Berufsbildungsbericht 2009: Politik sorgt sich um neuen Lehrstellenmangel

VERSAGEN BEI DER REFORM DES AUSBILDUNGSSYSTEMS? BIBB-Hauptausschuss nimmt Stellung zum Entwurf der Bundesregierung Laut einer Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) berfürchtet die Bundesregierung neue Probleme auf dem Lehrstellenmarkt. Sollten sich die aktuellen Wirtschaftsprognosen bis zum Herbst bestätigen, «ist eine Reduktion des Ausbildungsangebotes nicht auszuschließen», heißt es im Entwurf des Berufsbildungsberichtes 2009. Im Bundesbildungsministerium geht man inzwischen davon aus, dass zum gesetzlichen Stichtag 30. September ungefähr 35 000 Lehrverträge weniger als im Vorjahr abgeschlossen werden könnten. Im vergangenem Jahr hatte es bereits knapp 10 000 Ausbildungsverträge weniger gegeben als 2007. In dem Bericht heißt es: «Der Ausbildungsmarkt ist eng verbunden mit Wirtschaftslage, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungssituation.» Da aber in diesem Jahr die Zahl der Ausbildungsplatzbewerber demografiebedingt weiter deutlich sinken werde, sei derzeit das Ausmaß der tatsächlichen Chancenverschlechterung für die Jugendlichen noch nicht auszumachen. Die bildungspolitische Sprecherin der Bündnis 90/Die Grünen, Priska Hinz, ist der Auffassung, die Diskussion um den Berufsbildungsbericht zeige vor allem das Versagen der Bundesregierung das Ausbildungssystem zu reformieren. Statt dringend benötigte Reformen umzusetzen, hat die Große Koalition auf die gute Konjunktur vertraut – im wirtschaftlichen Abschwung müssen nun die Jugendlichen die Zeche für die Versäumnisse der Bundesregierung zahlen. Wichtige strukturelle Veränderungen der beruflichen Ausbildung wurden nicht umgesetzt, die Warteschleifen im Übergangssystem nicht abgeschafft, so Hinz. Stattdessen fordert die Oppositionpolitikerin mutige Schritte, um das Ausbildungssystem auf breitere Füße zu stellen. Dazu gehören eine Modularisierung der Ausbildung, die Anerkennung eines jeden Ausbildungsschrittes, und die Erweiterung der betrieblichen Ausbildung um den Lernort Berufsbildungszentrum. Der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) hat in seiner Frühjahrssitzung am 5. März 2009 in Bonn den vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vorgelegten Entwurf des Berufsbildungsberichts 2009 beraten. Die Beauftragten der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer sowie der Länder beschlossen eine gemeinsame Stellungnahme zum Entwurf des Berufsbildungsberichts. Darüber hinaus brachten die Beauftragten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer jeweils eigene Stellungnahmen ein. AUSZÜGE AUS DER STELLUNGNAHME DES BIBB HAUPTAUSSCHUSSES: “ Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland und des Wohlstandes unserer Gesellschaft sind gut ausgebildete Fachkräfte und innovative Unternehmer unerlässlich. Angesichts des zunehmenden Mangels an qualifizierten Fachkräften, der bereits im Jahr 2008 zu zahlreichen unbesetzten Positionen in den Unternehmen und damit zu Produktivitätsverlusten geführt hat, wächst die Notwendigkeit zur Stärkung und Qualitätsverbesserungen in der Bildung – vom frühkindlichen Bereich bis hin zur beruflichen Weiterbildung. Neue Technologien und Marktanforderungen sowie die demografische Entwicklung bei den Schulabgängern/-innen erfordern eine Fachkräfteentwicklung auf einem qualitativ hohen Niveau, um die Standortbedürfnisse der Zukunft befriedigen zu können. Vor diesem Hintergrund ist die Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung mit dem gemeinsamen Ansatz von Bund und Ländern für eine