 13 Jahren auf 265 Euro (54 Euro mehr) und für Kinder über 13 Jahre auf 302 Euro (21 Euro mehr). Die Regelsätze müssten zudem regelmäßig an die steigende Inflationsrate angepasst werden. Um Kindern aus benachteiligten Familien bessere Chancen zu eröffnen, seien für sie zudem befähigende Sachleistungen wie die Wiedereinführung der Lehrmittelfreiheit in allen Bundesländern, kostenloser Nachhilfeunterricht und die kostenlose Teilnahme in Musik- und Sportvereinen erforderlich. Neher fordert Bund, Länder und Kommunen zu gemeinsamen Anstrengungen auf, damit auch arme Kinder wirkliche Teilhabe- und Bildungschancen erhalten. Auszüge aus dem DCV-Vorschlag zur Bekämpfung der Kinderarmut, der in einer Spezialausgabe der neuen Caritas veröffentlicht wurde: “ * KEIN KIND DARF VERLOREN GEHEN Statemant Prälat Dr. Peter Neher Zu viele Kinder wachsen in Deutschland in Familien auf, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft verdienen können. Arbeitslosigkeit ist hierfür der wichtigste Grund. Aber auch viele Eltern, die regulär einer niedrig bezahlten Arbeit nachgehen, sind auf ergänzendes Arbeitslosengeld II angewiesen oder leben in verdeckter Armut. Diese Familien brauchen eine materielle Existenzsicherung. Aber sie brauchen auch Mittel, ihre Kinder so zu befähigen, dass sie aus der Perspektivlosigkeit herauskommen. Eine Politik der Bekämpfung der Kinderarmut muss sowohl den Kindern helfen, deren Eltern arbeitslos sind, als auch denen, deren Eltern aufgrund einer niedrigen Qualifikation oder einer schlechten örtlichen Arbeitsmarktlage zu wenig verdienen können. Die Caritas hat die Probleme untersucht und Lösungsvorschläge zur Bekämpfung der Kinderarmut erarbeitet. … Eltern, die arbeiten und ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten könnten, dürfen dadurch nicht in das Arbeitslosengeld-II-System abgedrängt werden. Deshalb muss in der Folge der Erhöhung des Kinderregelsatzes der Kinderzuschlag so ausgestaltet sein, dass diese Familien für ihre Kinder existenzsichernde Leistungen erhalten. Hierzu ist der Kinderzuschlag zu erhöhen. Darüber hinaus muss er auch Familien im Niedrigeinkommensbereich und in der unteren Mittelschicht erreichen. Zur Linderung der verdeckten Armut muss es ein Wahlrecht zwischen Kinderzuschlag und Arbeitslosengeld II geben. … Sind Kinder unsere Zukunft? Ja, sie sind es. Aber alle Kinder, bitteschön. Denn keines darf in Deutschland verloren gehen. * EINLEITUNG … Auch wenn eine ausreichende materielle Grundlage nicht alleine angemessene Rahmenbedingungen für das Heranwachsen von Kindern garantieren kann, sind die Entwicklungschancen von Kindern ohne diese materielle Sicherung deutlich eingeschränkt. Trotz der hohen Bedeutung der materiellen Sicherung wird derzeit der Bedarf von Kindern nicht eigens ermittelt. Der Regelsatz von Kindern wird mit einem willkürlich festgesetzten Prozentwert aus dem Regelsatz alleinstehender Erwachsener abgeleitet. Dies wird dem spezifischen Bedarf der Kinder und ihrer Familien nicht gerecht. Der Deutsche Caritasverband unterbreitet hiermit einen Vorschlag, wie ein eigenständiger Regelsatz für Kinder bestimmt werden kann. … Es ist allgemeiner gesellschaftlicher Konsens, dass Eltern, die ohne Kinder ihren Lebensunterhalt verdienen könnten, nicht allein deshalb in die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) verwiesen werden sollen, weil ihr Einkommen für den Unterhalt ihrer Kinder nicht ausreicht. Deshalb muss den Kindern dieser Eltern eine Existenzsicherung außerhalb des SGB II ermöglicht werden. Der Staat versucht dies derzeit durch einen Kinderzuschlag für gering verdienende Familien und das Wohngeld. Diese Instrumente sind im