WEIT ENTFERNT VON CHANCENGLEICHHEIT IM BILDUNGSSYSTEM Deutschland strebt die Verwirklichung von Chancengleichheit im Bildungssystem an. Alle Kinder und Jugendlichen sollen unabhängig ihrer sozialen Herkunft oder ethnischen Abstimmung an Bildung teilhaben können. Doch die Realität zeigt, davon ist Deutschland noch weit entfernt. Bereits in der Grundschule wird durch den Namen des Kindes über möglichen Bildungserfolg und damit Teilhabechancen entschieden. Eine Studie der Universität Oldenburg offenbart, dass Kinder mit Namen wie Chantal, Mandy oder Kevin von Lehrkräften für weniger leistungsstark und im Sozialverhalten für problematisch gehalten und entsprechend behandelt werden. Lehrer/-innen schließen aufgrund der Namen auf sozial problematische Milieus. Wie verhält es sich da wohl erst mit ausländisch klingenden Namen? Der Trend der Ungleichheit und ungleichen Behandlung sowie ungerecht verteilten Chancen setzt sich fort. Am Ende der schulischen Bildungslaufbahn steht der Übergang in das System der beruflichen Bildung. Eine berufliche Ausbildung ist Voraussetzung für eine berufliche Integration und gesellschaftliche Teilhabe. Bedingt durch den Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen in den letzten Jahren, hat die Zeit des Übergangs von Schule in den Beruf für viele junge Menschen den Charakter einer eigenständigen Lebensphase angenommen. Auch wenn alle Jugendlichen von Schwierigkeiten bei diesem Übergang betroffen sind, haben junge Menschen mit Migrationshintergrund die meisten Hindernisse zu bewältigen. Das Interesse Jugendlicher mit Migrationshintergrund, eine Berufsausbildung im Anschluss an die Schule zu beginnen, ist nicht geringer als das Einheimischer. Dennoch sind die Chancen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund geringer, in eine vollqualifizierende Ausbildung einzumünden, als bei Deutschen. Selbst bei gleichen schulischen Voraussetzungen. Wie lassen sich ungünstige Zugangschancen zur beruflichen Ausbildung für Jugendliche mit Migrationshintergrund im Vergleich zu jungen Menschen ohne Migrationshintergrund erklären? Dieser Frage gingen die Wissenschaftlerinnen Ursula Beicht und Dr. Mona Granato auf den Grund. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung wurden im aktuellen WISO-Diskurs der Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht. Auszüge aus der Studie „Übergänge in eine berufliche Ausbidung – Geringere Chancen und schwierige Wege für junge Menschen mit Migrationshintergrund“: „… Bildungsinstitutionen in Deutschland, welche die Integration gerade von Kindern und Jugendlichen aus sozial schwachen Familien nicht einlösen können, geraten zunehmend unter gesellschaftlichen Druck. Vor dem Hintergrund der neuen Ausrichtung der Integrationspolitik in Deutschland, die stärkere Anstrengungen der Einwanderungsgesellschaft fordert, gilt dies in besonderer Weise für Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien: Aufgrund ihrer sozialen Herkunft gehören sie mit am stärksten zu denjenigen, die von der mangelnden Leistungs- und Integrationsfähigkeit des Bildungssystems betroffen sind. Neben der Integrationsgerechtigkeit des Schulsystems wird neuerdings die Integrationsgerechtigkeit des Ausbildungssystems in Frage gestellt. Dem System der beruflichen Ausbildung kommt im Bildungsprozess eine besondere Bedeutung zu, steht es doch am vorläufigen „Ende“ einer Reihe nacheinander durchlaufener Bildungsinstitutionen und ist gleichzeitig „Bindeglied“ und zentrale Voraussetzung für eine berufliche Integration. Angesichts des erheblichen Mangels an betrieblichen Lehrstellen im vergangenen Jahrzehnt hat sich der Übergang zwischen Schule und