GERINGQUALIFIZIERTE AM ARBEITSMARKT Menschen mit schlechten Bildungsvoraussetzungen haben große Probleme auf dem Ausbildungs- bzw. Arbeitsmarkt bzw. ein überdurchschnittlich hohes Arbeitslosigkeits- und Armutsrisiko. Die Problematik wird durch die sich stetig und in immer geringeren Zeitabständen wandelnden und steigenden Anforderungen an Arbeitnehmer – auch im Bereich Einfach- und Anlernarbeitsplätze – verschärft. Die Beschäftigungssituation Geringqualifizierter verdeutlicht den Handlungsbedarf, der hinsichtlich einer verstärkten Qualifizierung dieser Zielgruppe besteht: So gingen im Jahr 2004 zwar ca. 3 Mio. Personen ohne Berufsabschluss einer beruflichen Tätigkeit nach, jedoch waren auch knapp 1,5 Mio. Geringqualifizierte bundesweit ohne Arbeit und stellten damit knapp 35 % aller Arbeitslosen. Eine bedarfsgerechte Qualifizierung ist daher von zentraler arbeitsmarktpolitischer Bedeutung. Im Rahmen des seit 2006 am Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) laufenden und vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie geförderten Projekts „Best Practice in der Qualifizierung An- und Ungelernter“ wurden im Rahmen einer explorativen Studie in der Metropolregion Nürnberg aktuelle betriebliche Bedarfe und zukünftige Qualifikationsanforderungen an An- und Ungelernte erhoben. Ziel war es, Qualifizierungsfelder bzw. -konzepte für An- und Ungelernte zu identifizieren, die den Bedarfslagen der Betriebe entsprechen, um darauf aufbauend entsprechende Best-Practice-Beispiele zu identifizieren und systematisch aufzubereiten. Dazu wurden im zweiten Halbjahr 2006 Stellenanzeigen und Interviews mit Personalverantwortlichen von Unternehmen der Metropolregion Nürnberg ausgewertet. Auszüge aus einem Bericht zur Analyse zu betrieblichen Bedarfen und künftigen Qualifikationsanforderungen von Armin Jäger und Matthias Kohl (aus Berufs- und Wirtschaftspädagogik online): “ AKTUELLE BETRIEBLICHE BEDARFE UND ZUKÜNFTIGE QUALIFIKATIONSANFORDERUNGEN AN AN- UND UNGELERNTE Für die im ersten Schritt der Bedarfsanalyse vorgesehene Auswertung von Stellenangeboten wurden Daten aus zwei Quellen genutzt: Zum einen wurden 474 zwischen Juni und August 2006 in Nürnberger Zeitungen erschienene Stellen analysiert, die sich auf 13 Berufsfelder im Bereich der Geringqualifizierten verteilen. Die Auswahl dieser Stellenangebote erfolgte dabei nicht anhand spezifischer Berufsgruppen, sondern einziges Kriterium war, dass sie sich an Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung richten. So wurde eine branchenübergreifende Sammlung an Stellenangeboten für An-/Ungelernte gewährleistet. Zum anderen wurden Ende August 117 Stellenangebote für ausgewählte Berufe in drei Berufsfeldern aus dem Online-Angebot der BA gefiltert, um diese einer detaillierteren Analyse zu unterziehen. Hierzu wurden aus den Berufsfeldern • Ernährungsberufe, • Verkehrs- und Lagerberufe sowie • Friseure, Gästebetreuer, Hauswirtschafter, Reiniger die für die Zielgruppe der An- und Ungelernten interessanten Stellenangebote als Speisenbereiter, Lager-, Transportarbeiter, Kommissionierer, Staplerfahrer sowie Reinigungs- oder Servicekraft herausgefiltert und auf spezifische fachliche bzw. überfachliche Anforderungen, die sie an potentielle Bewerber stellen, quantitativ ausgewertet. * Print-Stellenangebote Ein Blick auf die überfachlichen Anforderungen zeigt sich, dass die in 74 Print-Anzeigen angeführte Schichtbereitschaft (15,6 Prozent) die mit Abstand dominierend ist. An zweiter Stelle folgt mit insgesamt 62 Nennungen (13,1 Prozent) eine zu „Arbeitstugenden“ aggregierte Kategorie, die sich aus den Charaktereigenschaften Zuverlässigkeit (dominierend mit 33 Nennungen, 7 Prozent), Flexibilität (16 Nennungen, 3,4 Prozent), Belastbarkeit (11 Nennungen, 2,3 Prozent) und Ehrlichkeit (zwei Nennungen, 0,4 Prozent) zusammensetzt. Mit 47 Nennungen (9,9 Prozent) dritthäufigste Anforderungen ist das Kriterium Mobilität, welches die in den Anzeigen aufgeführten