Gesamtstrategie zur Verbesserung der Qualität von Bildung in allen Bereichen zu unterstützen. Die dortigen Zusagen müssen nun konsequent umgesetzt werden. * Ausbildungsmarkt Die im Jahr 2008 erneut gestiegene rechnerische Einmündungsquote von 67,7 % der verzeichneten Schulabgänger/-innen hat zu einem Abbau der bis 2006 sehr hohen Altbewerberbestände geführt. Die hohe Einmündungsquote zeigt, dass das Duale System der Berufsbildung nach wie vor der mit Abstand größte Bereich im deutschen Berufsbildungssystem ist. Aufgrund der hohen Übernahme- und Einmündungsquoten in den Arbeitsmarkt und des Ausbildungsengagements der beteiligten Unternehmen ist das Duale System erfolgreich und effizient. Der Hauptausschuss weist darauf hin, dass die Ausbildungsleistung auch in den Zeiten der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise aufrechterhalten werden muss, um insbesondere im Hinblick auf die demografische Entwicklung den derzeitigen und künftigen Fachkräftebedarf zu decken. Gerade in der Krise muss es gelingen, bisher nicht ausbildende Betriebe für eine Ausbildung zu gewinnen. * Übergangssystem Der Hauptausschuss verweist einerseits auf die Schließung der rechnerischen Ausbildungslücke und die damit gestiegenen individuellen Ausbildungschancen im Vergleich zu den Vorjahren. Er verweist andererseits mit großer Besorgnis auf die 14.479 unversorgt gebliebenen Bewerberinnen und Bewerber und die 81.846 Jugendlichen, die trotz anderweitigem Verbleib ihren Vermittlungswunsch aufrechterhalten haben. Ferner ist die Zahl der Jugendlichen, die nach wie vor ersatz- und übergangsweise vollschulische Qualifizierungsmaßnahmen besuchen, hinzuzurechnen. Der Hauptausschuss weist darauf hin, dass Maßnahmen erforderlich sind, damit insbesondere die 19.507 offenen Lehrstellen und ca. 40.000 Einstiegsqualifizierungen besser ausgeschöpft werden. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Maßnahmen des Übergangssystems kaum noch zu überschauen sind. Ferner ist eine Untersuchung der Wirksamkeit der Maßnahmen zielführend, um das Angebot zu straffen. Der Hauptausschuss fordert: • Sicherstellung individueller Lernbegleitung und ergänzender Hilfen entsprechend dem individuellen Bildungsbedarf der Teilnehmer in allen Programmen, • engere Kooperation mit der Wirtschaft unter anderem durch hohe Anteile betrieblicher Praktika in allen Maßnahmen mit dem Ziel der Übernahme in Ausbildung … * Berufsorientierung Hohe Abbruchquoten in vielen Teilbereichen der beruflichen Bildung schmälern die Berufschancen vieler junger Menschen und verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten. Ein wesentlicher Grund für Ausbildungsabbrüche sind fehlende oder falsche Vorstellungen über den angestrebten Beruf. Daher müssen junge Menschen bereits in der Schule bei ihrer Berufswahl besser und systematischer als bisher begleitet werden. Sie müssen ihre Stärken und Neigungen erkunden und die Arbeitsmarktchancen in ihrer Region kennenlernen können. Dazu bedarf es insbesondere Projekten, in denen kleine und mittlere Unternehmen ohne aufwändige Vorbereitung mitwirken können. Der Hauptausschuss fordert vom Bund, die Rolle der Berufsberatung und auch die entsprechend spezifische Funktion der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsagenturen wieder zu stärken. … * Europäische Bildung / DQR / EQR Mit dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) sollen das deutsche Bildungssystem und seine Qualifikationen an den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) gekoppelt werden, um diese im europäischen Kontext transparent und