Ziele und Erfolgskriterien von Jugendberufsagenturen

Längst nicht alle hier lebenden jungen Menschen haben gute berufliche Startchancen. Regelmäßig müssen noch immer Jugendliche und junge Erwachsene an den Übergängen von Schule, Ausbildung und Beruf Erfahrungen des Scheiterns machen und gehen im so genannten „Übergangssystem“ verloren. Die Gründe können vielfältig sein. Eine Gemeinsamkeit haben diese jungen Menschen aber meist: Je komplexer ihre Problemlagen werden, desto zersplitterter werden organisatorische und finanzielle Zuständigkeiten. Somit kommt es zu vielen Schnittstellen zwischen den jeweils zuständigen Institutionen, die häufig mit Reibungsverlusten und Brüchen im Integrationsprozess einhergehen. Nach dem Koalitionsvertrag will die Bundesregierung flächendeckend Jugendberufsagenturen schaffen und die Leistungen für junge Menschen unter 25 Jahren nach den Sozialgesetzbüchern II, III und VIII  bündeln. Ziel der Jugendberufsagenturen ist und muss es sein, die auf unterschiedlichen Institutionen und Ressourcen für die Integration besonders förderungsbedürftiger Jugendlicher besser miteinander zu verknüpfen und Brüche in der beruflichen Integration zu vermeiden. Die Bundesregierung will allerdings kein konkretes Modell hierzu vorgeben. Aus gewerkschaftlicher Sicht besteht Handlungsbedarf. Der DGB formuliert arbeitsmarktpolitische Anforderungen an die Jugendberufsagenturen.

Auszüge aus der DGB-Publikation „arbeitsmarkt aktuell“ zum Thema „Jugendberufsagenturen – Ziele und Erfolgskriterien aus arbeitsmarktpolitischer Sicht„:

Erfolgsfaktoren

„(…) Für den Erfolg und die Wirksamkeit des Konzepts haben sich in der Praxis folgende Faktoren herauskristallisiert:

  • Möglichst alle für die Integration Jugendlicher bzw. der besonders förderbedürftigen Jugendlichen zuständigen Akteure sollen sich einbringen und zur Zusammenarbeit gewonnen werden. Insbesondere folgende Institutionen sollen personelle Ressourcen gezielt für diese Initiative zur Verfügung stellen:
    – Die Arbeitsagentur mit ihren Angeboten für junge Menschen.
    – Die Jobcenter mit ihren Teams für Jugendliche unter 25 Jahren.
    – Die Jugendämter sollen ausreichend Mitarbeiter/-innen der Jugendhilfe zur Verfügung stellen und Leistungen nach dem SGB VIII anbieten (…).
    – Es sollten möglichst weitere Akteure gewonnen werden, wie allgemeinbildende und weiterführende Schulen, Jugendmigrationsdienste, Schuldner- und Suchtberatung…
  • Jugendberufsagenturen brauchen auch finanzielle Ressourcen. Grundverständnis sollte sein, dass jede beteiligte Institution sich mit eigenen Sach- und Maßnahmemitteln einbringt und finanzielle Brüche möglichst vermieden werden. (…)
  • Die Betreuung der Jugendlichen sollte Brüche in der Betreuung und Maßnahme bezogenen Förderung möglichst verhindern und bestehende Schnittstellen reduzieren. So sollte die Ausbildungsvermittlung der Jobcenter für jugendliche Hartz-IV-Empfänger/-innen auf die Arbeitsagenturen übertragen werden, damit Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung aus einer Hand erfolgen kann. (…)
  • Jugendliche mit besonderem Förderbedarf sollten ganzheitlich betreut und Drehtüreffekten entgegengewirkt werden. Dabei kommt insbesondere der Jugendhilfe bei der Integration junger Menschen ein eigenes Profil zu, das nicht durch die Arbeit der Jobcenter ersetzt werden kann und soll. Wann immer junge Menschen einen speziellen Hilfebedarf nach dem SGB VIII haben und die arbeitsmarktpolitischen Integrationsbemühungen erschweren oder scheitern lassen könnten, sollten entsprechende Leistungen der Jugendhilfe, wie beispielsweise der berufsbezogenen Jugendsozialarbeit vorgehalten werden. (…)
  • Gemeinsame Zielvereinbarungen für alle beteiligten Institutionen sollten angestrebt werden. (…)
  • Zentrale Gremien – wie der Jugendhilfeausschuss oder die Trägerversammlung – sollten in das Konzept und die inhaltlichen Vereinbarungen einbezogen werden. (…)
  • Entscheidend für die Verbesserung der kommunalen Kooperation ist insbesondere auch der politische Wille der jeweiligen Entscheidungsträger. Schriftliche Vereinbarungen zu Kooperationen und zu Schnittstellenkonzepten sind sinnvoll, stellen aber nur ein formales Fundament der Kooperation dar. Es kommt darauf an, wie dieses Konzept gelebt und die jeweilige Führungsebene sich dieses Themas annimmt und das Konzept insbesondere auch vom Bürgermeister oder Landrat mitgetragen wird.
  • Für Jugendliche mit vielfachem Unterstützungsbedarf – z. B. Schulversagen, Wohnungslosigkeit oder Erfahrung mit Sucht- und Rauschmitteln – kommt der aufsuchenden Sozialarbeit große Bedeutung zu. Sie sollte gestärkt und die besonders scharfen Sanktionen für junge Menschen zurückgenommen werden und auch bei Änderung des Verhaltens ganz korrigiert werden können. Aus Sicht der Jugendhilfe sollten bspw. Sanktionen nur in ganz besonderen Ausnahmefällen angewendet werden.

