Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft

WEGE IN DIE VATERSCHAFT Die vom Deutschen Jugendinstitut München im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführte Studie untersucht die Vorstellungen junger Männer von Vaterschaft in Zusammenhang mit ihren Lebenskonstellationen in den Phasen vor bzw. kurz nach Eintritt einer Vaterschaft. Ziel der Studie war es, die Perspektive junger Männer, die noch keine Väter sind sowie die Sicht junger Väter auf Vaterschaft zu erfassen. Dabei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Wann denken junge Männer ist der richtige Zeitpunkt, Vater zu werden? Welche Rollenorientierungen haben sie? Wie stellen sie sich Vaterschaft vor? Welche Barrieren sehen sie auf dem Weg in die Vaterschaft? Welche familienpolitischen Maßnahmen wünschen sie sich, um Elternschaft und Beruf zu vereinbaren? Veränderte Geschlechter- und Rollenverhältnisse sowie höhere Ansprüche an den Partner und die Kindererziehung rücken Männer und Väter zunehmend ins Rampenlicht. Zwar ist heute viel von den ’neuen Vätern‘ die Rede, doch fehlt es nach wie vor an institutionellen Arrangements und an attraktiven, neuen, gesellschaftlich geteilten Väterbildern. Die Studie untersuchte querschnittlich vergleichend verschiedene Stadien auf dem Weg in eine potenzielle Vaterschaft. Die Grundgesamtheit der Studie sind männliche Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 15 und 42 Jahren. Zwischen Oktober 2007 bis Februar 2008 wurden deutschlandweit 1.803 Männer mittels computerunterstützen Telefoninterviews befragt. Kernergebnisse der Studie von Claudia Zerle, Isabelle Krok: “ 1. DER KINDERWUNSCH UND SEINE REALISIERUNGSBEDINGUNGEN * Zwischen 25 und 30 Jahren – das optimale Alter für eine erste Vaterschaft Mehr als neun von zehn der (noch) kinderlosen jungen Männer sagen ja zu Kindern (92,7%). Das optimale Alter für eine Vaterschaft beginnt für die meisten befragten jungen Männer mit 25 Jahren. … Im Schnitt werden Männer heute später, nämlich mit etwa 29 Jahren zum ersten Mal Vater. Dies ist weniger auf mangelnde Motivation oder fehlende Wünsche als vielmehr auf ungünstige Rahmenbedingungen zurückzuführen, welche die Umsetzung des Kinderwunsches erschweren. … * Eine Familie ernähren zu können ist die wichtigste Voraussetzung für Vaterschaft Bei der Entscheidung für ein erstes Kind ist die finanzielle Sicherheit in den Augen der befragten jungen Männer essenziell. … Für nahezu zwei Drittel (57,2%) soll das erste Kind frühestens dann kommen, wenn sie selbst in der Lage sind, eine Familie ernähren zu können. Der Beruf steht damit in engem Zusammenhang und rangiert direkt danach an zweiter Stelle: Etwa ein Drittel der jungen Männer (35,6%) sagt, dass sie erst dann zum ersten Mal Vater werden möchten, wenn sie sich beruflich etabliert haben. Die wenigsten (2,1%) sind der Meinung, dass ein Kind während … der Ausbildung günstig sei. … Konkret wird der Wunsch nach Kindern jedoch erst, wenn junge Männer sich in einer stabilen Partnerschaft befinden. Für 66% der Befragten ist eine solche „sehr wichtig“, wenn es darum geht, Vater zu werden. * Die Herkunftsfamilie prägt: Aufwachsen mit beiden Eltern und mit Geschwistern begünstigt den Wunsch nach einer größeren Familie … Sind die Befragten bis zu ihrem 15. Lebensjahr nicht mit beiden leiblichen Eltern aufgewachsen, so wünschen sie sich weniger Kinder. Im Gegenzug wünschen sich junge Männer, die mit beiden Eltern aufgewachsen sind, häufiger eine Familie mit drei und mehr Kindern. … Dies gilt auch für das Aufwachsen mit Geschwistern sowie für den Kontakt zu Kindern im Alltag. Befragte, die in größeren Familien aufgewachsen sind, können sich häufiger vorstellen, später auch eine eigene größere Familie zu haben. … Insbesondere nach dem Auszug aus dem Elternhaus sowie in der Phase der beruflichen Etablierung, spielen Kinder im Alltag junger Männer eine nachrangige Rolle. Dies ist erst wieder der Fall, wenn sie eine feste Partnerschaft eingehen und Familiengründung auch im sozialen Umfeld zum Thema wird. 2. VORSTELLUNGEN VON VATERSCHAFT * Junge Männer verstehen sich als „moderne Ernährer“ Junge Männer sehen sich heute