Kriterien „Mobilität, „geeignet für wechselnde Einsatzorte“, „eigener PKW“ und „Führerschein“ zusammenfasst, gefolgt von der Beherrschung der deutschen Sprache mit insgesamt 39 Nennungen (8,2 Prozent), wobei nur in sieben Fällen (1,5 Prozent) explizit „Deutsch in Wort und Schrift“ gefordert wird. Weiterhin von Bedeutung sind von Arbeitgeberseite getroffene Einschränkungen, die sich auf die Personenmerkmale Geschlecht bzw. Alter beziehen: In 27 Fällen (5,7 Prozent) wird „weiblich“ als einschränkendes Kriterium verwendet, in 17 Anzeigen (3,6 Prozent) werden Altersgrenzen vorgegeben. Eine deutlich untergeordnete Rolle spielt dagegen die Forderung von PC-Kenntnissen, die nur neun Nennungen (1,9 Prozent) verzeichnen kann. Die vielfach als Grundvoraussetzung geltende Kulturtechnik Computer- bzw. Medienkompetenz scheint für Geringqualifizierte aus Sicht der Stellen ausschreibenden Unternehmen nicht unbedingt erforderlich. Eine Untersuchung der fachlichen Qualifikationsanforderungen nach den einzelnen Berufen macht deutlich, dass die überwiegende Anzahl von Unternehmen auf die Angabe von fachlichen Qualifikationsanforderungen jenseits der Berufsbezeichnung verzichtet und stattdessen nur die genauere Stellenbeschreibung bzw. den Einsatzbereich angibt. * Online-Stellenangebote Auch bei den 117 untersuchten Online-Stellenangeboten für An- und Ungelernte in den Berufsfeldern Ernährungs-, Verkehrs- und Lagerberufe sowie Friseure, Gästebetreuer, Hauswirtschafter, Reiniger dominieren im überfachlichen Bereich die gleichen vier Anforderungsfelder wie bei den Print-Ausschreibungen, wobei die wieder aggregierte Kategorie „Arbeitstugenden“ hier mit 77 Nennungen (65,8 Prozent) hier auf Platz 1 liegt, gefolgt von „Mobilität“ (34 Nennungen, 29,1 Prozent), „Deutschkenntnissen“ (25 Nennungen, 21,4 Prozent) und lediglich auf dem vierten Rang „Schichtbereitschaft“ mit 10 Nennungen (8,5 Prozent). Eine Untersuchung der fachlichen Qualifikationsanforderungen in den sechs untersuchten Berufen zeigt, dass bei diesen so genannten Einfachberufen ein sehr deutlicher Fokus auf berufsspezifischen Kenntnissen und Erfahrungen liegt: Insgesamt macht die Analyse der Stellenangebote deutlich, dass auch Stellen für An- und Ungelernte spezifischen berufsfachlichen und überfachlichen Anforderungen der Arbeitgeber unterliegen. Die fachlichen Qualifikationsanforderungen innerhalb der einzelnen Berufe und Berufsfelder weisen dagegen bereits auf dieser Tätigkeitsebene ein sehr breites Spektrum auf. Hier stechen je nach Beruf einzelne Anforderungen besonders hervor, z. B. Kassieren bei den Servicekräften und Kommissionieren in den Lagerberufen. Generalisierende Aussagen bzw. die Festlegung übergreifende Themenfelder sind hier erwartungsgemäß jedoch nicht möglich. Interviews mit Personalverantwortlichen * Anforderungen an An- und Ungelernte Generell können die seitens der Personalverantwortlichen dargestellten Anforderungen an An- und Ungelernte in fachliche, überfachliche und personelle Qualifikationen bzw. Voraussetzungen unterschieden werden, wobei hier jeweils deutliche Unterschiede zwischen dem gewerblich-technischen Zweig und der Dienstleistungsbranche auszumachen sind. Dies ist vor allem damit zu begründen, dass die an- und ungelernten Mitarbeiter im industriellen Bereich hauptsächlich in der Produktion bzw. im Lager eingesetzt, wogegen sie in der Dienstleistungswirtschaft Servicefunktionen ausüben, die größtenteils mit Kundenkontakt verbunden sind. Während im industriellen Umfeld fachliche Qualifikationen wie eine Grundausbildung im fertigungstechnischen Bereich und Berufserfahrung hohe Wertschätzung erfahren, rücken die Befragten im Dienstleistungsbereich insbesondere das Kriterium „Persönlichkeit“ stärker in den Vordergrund, wogegen fachliche Voraussetzungen hier eine eher untergeordnete Rolle spielen bzw. nicht explizit gefordert werden. Eine Ausbildung wird zwar auch hier gern gesehen, jedoch dient sie vor allem dem Nachweis von