Prinzip sinnvoll. Die vorliegende Untersuchung zeigt jedoch, dass die derzeitige Gesetzeslage Brüche und Widersprüche in den Einkommensverläufen der Familien erzeugt auch belässt das Instrument in seiner heutigen Ausgestaltung Familien in der verdeckten Armut. Der Vorschlag des DCV für eine Modifizierung des Kinderzuschlags zielt darauf ab, in Kombination mit dem Wohngeld verdeckte Armut von Familien zu lindern. Außerdem wird in dem Vorschlag eine einkommensabhängige und eigenständige Kindergrundsicherung für Familien außerhalb des SGB II entwickelt. Sie verhindert nicht nur, dass Familien wegen der Bedarfe ihrer Kinder auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende angewiesen sind, sondern unterstützt darüber hinaus Familien im Niedrigeinkommensbereich und sogar bis in die untere Mittelschicht. … Schließlich legt der DCV aufgrund der Erfahrungen aus der Befähigungsinitiative einen Vorschlag vor, wie benachteiligte Kinder befähigt werden können, ihre eigenen Lebenschancen zu entdecken und ihre Potenziale zu entfalten. Unter dem Leitwort der „befähigenden Sachleistungen“ schlägt er für Kinder unter anderem vor: ein Schulmittagessen für einen Euro, ein Starterpaket für den Schulanfang, Lehrmittelfreiheit, Zuschüsse zu Lernmitteln zu Beginn des Schuljahres, kostenloser Nachhilfe-, Musik- und Sportunterricht, freie Vereinsbeiträge und schließlich das, was es früher schon einmal gab: die kostenlosen Schwimmbadkarten für arme Familien. Zusammen mit einer kostenlosen Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs im notwendigen Umfang müssen Kinder aus armen Familien dann nicht mehr außen vor bleiben. Man muss ehrlich einräumen, dass es arme Kinder und Jugendliche geben wird, die nicht oder nur in geringem Maße von der hier vorgeschlagenen Verbesserung der materiellen Situation ihrer Familien profitieren werden, weil ihre Eltern ihrer Erziehungsverantwortung nicht nachkommen können, weil eine Suchterkrankung die Familienkasse belastet oder weil ausreichende Kompetenzen im Umgang mit knappen Ressourcen fehlen. Selbst befähigende Sachleistungen mögen wenig wirken, weil unter diesen besonders belasteten Bedingungen die Ermutigung fehlt, auch kostenfreie Angebote von Musik- oder Sportvereinen zu nutzen. Es ist aber unangemessen, deswegen die ausreichende materielle Ausstattung armer Familien für zweitrangig zu erklären. Damit würde man nicht den vielen Paaren und Alleinerziehenden gerecht, die auch unter belasteten Bedingungen wie einer lang andauernden Arbeitslosigkeit ihren Kindern gute Startchancen geben wollen. Die Befähigung von Kindern braucht auch angemessene materielle Bedingungen. Kindern und Jugendlichen aus besonders belasteten Verhältnissen und ihren Familien muss auf zusätzliche Weise geholfen werden. … * DER NEUE KINDERREGELSATZ Nach Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ist der deutsche Staat verpflichtet, Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu schaffen. Dieses hat erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu erfolgen. Es reicht nicht, wenn der Staat allein für die zum Überleben notwendige Nahrung, Kleidung und Unterkunft sorgt, sondern er muss vielmehr das sogenannte soziokulturelle Existenzminimum sichern. Dazu gehört zusätzlich zur materiellen Existenzsicherung die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dies nur dann erfüllt, wenn die Hilfebedürftigen in der Umgebung von Nicht-Hilfeempfängern ähnlich wie diese leben können. Soweit sie gegenüber Beziehern niedriger Einkommen benachteiligt sind, müssen sie die Möglichkeit haben, dies durch Sparsamkeit auszugleichen die Schlechterstellung darf nicht zu Ausgrenzung führen. Eine