Handlungsvorschläge für eine Verbesserung des Übergangs Schule-Beruf

Um die Situation des Übergangs von der Schule in die Ausbildung zu verbessern und ein „Grundrecht auf Ausbildung“ umzusetzen formuliert der DGB Bundesvorstand neun Handlungsvorschläge: ## Berufsorientierung und individuelle Berufswegeplanung in den allgemeinbildenden Schulen in Kooperation mit Betrieben müssen zum Standardangebot werden
## Bundesagentur für Arbeit muss zentrale Rolle bei der Berufsberatung einnehmen
## Berufsvorbereitung als Einstieg in Ausbildung
## Regionales Übergangsmanagement stärken
## Zwei-Klassensystem in der Ausbildungsvermittlung überwinden
## Qualität von Maßnahmen und Programmen evaluieren
## Übergänge klarer strukturieren
## Pädagogisches Personal professionalisieren
## Rolle der Gewerkschaften und von Betriebs- und Personalräten stärken
Auszüge aus den Handlungsvorschlägen:
Berufsorientierung und individuelle Berufswegeplanung in den allgemeinbildenden Schulen in Kooperation mit Betrieben müssen zum Standardangebot werden
Die Berufsorientierung muss sich am individuellen Bedarf der einzelnen Jugendlichen orientieren. Die Jugendlichen sollen sich frühzeitig mit ihren Kompetenzen, beruflichen Plänen und ihren Chancen in der Berufs- und Arbeitswelt auseinandersetzen. Nur wer sich frühzeitig mit der Frage der beruflichen Zukunft und der individuellen Möglichkeiten auseinandersetzt, Erfahrungen sammelt und die Berufswelt erlebt, kann überhaupt eine fundierte Wahl treffen. Untersuchungen belegen, dass dort, wo eine systematische Orientierung auf den Übergang Schule Beruf stattfindet, die Vermittlung Jugendlicher nach der Schule wesentlich erfolgreicher ist. …

Berufsorientierung soll Schülerinnen und Schüler frühzeitig darin unterstützen, ihre individuellen Interessen und Stärken zu erkennen, eigene berufliche Ziele zu entwickeln, sich zielgerichtet und realitätsbezogen mit den Strukturen, Entwicklungstendenzen, Anforderungen der Lebens- und Arbeitswelt sowie den Bedingungen ihres Wandels auseinander zu setzen und den Übergang in die Arbeitswelt erfolgreich zu gestalten.

Oft ist die Berufswahl junger Menschen von Klischees bzw. Nicht-Wissen über die Inhalte verschiedener Berufe, vor allem neuer Berufsbilder, geprägt. … Die Umstellung bzw. Neuausrichtung der Materialien, die in der Berufsorientierung zum Einsatz kommen, müssen geschlechtergerecht sein. Dazu zählen die ausgewogene Gestaltung der Publikationen mit Fotos junger Frauen und Männer in „untypischen Berufen“ genauso wie eine geschlechtergerechte Schreibweise. Die Fachkräfte der Berufsorientierung und Ausbildungsvermittlung müssen über Gender-Kompetenz verfügen.

In außerschulischen Lernsituationen sollen Schülerinnen und Schüler Einblick in die Arbeitswelt gewinnen. Die Schule muss hierzu in festen Kooperationen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren wie Eltern, Berufsberatung, berufliche Schulen, Unternehmen, Vereinen, Jugendsozialarbeit, Hochschulen, usw. zusammenarbeiten. …

Aufbauend auf der allgemeinen Berufsorientierung im Unterricht sollten die Schulen die Möglichkeiten der vertieften Berufsorientierung intensiv nutzen, so dass mit steigendem Alter der Berufswunsch klarer herausgearbeitet wird. Da Bildung und Berufsorientierung gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind, ist es nicht sachgerecht, dass die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung die Kosten tragen. Deshalb muss die Finanzierung der Berufsorientierung mittelfristig komplett von den für Bildung zuständigen Bundesländern übernommen werden.

Die individuelle Berufswegeplanung, als Intensivierung der Berufsorientierung, muss fest in der Schule verankert werden. Sie soll gemeinsam mit einer umfangreichen Beratung und Begleitung der Berufswahl ein Pflichtangebot in allen allgemeinbildenden Schulen sein und spätestens in der 7. Klasse beginnen. Dies muss stärker in der Lehreraus- und -fortbildung berücksichtigt werden. … Eine gute individuelle Berufswegeplanung darf nicht nur vom Engagement der einzelnen Lehrerin bzw. des einzelnen Lehrers abhängen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) ist aufgefordert, individuelle Berufswegeplanung verstärkt in Curricula und in der Lehreraus- und -fortbildung zu verankern. Jugendliche sollen in die Lage versetzt werden, eine qualifizierte Entscheidung zu treffen. Sie sollen Handlungskompetenz erwerben, um sich reflektiert den Anforderungen der heutigen Berufswelt stellen zu können. Damit Schülerinnen und Schüler einen Einblick in die Arbeitswelt bekommen, bietet sich eine Lernortverlagerung an. Es geht dabei um gemeinsames Lernen im Betrieb, nicht um bloße Anwesenheitspraktika.