Gesetzlicher Korrekturbedarf

  • (…) Erfolgreiche Unterstützung und Integration setzt voraus, dass Leistungen der Jugendhilfe vor Ort entwickelt und insbesondere im kooperativen Austausch mit den Maßnahmen der Jobcenter verzahnt werden. Damit dies erfolgreich gelingt, sollten die gesetzlichen Regelungen zur Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Jobcentern konkretisiert und ausgebaut werden. Die wenigen bisher bestehenden Regelungen sind wenig verbindlich (siehe § 13 SGB VIII) und das Vorrang-Nachrang-Verhältnis der Jugendhilfe gegenüber den arbeitsmarktpolitischen Gesetzen befördern vielfach eine unzureichende Ausstattung der Jugendsozialarbeit in vielen Kommunen. Auch weitere gesetzliche Korrekturen sind notwendig, zu denen der DGB Vorschläge erarbeitet hat.
  • Um den hohen Anteil junger Menschen ohne Berufsabschluss im Hartz-IV-System zu senken, braucht es dringend eine Aufhebung des Vermittlungsvorrangs nach § 3 Abs. 2 SGB II durch eine gesetzliche Korrektur. Bislang sieht die rechtliche Regelung vor, dass junge Leistungsberechtigte, die nicht in Ausbildung vermittelt werden können, in Arbeit vermittelt werden müssen. Das ist nicht sinnvoll, weil vielen damit die Chance auf eine dauerhafte Überwindung des Hilfebezugs genommen wird. Am Anfang einer Erwerbsbiographie sollte eine Ausbildung stehen. (…)
  • Ein Ziel der Jugendberufsagenturen ist es, Maßnahmen gemeinsam durchzuführen, um so die Effizienz zu erhöhen. Die derzeitigen Vergaberichtlinien erschweren in der Praxis in Teilen die Zusammenarbeit. Diese Probleme können aber bei der Neuordnung der Vergabe im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie gelöst werden. Der DGB hat vorgeschlagen, dass für die Vergabe von Dienstleistungen ein eigenes Vergaberegime entwickelt wird, das auf die besonderen Anforderungen dieser Dienstleistung zugeschnitten ist. Dadurch soll eine dauerhaft hohe Qualität der sozialen Dienstleistungen gewährleistet werden. Vor allem die Arbeitsbedingungen bei den Trägern sind zunehmend prekär geworden, die Arbeitsplätze unsicher, die Löhne unangemessen niedrig, und es wird vielfach mit Honorarkräften gearbeitet. Unter den gegebenen Umständen ist es für die Träger immer schwieriger, qualifiziertes Personal anzuwerben und längerfristig zu binden. Die Rahmenbedingungen müssen deswegen so verändert werden, dass qualifiziertes und motiviertes Personal gehalten werden kann. (…)
  • Um Jugendberufsagenturen stärker an der Logik der Jugendhilfe auszurichten, braucht es eine Entschärfung der Sanktionsregelung. (…)
  • Das Thema Datenschutz sollte gleichfalls vom Gesetzgeber aufgegriffen werden, denn bisher bestehen hohe formale Anforderungen an einen trägerübergreifenden Informationsaustausch, soweit Jugendliche sowohl Leistungen der Jobcenter als auch der Jugendhilfe benötigen. (…) Sowohl Jobcenter wie Jugendamt benötigen zum Beispiel gute Kenntnisse der wechselseitigen Integrations- bzw. Hilfeplanstrategie. Das Datenschutzrecht sollte hier so ausgestaltet und klar formuliert werden, dass gemeinsame Angebote und Hilfen möglichst schnell und effektiv bereitgestellt werden können, Unsicherheiten begegnet wird, ohne dabei das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen zu verletzen. (…)

Schlussbemerkungen

Es gibt kein Patentrezept und auch kein einheitliches Modell für die Ausgestaltung einer Jugendberufsagentur. Die Rahmenbedingungen sind in Städten und Kreisen sehr heterogen und die Herausforderungen insbesondere hinsichtlich junger Menschen mit besonderem sozialem Unterstützungsbedarf sehr verschieden. (…)

Eine bessere soziale Teilhabe und arbeitsmarktliche Integration von jungen Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf wird aber nur dann gelingen, wenn die örtlichen Akteure nicht allein gelassen werden und nur auf die örtliche Verantwortung zur Gestaltung der Jugendberufsagenturen verwiesen werden. (…)

Auch wenn bei der Einrichtung von Jugendberufsagenturen der lokale Gestaltungsspielraum notwendig ist, wird es ohne zusätzliche Mittel kaum gehen. Werden die Angebote der Jugendhilfe nicht auskömmlich gestaltet, wird das Versprechen kaum realisiert werden können, dass mit den Jugendberufsagenturen kein Jugendlicher mehr auf der Strecke bleibt. (…)

Die flächendeckende Einrichtung von Jugendberufsagenturen ersetzt nicht die Notwendigkeit mehr dafür zu tun, dass die Zahl der Schulabbrecher/-innen noch weiter zurückgeht, dass eine Ausbildungsgarantie eingeführt wird, dass es in allen Bundesländern ein strukturiertes und leistungsstarkes Übergangssystem gibt oder dass weitere Instrumente – wie bspw. die „Assistierte Berufsausbildung“ – für Jugendliche mit spezifischen Problemlagen geschaffen werden müssen. Jugendberufsagenturen stoßen außerdem auch bei Lücken in der BAföG-Gesetzgebung, bei fehlenden Sprachkenntnissen und nicht vorhandenen Sprachförderange-boten… an ihre Grenzen. (…)“

Quelle: DGB arbeitsmarkt aktuell

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