solche Ausgrenzung liegt aber zum Beispiel vor, wenn ein von Sozialhilfe oder Sozialgeld lebendes Kind aus finanziellen Gründen keine Schultüte bekommt, nicht an einer Klassenfahrt teilnehmen kann oder wenn jemand zu Weihnachten nur Geschenke erhält, aber eigene Geschenke nicht finanzieren kann. … Erste Abschätzungen einer Neubemessung des Kinderregelsatzes Der DCV hat in einer ersten Abschätzung die Kinderregelsätze nach diesem Vorgehen neu bemessen. Die Untersuchung wird im Folgenden in einzelnen Schritten vorgestellt. Die grundlegenden Berechnungen wurden vom Statistischen Bundesamt nach einem im Auftrag des DCV erarbeiteten Konzept von Irene Becker durchgeführt. 1. Regelsätze am Konsum von Kindern ausgerichtet Die Ableitung der Kinderregelsätze vom Konsum eines Alleinstehenden ist aus mehreren Gründen problematisch. Deswegen werden die tatsächlichen Konsumausgaben von Kindern aus Familien unterer Einkommensgruppen ermittelt, um so einen eigenständigen Kinderregelsatz zu berechnen. Dabei ist die Vorgehensweise methodisch dieselbe wie bei der Bemessung des Eckregelsatzes eines Alleinstehenden… Als Referenzgruppe dienen die unteren 20 Prozent der nach ihrem Einkommen geschichteten Ein-Kind-Familien ohne Sozialhilfeempfänger. Deren Konsumausgaben werden ermittelt und nach einem wissenschaftlich untermauerten Schlüssel auf Eltern und Kinder verteilt. Damit erhält man die Elternkonsumausgaben und die Kinderkonsumausgaben der Familien. Die Ausgaben, die nicht zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinne des soziokulturellen Existenzminimums zählen, werden herausgerechnet. Auf die Konsumausgaben werden dazu dieselben Abschläge erhoben, die schon im Verfahren der Regelsatzbemessung für den Alleinstehenden verwendet wurden. Diese Abschläge müssen allerdings bei einer endgültigen Berechnung überprüft werden. Sie könnten zu hoch sein, wenn Familien mehr Geld für Dinge verwenden, die zum Lebensunterhalt im Sinne des soziokulturellen Existenzminimums gehören, als Alleinstehende. … 2. Verdeckt Arme aus der Berechnung herausgenommen Damit die verdeckt armen Familien – das sind Familien, die eigentlich hilfebedürftig sind, aber keine Sozialleistungen in Anspruch nehmen – nicht in der Referenzgruppe bleiben, wurden sie herausgenommen. Dies entspricht dem Vorgehen bei den Sozialhilfeempfängern. Verdeckte Armut wurde dabei nach einer Schätzung von Irene Becker pauschal bei einem Einkommen unterhalb von zwei Dritteln der Quintilsgrenze angenommen. Bei einer endgültigen Berechnung müsste man die Haushaltseinkommen mit den entsprechenden Arbeitslosengeld-II-Sätzen der Familien vergleichen, um die verdeckte Armut genau abzugrenzen. 3. Abschläge für Kinder bei Bildungsausgaben verändert Es wurde keine normative Neubewertung der Abschläge auf die Ausgaben für Kinder vorgenommen. Dies würde eine gesamtgesellschaftliche, auch sozialethisch fundierte Diskussion voraussetzen. Eine Ausnahme wurde allerdings bei den Ausgaben für Bildung gemacht. Bildungsausgaben werden derzeit bei der Regelsatzbemessung nicht berücksichtigt. Da der DCV Bildung und Befähigung als zentral für die Überwindung von Armut ansieht, wurden die Bildungsausgaben der Vergleichsfamilien in voller Höhe, das heißt zu 100 Prozent, in die Berechnung der Kinderkonsumausgaben einbezogen. Allerdings muss man dabei betonen, dass die Bildungsausgaben der Vergleichsfamilien im Durchschnitt nur 19 Euro betrugen. 4. Willkürliche Prozentsätze abgeschafft Der eigenständige Kinderregelsatz macht die willkürlichen Abschläge vom Eckregelsatz obsolet. 