Jugendarmutskonferenz 2009: keinen jungen Menschen auf dem Standstreifen des Lebens abstellen

WEGE ZUR INKLUSUON BENACHTEILIGTER JUNGER MENSCHEN Deutschland ist ein reiches Land, trotzdem sind Jugendliche und junge Erwachsene in besonderer Weise von Armut bedroht oder direkt betroffen. Die Bedingungen sind erschreckend: Im Rahmen der ALG II-Regelleistungen stehen einem jungen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren aktuell 106,19 Euro für Nahrung und Getränke, 28,70 Euro für Kleidung und Schuhe sowie jeweils 11,48 Euro für Gesundheitspflege und Mobilität im Monat zur Verfügung. Materielle Armut hat massive Auswirkungen auf alle Lebensbereiche der jungen Menschen. Jugendarmut zeigt sich im Alltag immer wieder in ganz konkreten Schicksalen und Beispielen: • wenn Patricia kein Geld für Medikamente gegen ihre schmerzende Neurodermitis aufbringen kann, die die Krankenkasse nicht mehr zahlt, • wenn Teddy den Brief vom Jobcenter verbaselt/vergessen/verdrängt/ignoriert hat und sich nicht rechtzeitig gemeldet hat, kommt die Sanktion, • wenn Fuzzy, in einer Bedarfsgemeinschaft lebend, mit 18 keinerlei Unterstützung bekommt, um aus dem miesen Zuhause ausziehen zu können, • wenn Janine morgens hungrig in die Schule kommt, • wenn Sandra nicht am Schulmittagessen teilnimmt, weil die 2,50 € dafür den Hartz-IV-Satz deutlich übersteigen, • wenn Pit als so genannter „Erstaufsteher“ aufwächst, weil sich die Eltern nicht darum kümmern, ob er in die Schule geht, geschweige denn, ob er ein Frühstück oder ausreichend Klamotten bekommt, • wenn Martina – allein erziehend, halbtags arbeitend, „Aufstockerin“ – sich das Geld für eine kleine Geburtstagsfeier ihrer vierzehnjährigen Tochter vom Mund abspart und die Mitschülerinnen dann nicht kommen, weil deren Eltern ihre Kinder nicht in so einen Haushalt schicken wollen. Diese Beispielliste könnte bis ins nahezu Unendliche fortgeführt werden. Obwohl diese Beispiele in den letzten Jahren deutlich und flächendeckend zugenommen haben, wird Jugendarmut als gesellschaftliches Problem sehr zögerlich wahrgenommen. Mit der Jugendarmutskonferenz 2009 rückt die BAG KJS die Thematik in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten und trägt zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit bei. In seiner Eingangsrede machte Pater Franz-Ulrich Otto SDB, Vorsitzender der BAG KJS, die Verantwortung der katholischen Jugendsozialarbeit unmissverständlich deutlich: „Wir werden es nicht zulassen, dass junge Menschen auf dem Standstreifen des Lebens abgestellt sind. Wir werden alles tun, was wir können um das zu verhindern und machen überall den Mund auf.“ Zur Bekämpfung von Jugendarmut wurden im Rahmen der Konferenz u.a. folgende Forderungen formuliert: – Der eigenständige Blickwinkel auf die Problematik Jugendarmut ist zu Gunsten einer resortübergreifenden Sichtweise zu verändern. Die Politikbereiche Jugend, Arbeit und Soziales sowie Bildung sind zu einer kohärenten Jugendpolitik zu vernetzten. – Eine bedarfsgerechte, einkommensunabhängige Grundsicherung für Jugendliche ist einzuführen. Dabei sind tatsächliche Ausgabenbedarfe zu berücksichtigen. – Das SGB II ist hinsichtlich der Zuverdienstmöglichkeiten im Niedriglohnbereich weiter zu entwickeln. – Der sozialen Arbeitsmarkt soll erhalten bleiben. – Die Wirtschaftförderung ist stärker auf den Binnenmarkt als auf den Exportmarkt auszurichten. – Die Schulsozialarbeit ist flächendeckend auszubauen. – Das Bildungs-/Schulsystem ist durchlässiger zu gestalten. Jeder Partner, ob Kommune, Land oder Bund, hat seiner Verantwortung nachzukommen. Das gegenseitige Schuld zuschieben ist zu unterlassen. Vier Praxisforen behandelten die Beutung von Jugendarmut in der Jugendsozialarbeit. Anhand von Praxisbeispielen wurden wirkungsvolle Konzepte zur Bekämpfung von Jugendarmut in den Bereichen ‚Bildung und Ausbildung‘, ‚Schuldenprävention‘ und ‚Aufsuchender Arbeit‘ vorgestellt sowie Resilienzfördernde Ansätze in der Arbeit mit benachteiliten Jugendlichen erörtert. Zu den von Armut betroffenen Jugendlichen gehöhren vor allem auch die sogenannten ‚verlorenen‘ Jugendlichen. Gemeint sind Jugendliche mit individuellen schlechten Startchancen wie problematischen Herkunftsfamilien oder schwierigen Bildungsbiographien. Sie sind ausgeschlossen vom Ausbildungs- und/oder Arbeitsmarkt, werden institutionell ausgegrenzt und sozial isoliert. Sie verfügen kaum über Ressourcen für Bewältigungsstrategien und drohen durch alle Maschen des Netzes zu fallen. Für eine gelingende Armutsprävention ist vertieftes Wissen über diese Personengruppe erforderlich. Das Deutsche Jugendinstitut wurde von der BAG KJS mit der Erstellung einer Expertise beauftragt. Erste Erkenntnisse des Forschungsprojekts ‚Verlorene Jugendliche am Übergang Schule – Beruf‘ wurden zum Schluss der Jugendarmutskonferenz vorgestellt.“

Quelle: BAG KJS

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