BERUFSFELDER MIT BESONDEREM POTENTIAL Die deutsche Sprache wird nicht von der gesamten Wohnbevölkerung Deutschlands gesprochen, nicht alle Einwohner dieses Landes können in gleichem Maße auf Deutsch kommunizieren. Deutschland ist ein durch Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit geprägtes Land. Für die Nutzung dieser Sprachen im beruflichen Kontext ergibt sich eine Notwendigkeit, da der Zugang von Personen mit geringen Deutschkenntnissen zu gewerblichen und sozialen Dienstleistungen ansonsten eingeschränkt ist. Im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge untersuchte die Uni Hamburg in diesem Zusammenhang welche Berufsfelder für Personen mit Migrationshintergrund besondere Potentiale bieten. Neben dem Nutzen innerhalb Deutschlands würde auch der Nutzen von Herkunftssprachen für Unternehmen erhoben, die aufgrund ihrer Kontakte in die Türkei oder die Russische Föderation auf die Verwendung von Herkunftssprachen angewiesen sind. Auszüge aus der Expertise ‚Nutzung der Mehrsprachigkeit‘: „… DER BEDARF AN KOMMUNIKATION IN DEN HERKUNFTSSPRACHEN Das verfügbare Wissen über die Sprachkenntnisse der Wohnbevölkerung Deutschlands ist lückenhaft und ungenau. Die existierenden Instrumente geben nur einen ungefähren Aufschluss darüber, welche Kenntnisse des Deutschen (und anderer Sprachen) bei wem anzunehmen sind und an welchen Orten diese Personen leben. Die soziodemografischen Daten belegen jedoch die alltägliche Erfahrung, dass Deutsch nicht für alle Einwohner Deutschlands immer und überall das alleinige Medium der Kommunikation ist: relevante Minderheiten beherrschen diese Sprache nicht in vollem Umfang und kommunizieren stattdessen (bevorzugt oder gezwungenermaßen) in ihren Herkunftssprachen, wenn sich ihnen die Möglichkeit bietet. Die Daten deuten ferner darauf hin, dass die Deutschkenntnisse von Menschen mit Migrationshintergrund in Abhängigkeit von den Faktoren Alter, Geschlecht und ethnischer Herkunft variieren und dass die schriftsprachlichen Kompetenzen im Deutschen quer durch alle Einwanderergruppen am geringsten ausgebaut sind. Richtlinien und Abkommen im Rahmen der EU erfordern, dass staatliche Institutionen in Deutschland Barrieren und Zugangsbeschränkungen, die sich aus der sprachlichen Vielfalt ergeben, … identifizieren und abbauen. … Private Einrichtungen sind hingegen in geringerem Umfang gebunden … Allerdings zeigt die Diskussion am Beispiel der ärztlichen Aufklärungspflicht, dass in Fällen, in denen Sprachbarrieren unmittelbar zur individuellen Verletzung beruflicher Pflichten führen können, institutionelle Regelungen notwendig sein können, um Beschäftigte und Klienten effektiv vor einer sprachbedingten Verletzung dieser Pflichten bzw. Einschränkung ihrer Rechte zu schützen. … Der Bedarf und die Notwendigkeit von Kommunikation in den Herkunftssprachen von Migrant/innen ist also keine Frage einer „multikulturellen“ oder „weltoffenen“ Gesinnung, sondern ergibt sich in Deutschland einerseits aus soziodemografischen Fakten, andererseits aus rechtlichen Vereinbarungen auf EU-Ebene …, dem AGG und anderen nationalen Bestimmungen. … DER „NUTZEN“ VON MEHRSPRACHIGKEIT AUS SOZIOLINGUISTISCHER UND SPRACHPOLITISCHER SICHT … – Migrantische Mehrsprachigkeit ist nicht per se nützlich oder unnütz. Vielmehr wird sie als soziale Tatsache