5. Neue Altersklassen eingeführt Die Konsumausgaben der Kinder von Ein-Kind-Familien wurden in drei unterschiedlichen Altersgruppen ermittelt: 0- bis 5-Jährige, 6- bis 13-Jährige, 14- bis 17-Jährige. Durch einen Vergleich kann die Altersgruppenaufteilung beim derzeitigen Kinderregelsatz (Kinder unter und über 14 Jahren) überprüft werden. 6. Regelsätze an Inflation angepasst Um die Preissteigerungen seit Erhebung der Konsumausgaben im Jahr 2003 zu berücksichtigen, wurden die Konsumausgaben um die Inflation korrigiert. Dabei wurde die Inflation anhand des Verbraucherpreisindexes geschätzt (7,2 Prozent von 2003 bis 2007). Bei der endgültigen Berechnung müsste man – wie auch von der BAGFW gefordert – die Inflation über einen regelsatzspezifischen Preisindex ermitteln, da im Regelsatz einige Güter gar nicht und andere überproportional repräsentiert sind. 7. Verkehrsausgaben als Sachleistung gefordert Um die Fehleinschätzung der Verkehrsausgaben zu beheben, fordert der Deutsche Caritasverband für Kinder aus armen Familien die kostenlose Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs im notwendigen Umfang. Ergebnisse der Abschäzung und Kosten Die Untersuchung ergab, dass die heutigen Kinderregelsätze deutlich unter den abgeschätzten eigenständigen Kinderregelsätzen liegen: Bei einem Kind von null bis fünf Jahren lag der geschätzte eigenständige Kinderregelsatz 39 Euro über dem derzeitigen Regelsatz, bei einem Kind von sechs bis 13 Jahren sogar 54 Euro und bei einem Kind von 14 bis 17 Jahren 21 Euro über dem Regelsatz. Das bedeutet, dass ein Kind derzeit als Regelsatz deutlich weniger Geld bekommt, als es erhalten würde, wenn man ihm einen eigenen Regelsatz nach dem gleichen Verfahren wie für Erwachsene berechnete. Legt man unsere Abschätzungen zugrunde, muss der Kinderregelsatz deutlich erhöht werden. Danach würden sich folgende eigenständige Kinderregelsätze ergeben: * 0- bis 5-Jährige: 250 Euro (Regelsatzerhöhung um 39 Euro) * 6- bis 13-Jährige: 265 Euro (Regelsatzerhöhung um 54 Euro) * 14- bis 17-Jährige: 302 Euro (Regelsatzerhöhung um 21 Euro) … Die Erhöhung der Regelsätze führt nicht zu einer „übermäßigen“ Förderung. Das veranschaulicht der Vergleich mit den Konsumausgaben der Vergleichsfamilien ohne Abschläge. Hier werden die Gesamtausgaben der Vergleichsfamilien (die unteren 20 Prozent der nach dem Einkommen geschichteten Familien ohne Sozialhilfeempfänger und verdeckt Arme) den Regelsätzen gegenübergestellt. Dabei wird angenommen, dass die Eltern ihren derzeitigen Regelsatz bekommen und die Kinder den geschätzten eigenständigen Kinderregelsatz: Den Eltern wird also der derzeitige Regelsatz gezahlt (für beide Elternteile zusammen 632 Euro). Den Kindern werden die geschätzten eigenständigen Regelsätze zugestanden (je nach Alter des Kindes 250, 265 oder 302 Euro). Man erkennt, dass die Gesamtausgaben der Vergleichsfamilien für Konsum zwischen 446 und 563 Euro über den Regelsätzen für die Gesamtfamilie liegen … Kosten Eine Regelsatzerhöhung in dem oben beschriebenen Ausmaß würde geschätzt folgende Kosten mit sich bringen: – Direkte Kosten der Regelsatzerhöhung: Wenn man die Kinderregelsätze in der oben beschriebenen Weise erhöht, kostet das circa 1,2 Milliarden Euro jährlich. Der Berechnung liegt Folgendes zugrunde: Derzeit empfangen circa 2,2 Millionen Kinder Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der Regelsatz für Kinder wird im gewichteten Mittel um circa 46 Euro erhöht. Auf das Jahr gerechnet ergeben sich daraus Kosten in Höhe von circa 1,2 Milliarden Euro. – Indirekte Kosten der Regelsatzerhöhung: 1. Erhöhung des Kinderzuschlags Der Kinderzuschlag muss in Folge der Regelsatzerhöhung erhöht werden. Der Kinderzuschlag soll die Hilfebedürftigkeit der Familie vermeiden, wenn die Eltern