Ausbildung für viele Jugendliche als eine eigene Lebensphase verselbstständigt. Diese Schwierigkeiten betreffen zwar alle, Jugendliche mit Migrationshintergrund jedoch besonders stark. Dies lässt sich beispielsweise an der rückläufigen Ausbildungsquote junger Menschen mit ausländischem Pass im vergangenen Jahrzehnt ablesen. … Auswertungen der BIBB Übergangsstudie zeigen: Jugendliche mit Migrationshintergrund haben nach Beendigung der allgemeinbildenden Schule ein ebenso hohes Interesse an einer Berufsausbildung wie einheimische Jugendliche. Dies gilt auch bei einer Differenzierung nach Schulabschlüssen. Bei den Suchstrategien gibt es gleichfalls keine wesentlichen Unterschiede zwischen beiden Gruppen, auch nicht bei Berücksichtigung der schulischen Voraussetzungen. Dennoch sind die Chancen von nichtstudienberechtigten SchulabsolventInnen mit Migrationshintergrund, rasch nach Schulende in eine vollqualifizierende Ausbildung einzumünden – selbst mit den gleichen schulischen Voraussetzungen – wesentlich geringer. D.h., auch unter Kontrolle der schulischen Bildungsvoraussetzungen haben junge Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland einen geringeren Zugang zu beruflicher Ausbildung. … Im wissenschaftlichen Diskurs wurden zur Erklärung der geringeren Einmündungschancen junger Menschen mit Migrationshintergrund in eine vollqualifizierende Ausbildung lange Zeit vorwiegend individualtheoretische Ansätze verwendet, wie z.B. die These der kulturellen Differenzierung, die mittlerweile als Erklärungsansatz grundlegend dekonstruiert wurde. Auch die (formalen) Bildungsvoraussetzungen können keinen Beitrag mehr leisten zur abschließenden Erklärung der geringeren Zugangschancen. Zu fragen ist vielmehr nach der gleichberechtigten Verwertung derselben Bildungsvoraussetzungen, die bisher nur zum Teil gegeben scheint. Zunehmend diskutiert wird in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung ressourcentheoretischer Ansätze: Auszuloten gilt es, wie sich das kulturelle und soziale Kapital von Jugendlichen und ihren Eltern, zu dem beispielsweise Netzwerkressourcen gehören, auf den Zugang zu berufl icher Ausbildung auswirken. Gleichzeitig bietet es sich an, Selektionsprozesse und -mechanismen am Übergang Schule – Ausbildung stärker in den Blick zu nehmen, insbesondere gruppenspezifische Zuschreibungen gegenüber Jugendlichen mit Migrationshintergrund bzw. bestimmten Gruppen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Auch schulischen und betrieblichen Eigenlogiken, die hinter den Entscheidungsprozessen von Verantwortlichen stehen, ist als Erklärung für die geringeren Zugangschancen zu Ausbildung mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Angesichts der erklärten bildungspolitischen Zielsetzung der Bundesregierung und der Sozialpartner, allen jungen Menschen in Deutschland eine Berufsausbildung zu ermöglichen, gilt es erheblich stärker als bisher den Zugang junger Menschen mit Migrationshintergrund zu einer vollqualifizierenden Ausbildung zu fördern. Entlang der neuen Integrationsrichtlinien ist es hierbei erforderlich, an einer Veränderung der Regelstrukturen ebenso anzusetzen wie an den Kompetenzen und Potenzialen junger Menschen mit Migrationshintergrund. Die Angebotsstrukturen sollten sich dabei zielgruppenspezifisch differenziert deutlich stärker als bisher an denjenigen jungen Menschen orientieren, die trotz guter schulischer Voraussetzungen keine vollqualifizierende Ausbildungsmöglichkeit finden. … BILDUNGSPOLITISCHE SCHLUSSFOLGERUNGEN UND HANDLUNGSPERSPEKTIVEN … Angesichts der erst mittelfristig zu erwartenden grundlegenden Entspannung der Ausbildungslage in