Auszüge aus der Stellungnahme der BAGFW zum Antrag der bundesweiten Verteilung unbegleiteter Minderjähriger:
“ (…) Dieser Gesetzentwurf widerspricht dem Wohl des Kindes und damit einschlägigen Rechtsnormen. Im Gesetzesantrag zur Änderung des SGB VIII taucht das Wort Kindeswohl nicht auf Es wird allein darauf hingewiesen, dass es sich um einen Eingriff in das elterliche Grundrecht handelt, ohne dass die damit verbundenen Maßnahmen vor diesem Hintergrund näher erörtert werden. Das Ruhen der elterlichen Sorge ermächtigt den Staat nicht, Maßnahmen zu ergreifen, es sei denn, sie dienen vorrangig dem Kindeswohl.
Der Grundsatz der örtlichen Zuständigkeit sollte erhalten bleiben. Eine Übertragung der Zuständigkeit sollte nur aus Gründen des Kindeswohls möglich sein. Ein Verteilungssystem würde einen zusätzlichen Abbruch und Neuanfang für die Kinder und Jugendlichen bedeuten. Eine für die betreffenden Kinder und Jugendlichen nicht nachvollziehbare Umverteilung gegen ihren Willen wird eher dazu führen, dass sie sich entziehen. Dies ist vor dem Hintergrund, dass sie oft schon lange auf der Flucht sind und Stabilität brauchen, nicht sachgerecht. Es widerspricht dem Grundsatz der Pädagogik, dass das stärkste Instrument für eine erfolgreiche Hilfe der Aufbau stabiler Bindungen ist.
Die Anforderung an ein Umverteilungssystem, effizient und effektiv zu sein, steht im Widerspruch zur Anforderung, einzelfallbezogene Bedarfe zu berücksichtigen. Einige der stark beanspruchten Kommunen sind Zielort der Jugendlichen, während andere Kommunen vor allem deshalb zuständig sind, weil Kinder und Jugendliche in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgegriffen werden, diese jedoch dort nicht verbleiben wollen. Vor allem für die Stadtstaaten als häufiger Zielort würde eine solche Regelung daher bei Berücksichtigung des Rechts der Kinder und Jugendlichen auf Mitsprache keine Entlastung bringen.
Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege lehnen daher die geplanten Regelungen im vorliegenden Gesetzesantrag ab. Probleme aufgrund der Zunahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen werden nur verlagert, möglicherweise weitere geschaffen. (…)
Zentraler Ansatzpunkt, um den Herausforderungen einiger Jugendämter zu begegnen, wäre ein finanzieller Ausgleich zwischen Kommunen und Ländern statt einer Umverteilung von Kindern und Jugendlichen. Der Bundesrat hatte am 22.03.2013 einen Beschluss (Bundesratsdrucksache 93/13) gefasst, um das Ziel einer ausgewogeneren Kostenverteilung zu erreichen. Die dort beschriebene Regelung erscheint deutlich besser geeignet, eine Lösung herbeizuführen, sollte aufgegriffen und vor dem Hintergrund der neueren Entwicklungen weiterentwickelt werden. (…)
Insofern im Bereich einiger Jugendämter die örtliche Aufnahmekapazität an ihre Grenzen stößt, könnten Kommunen vor Ort miteinander kooperieren und Jugendliche in der kommunalen Nachbarschaft bei grundsätzlicher Zuständigkeit des örtlichen Jugendamtes verbleiben, statt bundesweit verteilt zu werden. Zu diesem Zweck wäre auch denkbar, dass eine Kostenregelung so konzipiert wird, dass für Kommunen Anreize geschaffen werden, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Dies könnte ein Pull-Effekt anderer Kommunen auslösen, um die stark beanspruchten Kommunen zu entlasten, ohne dass es eines Verteilungssystems bedarf. Insbesondere kann es für eine Kommune auch hilfreich sein, wenn die im Rahmen der Jugendhilfe aufgenommenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge auf den Königsteiner Schlüssel zur Aufnahme von Asylsuchenden insgesamt angerechnet würden. Ein Wohnortwechsel muss jedoch effektiv möglich sein, wenn Gründe des Kindeswohls dies erfordern, z.B. wenn an einem anderen Ort nahe Verwandte des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings leben. Die Zusammenführung z.B. mit nahen Verwandten könnte auch Kosten der Jugendhilfe reduzieren.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege plädiert dafür, in allen Bundesländern Standards in der Jugendhilfe zu etablieren, die dem Kindeswohl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge gerecht werden. Trotz Fortschritten in den letzten Jahren, gibt es hier große Unterschiede und an einigen Orten noch deutlichen Verbesserungsbedarf. Wenn unbegleitete minderjährige Flüchtlinge umverteilt werden sollen, da aufgrund der Quantität in besonders beanspruchten Kommunen das Kindeswohl nicht sichergestellt erscheint, so kann ebenfalls aufgrund der Unterschiede in den Standards nicht davon ausgegangen werden, dass diese am Zielort nach Umverteilung besser sind.“
Die Stellungnahme in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.
Quelle:
Dokumente: 20141118_Stellungnahme_zur_Umverteilung_von_UMF_final.pdf