allein nicht hilfebedürftig sind. Er soll also – vereinfacht gesagt – zusammen mit Kinder- und Wohngeld die Bedarfe der Kinder decken. Wenn der Kinderregelsatz steigt, muss auch der Kinderzuschlag angepasst werden, um zu gewährleisten, dass Hilfebedürftigkeit von Familien vermieden wird. … 2. Erhöhung des sächlichen Existenzminimums und damit des Steuerfreibetrags für Kinder Das sächliche Existenzminimum wird neben den Wohn- und Heizkosten über die gewichteten Kinderregelsätze bestimmt … Wenn man die Kinderregelsätze nach unseren Abschätzungen erhöht, ergibt sich ein Anstieg des sächlichen Existenzminimums um 552 Euro pro Jahr (46 Euro pro Monat). Zusammen mit dem Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (2160 Euro) ist die Summe der steuerlichen Freibeträge neu 6360 Euro pro Jahr (530 Euro im Monat). Legt man den Spitzensteuersatz zugrunde, ist die maximale steuerliche Entlastungswirkung circa 223 Euro gegenüber 203 Euro vorher. Die steuerliche Entlastung steigt also (maximal) um 20 Euro pro Monat (240 Euro pro Jahr). 2008 haben rund 3,2 Millionen Kinder über die Kindergeldzahlung hinaus vom steuerlichen Freibetrag profitiert. Bei diesen Kindern war die Inanspruchnahme des Freibetrags günstiger als der Bezug des Kindergelds. Legt man diese Zahl der Kinder zugrunde, würde die Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums circa 770 Millionen Euro jährlich kosten. Mit einer Erhöhung des Kinderexistenzminimums ist auch eine steuerliche Entlastung höherer Einkommen verbunden, da das Existenzminimum verfassungsrechtlich nicht der Besteuerung unterworfen werden darf. … * STÄRKUNG DER TEILHABECHANCEN VON KINDERN DURCH BEFÄHIGENDE SACHLIESTUNGEN Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden nicht nur materiell. Die Zukunftschancen von Benachteiligten werden auch durch ungenügende Förderung und mangelnde Bildungschancen eingeschränkt. Gravierend ist folgende Beobachtung: Der Anteil der Personen, die im Alter von 25 bis 30 Jahren keinen Berufs- oder Hochschulabschluss haben und sich nicht in Ausbildung befinden, ist von 12,7 Prozent im Jahr 1996 auf 17,0 Prozent im Jahr 2006 gestiegen. Im Alter von 35 Jahren schließlich bleiben 15 Prozent der Bevölkerung dauerhaft ohne abgeschlossene berufliche Ausbildung. Wenn über die Bekämpfung der Kinderarmut nachgedacht wird, müssen sowohl materielle als auch befähigende Gesichtspunkte beachtet werden. … Alle Hilfen müssen darauf ausgerichtet sein, Kinder und Jugendliche zu befähigen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Entscheidend ist, dass stets der Befähigungsansatz im Mittelpunkt steht. Es geht zum Beispiel bei der Forderung nach einem Schulmittagessen für Benachteiligte nicht nur darum, dass die Kinder einmal am Tag eine warme Mahlzeit bekommen. Vielmehr sind bei allen Hilfen auch die eigene Aktivität und die Potenziale der Kinder und Jugendlichen zu fördern. Das heißt, dass die Jugendlichen im schulischen Rahmen selbst mitkochen, Kenntnisse über Nahrungsmittel erwerben und die Zubereitung lernen. Auch bei der Forderung, Nachhilfeunterricht anzubieten für Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen mit schlechten Schulleistungen, sollte zuerst überlegt werden, wie Jugendliche selbst, zum Beispiel ältere Schüler diese Aufgabe übernehmen können. Zum derzeitigen Stand der Sachleistungen Zur Gewährleistung ihrer sozialen Teilhabe werden den Kindern im SGB II und SGB XII über den Regelsatz hinaus einmalige Leistungen (§ 31 SGB XII, § 23 Abs. 3 SGB II) im Wesentlichen nur für die Erstausstattung bei der Geburt und für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen gewährt. … Die Leistungen erfolgen durch