Berufsvorbereitung als Einstieg in Ausbildung
Berufsvorbereitung muss denen vorbehalten sein, die zusätzliche Unterstützung benötigen. Alle anderen brauchen ein Ausbildungsangebot. Die Berufsvorbereitung muss gezielt Defizite beseitigen und auf Anschlüsse in Ausbildung hinzielen. Allen Jugendlichen in Berufsvorbereitung muss ein Anschluss in Ausbildung eröffnet werden. Die Länder und die allgemeinbildenden Schulen müssen ihrer Pflicht zur Vermittlung von berufsqualifizierenden Abschlüssen endlich gerecht werden.

Die Zahl der Schulabbrecher muss mit verbindlichen Vorgaben drastisch reduziert werden. Berufsvorbereitende Maßnahmen müssen von ihren Inhalten her so ausgestaltet werden, dass sie ausbildungsrelevante
Kompetenzen vermitteln, die dann auch auf die nachfolgende Berufsausbildung angerechnet werden können.

Das Problem der Anrechnung zeigt sich bspw. beim Instrument der Einstiegsqualifizierung (EQ). Die Einstiegsqualifizierung ist ein von der Arbeitslosenversicherung gefördertes 6- bis 12-monatiges Praktikum, durch das die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe erhöht werden soll. Die Anrechnung auf eine mögliche anschließende Ausbildung wird häufig mit Verweis auf fehlende schriftliche Nachweise und fehlenden Berufsschulbesuch abgelehnt. Die BA muss deshalb bei der Vermittlung von Einstiegsqualifizierungen an Unternehmen auf eine Bescheinigung über Qualifizierungsinhalte und auf den Berufsschulbesuch bestehen. …

Für Jugendliche, die nicht im ersten Anlauf einen Ausbildungsplatz bekommen haben, können Tarifverträge die Möglichkeit eröffnen, eine betriebliche Ausbildungsvorbereitungsphase zu vereinbaren.
Der Arbeitgeberverband METALL NRW und die IG Metall haben mit dem Tarifvertrag zur Förderung von Ausbildungsfähigkeit (TV FAF) beispielsweise einen neuen Weg in die Berufsausbildung eröffnet.

Über die weitgehende Integration in die Belegschaft des Betriebes und in den betrieblichen Arbeitsprozess soll die Motivation zur Ausbildung gestärkt und durch gezielte Förderung (z. B. Abbau schulischer Defizite, Aufbau sozialer Kompetenz, sozialpädagogische Begleitung) die Ausbildungsfähigkeit erhöht werden. Die betriebliche Praxis steht hier im Mittelpunkt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten am Ende der Fördermaßnahme in ein anerkanntes Berufsausbildungsverhältnis übernommen werden können.

Regionales Übergangsmanagement stärken
Ausbildungsmärkte sind oft regionale Märkte. Das bedeutet, dass den lokalen Akteuren für die Gestaltung des Übergangs Schule Beruf eine herausragende Rolle zukommt. Für die Jugendlichen entscheidet sich vor Ort, ob der Einstieg und die Integration in das Berufsleben gelingen.

Die berufliche Förderung junger Menschen ist bisher zersplittert in Aufgaben, die über die allgemeine Schulbildung wahrgenommen werden, sowie die in verschiedenen Sozialgesetzbüchern kodifizierten Regelungen der Arbeitsförderung, des Hartz IV-Systems und der Kinder- und Jugendhilfe. Eine wirkliche Vernetzung und ein stringentes Zusammenarbeiten der einzelnen Akteure auf lokaler Ebene ist bisher die Ausnahme. …

Notwendig sind klare Zuständigkeiten für jeden beteiligten staatlichen Akteur, der Abbau überflüssiger Verwaltungsschnittstellen und eine Form institutionalisierter Zusammenarbeit der Arbeitsverwaltung mit
den Trägern der Jugendhilfe (insbesondere Jugendberufshilfe). Dies kann in Form einer Jugendkonferenz oder auch räumlich konzentriert in einem so genannten Jugendhaus (Bsp. Bielefeld) geschehen, wo Aufgaben der Arbeitsförderung, der Bildungspolitik und der Jugendhilfe integriert werden.

Zwei-Klassen-System in der Ausbildungsvermittlung überwinden

Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung sollten stärker als ein einheitlicher, aufeinander aufbauender Prozess verstanden werden. Von daher sollten die Zuständigkeiten möglichst
nicht zersplittert werden. So sollte für die Ausbildungsvermittlung aller Jugendlicher (also auch der Hartz IV-Empfänger) ausschließlich die Arbeitslosenversicherung zuständig sein. Dies ist die logische Folge der vorher ebenfalls wesentlich durch die BA vorgenommenen Berufsorientierung und Berufsberatung. Auch die berufsvorbereitenden Maßnahmen werden bisher von der BA durchgeführt und finanziert.

