BMAS UND BA PLANEN NEUE ARBEITSHILFE FÜR ARBEITSGELEGENHEITEN, DIE U.A. KRITIK DES DGB AUFGREIFT Der DGB Bundesvorstand hat in der aktuellen Ausgabe seiner Veröffentlichung ‚Arbeitsmarkt aktuell‘ die Praxis und Entwicklungen von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (1-Euro-Jobs) unter die Lupe genommen. Ursprünglich war dieses arbeitsmarktpolitische Instrument ursprünglich als Ultima Ratio vorgesehen. In der Praxis der ARGEn hingegen wird dieses Instrument am häufigsten eingesetzt. Allein im Jahr 2008 haben über 765.000 Menschen eine Arbeitsgelegenheit abgeleistet. Auszüge aus der DGB Veröffentlichung ‚Praxis und Entwicklungen bei 1-Euro-Jobs‘: “ Die 1-Euro-Jobs sind weiterhin das mit Abstand bedeutsamste Instrument der Arbeitsmarktpolitik. Diese sozialrechtliche Beschäftigung ohne Arbeitsvertrag ist auf den SGB II-Rechtskreis beschränkt. Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass sich die 1-Euro-Jobs bei ca. 300.000 Teilnehmer/innen im Jahresdurchschnitt eingependelt haben und die Entwicklung nur leicht rückläufig ist. … Die endgültige Bestandszahl für 2008 liegt noch nicht vor, dürfte aber wieder bei 300.000 wie im Vorjahr liegen. Betrachtet man die Zugangszahlen (Eintritte bzw. Bewilligungen) ergeben sich noch deutlich höhere Zahlen. In 2008 nahmen insgesamt 764.000 Menschen an einem 1-Euro-Job teil (2007: 775.000). Auch im laufenden Jahr ist der Trend ungebrochen (76.000 Zugänge allein im April). Das zeigt, dass dieses Instrument unabhängig vom Konjunkturgeschehen im großen Stil eingesetzt wird. Das verstößt in eklatanter Weise gegen das Ultima-Ratio-Prinzip, das eigentlich für den Einsatz dieses Instruments gilt. Dieses besagt, dass Arbeitsgelegenheiten nur dann geschaffen werden dürfen, wenn andere Mittel der Eingliederung in Arbeit, Ausbildung oder Qualifizierung nicht möglich sind. Betrachtet man im Vergleich andere Möglichkeiten öffentlich geförderter Beschäftigung …, so führen diese ein Schattendasein. … Auch neu eingeführte Instrumente zur öffentlich geförderten Beschäftigung wie der Beschäftigungszuschuss und der Kommunalkombi führen mit derzeit rund 30.000, bzw. 11.000 Teilnehmern noch ein Schattendasein. Das quantitative Niveau von 1-Euro-Jobs übersteigt damit das vormalige ABM Niveau deutlich, ohne dass eine vergleichbare Diskussion um die Verdrängung regulärer Arbeit geführt würde. … * Finanzielle Fehlanreize Die übermäßige Nutzung der 1-Euro-Jobs ist keine Überraschung, sondern entspringt einer Fehlsteuerung im SGB II. Insbesondere ist es aus fiskalischer Sicht für SGB II Träger attraktiv, in großer Zahl 1-Euro-Jobs anzubieten, denn aus ihrem Eingliederungsbudget müssen sie nur die Mehraufwandsentschädigung und die Trägerpauschale (zusammen rund 500 Euro) finanzieren. Das Gros der Gesamtkosten bei 1-Euro-Jobs macht die Weiterzahlung des ALG II bzw. des Sozialgelds für Kinder und der Unterkunftskosten aus. Da dies aber passive Pflichtleistungen sind, müssen Bund bzw. Kommune (bei der Miete) außerhalb der arbeitsmarktpolitischen Förderung für diese Kosten aufkommen. In der Entgeltvariante und beim Beschäftigungszuschuss müssen hingegen bis zu drei Mal höhere Beträge komplett aus dem Eingliederungsbudget finanziert werden. Dieses wird dadurch stärker belastet und es gibt hier keine Nachschusspflicht des Bundes. Auch lassen sich mit 1-Euro-Jobs hohe Aktivierungsraten erzielen, wenn viele Arbeitslose kurzfristigen und das Eingliederungsbudget wenig belastenden Maßnahmen zugeteilt werden. Eine auf den nachhaltigen Eingliederungserfolg und die individuellen Möglichkeiten zugeschnittene Eingliederungsstrategie ist hingegen in den für die Steuerung