entweder akzeptiert, ignoriert oder sanktioniert. „Attitudes“ zu einzelnen Sprachen oder Sprach-Ideologien können dabei eine Rolle spielen, meist verwenden Gesprächsteilnehmer ihre mehrsprachigen Repertoires aber ganz unideologisch dazu, sich zu verständigen, bzw. kommunikative Aufgaben zu lösen, die ohnehin gelöst werden müssen, wie etwa die Adressierung von Beiträgen, den Sprecherwechsel, oder auch die Herstellung von Nähe und Distanz. – Die Arbeiten von Esser (2006a, 2006b) zeigen, dass Kenntnisse der Herkunftssprachen sich nicht generell in Form von besseren Löhnen oder Arbeitsmöglichkeiten auszahlen bzw. nicht zu einer besseren Schulbildung beitragen. Dieses Ergebnis bedeutet allerdings weder, dass Migrant/innen diese Sprachkenntnisse nicht trotzdem in verschiedene berufl iche Tätigkeiten einbringen, noch widerspricht es der Annahme, dass die Verwendung von Herkunftssprachen in bestimmten Bereichen den Zugang von Migrant/innen zu gewerblichen und sozialen Dienstleistungen erleichtert. … – Herkunftssprachliche Kompetenzen sind kein zentrales Qualifi kationsmerkmal. Ein Werbespot der Provinzregierung des kanadischen Bundesstaates Ontario (Heller 2007: 344) mag dies illustrieren: eine junge Geschäftsfrau telefoniert auf Hindi mit einem unsichtbaren Geschäftspartner, betritt dann einen Konferenzsaal, in dem schon mehrere Kollegen auf sie warten und verkündet stolz, sie habe mit ihrem Kontaktmann in Bombay gesprochen, die Lieferung sei nun endlich auf dem Weg. Danach erscheint eine Textzeile, in der für die staatlichen Englischkurse für Einwanderer geworben wird. Dieser Spot hat zwei Adressatenkreise: Zum einen sollen Immigrant/innen zur Teilnahme an den Sprachkursen motiviert werden, zum anderen soll jedoch der anglophonen Mehrheitsbevölkerung suggeriert werden, dass die herkunftssprachlichen Kompetenzen der Immigrant/innen nützlich für die kanadische Wirtschaft seien. Für beide Botschaften ist der gut gemeinte Spot jedoch inhaltlich denkbar ungeeignet: Weder benötigt eine indische „High Potential“ einen Englischkurs, noch kommuniziert ein kanadisches Unternehmen mit Partnern in Bombay auf Hindi – sofern diese der indischen Mittel- bzw. Oberschicht angehören, wird selbstverständlich Englisch die Sprache der Wahl sein. … Der Bombay-Spot ist somit realitätsfern: Es wird kaum jemand allein dafür eingestellt, aufgrund bestimmter Sprachkenntnisse Gespräche mit ausländischen Firmen zu führen. Andere Qualifikationen sowie Sprachkenntnisse der lokalen Mehrheitssprache bzw. des Englischen als globaler Lingua Franca sind selbstverständlich wichtiger. … Bei der Untersuchung der beruflichen Nutzung von Herkunftssprachen sollte daher davon ausgegangen werden, dass sie gegenüber der berufl ichen Nutzung des Deutschen (bzw. irgendeiner Mehrheitssprache oder einer Lingua Franca) nicht nur den selteneren Fall, sondern oft auch eine institutionell nicht ratifizierte kommunikative Praxis darstellt, die auch aufgrund des „monolingualen Habitus“ von Institutionen und Unternehmen kaum zum Erfolg am Arbeitsmarkt beitragen kann. – Verschiedene Studien zeigen, dass in bestimmten Institutionen und Konstellationen migrantische Sprachkenntnisse durchaus genutzt werden. Auch im gewerblichen Bereich gibt es Potenziale für die Nutzung der Sprachkenntnisse von