vergleichbar zu machen und qualitativ weiter zu entwickeln. Durch die Zuordnung von Qualifikationen aller Bildungsbereiche anhand einheitlicher outcome-orientierter Beschreibungen können erstmals Gleichwertigkeit abgebildet und Impulse für mehr Durchlässigkeit gegeben werden. Für berufliche Aus- und Weiterbildung in Deutschland ergibt sich daraus die Möglichkeit einer angemessenen Positionierung im nationalen Bildungssystem. Wie in seinem Beschluss vom Dezember 2008 niedergelegt, fordert der Hauptausschuss die Bundesregierung auf, bei den Arbeiten in der Umsetzungsphase insbesondere sicherzustellen, dass grundsätzlich alle Niveaus des DQR auf verschiedenen schulischen, beruflichen, hochschulischen Bildungs- und Karrierewegen erreichbar sind, prinzipiell keine Reservierungen von Niveaus für bestimmte Bildungswege vorgenommen werden und auch die Formen des informellen Lernens hinreichend berücksichtigt werden können. Zu sichern ist eine angemessene Vertretung der betrieblichen beruflichen Bildung in den Expertengruppen für die Erprobungsphase des DQR-Entwurfs. Des Weiteren wird die Bundesregierung gebeten, ab 2010 ein wissenschaftliches Begleitprojekt umzusetzen zur Bewertung der Auswirkungen eines DQR auf Bildungssystem, Arbeitsmarkt, Unternehmen sowie Berufswege von Beschäftigten. Der Hauptausschuss begrüßt es, eine breite Fachöffentlichkeit in Deutschland und anderen europäischen Ländern über den Diskussionsvorschlag für einen DQR zu informieren und für die mit seiner Umsetzung verbundenen Chancen und Ziele zu werben. … “ AUSZÜGE AUS DER STELLUNGNAHME DER GRUPPE DER ARBEITNEHMER ZUM ENTWURF DES BERUFSBILDUNGSBERICHTS 2009: “ Das Recht auf gute Ausbildung umsetzen Fast alle nationalen und internationalen Vergleichsstudien stellen dem deutschen Bildungswesen ein miserables Zeugnis aus: Die Zahl der Jugendlichen ohne Schul- und Berufsabschluss ist erschreckend hoch. Hauptschüler haben nach wie vor kaum Chancen, direkt einen Platz in Ausbildung und Beruf zu erhalten. Migrantinnen und Migranten sind die Verlierer unseres Bildungswesens. Sie verlassen die Schule doppelt so häufig wie ihre deutschen Mitschülerinnen und -schüler ohne Abschluss. Mindestens 400.000 Jugendliche „verschwinden“ im Übergangssystem zwischen Schule und Beruf – die meisten von ihnen bleiben ohne Chance auf eine qualifizierende Ausbildung. Gleichzeitig gelingt es nicht, signifikant mehr Jugendliche für ein Studium zu gewinnen. Dies gilt insbesondere für junge Menschen mit Migrationshintergrund und Kinder aus sozial schwachen Familien. Menschen ohne Abitur, die sich aber im Berufsleben bewährt haben, bleibt die Tür zu den Hochschulen fast ver-schlossen. Trotz Nachholbedarfs sind die Budgets für die Weiterbildung in den vergangenen Jahren nicht ausgebaut, sondern gekürzt worden. Der Abstand zu internationalen Vergleichsdaten wächst weiter. In kaum einem anderen Land hängen die Bildungschancen der Kinder so sehr vom Geldbeutel der Eltern ab wie in Deutschland. Selbst bei gleicher Intelligenz und Lesefähigkeit hat das Kind eines Akademikers gegenüber einem Arbeiterkind eine drei Mal so große Chance, das Gymnasium zu besuchen. Seit dem ersten „PISA- Schock“ im Jahr 2001 hat sich an dem drängendsten Problem unseres Bildungswesens nichts geändert. Im reichen Deutschland gibt es noch immer millionenfach Bildungsarmut. Diese hat gravierende Auswirkungen auf die Lebensperspektiven der Menschen. Bei Menschen ohne beruflichen Abschluss lag die Arbeitslosenquote 2005 bei 23 Prozent. Bei Akademikerinnen und Akademikern betrug diese Quote „nur“ vier Prozent. Fakt ist: Bildungsarmut geht fast immer mit materieller Armut einher. Wer nichts lernen kann, bleibt arm. Ein Leben lang. Die Schwächen des deutschen Bildungssystems haben auch gravierende Auswirkungen auf die berufliche Bildung. A. Zur Lage auf dem Ausbildungsmarkt Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist um 1,5 Prozent gesunken. Mit rund 616.300 neuen Ausbildungsverträgen wurden im Zeitraum vom 1. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 bundesweit rund 9.600 Ausbildungsverhältnisse weniger begonnen als im Jahr zuvor. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist bei den Auszubildenden bereits im vergangenen Jahr angekommen. … Prognosen lassen vermuten, dass es neuerlich zu einer Verschlechterung auf dem Ausbildungsmarkt im Jahr 2009 kommt. Die Ausbildungsplätze in den Betrieben müssen auch in dieser Krise erhalten bleiben und ausgelernte Jugendliche sollen übernommen werden. Wer in der jetzigen Krisensituation Ausbildung verringert oder sogar darauf verzichtet, schädigt die Zukunftschancen des Unternehmens, der Industrie und des Standortes Deutschland. Gerade in der Krise müssen die Unternehmen ihre Ausbildungskapazitäten voll erhalten und nutzen. … Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt bleibt kritisch. Auch der Rückgang der Schulabgängerzahlen wird das Problem in den nächsten Jahren nicht vollständig entschärfen, regionale Unterschiede werden zunehmen. Kurz: Das Ausbildungsplatzangebot reicht nicht aus. Auch weiterhin wird es einen hohen Anteil an Altbewerbern/-innen unter den Ausbildungsplatz-Bewerbern/-innen geben. Es gilt daher, das Augenmerk insbesondere auf Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie Jugendliche mit schlechten Startchancen (z. B. Jugendliche mit schlechtem Haupt- und Realschulabschluss) zu richten. Diese Jugendlichen sind ein ungeheures wirtschaftliches Potenzial, um dem aufkommenden Fachkräftemangel der Wirtschaft zu begegnen. Es liegt bei der Wirtschaft hier zu handeln, um Betrieben sowie Jugendlichen eine Perspektive zu geben und gleichzeitig die Gegensätze in Fragen gesellschaftlicher Teilhabe nicht noch weiter zu verschärfen. Um bei Unternehmen für mehr Ausbildung zu werben und Betriebe über die Angebote der öffentlichen Ausbildungsförderung besser zu informieren, schlagen die Gewerkschaften vor, eine Ausbildungskampagne zu starten. Ziel dieser Kampagne soll es sein, Ausbildungsplätze zu sichern und insbesondere in bisher nicht ausbildenden Unternehmen zu akquirieren und die Betriebe über die Angebote der ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) sowie den Ausbildungsbonus für benachteiligte Altbewerber/-innen und andere Förderprogramme zu informieren und sie zu einer stärkeren Nutzung dieser Unterstützungsmaßnahmen zu motivieren. B. Handlungsbedarf in der Berufsausbildung … Die Arbeitsbeziehungen sind heute wesentlich instabiler als noch vor wenigen Jahrzehnten. Die Zeiten, in denen viele Arbeitnehmer von der Ausbildung bis zur Rente im gleichen Betrieb beschäftigt waren, sind endgültig vorbei. Immer mehr Menschen werden künftig nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch den Beruf wechseln müssen, um ihre Existenz sichern zu können. Zudem steigt die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse – von der Leiharbeit bis zur befristeten Beschäftigung. Um sich angesichts der veränderten Bedingungen behaupten zu können, brauchen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer heute mehr denn je umfassende berufliche und soziale Kompetenzen. Sie müssen in der Lage sein, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen selbstständig und kompetent zu bewerten und zu gestalten. Die Basis dafür muss in der Berufsausbildung vermittelt werden: Für berufliche und gesellschaftliche Teilhabe ist eine breit angelegte berufliche Erstausbildung die Voraussetzung. Eine Schmalspurausbildung und eine zu frühe Spezialisierung schränken die Einsatzmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt ein und verkürzen die Lebenschancen. Für eine Modernisierung der beruflichen Bildung schlagen die Gewerkschaften folgende Punkte vor: 1. Jugendliche mit schlechten Startchancen besser fördern Vor allem Jugendliche ohne Schulabschluss oder mit einem schlechten Hauptschulabschluss fällt der Sprung in eine Ausbildung schwer. Sie werden schlecht in den Ausbildungsmarkt integriert. Sie werden auf das Übergangssystem zwischen Schule und Beruf verwiesen, ohne dass sie eine vollqualifizierende Ausbildung erwerben können. So wird der Start ins (Berufs-)Leben erschwert, Lebenszeit und Ressourcen werden verschwendet, Resignation und Perspektivlosigkeit sowie soziale Ausgrenzung werden gefördert. • Ausbildungsbegleitende Hilfen: Es ist zu befürchten, dass in der Krise immer weniger Unternehmen gerade Jugendliche mit schlechten Startchancen ausbilden. Deshalb sollten ausbildungsbegleitende Hilfen zu Regelangeboten für die Betriebe ausgebaut werden. Ausbilder und Lehrer sollen für jeden einzelnen Auszubildenden den Bedarf ermitteln. Betriebe, überbetriebliche Lehrwerkstätten und Träger bieten Fördermaßnahmen an. Dazu muss die Bundesagentur für Arbeit ihr Leistungsangebot steigern, die Länder sollten sich auch an der Finanzierung beteiligen. Ausbildungsbegleitende Hilfen entlasten Betriebe und erhöhen die Abschlusschancen für Jugendliche. • Ein Integrationspaket für junge Migrantinnen und Migranten: Um die Ausbildungschancen junger Migranten zu stärken, schlagen die Gewerkschaften ein Integrationspaket vor. In lokalen Bündnissen aus Gewerkschaften, Wirtschaft, BA, Schulen und Migrationsverbänden sollen folgende Maßnahmen angepackt werden: Erhöhung des Anteils an Berufsberatern der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit Migrationshintergrund, Fort- und Weiterbildung des Beratungspersonals hinsichtlich interkultureller Kompetenzen, Qualifizierungsangebote für betriebliches Ausbildungspersonal zur spezifischen Förderung von Auszubildenden mit Migrationshintergrund, Sprachförderung für Auszubildende, Nutzung des Instruments der Berufseinstiegsbegleitung zur individuellen Übergangsbegleitung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund (Ausbildungspatenschaften), Einwerben von Ausbildungsplätzen für Migrantinnen und Migranten. • Berufseinstiegsbegleitung: Das neue Instrument der Berufseinstiegsbegleitung zur individuellen Unterstützung junger Menschen beim Übergang von der Schule in Ausbildung ist zu erweitern und zu verstetigen. Mit der Maßnahme sollen Jugendliche gezielt und frühzeitig unterstützt werden, die voraussichtlich Schwierigkeiten haben werden, den Abschluss der Allgemeinbildenden Schule zu erreichen und den Übergang in eine berufliche Ausbildung zu bewältigen. Vorbild sind die vielen erfolgreichen Ausbildungspatenschaftsprojekte von Verbänden, Vereinen, Kirchen, Gewerkschaften und anderen Organisationen. Die entsprechenden lokalen Initiativen sollten überregional vernetzt werden, auch um erfolgreiche Beispiele als „Best-Practice“-Modelle in anderen Regionen bekannt zu machen (vgl. etwa die Initiative „Hauptschülern eine Chance geben“ in der Region Heilbronn). Jugendliche mit Migrationshintergrund sollten