des Mitteleinsatzes verwendeten SGB II-Kennziffern wenig verankert. Quantität „von der Stange“ statt Qualität im Einzelfall lautet allzu oft das Motto. … Die politische Aussage von Bundesregierung und BA zum Start des Hartz IV Systems, dass nach einer gewissen Zeit des Aufbaus der Grundsicherungsstellen ein Umsteuern weg von relativ einfach zu administrierenden 1-Euro-Jobs hin zu qualitativeren Instrumenten der Arbeitsmarktförderung erfolgen würde, hat sich nicht ausreichend bestätigt. … * Schwerpunkt Ostdeutschland In der Theorie sind 1-Euro-Jobs ein niedrigschwelliges Angebot an schwer vermittelbare Arbeitslose, die wieder an Arbeit herangeführt werden sollen. Bildlich soll es eine erste Sprosse auf einer Leiter sein, die wieder in reguläre Beschäftigung führt. In der Praxis dient das Instrument aber dem Ersatz regulärer Beschäftigung gleich in doppelter Hinsicht. Einerseits besteht die Gefahr der Verdrängung regulärer Arbeitsplätze, wie viele Beispiele zeigen. Zum anderen setzen es SGB II Träger gerade in Ostdeutschland auch bewusst als Marktersatzmaßnahme für vermeintlich oder auch tatsächlich fehlende andere Beschäftigungs- oder Qualifizierungsmöglichkeiten ein. … Gerade in Ostdeutschland dienen 1-Euro-Jobs vorrangig nicht (mehr) dem Ausgleich individueller Defizite bei Arbeitslosen, sondern es geht um einen großflächigen Einsatz als Marktersatzmaßnahme. Dafür sind sie aber nicht konzipiert. Ihre Dauer von grundsätzlich bis zu 12 Monaten, und insbesondere ihre Ausgestaltung als sozialrechtliche Beschäftigung ohne Arbeitsvertrag und mit kaum vorhandenen Arbeitnehmerrechten, sprechen dagegen. … * 1-Euro-Jobs und Jugendliche Bei Jugendlichen (unter 25 Jahren) sieht das Gesetz (§ 3 Abs. 2 SGB II) ausdrücklich vor, dass sie unverzüglich nach dem ALG II-Antrag in eine Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln sind. Auch hier wird der Nachrang der Arbeitsgelegenheiten noch einmal deutlich. Obwohl der Vorrang von Ausbildung auch in der Arbeitshilfe Zusatzjobs von BA und BMAS herausgestellt wird, sieht die Praxis wieder anders aus. Im Januar 2009 waren knapp 40.000 Jugendliche in 1-Euro-Jobs. Wieder ist der Anteil der ostdeutschen Jugendlichen mit über 40 Prozent größer als ihr Anteil an der Jugendarbeitslosigkeit, der im Januar bei gut 34 Prozent lag. Das heißt, auch bei den Jugendlichen werden 1-Euro-Maßnahmen im Osten quasi als Marktersatz für Stellen eingesetzt. … * Frauen und 1-Euro-Jobs Nach der jüngsten geschlechtsspezifischen Auswertung der BA betrug der Anteil von Frauen in 1-Euro-Jobs im Dezember 2008 36,8 Prozent (absolut 106.888 Frauen). Der Anteil an der Arbeitslosigkeit betrug hingegen 47,8 Prozent (absolut 1,48 Mio.). D.h., dass Frauen deutlich unterrepräsentiert in 1-Euro-Jobs sind, gemessen an ihrer relativen Betroffenheit von Arbeitslosigkeit. … * 1-Euro-Jobs aus Sicht der Teilnehmenden Anhand einer DGB-Sonderauswertung aus der IAB Befragung PASS (Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung) sind erstmals repräsentative Aussagen über die 1-Euro-Jobs durch Teilnehmende möglich. Vorherige Untersuchungen des IAB bezogen sich auf Statistiken der BA bzw. die Befragung von Unternehmen. Die Befragung der 1-Euro-Jobber wurde im ersten Halbjahr 2007 durchgeführt und erfasst 332 im 1-Euro-Job Beschäftigte sowie 900 Personen mit 1-Euro-Job Erfahrung. Insgesamt wurden 19.000 Personen über den Zeitraum erstes Halbjahr 2005 bis erstes Halbjahr 2007 befragt, davon 9.386 mit ALG II Leistungsbezug. Im Folgenden werden die Aussagen der im 1-Euro-Job Befragten mit den Angaben der im ALG II Bezug Befragten (ohne 1€-Jobber) bzw. mit allen Befragten (ohne 