Aktuelle Herausforderung für den Übergang Schule-Beruf

Auszüge aus der Publikation „Übergang von der Schule in den Beruf“ von Susan Seeber (Georg-August-Universität Göttingen) als bwpa special:
“ … Herausforderungen
Projektionen von Arbeitskräftebedarf und Arbeitskräfteangebot bis 2030
Die Projektionen zum Arbeitskräftepotenzial zeigen, dass innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre die Zahl der potenziellen Erwerbspersonen altersbedingt deutlich abnehmen wird und sich Arbeitskräftenachfrage und Erwerbspersonenpotenzial annähern werden. …

Mögliche Fachkräfteengpässe werden sich berufsfeldspezifisch vor allem im mittleren Qualifikationssegment zeigen, und zwar auch dann, wenn Wanderungsbewegungen von Fachkräften zwischen den Berufshauptfeldern in die Projektionen einbezogen werden. Nach den Modellrechnungen ist mit Problemen in der Fachkräftesicherung in den Gastronomie- und Reinigungsberufen, Gesundheitsberufen, in Verkehrs-, Lager-, Transport-, Sicherheits- und Wachberufen, auch in be- und verarbeitenden und instandsetzenden Berufen sowie partiell auch in Maschinen und Anlagen steuernden und wartenden Berufen zu rechnen. Angebotsüberhänge hingegen werden in kaufmännischen Dienstleistungsberufen und in Berufen des Warenhandels und Vertriebs erwartet. …

Die Annahmen, den Fachkräftemangel im Gastronomiebereich durch Wanderungsbewegungen sowie an- und ungelernte Personen zu decken, sind möglicherweise sehr optimistisch, da offenbar dieser Bereich durch seine Beschäftigungsstrukturen wenig attraktiv für junge Arbeitskräfte zu sein scheint. Für diese Annahme spricht auch die gegenwärtig günstige Angebots-Nachfrage-Relation am Ausbildungsmarkt, die bereits jetzt auf eine mangelnde Ausbildungsnachfrage in diesem Berufsfeld verweist. …

Herausforderungen für das (berufliche) Bildungswesen
Vor dem Hintergrund der externen Einflussfaktoren auf die berufliche Ausbildung, der Disparitäten im Bildungserwerb und im Ausbildungszugang, aber auch vor dem Hintergrund der Problemlagen im Übergangssystem zeichnen sich für den Bereich der beruflichen Bildung und der Sicherung des Fachkräftebedarfs Herausforderungen ab, die ohne eine aktive Rolle des (beruflichen) Bildungswesens nur schwer zu meistern sind. …

Vielfach gefordert, bisher jedoch nur unzureichend umgesetzt, wird ein verbessertes (regionales) Übergangsmanagement zwischen Schule und Beruf. Dies darf und kann sich nicht in allgemeiner Berufsberatung und unsystematischen, pädagogisch-didaktisch unzureichend eingebundenen Praktika in den oberen Klassen der Sekundarstufe I erschöpfen, sondern bedarf der Einbettung in die Entwicklungs- und Lernprozesse an den Schulen, der Einbindung lokaler Akteure im Bereich der Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung, erfordert aber auch eine betriebspädagogische Fundierung und Strukturierung durch die Unternehmen, die entsprechende Praktikumsplätze anbieten.
Es steht außer Frage, dass gerade Jugendliche, die in Risikolagen aufwachsen, … , die ohne oder mit niedrigen Schulabschlüssen und geringen Kompetenzständen die Schule verlassen, frühzeitig zu unterstützen sind. Eine besondere Problemgruppe stellen dabei niedrig qualifizierte junge Männer dar, deren berufliche Perspektiven durch den berufsstrukturellen Wandel in den klassischen „Männerberufen“ tendenziell eingeschränkt werden.