einen besonderen Schwerpunkt der Förderung darstellen. • Instrumente zur Benachteiligtenförderung evaluieren: Bund, Länder und Bundesagentur für Arbeit (BA) investieren erhebliche Mittel ins sogenannte Übergangssystem sowie in die Förderung von Ausbildung benachteiligter Jugendlicher. Über die Effektivität dieser Maßnahmen wissen wir allerdings sehr wenig, weil es keine übergreifende Evaluation gibt. Dies erschwert strukturelle Reformen im Übergangssystem zur Steigerung der Wirksamkeit und Transparenz der Fördermaßnahmen. Als ersten Schritt einer solchen Reform sollten daher die Förderansätze und -programme des Bundes und der BA im Bereich der Ausbildungs-, Berufsvorbereitungs- und Benachteiligtenförderung umfassend wissenschaftlich evaluiert und ausgewertet werden. 2. Die Zahl der Ausbildungsberufe und Berufsgruppen reduzieren … 3. Zusatzqualifikationen verbessern die Qualität der Ausbildung … 4. Praxisnähe und Akzeptanz neuer Ausbildungsberufe sicherstellen – Schlichtergremien für die Erarbeitung von Ausbildungsordnungen einrichten … 5. Übergang von der Schule zur Arbeitswelt verbessern Zu einem zukunftsweisenden Konzept für die berufliche Ausbildung gehört eine verbesserte Berufsorientierung, bei der Betriebe, Schulen, Bundesagentur für Arbeit und alle weiteren Akteure des Ausbildungsbereichs kooperieren: mit flächendeckenden, zielgruppenorientierten und professionellen Beratungsangeboten beim Übergang von der Schule in die Arbeitswelt. 6. Geschlechtsspezifische Berufsorientierung verbessern Generell ist festzustellen, dass im Rahmen der Berufsorientierung wie auch in der Präsentation von Berufen und der Berufswelt weiterhin zum Teil überkommene traditionelle Bilder, Muster und Botschaften transportiert werden und dass unter diesem Blickwinkel eine Bestandsaufnahme der nahezu unübersehbaren Anzahl und Vielfalt an Projekten, Konzepten und Materialien mit dem Ziel der Entwicklung eines „Gender Standards Berufsorientierung“ notwendig ist. Grundsätzlich müssen geschlechtsspezifische Ausrichtungen in der Berufsorientierung, die junge Frauen und Männer einschränken, überwunden werden. Das beinhaltet auch die Schulung und Weiterbildung des Beratungs- und Lehrpersonals. Die unmittelbaren Akteure nicht nur der Berufsorientierung, sondern auch der Berufsausbildung generell (Unternehmen, Sozialpartner, Schulen, Berufsschulen, Länder, Bundesagentur für Arbeit) müssen im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern im Berufsleben weitergebildet werden. Diese Weiterbildung sollte insbesondere mit Blick auf die Verbreiterung und Verbesserung der Berufschancen junger Frauen vereinheitlicht, modernisiert und mit einem Gender-Standard versehen werden. Dieser kann aus den vorliegenden Erfahrungen und Erkenntnissen aus den diversen Bundes-Programmen und Projekten herausgearbeitet und abgeleitet werden. Schließlich sollten Zielsetzungen zur Ausbildung junger Frauen in von Männern dominierten Berufen immer mit einer quantitativen Zielmarke eines 30-prozentigen Frauenanteils verbunden werden, um Vereinzelungs- und Minderheitenstatus – ein großer Hemmschuh bei der Beteiligung junger Frauen an diesen Berufen – zu verhindern oder zu verändern. 