1€-Jobber) verglichen. Von den Befragten, die sich während der Befragung im 1-Euro-Job befanden, waren 62 Prozent männlich und 38 Prozent weiblich, 46 Prozent kamen aus den alten Bundesländern und 54 Prozent aus den neuen. … Im Vergleich zu allen Befragten, verfügten die 1-Euro-Jobber über leicht unterdurchschnittliche Schul- und Berufsabschlüsse. Von besonderem Interesse bei der Auswertung der Daten sind Antworten auf folgende Fragen: · Wie werden die Befragten von der ARGE betreut? · Wie werden 1-Euro-Jobs von den Teilnehmenden bewertet? · Inwiefern entsprechen 1-Euro-Jobs regulärer Beschäftigung? Betreuung durch ARGE: Freundliche Vermittler, aber zu wenig Jobs Die Mehrheit der Befragten bewertet den persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitern eher positiv. 80 Prozent empfinden die Mitarbeiter als freundlich und hilfsbereit, 50 Prozent haben Vertrauen zu den Mitarbeitern und 57 Prozent sagen, ihre Vorstellungenwerden berücksichtigt. Deutlich skeptisch bewerten die Befragten die Beratung hinsichtlich ihrer Beschäftigungschancen: 61 Prozent glauben nicht, dass ihnen die ARGE helfen kann, wieder Arbeit zu bekommen. Dies verwundert nicht, wenn man sich anschaut, wie selten die Befragten überhaupt Arbeitsangebote durch die ARGE erhalten haben. Nur 12 Prozent der Befragten im 1-Euro-Job wurde eine normale Vollzeitstelle angeboten. Bei den Befragten in Hartz IV allgemein haben mit 16 Prozent etwas mehr ein solches Angebot erhalten, jedoch auch nur jede/r sechste. Dies ist besonders wenig, vor dem Hintergrund, dass im Zeitraum 2005/2006 die allgemeine Arbeitslosigkeit mit der anziehenden Konjunktur gesunken ist. Weiterhin auffällig: Frauen erhalten – selbst wenn sie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – seltener Arbeitsangebote als Männer. So haben 20 Prozent der Männer in Hartz IV eine normale Vollzeitstelle angeboten bekommen, jedoch nur 12 Prozent der Frauen. Bei den 1-Euro-Jobbern haben 15 Prozent der Männer schon einmal eine normale Vollzeitstelle angeboten bekommen, bei den Frauen nur 8 Prozent. Mangelhafte Beratung, kaum Weiterbildung Neben einem offensichtlichen Mangel an Jobangeboten, zeigen sich auch Mängel bei der Vorbereitung auf Beschäftigung. Jede/r vierte erwerbsfähige Hilfebedürftige hatte keine ausführlichen Gespräche bei der ARGE, jede/r dritte hat kein Stärken-Schwächen-Profil erstellt bekommen, jede/r zweite keine Beratung für Bewerbungsgespräche erhalten. Bei den 1-Euro-Jobbern stellt sich die Situation etwas besser dar. Hier hatte jede/r sechste keine ausführlichen Gespräche, jede/r fünfte hat kein Stärken-Schwächen-Profil erstellt bekommen, aber auch fast jede/r zweite keine Beratung für Bewerbungsgespräche. Allerdings kann diese mangelhafte Vorbereitung auch aus dem Mangel an Angeboten resultieren. Des Weiteren dürften die Vermittler auch Prioritäten gesetzt und sich um bestimmte Gruppen zuerst gekümmert haben, wie bspw. um Arbeitslose unter 25 Jahren. Hier ist der Anteil derjenigen, die keine ausführlichen Gespräche hatten, mit 17 Prozent am geringsten. Die intensivere Betreuung von jüngeren Arbeitslosen ist eine Zielstellung im SGB II und wird offensichtlich umgesetzt. Eine weitere Zielstellung wurde allerdings noch nicht erfüllt: 32 Prozent der befragten Hartz IV – Bedürftigen hatten keinen festen Ansprechpartner bei der ARGE. … Bewertung der 1-Euro-Jobs: Im Osten positiver als im Westen Bei der Bewertung der 1-Euro-Jobs durch die Teilnehmenden lassen sich zwei Wirkungsebenen unterscheiden. · Wie wirkt die Maßnahme auf die Beschäftigungschancen? · Wie wirkt die Maßnahme auf das persönliche Befinden? Deutlich negativ werden die Chancen bewertet, durch 1-Euro-Jobs bessere Beschäftigungsaussichten zu erwerben. 