zwar noch immer als Ernährer der Familie, wollen sich aber zugleich auch in der Betreuung der Kinder engagieren. … Fast alle Befragten betrachten es als ihre (spätere) Aufgabe als Vater, der „Familie ein Heim zu bieten“ und den „Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen“. Zum Vatersein gehört für die jungen Männer auch, sich um einen „sicheren Arbeitsplatz und ein sicheres Einkommen zu kümmern“ und „für genügend und warme Kleidung des Kindes zu sorgen“. … Dies spiegelt sich auch in den Geschlechtsrollenorientierungen der Befragten wieder: 42%. von ihnen sind traditionell eingestellt. Der höchste Anteil an Traditionalisten findet sich unter den jüngsten Befragten sowie unter den Vätern. Neben der Schaffung einer finanziellen Grundlage für eine Familie, sehen es nahezu alle jungen Männer aber genauso als ihre Aufgabe an – und das ist neu – sich (später) „Zeit für das Kind zu nehmen“ und sich „in der Betreuung zu engagieren“. … 3. BARRIEREN EINER VATERSCHAFT Für fast vierzig Prozent der befragten Männer zwischen 15 und 42 Jahren wäre eine Vaterschaft zum Befragungszeitpunkt „sehr unangenehm“ oder sogar „eine Katastrophe“. Je nach Lebenssituation zeigen sich dabei Unterschiede in der Einschätzung. … Mehr als die Hälfte der jungen Männer befürchten, dass sich durch eine Schwangerschaft ihrer jetzigen Partnerin deren Beschäftigungschancen verschlechtern würden. Auswirkungen auf die eigenen Beschäftigungschancen erwartet hingegen nur etwa ein Viertel der Befragten – ein Indiz dafür, dass für die Meisten Kinderbetreuung nach wie vor in der Zuständigkeit der Partnerin liegt und nur wenig konkreten Einfluss auf ihre eigene berufliche Entwicklung hat. … Veränderungen im eigenen Lebensplan spielen für die jungen Männer auch eine Rolle. So denkt fast die Hälfte der jungen Männer, dass sich durch ein Kind „die Möglichkeit, zu tun, was sie wollen“, verschlechtern würde. Gleichzeitig bedeuten Kinder aber auch Freude: Für mehr als die Hälfte der Befragten würde ein Kind in den nächsten drei Jahren eine „Verbesserung der Lebensfreude und –zufriedenheit“ bedeuten. … * Für junge Männer in Ausbildung ist ein Kind überwiegend undenkbar Der Ausbildungs- oder Erwerbsstatus der Männer stellt einen bedeutsamen Faktor dafür dar, ob ein Kind für die jungen Männer zum momentanen Zeitpunkt in Frage käme oder nicht: Zwei Drittel der Befragten in Schule oder Ausbildung sind noch nicht bereit für ein Kind, während die erwerbstätigen, aber auch die erwerbslosen Männer, sich ein Kind zum aktuellen Zeitpunkt deutlicher vorstellen können. … 4. DIE VEREINBARKEIT VON FAMILIE UND BERUF * Auch Männer wollen Beruf und Familie unter einen Hut bekommen Die Vereinbarkeit von Familie, Privatinteressen und Beruf wird auch für Männer zum Problem, insbesondere wenn sie sich in der Betreuung ihrer Kinder engagieren wollen: 37,7% der befragten Väter geben an, „es im Berufsleben aufgrund ihrer Familienverpflichtungen schwerer zu haben“, und mehr als die Hälfte der Befragten berichtet, „an ihrem Arbeitsplatz gäbe es kein ausreichendes Angebot zur Unterstützung berufstätiger Eltern bei der Kinderbetreuung“. … * Männer mit geringerem Bildungsabschluss zeigen sich eher bereit, den Beruf zurückzustellen und sich Zeit für ihr Kind zu nehmen Vor allem für höher qualifizierte Männer ergibt sich ein Interessenkonflikt zwischen Beruf und Kindern: Je höher der Bildungsabschluss und das berufliche Engagement der Männer ist, desto größer ist die Sorge um Karriereverlust und Nachteile im Beruf. Dabei zeigt sich ein signifikanter Unterschied zwischen den Männern mit höherem und derjenigen mit niedrigerem Bildungsabschluss in Bezug auf die Vorstellung, was zu den Aufgaben eines Vaters gehört. Die jungen Männer mit niedriger qualifizierten Schulabschlüssen wollen sich häufiger in den „Versorgungs-Aufgaben“, aber auch in den „Betreuungs-Aufgaben“ engagieren als die Höherqualifizierten. Zu vermuten ist, dass für Männer mit weniger qualifizierten Schulabschlüssen der Beruf eine andere Rolle einnimmt als bei Höhergebildeten. Sie betrachten ihn eventuell eher als Mittel zur Versorgung ihrer Familie und weniger als Ort der Anerkennung