Migrant/innen, vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen in export- oder verbundorientierten Bereichen. Solche Ad-hoc-Nutzungen migrantischer Mehrsprachigkeit wurden bisher wenig untersucht die Qualität solcher Mittlerdienste ist vermutlich unterschiedlich hoch. … – Seitens der EU gibt es erste Bestrebungen, stärker als bisher zur Erschließung der Potenziale von Herkunftssprachen beizutragen. Die Sprachenpolitik der EU ist allerdings weiterhin primär auf die Förderung von Mehrsprachigkeit im Sinne des Erlernens von Sprachen der Mitgliedsstaaten sowie auf die Lösung der unmittelbaren Kommunikationsprobleme der europäischen Institutionen selbst ausgerichtet. Das Bild ist also uneinheitlich: auf der einen Seite scheinen die ökonomischen Potenziale einer Nutzung von Herkunftssprachen auf wenige Bereiche begrenzt zu sein, auf der anderen Seite zeigen Studien, dass eine Nutzung dennoch stattfi ndet, die jedoch teilweise problematisch ist. Jedenfalls ist die Nutzung von mehreren Sprachen und der Wechsel zwischen ihnen für die Sprecher dieser Sprachen weniger ein Problem als für diejenigen, die diese Prozesse zu regulieren versuchen. Auf europäischer Ebene steht die Auseinandersetzung mit der beruflichen Nutzung migrantischer Mehrsprachigkeit noch ganz am Anfang. Das Interesse europäischer Institutionen richtet sich vielmehr auf die Nationalsprachen sowie auf die Sprachen autochthoner Minderheiten. Bezüglich der Migrantensprachen dominiert ein integrationsbezogener Ansatz („sprachenfreundliches Umfeld“), Aussagen zum konkreten Nutzen dieser Sprachen kommen bisher in den meisten Fällen über das eher wolkige Niveau politischer Prosa nicht hinaus („Europe’s ambassadors in the world“). BERUFSFELDER MIT BESONDEREM POTENZIAL … Es wurde für – Soziale Berufe (z. B. Erzieher/innen, Sozialarbeiter/innen, Sozialpädagog/ innen) – Medizinische Berufe (z. B. Altenpfl eger/innen, Krankenpfleger/innen, Logopäd/ innen) – Büro- und Verkaufsangestellte, Sachbearbeiter/innen (in Behörden und Unternehmen) untersucht, inwieweit migrantische Mehrsprachigkeit genutzt wird bzw. ein Nutzungspotenzial besteht. … SOZIALE BERUFE Die Deutschkenntnisse von Migrantenkindern und die Notwendigkeit einer frühen Förderung des Spracherwerbs sind mittlerweile häufig Gegenstand politischer Debatten und werden auch in den Medien ausgiebig thematisiert. Wie aber kommunizieren die Mitarbeiter von Kindertagesstätten mit den Kindern, wenn diese nur geringe Deutschkenntnisse haben? Und wie mit den Eltern, die kaum besser als ihre Kinder in der Lage sein werden, auf Deutsch zu kommunizieren? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, wurde ein Fragebogen zum Gebrauch von Herkunftssprachen in Kindertagesstätten konzipiert. … Lediglich 14% der angeschriebenen Einrichtungen (321 Einrichtungen wurden angeschrieben) verneinten die Verwendung von anderen Sprachen als Deutsch. … Bei der Anwendung von anderen Sprachen wurden insgesamt siebzehn Sprachen von Arabisch bis Vietnamesisch genannt. Die am häufigsten genannten Sprachen waren Englisch (43 %), Türkisch (43 %), Russisch (30 %) und Polnisch (25 %). Englisch wird vermutlich als Verkehrssprache im Kontakt mit Sprechern anderer Sprachen, als Muttersprache der Klienten, aber auch im Kontext von Sprachlernprojekten verwendet. Der Verwendung des Englischen