Westdeutschland sowie der erklärten bildungspolitischen Zielsetzung der Bundesregierung und der Sozialpartner, allen jungen Menschen in Deutschland eine voll qualifizierende Berufsausbildung zu ermöglichen, ist eine breit angelegte und abgestimmte Qualifizierungsoffensive für junge Menschen mit (und ohne) Migrationshintergrund in einem integrierten Förder-Programm erforderlich, um zu mehr Bildungsgerechtigkeit zu gelangen. Dabei gilt es, die Differenzierung zwischen jungen Menschen deutlich stärker als bisher in den Blick zu nehmen und bei den Förderangeboten erheblich stärker als bisher die Heterogenität der SchulabsolventInnen wie AltbewerberInnen (mit und ohne Migrationshintergrund) im Hinblick auf ihre Lernvoraussetzungen und Bildungsabschlüsse, ihre Kompetenzen und Potenziale, ihre lernbiografischen Erfahrungen, ihr Alter und Geschlecht, ihren Migrationshintergrund und ihre Erstsprache zu berücksichtigen. Auch sind die unterschiedlichen Handlungsfelder erheblich stärker als bisher aufeinander zu beziehen und miteinander abzustimmen: Angefangen bei der qualitativen Verbesserung und quantitativen Ausweitung präventiver Maßnahmen der Berufsorientierung, die frühzeitig an lebensweltorientierten Schulen ansetzen sollten, über die qualitative Verbesserung und zielgruppenspezifische Differenzierung der Ausbildungsvorbereitung über die Förderung des Zugangs zu bzw. der Durchführung von vollqualifizierender Ausbildung (betrieblich oder außerbetrieblich) – bis zur abschlussbezogenen Nachqualifizierung junger Erwachsener gilt es, die Förderangebote für junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in einem integrierten Förderprogramm zu bündeln. Dieses sollte vorzugsweise im Rahmen einer Regelförderung regional umgesetzt und gesteuert werden (z.B. durch ein regionales Übergangsmanagement). Ein solches integriertes Förder-Programm sollte zielgruppenspezifisch, differenziert und nachhaltig an folgenden Handlungsfeldern ansetzen: • Eine „zweite Chance“: konsequent Nachqualifizierung anbieten, • vollqualifizierende Ausbildung für alle – betriebliche Ausbildung, • vollqualifizierende Ausbildung für alle – außerbetriebliche Ausbildung, • Vielfalt als Chance – Diversity als integrierte Unternehmensstrategie, • regionales Übergangsmanagement und Übergangssystem qualitativ verbessern und zielgruppenspezifisch differenzieren, • Anerkennung von Schul- und Berufsbildungsabschlüssen aus dem Herkunftsland. * Eine „zweite Chance“: konsequent Nachqualifizierung anbieten Die Schwierigkeiten und geringeren Chancen junger MigrantInnen bei der Einmündung in eine vollqualifizierende Ausbildung haben zur Folge, dass sie längerfristig gesehen wesentlich häufiger als junge Einheimische von Ausbildungslosigkeit betroffen sind. … Knapp die Hälfte der ausbildungslosen jungen Menschen mit Migrationshintergrund ist in Deutschland geboren oder bereits vor dem 6. Lebensjahr eingereist. Die anderen sind erst später nach Deutschland gekommen und somit in der Regel als „Quereinsteiger“ mit meist nur geringen Kenntnissen der deutschen Sprache in das deutsche Schulsystem eingemündet. Der Anteil der Ungelernten ist allerdings bei denjenigen, die bereits seit frühestem Kindesalter in Deutschland leben, mit 22 % nicht wesentlich niedriger als bei den erst später, d.h. ab dem 6. Lebensjahr Eingereisten mit 26%. Die Potenziale junger Menschen ohne anerkannten Berufsabschluss dürfen angesichts der sich abzeichnenden demografischen Herausforderungen nicht brach liegen. … Junge Menschen mit (und ohne) Migrationshintergrund sollten die Chance erhalten, einen Berufsabschluss nachzuholen. Diese „zweite Chance“ gilt es konsequent zu