MOTIVIERT – ABER AUSGEBREMST Die Studie im Auftrag der IG Metall untersucht die Lebensgefühle und – erwartungen der jungen Generation der 14 bis 34-jährigen und fragt ihre subjektiven beruflichen Perspektiven ab. In wie weit wirken sich gesamtgesellschaftliche Entwicklungen des Arbeitsmarktes und Bildungssystems auf die Zukunftserwartungen den jungen Bürgerinnen und Bürger aus? Die von TNS Infratest Politikforschung durchgeführte Befragung stellt die junge Generation der Lebenssituation der 35-jährigen und älter gegenüber. Somit ermöglicht die Studie einen direkten Vergleich der Lebenssituation und Betroffenheit durch die Wirtschafts- und Finanzkrise verschidener Altersgruppen. Auszüge aus der Erhebung „Motiviert – aber ausgebremst“: „ERGEBNISSE UND SCHLUSSFOLGERUNGEN IM FOKUS Junge Generation: Motiviert – aber ausgebremst. • Die junge Generation bis 35 Jahre ist besonders von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen. Leiharbeit, ABM/SAM-Stellen und vor allem Befristungen sind bei ihnen weitaus stärker verbreitet als bei den Älteren. • Junge Arbeitnehmer/innen in prekären Beschäftigungsverhältnissen sind mit ihrer beruflichen Entwicklung deutlich weniger zufrieden. Bei Beschäftigten in Leiharbeit geht dies sogar soweit, dass die Mehrheit unzufrieden ist. • Der jungen Generation werden bereits beim Berufsstart und im weiteren Verlauf Steine in den Weg gelegt. Schwierigkeiten, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden, sind weit verbreitet. Dazu kommen mehrmonatige Phasen der Arbeitssuche bzw. Arbeitslosigkeit bereits vor dem Berufseintritt und danach. • Die Grundlagen für die Prekarisierung der Jungen werden bereits in der Schule gelegt. Besonders deutlich wird das daran, dass insbesondere Hauptschüler/innen geringe Chancen haben, der Falle Prekarität zu entrinnen. … • Trotz vielfach schwieriger Arbeits- und Lebensbedingungen lässt die junge Generation den Kopf nicht hängen. Sie ist motiviert, sich produktiv in die Arbeitswelt und die Gesellschaft einzubringen. Die eigene persönliche Zukunft immer noch mehrheitlich positiv eingeschätzt. • Im Gegensatz zum persönlichen Grundoptimismus überwiegt eine pessimistische Einschätzung der Zukunft unserer Gesellschaft. Diese teilen sie mit den Älteren. Junge und Ältere haben schichtenübergreifend das Empfinden, in einer polarisierten Oben-Unten-Gesellschaft zu leben, der die Mitte abhanden kommt. … • In der aktuellen Krise zeichnet sich bereits jetzt eine überproportionale Betroffenheit der Jungen ab. Sie sind bereits wesentlich stärker von Existenz bedrohenden Maßnahmen betroffen und fürchten daher vielfach dauerhaft unter der Krise zu leiden. • Die junge Generation ist motiviert, wird aber durch ihre Arbeits- und Lebensbedingungen ausgebremst. Die schlechten Lebensperspektiven müssen verbessert werden, damit die Jungen ihre positive Energie entfalten können. * Besondere Betroffenheit von Prekarisierung … Junge Arbeitnehmer/innen sind besonders von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen. Über 30 Prozent der Erwerbstätigen unter 35 Jahren arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen. Berufseinsteiger/innen unter 24 Jahre sind besonders betroffen: Vier von zehn haben ein befristetes Beschäftigungsverhältnis. Die junge Generation ist häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt als Erwerbstätige der Generation 35+. So geben 8 Prozent der 14 bis 34jährigen an, dass es sich bei ihrer Tätigkeit um ein Leih- bzw. Zeitarbeitsverhältnis handelt. Bei Erwerbstätigen ab 35 Jahren sind es 6 Prozent. Weitere 4 Prozent sind im Rahmen einer ABM- bzw. SAM-Maßnahme beschäftigt (ab 35 Jahren: 3 Prozent). Von Leih- bzw. Zeitarbeit, geringfügiger Beschäftigung bzw. ABM- und SAM-Stellen sind jeweils Männer, Befragte mit niedriger und mittlerer formaler Bildung sowie gewerbliche Arbeitnehmer/innen überdurchschnittlich häufig betroffen. Ohne Überschneidungen ergibt sich für die junge Generation ein Netto-Wert von 31 Prozent in prekärer Beschäftigung, während es bei den Älteren 13 Prozent sind wie die Detailergebnisse zeigen. * Zufriedenheit mit beruflicher Entwicklung Junge Arbeitnehmer/innen in prekären Beschäftigungsverhältnissen bewerten ihre berufliche Entwicklung weit negativer als Beschäftigte mit fester Anstellung. Während 84 Prozent der in Vollzeit beschäftigten jungen Arbeitnehmer/innen unter 35 Jahren sich zufrieden über ihre beruflichen Entwicklung äußern, sagen dies von den Teilzeitbeschäftigten nur 57 Prozent und von den Beschäftigten in Leiharbeit nur 49 Prozent. Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit mit der eigenen beruflichen Entwicklung und dem arbeitsvertraglichen Status. Besonders problematisch ist die Leiharbeit. Für eine knappe Mehrheit von 51 Prozent eröffnet sie keine positiven Perspektiven, sondern führt zu verbreiteter Unzufriedenheit unter jungen Erwerbstätigen. Nur Arbeitslose sind mit 80 Prozent noch unzufriedener. Der relativ hohe Wert von Unzufriedenen im Osten (45 Prozent) korrespondiert mit der stärkeren Verbreitung von prekärer Beschäftigung. Prekäre Beschäftigung erweist sich damit nicht als Instrument der Integration, sondern als Förderprogramm für berufliche Frustration. Schon am Beginn des Erwerbslebens wird ein erheblicher Teil der jungen Menschen tendenziell mental ausgebremst. * Probleme beim Berufsstart Der jungen Generation werden beim Berufsstart Steine in den Weg gelegt: Mehr als jede/r dritte junge Arbeitnehmer/in (36 Prozent) hat Probleme einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu finden. Rund jede/r dritte junge Arbeitnehmer/in (31 Prozent) findet keinen Ausbildungsplatz, der seinen/ihren Wünschen und Neigungen entspricht. Mehr als jede/r vierte junge Arbeitnehmer/in (27 Prozent) war nach Abschluss seiner schulischen bzw. beruflichen Ausbildung bereits länger als sechs Monate arbeitslos. Die natürlichen Übergangs- und Veränderungsprozesse, die üblicherweise im Alter von 14 bis 34 Jahren durchlaufen werden, erweisen sich gerade in Krisenzeiten als besonders anfällig für zusätzliche Problemverschärfungen. …Im Verlauf der Krise ist mit einer drastischen Zunahme der Probleme zu rechnen, wenn jetzt nicht von der Politik und den Arbeitgebern entschlossen gegengesteuert wird. * Berufsbiografische Brüche Junge Menschen unter 35 Jahren sind stark von Brüchen im Erwerbsleben betroffen. Fast vier von zehn jungen Arbeitnehmer/innen (37 Prozent) haben in ihrem bisherigen Berufsleben ihren Arbeitsplatz ungewollt gewechselt und jede/r dritte (32 Prozent) war bereits mehr als sechs Monate arbeitslos. … Die schwierigen Startbedingungen für junge Erwerbstätige setzen sich in ihrem weiteren Erwerbsleben für viele fort. Ungewollte Arbeitsplatzwechsel und wiederkehrende Phasen der Arbeitslosigkeit drohen die Norm zu werden. Die sogenannte normale Erwerbsbiografie ist für einen erheblichen Teil bereits jetzt unerreichbar. * Prekarisierung beginnt in der Schule Die Prekarisierung von Arbeitnehmer/innen wird durch Schulausbildung vorbestimmt Hauptschüler/innen (49 Prozent) sind viermal häufiger von längerer Arbeitslosigkeit betroffen als Abiturient/innen (13 Prozent), arbeiten dreimal häufiger für Leiharbeitsfirmen ( 34 zu 11 Prozent) und müssen ihren Arbeitsplatz doppelt so häufig ungewollt wechseln (49 zu 25 Prozent) . Es besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen Brüchen in der Erwerbsbiographie und dem Grad der schulischen Bildung bzw. der beruflichen Stellung. … * Weiterbildung ist sozial ungleich verteilt An Weiterbildungsmaßnahmen nehmen derzeit vornehmlich junge Erwerbstätige mit guter schulischer Bildung und beruflicher Stellung sowie einem höheren Einkommen teil. Hauptschüler/innen, Arbeiter/innen und Teilzeitbeschäftigte werden hingegen kaum gefördert. Weit unterdurchschnittliche Anteile an Weiterbildungsmaßnahmen innerhalb der jungen Generation wurden unter Hauptschulabsolvent/innen (8 Prozent), Arbeiter/innen (9 Prozent) und Teilzeitbeschäftigten (5 Prozent) gemessen. Überdurchschnittlich fällt dagegen der Anteil an sich weiterbildenden Erwerbstätigen unter Befragten mit Abitur (25 Prozent), solchen mit einem Bruttomonatsverdienst von über 3000 Euro (32 Prozent) aus. Der unterschiedliche Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen verstärkt soziale Un-gleichheiten und lässt Leistungspotenziale in den Unternehmen verkümmern. Die Arbeitgeber/innen müssen dringend umsteuern und allen Arbeitnehmer/innen einen gerechten Zugang zu Weiterbildung eröffnen. * Negative berufliche und gesellschaftliche Entwicklungen Junge Arbeitnehmer/innen schätzen die gesellschaftliche Entwicklung mit Blick auf Arbeit und Beruf negativ ein. Mehr als die Hälfte der jungen Arbeitnehmer/innen schätzen, dass sich Möglichkeiten, einen guten Arbeitsplatz zu finden (53 Prozent) verschlechtert haben. 