lagen also nicht in jedem Fall Defizite in der Beherrschung des Deutschen zugrunde. … Vor allem in Kontakt mit den Eltern werden andere Sprachen als das Deutsche verwendet. … Neben der Umfrage über die Träger von Kindertagesstätten wurde auch eine Online-Umfrage organisiert. Die Online-Umfrage zielte darauf ab, ein breiteres Spektrum an Personen aus dem Bereich der medizinisch-sozialen Berufe in die Befragung einzubeziehen. … Ein Großteil der 323 Antworten kommt von Personen, die als Tätigkeit Sozialarbeit und Beratung angeben, eine kleinere Gruppe kommt aus den Pflegeberufen. … Neben Alten, Kindern und Jugendlichen und Familien wurden auch Menschen mit Behinderung, Arbeitslose und Flüchtlinge als Klientel von den Teilnehmenden der Online-Befragung genannt. … Von 323 Befragten verneinten knapp 20% die Frage nach der Verwendung anderer Sprachen. … Die Befragten gaben zu einem großen Teil (47 %) an, dass sie andere Sprachen täglich oder wöchentlich verwenden. Bei insgesamt 69 % der Befragten liegt ein zumindest regelmäßiger Gebrauch anderer Sprachen vor, knapp 30 % schätzen ihren Gebrauch anderer Sprachen als selten ein. Die Verwendung anderer Sprachen findet jedoch nur bei einem Teil der Befragten auf der Basis muttersprachlicher Kompetenz statt. Über die Hälfte der Befragten charakterisieren ihre Sprachkenntnisse als „gut“ oder „mittel“ nur knapp ein Drittel gibt an, dass die bei der Arbeit verwendete andere Sprache die Muttersprache sei. … Die Kindertagesstätten-Stichprobe und die Online-Stichprobe kommen also zu ähnlichen Ergebnissen: Sowohl Erzieher/innen, als auch Personen in sozialarbeiterischen, therapeutischen oder pflegerischen Berufen verwenden bei der Arbeit in nicht geringem Umfang andere Sprachen. Neben dem Englischen werden dabei insbesondere Türkisch und Russisch häufig genannt. Während der Gebrauch des Englischen vermutlich eher auf der Basis eines Zweitspracherwerbs stattfindet, basiert der Gebrauch von Russisch und Türkisch oft auf muttersprachlicher Kompetenz. Neben der direkten Kommunikation mit Klienten nehmen die Teilnehmer/innen der Umfrage mit herkunftssprachlichen Kenntnissen oft auch Dolmetschaufgaben war. MEDIZINISCHE BERUFE … In Krankenhäusern und Arztpraxen bringen insbesondere Beschäftigte aus der Pflege, sowie MTAs oder Arzthelfer/innen ihre Kenntnisse der Herkunftssprachen ein. Aber auch beim ärztlichen bzw. therapeutischen Personal gibt es ein Potenzial, was sich z. B. in der Existenz einer „Gesellschaft für türkischsprachige Psychotherapie und psychosoziale Beratung“ ausdrückt. … ANGESTELLTE UND SACHBEARBEITER/INNEN Neben den medizinisch-sozialen Berufen wurden im Zuge der vorliegenden Arbeit auch Berufsfelder untersucht, in denen das Potenzial von Herkunftssprachen zunächst weniger deutlich erscheint, etwa Behördenmitarbeiter/innen und Verkaufsangestellte. So versucht beispielsweise eine Hamburger Drogeriemarktkette, die lokale Sprachenvielfalt in bestimmten Stadtteilen auch in der Mitarbeiterschaft der örtlichen Filialen abzubilden. In Gesprächen mit Mitarbeiter/innen aus verschiedenen Filialen wurde danach gefragt, inwieweit solche Maßnahmen tatsächlich von Kund/innen genutzt werden und welche Themen und Inhalte den Anlass für den Wechsel in eine Herkunftssprache bilden. In ähnlicher Weise wurden Behördenangestellte mit Migrationshintergrund aus verschiedenen Städten und Angestellte einer Sparkasse dazu befragt, inwieweit von ihnen Herkunftssprachen in der Kommunikation mit Klient/innen verwendet werden. Die insgesamt 11 Gespräche von 4-24 Minuten Dauer werden im Folgenden kurz zusammengefasst. … „Wie kommt es zur Verwendung anderer Sprachen?