64 Prozent der Befragten glauben nicht daran, durch einen 1-Euro-Job wieder in reguläre Beschäftigung zu kommen. Diese Einschätzung entspricht auch dem Stand der Begleitforschung. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat festgestellt, dass 1-Euro-Jobs nur wenigen Gruppen (Frauen in Westdeutschland) bessere Jobchancen bringen. Dagegen wird der Aspekt der sozialen Integration durch 1-Euro-Jobs von der Mehrheit der Befragten positiv bewertet. 83 Prozent sehen 1-Euro-Jobs als Gelegenheit, etwas Sinnvolles zu tun und um unter Menschen zu kommen. Auch, dass 1-Euro-Jobs zur Verbesserung der finanziellen Situation beitragen, bestätigt die Mehrheit (71 Prozent) der Befragten. Das zeigt auch, wie dringend nötig jeder weitere Euro für Hartz IV – Bedürftige ist. Dennoch stellt die Situation für die Teilnehmenden eine Belastung dar. So gaben bei den 1-Euro-Jobbern nur 61 Prozent an, überhaupt nicht bzw. wenig unter seelischen Problemen, Angst oder Niedergeschlagenheit zu leiden. Bei allen Befragten waren es dagegen 71 Prozent. Jede/r vierte Befragte empfindet die Teilnahme an solchen Arbeitsgelegenheiten – die von der ARGE auch als Test der Arbeitsbereitschaft eingesetzt werden – als entwürdigend und nimmt nur Teil aufgrund drohender Kürzungen. Hierbei und bei der Bewertung der 1-Euro-Jobs insgesamt, gibt es auffallende regionale Unterschiede. Teilnehmende aus den neuen Bundesländern bewerten 1-Euro-Jobs eindeutig positiver, als Teilnehmende aus den alten Bundesländern. … So haben 41 Prozent der Ostdeutschen sich sogar eigeninitiativ um einen 1-Euro-Job bemüht, bei den Westdeutschen waren es 26 Prozent. Der Wille zu arbeiten ist eindeutig vorhanden, allerdings fehlt es oftmals an Angeboten. Diese Situation stellt den Zwang, bei Hartz IV-Bedürftigkeit jede Arbeit – sei sie noch so schlecht bezahlt – annehmen zu müssen, in Frage. … “ NEUE ARBEITSHILFE IN PLANUNG Neben dem DGB hat in der Vergangenheit der Bundesrechnungshof sowie die interne Revision der BA Kritik an dem Instrument geübt. Derzeit arbeiten das BMAS und die BA an einer Neufassung der Arbeitshilfe zu Arbeitsgelegenheiten (AGH) nach § 16d SGB II. Einem den Jugendsozialareit News vorliegenden Entwurf ist zu entnehmen, dass künftig keine ‚pauschalen‘ Bewilligungen von 1-Euro-Jobs mehr zulässig sein sollen. Jede einzelene Maßnahme ist hinsichtlich der Fördervoraussetzungen zu prüfen. Außerdem ist vorgesehen, die konkrete Tätigkeit bei der Zuweisung zu bestimmen. An unterschiedlichen Stellen spricht die Arbeitshilfe von einer Nachrangigkeit des Instruments gegenüber anderen Maßnahmen. 1-Euro-Jobs dürfen (bei Jugendlichen) Maßnahmen der Berufausbildung, Berufsvorbereitung oder der beruflichen Weiterbildung nicht ersetzen oder unterlaufen. Für Jugendliche mit Interesse den Hauptschulabschluss nachzuholen, kann ein 1-Euro-Job einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BVB) vorgeschaltet werden und entsprechende Qualifizierungsanteile enthalten. Grundlage dafür ist eine negative Prognose der Beratungsfachkräfte der Agentur, dass der Jugendliche den Schulabschhluss nicht unmittelbar in BVB erreichen kann. Bis Ende 2009 soll es den ARGEn gestattet sein, extra zum Zweck der Qualifizierung auf das Nachholen des Hauptschulabschlusses hin Arbeitsgelegenheiten einzurichten. Die Veröffentlichung des DGB Bundesvorstandes entnehmen Sie in vollem Textumfang dem Anhang oder aufgeführtem Link.
http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abiszdb/abisz_search?kwd=Arbeitsmarkt-Newsletter&showsingle=1
Quelle: DBG
Dokumente: arbeitsmarkt_aktuell_04_09.pdf