Arbeitserfahrung und -bereitschaft, die Art der Ausbildung bzw. eine Affinität zum Tätigkeitsfeld sind dagegen von nachrangiger Bedeutung. In beiden Branchen werden jedoch vermehrt ein höheres technisches Verständnis sowie grundlegende Kenntnisse im Umgang mit PC bzw. computergesteuerten Anlagen eingefordert bzw. vorausgesetzt. Bei den überfachlichen Qualifikationen werden das Beherrschen der Grundrechenarten sowie der deutschen Sprache (möglichst in Wort und Schrift) als unabdingbar gekennzeichnet. Hinsichtlich der personellen Voraussetzungen wird aus industrieller Perspektive körperliche Belastbarkeit und Eignung für den Schichtbetrieb hervorgehoben. Generell spielen für alle befragten Personalverantwortlichen die so genannten „Sekundärtugenden“ eine entscheidende Rolle. * Qualifizierungsbedarfe für an- und ungelernte Mitarbeiter Als ein zentrales Ergebnis der Interviews lässt sich festhalten, dass in den Betrieben z. T. durchaus auch Bedarf zur der Qualifizierung von an- und ungelernten Mitarbeitern herrscht, dieser aber bisher dort kaum systematisch erfasst wird. Auslöser für Qualifizierungen sind in der Regel Neueinstellungen oder ein verändertes Aufgabengebiet. Dementsprechend lassen sich auch kaum allgemeingültige Aussagen über die Qualifizierungsbedarfe treffen, da zumeist sehr unternehmensspezifisch argumentiert wird. Ausnahmen bilden die Forderung nach einer vermehrten Vermittlung sprachlicher Grundfertigkeiten. Die größten Bedarfe für die Zukunft sehen die befragten Personalverantwortlichen bei der Weiterentwicklung sozialer und personaler Kompetenzen sowie im Telefon- und PC-Training. Zum Thema Nachqualifizierung zum Berufsabschluss äußern sich die Befragten differenziert: Der Wunsch wird zwar häufig genannt, vor allem bei größeren Unternehmen wird jedoch die Realisierbarkeit angezweifelt. Dies wird mit Schwierigkeiten bei der zeitlichen Planung (insbesondere im Schichteinsatz), der Sensibilität des Themas und der z. T. mangelnden Bereitschaft der Mitarbeiter begründet. * Zwischenfazit Im Ergebnis der Analyse aktueller betrieblicher Bedarfe und zukünftiger Qualifikationsanforderungen an An- und Ungelernte lassen sich folgende zentralen Punkte festhalten: Eine zentrale Anforderung an An- und Ungelernte aus der Analyse der Stellenangebote sowie der Interviews mit Personalverantwortlichen bezieht sich auf grundlegende Kulturtechniken: Rechnen, Lesen und Schreiben sowie der Umgang mit dem PC sind auch im Bereich Einfacharbeit mittlerweile von immer größerer Bedeutung und werden von Arbeitgeberseite vorausgesetzt. Besondere Relevanz genießt dabei der Umgang mit der deutschen Sprache – dieses Kriterium wird in einer Vielzahl der Stellenangebote explizit herausgestellt und auch seitens der Personalverantwortlichen für unabdingbar befunden. Vor dem Hintergrund, dass das Beherrschen der deutschen Sprache außerdem Voraussetzung für die Teilnahme an weiterführenden Qualifizierungen ist, sollte insbesondere hier angesetzt werden. • Des Weiteren spielen gerade bei Ausschreibungen für An- und Ungelernte überfachliche Anforderungen eine besonders große Rolle. Dies könnte auch auf den Mangel an fachlichen Auswahlkriterien bei An-/Ungelernten zurückzuführen sein. Hier dominieren insbesondere die so genannten „Sekundär- bzw. Arbeitstugenden“ (Zuverlässigkeit, Flexibilität, Belastbarkeit etc.), in bestimmten Berufsfeldern v. a. im Dienstleistungssektor sind außerdem sozial-kommunikative Kompetenzen relevant. Gerade für den Bereich sozialer und personaler Kompetenzen wird auch zukünftig ein verstärkter Qualifizierungsbedarf seitens der Personalverantwortlichen diagnostiziert. • Mobilität – eher ein vom Arbeitsmarkt für Akademiker bekanntes Merkmal – gewinnt auch für An- und Ungelernte immer mehr an Bedeutung. • Auf fachlicher Ebene sind die Anforderungen erwartungsgemäß stark berufsfeldbezogen. Berufsfeldübergreifend sind daher eigentlich nur zwei Kriterien anführbar – Schichtbereitschaft und