fördern, indem den rund 1,09 Millionen jungen Ungelernten mit Migrationshintergrund und den rund 1 Millionen jungen Ungelernten ohne Migrationshintergrund in Deutschland (25 – 35 Jahre Konsortium Bildungsbericht 2006) ein Angebot zur beruflichen Nachqualifizierung in einem anerkannten Beruf unterbreitet wird. …Eine berufsbegleitende modulare Nachqualifizierung bedarf dringend einer Ausweitung in die Fläche und benötigt dazu eine bundesweite Regelförderung. Hierfür ist ein bundesweites und integriertes „Förderprogramm zweite Chance“, d.h. ein Förderprogramm zur modularen berufsbegleitenden Nachqualifizierung für junge Erwachsene mit längerer Laufzeit erforderlich. Nur mit einer soliden Finanzierungsbasis sowie einer nachhaltigen Verstetigung der Förderstrukturen ist es möglich, die bildungspolitische Herausforderung einer „zweiten“ Chance für junge Erwachsene ohne Ausbildungsabschluss zu meistern. Und nur einer solch nachhaltigen Strategie kann es gelingen, die alarmierend hohe Zahl junger Menschen ohne Berufsabschluss künftig deutlich zu senken. … Die Kosten einer dauerhaften Nichtintegration in die Arbeitswelt wären erheblich höher. Zudem würden generationenübergreifende Desintegrationsprozesse begünstigt. … * Vielfalt als Chance – Diversity als integrierte Unternehmensstrategie Vielfalt als Chance – aus Sicht der Betriebe Betriebe verstehen zunehmend: Ein modernes zukunftsfähiges Unternehmen kann es sich nicht leisten, auf die Potenziale junger Menschen mit Migrationshintergrund als Nachwuchskräfte in Ausbildung und Beruf zu verzichten. Allerdings werden ihre Potenziale noch immer zu wenig genutzt. Bei Betrieben und Verwaltungen eventuell bestehende Bedenken, Auszubildende mit Migrationshintergrund einzustellen, gilt es im Vorfeld auszuräumen. Es ist ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es dem unternehmerischen Eigeninteresse dient, die Vielfalt der Kompetenzen und Fähigkeiten aller jungen Menschen nutzen zu können. … Rekrutierungsverfahren von Betrieben können von Annahmen über bestimmte Personengruppen geprägt sein, die den Zugang junger Menschen mit Migrationshintergrund zu einer betrieblichen Ausbildung erschweren. Von besonderer Bedeutung ist daher eine Überprüfung der Personalprozesse im Unternehmen auf Chancengleichheit für alle BewerberInnen das gilt für alle Einzelschritte der Rekrutierung. Hierzu ist ein chancengleiches Auswahlverfahren notwendig. Die Anonymisierung der Bewerbungsunterlagen (ohne Namen und Fotos) für die Vorauswahl von BewerberInnen bildet dabei einen zentralen Bestandteil und zugleich eine effiziente Möglichkeit, die Beteiligung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund an betrieblicher Ausbildung zu steigern: So praktiziert beispielsweise der kaufmännische Verband in der Schweiz bereits erfolgreich die Anonymisierung der Bewerberdaten in seinem Projekt „smart selection“. Dabei zeigt die Auswertung der Kontakte zwischen Lehrbetrieben und Jugendlichen deutlich: „Sind Bewerberdaten anonym, hat die Herkunft keinen Einfluss mehr auf die Erfolgschancen“. Vielfalt als Chance – aus Sicht der Jugendlichen Junge Menschen haben den Vorteil, der in der Vielfalt liegt, bereits erkannt. Sie bevorzugen in der Ausbildung herkunftsgemischte Teams – so eine Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) in Großbetrieben. Demnach empfinden fast alle Auszubildende „die interkulturelle Zusammensetzung und Zusammenarbeit als angenehm und positiv“. Die große Mehrheit (83%) bevorzugt „eine Ausbildung in interkultureller Gruppenzusammensetzung“ – Auszubildende mit Migrationshintergrund besonders häufig. … Die gemeinsame Ausbildung zusammen