56 Prozent glauben, dass berufliche Anforderungen und Leistungsdruck gestiegen sind. … Besonders deutlich wird die negative Einschätzung der gesellschaftlichen Entwicklung durch die Abfragen „soziale Gerechtigkeit“ (50 Prozent), „die Möglichkeit einen wirklich guten Arbeitsplatz zu finden“ (53 Prozent) sowie „berufliche Anforderungen/Leistungsdruck“ (56 Prozent). Die Hälfte bzw. einer knappe Mehrheit der Befragten erkennt für sich eine klare Problemlage bei diesen für die materielle und soziale Existenz prägenden Fragen. … * Gesellschaftliche Zuversicht gebrochen Die junge Generation bis 35 Jahren hat ihren Optimismus nicht ganz verloren und schätzt ihre persönliche Zukunft besser ein als die gesellschaftliche Zukunft – ab 35 Jahren sinken die Erwartungen rapide. Zwar blicken 60 Prozent der jungen Menschen unter 35 Jahren noch mit Zuversicht in die persönliche Zukunft, aber vier von fünf betrachten die gesellschaftliche Zukunft bereits mit Sorge. … Offensichtlich wollen viele Angehörige der jungen Generation den Kopf nicht hängen lassen und trotz der vielfältigen Schwierigkeiten etwas aus ihrem Leben machen. Die ältere Generation hat schon zu viel Frustration erfahren müssen, um noch an die Zukunft zu glauben. Die auseinanderklaffenden Einschätzungen der persönlichen und der gesellschaftlichen Zukunft verdeutlichen, dass die junge Generation motiviert ist, eine produktive Rolle im Erwerbsleben und der Gesellschaft zu spielen, sie aber sehr wohl erkennen, dass sie durch strukturelle Faktoren ausgebremst werden. … * Gesellschaftliches Leitbild in Frage gestellt Das gesellschaftliche Leitbild der Verbesserung in der Zukunft wird in Frage gestellt. Der Optimismus in Hinblick auf eine bessere Zukunft der jungen Generation ist aufgebraucht. Optimistische und pessimistische Einschätzungen halten sich bei der jungen Generation knapp die Waage. Bei der älteren Generation glauben nur noch 6 Prozent an eine bessere Zukunft für die Jungen, je knapp ein Fünftel erwarten genauso gute oder schlechte Bedingungen, und 54 Prozent erwarten eine schlechtere Zukunft für die Jungen. … Gesellschaftliche Zuversicht ist eng mit der großen Erzählung von der Verbesserung – von der Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Jungen – verknüpft. Dieses Leitbild hat über Generationen Zusammenhalt gestiftet. Es trägt nicht mehr. * Krisenbetroffenheit von jungen Arbeitnehmern Junge Arbeitnehmer/innen verlieren ihren Job in der Krise schneller als ältere Arbeitnehmer. Sechsmal häufiger sind bis 35jährige bereits betriebsbedingt gekündigt worden als ältere. … Es zeichnet sich zudem eine Tendenz ab, dass Angehörige der jungen Generation auch deshalb stärker betroffen sind, weil sie wesentlich häufiger prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben. … * Krise bedroht Entwicklungschancen Junge Arbeitnehmer/innen fürchten, dauerhaft unter den Folgen der Krise zu leiden. Jede/r zweite junge Arbeitnehmer/in (49 Prozent) macht sich Sorgen, dass seine/ihre beruflichen Entwicklungschancen dauerhaft unter der Krise leiden werden. * Eine sozial polarisierte Gesellschaft Der Glaube an die Mittelstandsgesellschaft ist nicht mehr vorhanden. Er wird vom Empfinden einer polarisierten Oben-Unten-Gesellschaft verdrängt. Die Generationen sind sich einig in ihrer Enttäuschung über die sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse. … Das Gefühl in einer sozial polarisierten Gesellschaft zu leben, dominiert über soziale Schichten und Statusgruppen hinweg und entspricht der Lebensrealität vieler Menschen. Jung und Alt sind vereint in ihrer Enttäuschung über die Verhältnisse, in denen wir leben. …“ Die Studie in vollem Textumfang steht Ihnen über aufgeführtem Link oder im Anhang zur Verfügung.
http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/internet/style.xsl/view_20656.htm
Quelle: IG Metall – Pressinformation
Dokumente: docs_ig_metall_xcms_145272__2.pdf