7. Ausbildungsbausteine müssen zu einem regulären Berufsabschluss führen Die Gewerkschaften sehen die Entwicklungsarbeit von Ausbildungsbausteinen sehr kritisch und haben sich an ihrer Erarbeitung nicht beteiligt. Wir befürchten, dass mit diesem Instrument Jugendliche nur noch mit Teilqualifikationen auf den Arbeitsmarkt entlassen würden, wenn der Übergang von einem Ausbildungsbaustein zum anderen nicht sichergestellt ist und ein regulärer Abschluss in weite Ferne rückt. Die Entwicklung von Ausbildungsbausteinen als eine Leitlinie aus dem Innovationskreis Berufliche Bildung (IKBB) zielt darauf ab, Jugendlichen im Übergangssystem, insbesondere den Altbewerbern/-innen, den Abschluss einer dualen Ausbildung schneller zu ermöglichen. Durch Abschluss einzelner Ausbildungsbausteine und einer anschließenden Externenprüfung soll dies zu einem anerkannten Berufsabschluss führen. Ob dieses Ziel im Verlauf der Ausbildung in den aufeinander aufbauenden, einzelnen Ausbildungsbausteinen nicht verloren geht, wird sich bei der Umsetzung in die Praxis erweisen müssen. Jetzt hat das Programm JOBSTARTER CONNECT begonnen, das die Implementierung der bundesweit gültigen Ausbildungsbausteine zum Ziel hat. Es gilt zu beobachten, welchen Beitrag das Programm leisten kann, um den vier Zielgruppen reguläre Abschlüsse zu verschaffen. Für die Gewerkschaften bleibt offen, ob sich eine frühzeitige Integration der besonderen Zielgruppen in die duale Berufsausbildung sowie die Übergänge aus „Warteschleifen“ verbessern werden und die Absolventen eine Abschlussprüfung absolvieren können. Zudem muss aus Sicht der Gewerkschaften geprüft werden, ob Ausbildungsbausteine bewirken, dass sich die Anrechenbarkeit bereits erworbener Kompetenzen verbessert oder ob diese Bausteine nur dazu beitragen, die Subventionsmentalität bei den ausbildenden Einrichtungen zu verstärken. Es besteht auch die Gefahr einer Substitution der regulären Ausbildung durch geförderte Ausbildungsmaßnahmen, indem immer mehr Jugendliche eine Maßnahme durchlaufen, anstatt einen Ausbildungsvertrag in einem Ausbildungsberuf abzuschließen. Die Gewerkschaften werden sich dafür einsetzen, dass die Ausbildungsbausteine nicht das Berufskonzept aushöhlen und den Einstieg in eine Modulausbildung eröffnen. Es wäre keine gute Lösung, wenn mit Hilfe von Ausbildungsbausteinen ein zweitklassiger Abschluss entstünde. … Fazit Die Kapazitäten des dualen Systems der Berufsbildung zur nachhaltigen Sicherung der Fachkräftebasis müssen genutzt und ausgebaut werden. Hierzu müssen auch Qualität, Modernität und Leistungsfähigkeit des dualen Systems verbessert werden. Die Lernorte des dualen Systems sind zu stärken und die berufliche Bildung in Deutschland zukunftsfest zu machen und für Unternehmen und Auszubildende attraktiv zu halten. Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz im dualen System erhalten, müssen dennoch ausgebildet werden, dafür können verschiedene Lernorte genutzt werden – wie vollqualifizierende berufsbildende Schulen oder der Betrieb. Die Gewerkschaften halten an ihrer Forderung nach einem Grundrecht für Ausbildung fest. Die Ausbildungschancen aller jungen Menschen müssen verbessert, die hohe Zahl an Altbewerbern abgebaut und die Ausbildungschancen von individuell und sozial benachteiligten jungen Menschen deutlich verbessert werden. Dies gilt insbesondere auch für Jugendliche mit Migrationshintergrund, Hauptschülerinnen und Hauptschüler sowie leistungsschwächere oder behinderte Jugendliche. Hier liegen große Potenziale für den Fachkräftenachwuchs. … “ Die Stellungnahme des BiBB Hauptausschusses in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link. Der Berufsbildungsbericht wird im April nach der Verabschiedung durch das Bundeskabinett vom Bundesbildungsministerium veröffentlicht.

http://www.bibb.de/de/51046.htm
http://www.bibb.de/dokumente/pdf/pm_9_2009_stellungnahme_ha.pdf

Quelle: BiBB Priska Hinz MdB dpa

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