mit Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft bewerten die jungen Menschen als „interessanter und vielfältiger“. Dementsprechend sind Auszubildende aus herkunftsgemischten Gruppen deutlich häufiger mit ihrer Ausbildung zufrieden als diejenigen aus eigenkulturellen Gruppen. … Vielfalt als Chance – interkulturelle Fähigkeiten nutzen Obgleich es jungen Menschen mit Migrationshintergrund zunehmend gelingt, ihre interkulturellen Kompetenzen z.B. im Berufsalltag erfolgreich einzusetzen und auszuweiten, wovon Betriebe einen deutlichen Nutzen haben, wird ihr Potenzial nicht immer in angemessener Weise (an)erkannt. Der Weg zu einer breiten Nutzung interkultureller Fähigkeiten junger Fachkräfte (nicht nur) mit Migrationshintergrund führt über die Sensibilisierung für interkulturelle Kompetenzen, d. h. ihre Wahrnehmung, Förderung und Wertschätzung durch die Betriebe. Hierfür gilt es, interkulturelle Kompetenzen erheblich stärker als bisher sichtbar zu machen. Dies kann mit der Bilanzierung von Kompetenzen beginnen, die explizit interkulturelle Kompetenzen berücksichtigt. Hiermit könnte eine stärkere Sensibilisierung von Betrieben für den Nutzen interkultureller Kompetenzen erreicht werden die Anforderung interkultureller Kompetenzen bei Stellenausschreibungen wäre ein weiterer Schritt. … Unabdingbar ist die dauerhafte Verankerung der Schlüsselqualifikation „interkulturelle Kompetenz“ für alle in der beruflichen Ausbildung, d.h. für Lernende und Lehrende (Ausbildungspersonal, Berufsschullehrer u.a.) sowie ihre Verankerung in den Ausbildungsordnungen. * Regionales Übergangsmanagement und Übergangssystem qualitativ verbessern und zielgruppenspezifisch differenzieren … Die quantitative Ausweitung der Bildungsangebote im Übergangssystem hat vor Ort erheblich zur Intransparenz der Angebote beigetragen. Als notwendig erachtet werden ressortübergreifende Steuerungskonzepte vor Ort, die u.a. die Aktivitäten bündeln und transparenter gestalten und an den Schnittstellen im Sinne eines „kommunalen Steuerungsinstrumentariums“ eingesetzt werden können. Um den Förderbedarf stärker als bisher zu steuern und zu koordinieren, unterstützt z. B. die Förderinitiative „Regionales Übergangsmanagement“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) 27 Städte und Landkreise beim Aufbau eines passgenauen Übergangsmanagements vor Ort: Dieses systematisiert die bereits vorhandenen Förderangebote, bringt die verantwortlichen Akteure zusammen und stärkt die politische Verantwortungsbereitschaft vor Ort. Die Vernetzung von Beratungs- und Vermittlungsinstitutionen sowie der … (aus)bildungsrelevanten Institutionen und Träger in einem regionalen bzw. kommunalen Kooperationsverbund hat sich zur Erhöhung des Zugangs junger MigrantInnen zu einem Ausbildungsplatz mittels Schaffung von Transparenz vor Ort, zielgruppenspezifscher Differenzierung des Angebots und Vernetzung lokaler Aktivitäten vielfach bewährt. Im Rahmen eines regionalen Übergangsmanagements gilt es daher, moderierte regionale (berufliche) Netzwerke, unter Einbeziehung von Migrantenselbstorganisationen sowie UnternehmerInnen mit Migrationshintergrund auf- und auszubauen, um die Kooperation zwischen allen am Übergangsprozess Beteiligten nachhaltig zu fördern. Angebote im Übergangssystem qualitativ verbessern und zielgruppenspezifisch differenzieren … Notwendig ist daher eine zielgruppenspezifisch differenzierte Ausrichtung vorberuflicher Bildungsangebote, die die Einmündung in eine vollqualifizierende Ausbildung erheblich schneller voranbringt. Insbesondere für SchulabgängerInnen mit Migrationshintergrund mit unzureichenden schulischen Vorkenntnissen ist es