und als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung. Als Konsequenz zeigen sie sich dann häufiger bereit, sich Zeit für die Familie zu nehmen. Betrachtet man Väter und Nicht-Väter getrennt, so zeigt sich, dass sich die tatsächlichen Väter mit höherem Schulabschluss weit weniger als reale Versorger engagieren, als es sich die höher gebildeten potenziellen Väter für später einmal vornehmen. … 5. WÜNSCHE DER MÄNNER AN POLITIK UND ARBEITGEBER * Männer möchten vor allem mehr Zeit mit der Familie Die befragten (jungen) Männer wünschen sich von der Politik und am Arbeitsplatz Maßnahmen, die ihnen mehr Zeit mit der Familie ermöglichen und eine aktive Vaterschaft zulassen. … Nicht-Väter erwarten sich neben den familienfreundlicheren Arbeitszeiten vor allem auch Steuererleichterungen. Mehr „Teilzeitarbeitsplätze“ für Väter sind auch den unter 23-Jährigen potenziellen Vätern ein Anliegen, „betriebliche Kinderbetreuung“ ist wiederum den über 24-Jährigen Kinderlosen wichtiger. … Vor allem sind es die realen Väter, die sich von der Väterpolitik „familienfreundlichere Arbeitszeiten für Mütter und Väter“ sowie mehr „Teilzeitarbeitsplätze“ wünschen. …“ Die Studie gibt Impulse zur Gestaltung der Lebensbedingungen für junge Männer und potenielle Väter: Damit Kinder ein selbstverständlicher Teil des Alltags von Jungen und Männern werden können, müssen Lernfelder geschaffen werden, die einen eigenständigen ‚männlichen‘ Umgang mit Kindern ermöglichen. Es gilt auch schon Bildungs- und Ausbildungsphasen eltern- und damit auch väterfreundlicher zu gestalten. Das trüge dazu bei, Vaterschaft und Ausbildung besser vereinbaren zu können. Vaterschaft im frühen Erwachsenenalter könnte durch eine familienfreundliche Ausbildungszeit strukturell wie ideell ’normal‘ werden. Zum Gelingen einer Vaterschaft im frühen Erwachsenenalter ist die Vermittlung neuer, kinderorientierter Rollenbilder für junge Männer unerläßlich. Diese neuen männlichen Rollenbilder sollten schon früh eine Sensibilität für Kinder und egalitäre Partnersschaften einbeziehen. Insbesondere sollte auch die ‚Entlastung‘ der Männer von der finanziellen Alleinverantwortung, bedingt durch die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen, vermittelt werden. Damit junge Männer ihren Kinderwunsch realisieren können, bedürfen sie Unterstützung, um möglichst früh auf eigenen Beinen zu stehen. Junge Männer sehen finanzielle Unabhängigkeit sowie eine eigene Wohnung als entscheidende Voraussetzung für eine Familiengründung an. Allerdings sind sie in der Regel zu lange vom eigenen Elternhaus abhängig. Nun ist es Aufgabe der Politik die Rahmenbedingungen für mehr Möglichkeiten und mehr Zeit für Familie zu schaffen. Eine familien- insbesondere väterfreundliche Infrastruktur muss geschaffen werden, um Vaterschaften für junge Männer zu realisieren. In Betrieben und Unternehmen, sprich bei Arbeitgebern, geht es darum, nicht mehr ‚vorgefertigte‘ felxible Arbeitszeiten anzubieten, sondern eine väterfreundliche Unternehmenskultur zu etablieren. Dazu gehört auch, dass ‚aktive Väter‘ im Berufsleben nicht ausgegrenzt, sondern unterstützt werden. Idealerweise leben Vorgesetzte die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor. Insgesamt gesehen ist eine differenzierte Väterpolitik nötig, die die vielfältigen Bedürfnisse der Männer vor dem Hintergrund regionaler Besonderheiten, unterschiedlicher Bildungsniveaus sowie sozialer Milieus berücksichtigt. Die Studie wurde als Buch bei Verlag der Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht und ist über aufgeführten Link zu beziehen: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Null Bock auf Familie? Der schwierige Weg junger Männer in die Vaterschaft 1. Auflage 2008, 174 Seiten Broschur ISBN 978-3-89204-990-6 20,00 EUR Zzgl. Versandkosten Folien der Buchpräsentation sind dem Anhang zu entnehmen.

http://www.dji.de
http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-0A000F0A-D2F33782/bst/hs.xsl/publikationen_90715.htm

Quelle: Deutsches Jugendinstitut (DJI) und Bertelsmann Stiftung

Dokumente: news0811_1_vaeter_folien.pdf

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