Damit könnte das bestehende Zwei-Klassen-System bei der Betreuung von ausbildungssuchenden Jugendlichen überwunden werden. Im Ergebnis werden Kinder und Jugendliche unterschiedlich behandelt von verschiedenen staatlichen Stellen je nach Einkommenssituation ihrer Eltern. Jugendliche, die aufgrund der Bedürftigkeit ihrer Familien Hartz IV benötigen, sind bisher bei der Ausbildungssuche benachteiligt. Sie können in Ein-Euro-Jobs abgeschoben werden oder bekommen Druck, aufgrund der Bedürftigkeit ihrer Familie so schnell wie möglich Geld zu verdienen – auf Kosten weiterführender Schulabschlüsse oder einer (Wunsch)Ausbildung. …

Den Übergang Schule Beruf klarer strukturieren
Der Übergang Schule Beruf ist für viele Jugendliche zu einem intransparenten Dschungel geworden: Die Trägerstrukturen (Land, Kommunen, BA, Hartz IV-System etc.) sind vielfältig. Ein nicht unerheblicher Teil der Übergangsmaßnahmen weist nur wenig Anschlussfähigkeit und Arbeitsmarktakzeptanz im Vergleich zu einer traditionellen Berufsausbildung auf. Der Erfolg dieser Maßnahmen ist zweifelhaft. …

In berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen sind zu viele Jugendliche „geparkt“, denen nichts fehlt außer einem Ausbildungsplatz. Orientiert am Hamburger Ausbildungsmodell schlägt der DGB vor, den Übergang Schule Beruf nach folgendem Muster klarer zu strukturieren:
Jugendliche müssen nach erfolglosen Bewerbungen um einen dualen Ausbildungsplatz die Möglichkeit erhalten, in einer Berufsfachschule ein erstes Ausbildungsjahr zu absolvieren. Abgeschlossen wird ein Bildungsvertrag, ohne Ausbildungsvergütung, doch mit anderweitiger Förderung nach individuellen Voraussetzungen. Nach dem ersten Ausbildungsjahr in einer Berufsfachschule wird der erreichte Ausbildungsstand dokumentiert. Entweder wechseln die Jugendlichen dann in eine duale Ausbildung, wobei die Anrechnung durch die Betriebe zu sichern ist. Oder sie setzen mit garantierter Anrechnung ihre Ausbildung im Rahmen öffentlich geförderter Ausbildung bei Trägern fort, die sie dann in das zweite und dritte Ausbildungsjahr übernehmen und einen regulären Ausbildungsvertrag abschließen. In allen Maßnahmen muss ein hoher Anteil an betrieblicher Praxis verankert sein, um die Akzeptanz unter den Akteuren zu erhöhen. …

Pädagogisches Personal professionalisieren
Notwendig ist eine Verzahnung der Akteure an den jeweiligen Schnittstellen Schule/Beruf/Arbeitsleben, um durch eine Begleitung in den Phasen des Übergangs Stärken gezielt zu fördern und Schwächen sofort zu erkennen, um gezielt sozialpädagogische Begleitung anzubieten. Durch den Einsatz von Mentoren oder einer diesbezüglichen Qualifizierung der vorhandenen Akteure an den Schnittstellen für diese Funktion wird auch eine Nachhaltigkeit im gesamten Bildungsprozess gesichert.

Die Qualifizierungsschwerpunkte für das Bildungspersonal ergeben sich aus der jeweiligen Institution und den damit einhergehenden Schnittstellen. Der DGB fordert die Aus-, Fort- und Weiterbildung für das Bildungspersonal, das als zentraler Akteur in einem regionalen Übergangsmanagement tätig ist. Dazu gehören Insbesondere folgende Personengruppen:
• die Lehrkräfte in allgemein bildenden Schulen,
• die Lehrkräfte an den beruflichen Schulen,
• die Sozialpädagoginnen und -pädagogen,
• die Ausbilderinnen und Ausbilder (auch die in Praktikumsbetrieben) und
• die Weiterbildungsberater (Personalentwickler).
• ehrenamtliche Akteure (Lehrer/innen und Ausbilder/innen in Ruhestand)

Bei einem erfolgten Berufseinstieg muss von Beginn an bis zur vollständigen Integration in die Arbeitswelt Jugendlichen eine intensive Begleitung und Betreuung zur Seite stehen. Diese Mentoren sollten in der zweiten Betreuungsphase Kontakt mit den verantwortlichen Ausbildern pflegen. Fachliche Defizite, persönliche Probleme mit Kollegen oder Vorgesetzten, die bei einem Berufseinstieg auftreten, sollten gemeinsam besprochen werden, Hilfen werden diesbezüglich angeboten. Es werden Berufskarrieren aufgezeigt und Hilfsmittel zur Identifikation des Qualifikationsbedarfs der zu Betreuenden zur Verfügung gestellt. … „

Die Ausarbeitung des DGB in vollem Umfang entnehmen Sie bitte dem Anhang.

http://www.jugend-bw.dgb.de/Schule/allgemeine_News/Weniger_ist_Mehr/

Quelle: DGB-Bundesvorstand

Dokumente: Weniger_ist_Mehr___Jugendliche_im_Uebergang_zwischen_Schule_und_Beruf.pdf

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