erforderlich, bestehende Fördermaßnahmen qualitativ zu verbessern und am tatsächlichen Förderbedarf zu orientieren, u. a. durch: – Differenzierung der Förderangebote unter Berücksichtigung der heterogenen Lernvoraussetzungen sowie der Migrationsgeschichte, – Sprachförderung als integraler Bestandteil von Qualifizierungsmaßnahmen, – aktive und kontinuierliche Begleitung im Übergangs- und Qualifizierungsprozess, – Stärkung der Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten durch Einsatz migrationssensibler Verfahren zur Kompetenzfeststellung und -entwicklung Kompetenzfeststellung als Ausgangspunkt von Kompetenzentwicklung, – Sicherung kleiner und kontinuierlicher Lerngruppen, – Professionalisierung des Bildungspersonals sowie Schulung im Umgang mit heterogenen Lernergruppen, für Deutsch als Zweitsprache sowie für migrantenspezifi sche Belange und interkulturelle Kompetenzen, – Einsatz mehrsprachigen Personals bzw. von Personal mit Migrationshintergrund, – Erhöhung des Anteils betrieblicher Praktika. Mentoring ausbauen … Der Übergangsprozess sollte durch ein breit angelegtes Mentoring-Programm unterstützt werden. Hierbei sollten geschulte MentorInnen zur aktiven, kontinuierlichen Begleitung insbesondere junger Menschen mit Migrationshintergrund eingesetzt werden – von der ersten beruflichen Orientierung (5. Klasse), beim Übergang von der Schule in die Ausbildung, im Verlauf der Ausbildung und darüber hinaus beim Übergang in den Beruf. Die Begleitung durch einen „Paten/Patin“ mit Vorbildfunktion durch den gesamten Orientierungs-, Übergangs- und Qualifizierungsprozess hindurch bis zu einer stabilen ausbildungsadäquaten Einmündung in den Beruf könnte neben der Stabilisierung und Stärkung der eigenen Fähigkeiten erheblich zum Gelingen der Qualifizierung und der Einmündung in den Beruf beitragen. MentorInnen könnten u.a. in ihrer Funktion als „Brückenbauer“ als Ansprechpartner für Unternehmen fungieren und so einen Beitrag dazu leisten, fehlende berufl iche Netzwerke von Migrantenfamilien ein Stück weit zu kompensieren. … FAZIT … Das Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe an beruflicher Ausbildung kann letztlich nur durch eine gleichberechtigte Teilhabe an Bildung erreicht werden, d.h. durch eine gleichberechtigte Partizipation an allen Bildungsetappen. Dies bedeutet erstens die Herstellung von Bildungsgerechtigkeit im vorschulischen Bereich wie im allgemeinbildenden Schulsystem für alle Kinder in Deutschland unabhängig von ihrer sozialen, sprachlichen oder ethnischen Herkunft als eine zentrale Voraussetzung für Chancengerechtigkeit im Ausbildungssystem. Und zweitens die Herstellung von Chancengerechtigkeit beim Zugang, Verlauf und Abschluss einer Ausbildung sowie drittens bei der Verwertung der beruflichen Abschlüsse in einer ausbildungsadäquaten Beschäftigung. … Dabei ist es wesentlich, die bisherige Kumulation von Bildungsungerechtigkeit in den verschiedenen Phasen des Bildungsverlaufs umzukehren in einen Abbau ungleicher Startchancen und Lernbedingungen … Ein weiterer zentraler Schritt ist die gleichberechtigte Verwertungsmöglichkeit bzw. Anerkennung formaler Bildungsabschlüsse sowie informeller Kompetenzen bei den verschiedenen Bildungsübergängen durch die nachfolgende Bildungsinstitution und den Arbeitsmarkt unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft. “ Die Studie in vollem Textumfang entnehmen Sie bitte aufgeführtem Link oder dem Anhang.
http://www.bibb.de/de/52287.htm
http://www.vielfalt-als-chance.de
http://www.kvschweiz.ch/medieninfo
Quelle: Bundesinstitut für Berufsbildung
Dokumente: WISO_Diskurs_Geringe_Chancen_fuer_junge_Menschen_mit_Migrationshintergrund.pdf