“ Die Verkaufsangestellten im Drogeriemarkt gehen von sich aus auf Kunden zu, wenn sie Sprachprobleme vermuten oder aber werden von den Kunden auf gut Glück in einer Herkunftssprache angesprochen … Die Bank– und Verwaltungsangestellten beschreiben hingegen teilweise andere Abläufe beim Wechsel in die Sprache der Klienten. Der Bankangestellte S. im Gespräch B-2 beschreibt neben Kunden, die sich tatsächlich nicht auf Deutsch verständigen können, auch andere … Im Verwaltungsbereich fi nden sich verschiedene Vorgehensweisen: Anfragen benachbarter Abteilungen, aber auch ein eher abwartendes Verhalten, das mit der Amtssprache Deutsch begründet wird. … In der Regel geben die Befragten an, mit den Kunden über dienstliche Belange, also Erläuterungen zu Produkten oder Dienstleistungen, zu sprechen. In einzelnen Fällen geht es aber auch um andere Dinge. … „Gibt es Konflikte oder Schwierigkeiten?“ Alle Berufsgruppen berichten von Loyalitätskonflikten. Kunden und Klienten würden sie auffordern, ein Auge zuzudrücken, bzw. aufgrund der gemeinsamen Herkunft Regeln zu brechen. … Des weiteren berichten Verkaufsangestellte von Verdächtigungen, wenn in anderen Sprachen kommuniziert wird. Insbesondere unbeteiligte Kunden hätten den Eindruck, man spreche über Privates, die Gesprächspartner seien Angehörige und keine anderen Kunden, usw. … Bank- und Verwaltungsangestellte berichten nicht von solchen Konflikten, sondern heben hervor, dass Kollegen und Klienten dankbar für die sprachliche Unterstützung seien und dass bestimmte Fragen besser in den Herkunftssprachen gelöst werden können. … Direkt auf das Dolmetschen angesprochen, erwähnen Verwaltungs- und Bankangestellte, dass sie des Öfteren für Kollegen dolmetschen würden, auch in anderen Abteilungen oder Filialen. Probleme scheinen eher in inhaltlicher Hinsicht zu entstehen, wenn Mittlerdienste in Angelegenheiten geleistet werden müssen, die nicht zum eigenen Kompetenzbereich gehören. … DIE NUTZUNG VON HERKUNFTSSPRACHEN IN VERSCHIEDENEN BERUFSBEREICHEN … Herkunftssprachen werden in verschiedenen Berufsbereichen teilweise intensiv genutzt, die Mehrsprachigkeit von Migrant/innen ist vielerorts und für viele Tätigkeiten eine wichtige Ressource. … Medizinisch-soziale, behördliche aber auch gewerbliche Dienstleistungen werden häufig unter Verwendung von Herkunftssprachen angeboten. Die berufliche Nutzung von Herkunftssprachen ist jedoch kein flächendeckendes Phänomen, sondern gebunden an bestimmte Orte, Tätigkeiten sowie an bestimmte Sprachen. Eine Herkunftssprache hat vor allem dann ein Nutzungspotenzial, wenn eine größere Anzahl der Kunden, Klienten oder Partner der Einrichtung oder des Unternehmens vorzugsweise oder ausschließlich in dieser Sprache kommuniziert. Dies ist nicht an allen Orten und in allen Einrichtungen gleichermaßen der Fall. Und auch die beruflichen Tätigkeiten der mehrsprachigen Angestellten sind für die Nutzung ihrer sprachlichen Kompetenzen relevant, weil nicht jede Tätigkeit