Vielfach kritisiert wurden in den letzten Jahren die fehlende Anrechnung von im Übergangssystem erworbenen beruflichen Qualifikationen und die de facto fehlende Anrechnung von absolvierten Übergangsmaßnahmen auf spätere Ausbildungszeiten. Einer unzureichenden curricularen Passung zwischen Maßnahmen des Übergangssystems und vollqualifizierenden Ausbildungen wurde zwar durch programmatische und organisatorische Umstrukturierungen sowie durch curriculare Veränderungen der berufsvorbereitenden Angebote in vielen Bundesländern versucht zu begegnen. Dennoch besteht nach wie vor eine erhebliche Diskrepanz zwischen formalen rechtlichen Anerkennungsmöglichkeiten und faktischen Ausbildungszeitanrechnungen durch die ausbildenden Betriebe, die Jugendliche aus Berufsvorbereitungsmaßnahmen in die Ausbildung aufnehmen. … Diese fehlende Anerkennung führt nicht selten zu Ineffizienzen in den Bildungswegen der Betroffenen, zu befürchten sind jedoch vor allem auch negative Effekte auf motivationale und selbstwirksamkeitsbezogene Dispositionen und das spätere Bildungsverhalten der Jugendlichen.

… Bislang fehlen darüber hinaus transparente und verlässliche Verfahren zur Dokumentation von Lernleistungen, die informell oder in anderen Lernkontexten,beispielsweise durch betriebliches Lernen, erworben wurden. Kompetenzpässe können ein erster Schritt sein, um erbrachte Lernleistungen zu dokumentieren, doch sind weitere transparente Verfahren, die die erworbenen Kompetenzen beschreiben und bewerten, zu entwickeln.

… Der Rückgang der Schulabsolventen, der sich, wie aufgezeigt, regional sehr unterschiedlich darstellen wird, stellt eine Reihe von Regionen vor die Herausforderung, in einzelnen Berufen überhaupt noch regionale Fachklassen absichern zu können und vollzeitschulische Ausbildungsstandorte aufrecht zu erhalten. Eine Verstärkung der Tendenz zu Landesfachklassen erschwert die Ausbildungsbedingungen in demografisch rückläufigen Regionen zusätzlich und kann Schulabgänger von bestimmten Ausbildungsangeboten abhalten. … Hier sind neben regionalspezifischen Strategien zum Umgang mit diesem Problem auch Lösungen auf ordnungspolitischer und curricularer Ebene gefordert. Bei Letzterem zeichnen sich seit Jahren Debatten um eine vertikalisierte Strukturierung der Ausbildung (Stufenausbildung), um Querschnittsberufe versus Branchenberufe, um Grundberufe versus Splitterberufe, um Modelle der Berufsgrundbildung und darauf aufbauende spezialisierende Fachausbildung, wie sie vor allem im Baubereich bereits zu finden ist, und Diskussionen um Kern- und spezialisierte Fachausbildung, wie sie in den IT-Berufen konzipiert wurde, ab. Jüngere Diskussionen beziehen sich auf die Bildung von Berufsfamilien, wobei noch nicht geklärt ist, worin Bezugspunkte und Bestimmungsgrößen für Konzipierung von Berufsfamilien und deren curricularer Ausdifferenzierung bestehen.

… Die demografische Entwicklung und das in den letzten Dekaden beobachtete Bildungsverhalten der Heranwachsenden − im Jahr 2011 hielten Ausbildungsanfänger in der dualen Ausbildung (ca. 525.000) und Studienanfänger (ca. 516.000) nahezu die Waage − dürfte zu einer Neujustierung des Verhältnisses von beruflicher Bildung und Hochschulbildung führen. Nicht nur konkurrieren beide Bildungsbereich teilweise um dieselbe Bewerbergruppe, nämlich um Jugendliche mit Hochschulzugangsberechtigung oder (sehr) gutem mittlerem Schulabschluss, sondern die Bildungs- und Qualifizierungsangebote erstrecken sich − zumindest in Teilen − auf dieselben Qualifizierungsfelder. … Eine bessere Verzahnung zwischen beruflicher Bildung und Hochschulbildung kann beispielsweise über neue Studienformen (z. B. duales Studium, berufsbegleitendes Studium), über verlässliche Anrechnungsverfahren für die jeweils im anderen Bereich erworbenen Qualifikationen und über eine Kombination von betrieblicher Ausbildung und Hochschulstudium erfolgen. …“

Die Publikation in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

www.bwpat.de
www.bwpat.de/spezial7/seeber_eara2013.pdf

Quelle: Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online – bwpat

Dokumente: seeber_eara2013.pdf

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