Berufserfahrung. Darüber hinaus machten die Interviews mit Personalverantwortlichen deutlich, dass Unternehmen durchaus ein hohes Interesse an der Qualifizierung ihrer an- und ungelernten Mitarbeiter haben. Gerade kleine und mittlere Unternehmen benötigen dafür aber häufig Hilfe bei der Planung und Ausgestaltung von Qualifizierungskonzepten. Für die inhaltliche Beratung und Begleitung bietet es sich vor allem für KMU ohne eigene Personalentwicklungsabteilung an, auf das Know-how und die Expertise von Bildungsdienstleistern zurückzugreifen. Des Weiteren spielt für immer mehr Unternehmen die finanzielle Unterstützung eine Rolle bei ihrer Entscheidung über Weiterbildung. So hat der zunehmende Konkurrenzdruck dazu geführt, dass die Investitionen in betriebliche Weiterbildung seit Ende der 90er Jahre in den Unternehmen um 16 Prozent zurückgefahren wurden. Eine Entwicklung durch die Deutschland im internationalen Vergleich immer stärker ins Hintertreffen gerät und die im Widerspruch steht zum gestiegenen Bedarf an Weiterbildung, um insbesondere An- und Ungelernte auch zukünftig in die Lage zu versetzen den Anforderungen am Arbeitsmarkt gerecht zu werden. FAZIT Die Notwendigkeit einer weiteren Verbesserung der formalen Qualifikation der Beschäftigten ist zudem auch aufgrund der demografischen Entwicklung und des bereits in einigen Branchen bestehenden Fachkräftemangels unbestritten. In der Analyse der konkreten betrieblichen Anforderungen von Unternehmen in der Region Nürnberg wurde deutlich, dass die Unternehmen auch bei einfachen Tätigkeiten zunehmend soziale, methodische und EDV-technische Basiskompetenzen bei ihren Mitarbeitern voraussetzen. Denn gerade aus diesen weichen Faktoren erwächst für viele Unternehmen das Potenzial sich am Markt von anderen Wettbewerbern zu differenzieren. An- und Ungelernte müssen daher verstärkt an ihrem Arbeitsplatz flexibel auf die Wünsche des Kunden eingehen und alternative Problemlösungen erarbeiten können, die weit über das in der Vergangenheit geforderte Maß an tayloristisch vorbestimmter Tätigkeitsroutinen hinausgeht. Die Weiterbildungsstatistik spricht jedoch für Deutschland noch eine andere Sprache. So konnte in den letzten Jahren keine Ausweitung der Beteiligung von An- und Ungelernten bei der Weiterbildung erreicht werden, vielmehr sind diese auch weiterhin im Vergleich zu Hochqualifizierten deutlich unterrepräsentiert. Es wird häufig angeführt, dass solche Investi-tionen von kleinen Betrieben nicht zu schultern seien oder aufgrund des gestiegenen Kostendrucks einer kurzfristigen Behauptung am Markt zum Opfer fallen. Doch wie am Beispiel des WeGebAU-Programms gezeigt werden konnte, scheitert die Beteiligung an Weiterbildung nicht ausschließlich an der Verfügbarkeit entsprechender Mittel. Vielmehr führen die Betriebe ins Feld, dass kein entsprechender Bedarf für langfristig angelegte Weiterbildung bestehe, die zu Berufsabschlüssen oder Teilqualifikationen führt. Dies ist umso erstaunlicher, da immer noch über 40 Prozent aller Betriebe Geringqualifizierte in ihrem Unternehmen beschäftigen. Um die Beteiligung von An- und Ungelernten an Weiterbildung in den kommenden Jahren deutlich zu steigern kommt es daher vor allem darauf an, verstärkt Beratung direkt in den Unternehmen anzubieten, um ein entsprechendes Bewusstsein auf Seiten der Beschäftigten und der Arbeitgeber zu schaffen. Im Rahmen des WeGebAU-Programms zeigt sich, dass die eingesetzten Weiterbildungsberater der richtige Ansatz sind, um gemeinsam gerade kleine Unternehmen aufzuzeigen welche Möglichkeiten zur Qualifizierung bestehen und wie diese mit Hilfe Dritter und entsprechender Förderung zum Nutzen aller Beteiligter realisiert werden können. “ Den Beitrag im Volltext entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link.
http://www.bwpat.de/profil2/jaeger_kohl_profil2.shtml
http://www.bwpat.de
http://www.qualifizieren-im-Betrieb.de
Quelle: Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online