kommunikationsintensiv und kundennah zugleich ist. … Darüber hinaus wurde in der Unternehmens-Stichprobe gezeigt, dass die befragten Firmen bei ihren Kontakten in die Russische Föderation und in die Türkei ebenfalls hauptsächlich auf Mitarbeiter/innen mit herkunftssprachlichen Kenntnissen zurückgreifen, um die Kommunikation mit Partnerfirmen und örtlichen Behörden zu bewältigen. … In Kindertagesstätten besteht bundesweit in ca. einem Viertel der Einrichtungen ein Bedarf an Kommunikation mit Eltern und Kindern in anderen Sprachen als dem Deutschen, wobei von den Herkunftssprachen Türkisch, Russisch und Polnisch besonders häufig genannt werden. Häufig müssen Angestellte, insbesondere Erzieher/innen, dolmetschen. Bezogen auf die Kommunikation in Behörden haben die Interviews ergeben, dass Herkunftssprachen offenbar nicht alternativ zum Deutschen, sondern in Kombination verwendet werden, d. h. gezielt dann, wenn Verständigungsschwierigkeiten offenkundig werden oder Vertrauen hergestellt werden muss. Die Angestellten gehen sparsam mit ihren sprachlichen Ressourcen um und bieten sie, schon um sich selbst vor Mehrbelastung zu schützen, nicht ohne weiteres an. Aufgrund der rechtlichen Bestimmungen des § 23 VwVfG besteht ein Konflikt zwischen der offenkundigen Zweckmäßigkeit des Gebrauchs von Herkunfts- oder Verkehrssprachen (wie dem Englischen) einerseits, und dem geltenden Recht andererseits. Den Angestellten ist dieser Konflikt bewusst und es scheint, dass sie ihre herkunftssprachlichen Kompetenzen auch aus diesem Grund eher zurückhaltend einsetzen. Wie in Krankenhäusern oder Kindertagesstätten werden auch in Behörden Angestellte als Ad-hoc-Dolmetscher eingesetzt, was nicht von allen Angestellten als unproblematisch empfunden wurde, da die Einsätze auch in Bereichen stattfinden können, in denen die Angestellten nicht sachkundig sind. Dolmetscheinsätze werden auch von Bankangestellten und in der Unternehmensstichprobe genannt, teilweise ebenfalls mit negativen Begleiterscheinungen. Von Bank- und Verkaufsangestellten wurde zudem berichtet, dass auch manche der Kund/innen, die über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, den Gebrauch der Herkunftssprache vorziehen. Die emotionale Bindung an die Muttersprache und die Möglichkeit, diese in alltäglichen Situationen zu verwenden, führen zu einer Bindung der Kund/innen an bestimmte Filialen oder Mitarbeiter/innen – für die Firmen vermutlich kein unangenehmer Begleiteffekt. Berufe mit besonderem Potential für die Nutzung von Herkunftssprachen sind also im medizinisch-sozialen Bereich, in der Pflege oder in Krankenhäusern zu finden, aber auch in kaufmännischen Bereichen oder Behörden. Es darf generell vermutet werden, dass kommunikationsintensive Berufe, ungeachtet der erforderlichen Qualifikation, generell dieses Potenzial haben. Ob Ärzt/innen, Therapeut/innen oder ungelernte Verkaufsangestellte: in jedem dieser Berufe kann migrantische Mehrsprachigkeit die Kommunikation mit Klienten oder Kunden verbessern, wenn die geringen Deutschkenntnisse dieser Klientel oder aber das Bedürfnis nach muttersprachlicher Kommunikation es erfordern. “ Die Expertise in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.
http://www.integration-in-deutschland.de
Quelle: Uni Hamburg BAMF
Dokumente: ExpertiseMehrsprachigkeit.pdf