Kostenübernahme beziehungsweise Gewährung von pauschalen Geldbeträgen. Weitere Leistungen sehen SGB II und SGB XII nicht vor. Freiwillige Sachleistungen von Kommunen für bedürftige Familien (zum Beispiel Schwimmbadkarten, Ermäßigungen im öffentlichen Nahverkehr etc.) sind in den letzten Jahren in vielen Städten eingeschränkt worden. … Im Hinblick auf Schulbücher und schulbuchersetzende Medien besteht in den meisten Ländern faktisch keine Lehrmittelfreiheit mehr. … Sogar Empfänger von SGB-II-Leistungen müssen teilweise die Eigenanteile selbst zahlen. Kritik an der derzeitigen Praxis … Angebote im Bereich Bildung, Kultur und Freizeit sind überwiegend nicht kostenfrei zugänglich. Vereinsbeiträge, Kursgebühren, Kosten für Nachhilfeunterricht etc. müssen aus der Pauschale des Regelsatzes finanziert werden. Wie hoch der dafür vorgesehene Betrag in den aktuellen Kinderregelsätzen ausfällt, lässt sich wegen ihrer pauschalen Ableitung vom Eckregelsatz eines alleinstehenden Erwachsenen nicht konkret bestimmen. … Forderungen nach befähigenden Sachleistungen … Der Deutsche Caritasverband hält es daher für erforderlich, dass Bund, Länder und Kommunen befähigende Sachleistungen kostenfrei für Kinder in einkommensschwachen Familien bereitstellen. – Kinder müssen Lehr- und Lernmittel haben Dazu gehört im Bereich Bildung die Wiedereinführung der Lehrmittelfreiheit in allen Bundesländern, zumindest für alle Kinder aus Familien mit geringen Einkommen. Um Anschaffungen von Lernmitteln zu Schuljahresanfang bundesweit zu unterstützen, sollten im SGB II und SGB XII eine Beihilfe zum Schulanfang sowie zum Schuljahresbeginn als einmalige Leistung eingeführt werden. – Soziale Teilhabe und Gesundheit im schulischen Umfeld Wichtig ist darüber hinaus, dass Kinder und Jugendliche auch im schulischen Umfeld sozial eingebunden sind. Es ist nicht tragbar, dass sie aus finanziellen Gründen bei eintägigen Schulausflügen nicht teilnehmen können. Dies könnte sowohl über das SGB II als auch als Sachleistung über die Kommune finanziert werden. Notwendig ist, dass für alle Schüler in Ganztagsschulen kostengünstig ein Mittagessen bereitgestellt wird. Empfohlen wird ein Preis von einem Euro. – Ausbau der Gesundheitsprävention für Kinder und Jugendliche Angesichts der Tatsache, dass die Herkunft aus sozial benachteiligten Familien ein Gesundheitsrisiko für Kinder und Jugendliche darstellt, ist eine früh einsetzende zielgruppenspezifische Prävention zwingend notwendig. Entsprechend müssen die Angebote für die Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere für diese Gruppe ausgebaut werden. Es muss gewährleistet sein, dass gezielte Leistungen der Gesundheitsförderung zum Beispiel in Kindertagesstätten und Schulen angeboten werden und für Kinder aus Familien mit Transferbezug und niedrigem Einkommen kostenfrei sind. – Individuelle Förderung auch für einkommensschwache Schüler Nachhilfe 5,5 Prozent der 14- bis 17-Jährigen aus dem untersten Einkommensquintil nehmen Nachhilfeunterricht gegenüber 20,3 Prozent aus dem obersten Quintil. Es ist nicht sinnvoll, im Regelsatz einen geringen Betrag für Nachhilfeunterricht einzustellen, der im Bedarfsfall nicht reicht. Demgegenüber ist es angebracht, Nachhilfe als Sachleistung für diejenigen bereitzustellen, die sie brauchen. Ein geeigneter Ort dafür ist die Schule, möglicherweise auch im Rahmen eines befähigenden Schulkonzepts. … “ Das neue caritas Spezial Kinderarmut ist kostenlos erhältlich bei: zeitschriftenvertrieb@caritas.de

http://www.caritas.de
http://www.caritas.de/kinderarmut
http://www.neue-caritas.de/

Quelle: Deutscher Caritasverband

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